VfL Wolfsburg - Eintracht Frankfurt

DFB-Pokal 1988/1989 - 1. Hauptrunde

1:1 n.V. (0:0, 0:0)

Termin: 06.08.1988
Zuschauer: 5.500
Schiedsrichter: Lutz Michael Fröhlich (Berlin)
Tore: 0:1 Jörn Andersen (93.), 1:1 Mosert (116.)

 

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VfL Wolfsburg Eintracht Frankfurt

  • J. Sievers
  • Kammel
  • Wilhelmi
  • Otto
  • Beese
  • Geiger
  • Pahl
  • Ansorge
  • Ament
  • Plagge
  • Fiebich

 


 

Wechsel

  • Schlumberger für Fiebich (58.)
  • Mosert für Geiger (82.)

Wechsel

Trainer

  • Horst Hrubesch

Trainer

 

Selbst der bequemste Weg erwies sich als unbegehbar

Klarste Chancen ausgelassen / Amateure erzwangen Wiederholungsspiel

Ein kleines „buckliges" Automobil mit Winker und „Brezelfenster", im Volksmund liebevoll „Käfer" genannt, hat der Stadt Wolfsburg zu weltweiter Bedeutung verholfen. Die Turnerin Anja Wilhelm, die Leichtathleten Erwin Skamrahl und Uwe Becker, die Judoka Alexander von der Groeben und Steffen Stranz, die Gewichtheber und reichlich bundesdeutsche Titel haben Wolfsburg aber auch zu einer Sportstadt allererster Güte gemacht.

Und in Sachen Fußball gilt der VfL als das, was man im Fachjargon einen „Pokalschreck" nennt. Hannover 96 strich dort vor Jahresfrist die Segel und Werder Bremen wandelte hart am Rande eines Debakels, als die Wolfsburger seinerzeit binnen zwei Minuten aus einem 1:4 ein 4:4 machten und sich erst in der Verlängerung geschlagen gaben. Nein, ein weißer Fleck auf der Landkarte des Sportes ist Wolfsburg, im Zonenrandgebiet kurz hinter Hannover gelegen, beileibe nicht.

Jetzt ging am Samstag abermals ein Jubelschrei durch die Stadt, in der die Wiege des Volkswagens steht. Nach torlosen 90 Minuten erzwangen sie gegen Eintracht Frankfurt wieder einmal eine Verlängerung. Doch Andersens Führungstreffer nach 93 Minuten schien dem Bundesligisten über die Amateur-Hürde hinweg in die zweite Runde des DFB-Pokals zu helfen. In Scharen trollten sich die Anhänger des VfL, doch auf den Parkplätzen flogen die Autotüren wieder zu, atemlos hetzten die Menschen zurück auf die Stehterrassen und reckten die Hälse in Richtung Sensation. Vier Minuten vor dem Ende war gelungen, woran die wackeren Amateure wohl selbst nicht mehr geglaubt hatten: Mosert schob vorbei am entsetzten Torhüter Uli Stein den Ball in das Netz des Frankfurter Tores: 1:1 nach Verlängerung, Wiederholungsspiel in Frankfurt. „Wir wollten unserer Mannschaft mal das Waldstadion zeigen", spöttelte Wolfsburgs Vorsitzender Günter Brockmeyer.

Daß ein Amateurligist einen Bundesligisten aus der höchsten Spielklasse die Stirn bietet und die Zähne zeigt ist normal in den Spielen um den DFB-Pokal. Daß die Kleinen die Großen in die Verlängerung zwingen, weil sie in 90 Minuten das „Spiel ihres Lebens" machen, auch das gehört noch in den Bereich einer gewissen Logik. Schwerer erklärbar wird es aber dann, wenn selbst in der Verlängerung die Profis keine Entscheidung herbeiführen können. Aber auch das ist alles schon mal dagewesen. Geislingen und der Hamburger SV lassen grüßen.

Doch was sich die Frankfurter in der halbstündigen Verlängerung in Wolfsburg leisteten, trieb selbst einem alten Fahrensmann wie Karlheinz Feldkamp die Zornesröte ins Gesicht. „So etwas habe ich in all meinen Jahren als Spieler und Trainer noch nicht erlebt", tobte Feldkamp nach dem Spiel. „Wenn die das Wiederholungsspiel nicht klar und deutlich gewinnen, können die alle ihre Verträge zurückgeben", schimpfte der 53 Jahre alte Fußball-Lehrer, dessen Lernfähigkeit am Samstag heftig beansprucht wurde.

Es waren die sogenannten „hundertprozentigen" Chancen, die die Frankfurter ausließen. „Wenn ich mit denen Fußball spielen müßte, würde ich einigen kräftig in den Hintern treten", sagte der frühere Nationalspieler Horst Hrubesch, den sie einst das „Ungeheuer" riefen, der mit der Nationalmannschaft Europa- und Vize-Weltmeister geworden ist. Andersen, mehrere Male Turowski, Binz und Heitkamp, sie alle arbeiteten Möglichkeiten heraus, die genügt hätten, um drei Spiele zu gewinnen. Doch als Konsequenz gefragt war, als es galt den Ball ins Tor zu schießen, da stolperten und strauchelten sie, schossen freistehend vorbei und über den Kasten. Den bequemsten Weg fanden sie nicht.

„Diese Dilettanten", wütete auch Manager Wolfgang Kraus. Kreidebleich und verstört kamen die Spieler aus der Kabine, weil Kraus nach dem Schlußpfiff getobt hatte wie noch nie in seiner Amtszeit. „Ich habe unten gestanden und überlegt, was wir jetzt noch falsch machen können, damit der Ball nicht ins Tor geht", beschrieb Trainer Feldkamp seine Gemütsverfassung. Händeringend, mit hochroten Köpfen und haareraufend mußten Kraus und Feldkamp zusehen, wie ihre Spieler im trüben fischten.

Daß es den Frankfurtern über 90 Minuten nicht gelang, einen Unterschied zwischen Bundesliga und einem ambitionierten Amateurligisten herauszuarbeiten, daß die Eintracht über 90 Minuten eine schlimmes Alibi-Gekicke mit Kurzpaßspiel über fünf Meter anbot, war schon schlimm genug. Aber daß sie nicht fähig, willens und in der Lage war, in der Verlängerung angesichts solcher Chancen den „Sack zuzumachen", ist wohl unverzeihlich. Selbst gegen neun Wolfsburger Feldspieler, Libero Kammel war bei erschöpftem Auswechselkontingent vom Platz gehumpelt gelang den Frankfurter kein zweites Tor mehr. „Bundesliga zwei — Eintracht ist dabei", höhnten schadenfroh die Wolfsburger Zuschauer.

Körbel, Binz und Hobday hielten mühsam ein Team zusammen, das eigentlich keines ist, das in diesen Tagen und Wochen einem aufgeschreckten Hühnerhaufen gleicht. „Macht euch keine Gedanken, es kann alles noch viel schlimmer werden", hatte beim Supercup-Spiel der grüne Landtagsabgeordnete Joschka Fischer gespottet und recht behalten. „Wir müssen uns abfangen", sagte Kalli Feldkamp. Das hört sich an, als pfeife da einer im dunklen Wald.

Am heutigen Montag spielt die Eintracht in Athen gegen Olympiakos Piräus — gegen Lajos Detari... (Frankfurter Rundschau vom 08.08.1988)


Wolfsburgs Amateure blamierten den Titelverteidiger

Nach 0:4 Punkten in der Bundesliga blamierte sich Pokalsieger Eintracht Frankfurt nun auch beim Pokal-Auftakt bis auf die Knochen. Gegen zehn Amateure des VfL Wolfsburg reichte es in der Verlängerung nur zu einem 1:1.

Eine Stunde lang kamen die Bundesliga-Profis nicht einmal zu einem Torschuß gegen Wolfsburgs Torwart Jörg Sievers, dem Bruder von Frankfurts Ralf. Dann flankte Andersen von rechts vors Tor, und Hobday scheiterte mit einem Hechtkopfball gegen den Amateur-Torwart. Das 1:0 gelang den Frankfurtern erst in der Verlängerung. 93. Minute: Studer hebt den Ball zu Hobday. Der flankt und Andersen köpft ein.

Sieben Minuten später humpelt Wolfsburgs Kammel raus. Trainer Hrubesch hat schon zweimal ausgewechselt, muß mit zehn Mann weiterstürmen. Frankfurt kontert jetzt. Doch wie die Chancen vergeben wurden - das war noch kläglicher als das einfallslose Anrennen vorher: Turowski, Binz, Studer, Heitkamp und Andersen scheiterten frei vor Torwart Sievers. Das rächt sich: Schlindwein verschätzt sich im Laufduell gegen Ansorge. Der flankt von rechts außen, und Mosert verwandelt zum Ausgleich (116.). Dieser Mosert hat seine eigene Pokalgeschichte: Vor drei Jahren schoß er im Pokal drei Tore für Hänigsen beim 5:2 gegen Zweitligist Osnabrück. (Bild am Sonntag)

 

 

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