Eintracht Frankfurt - Schachtjor Donezk

UEFA-Cup 1980/1981 - 1. Runde, Rückspiel

3:0 (2:0)

Termin: 01.10.1980
Zuschauer: 25.000 
Schiedsrichter: José Garcia Carrion (Spanien)
Tore: 1:0 Bernd Hölzenbein (4.), 2:0 Bum-Kun Cha (38.), 3:0 Bum-Kun Cha (70.)

 

 

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Eintracht Frankfurt Schachtjor Donezk

 


  • Viktor Tschanow
  • Valeri Rudakow
  • Igor Simonov
  • Viktor Kondratow
  • Alexej Warnawski
  • Anatoli Radenko
  • Wladimir Rogowski
  • Michael Sokolowski
  • Vitalij Staruchin
  • Nikolai Fedorenko
  • Waldimir Safonow

 

Wechsel Wechsel
  • Bondarenko für Nikolai Fedorenko (52.)
  • Wladimir Malij für Anatoli Radenko (61.)
Trainer Trainer
  • Viktor Nosov


 

Es geht wieder aufwärts

„Endlich, jetzt geht es wieder aufwärts.“ Das sagt Bernd Nickel, aber nicht, weil die Eintracht am Wochenende gegen den MSV Duisburg durch einen von Hölzenbein wenige Minuten vor dem Ende verwandelten Elfmeter die Scharte der vorangegangen Niederlage in Bochum wieder halbwegs auswetzen konnte oder Bum-Kun Cha in diesem Spiel seine Rückkehr auf den Platz feierte. Nein, Nickel hat selbst Grund zur Freude, denn vier Wochen nach seinem Innenbandriss im Knie wurde der Gips entfernt und am kommenden Montag will er am Riederwald wieder mit Lauftraining beginnen. „Der Muskelschwund am Bein beträgt ungefähr drei Zentimeter“, berichtet Trainer Buchmann: „Das kann Bernd schnell aufholen, zumal er zu Hause schon mit dem Sandsack arbeitet.“ Nickel, der in den letzten drei Jahren unter anderem zwei Achillessehnen-Risse überstanden hat, wünscht sich wieder einen ähnlich problemlosen Heilungsverlauf: „Hoffentlich geht diesmal auch alles glatt.“

Am besten so glatt wie bei Bum-Kun Cha, der nach seiner schweren Verletzung im Lendenwirbelbereich überraschend schnell wieder einsatzfähig wurde. „Selbstverständlich habe ich nachgedacht, hatte Angst und manchmal auch etwas Resignation, wußte nicht, ob ich wieder Fußball spielen kann. Am Anfang war die Angst ganz schlimm“, gesteht Cha und fügt hinzu: „Ich bin noch nicht völlig fit, habe erst 80 Prozent meiner Leistungsfähigkeit erreicht und verspüre auch noch Schmerzen, wenn ich mir auf den Rücken drücke. Aber ich habe auch schon direkt nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus meine Beinmuskulatur trainiert. Mein fester Glaube an Gott hat mir geholfen, die Verletzung zu überwinden. Es ist fast ein Wunder ...“

„Mein Glaube gebietet mir zu verzeihen, Rache gibt es für mich nicht“, begründet Cha im Interview mit dem „kicker“ seinen Verzicht auf eine Anzeige wegen Körperverletzung gegen Jürgen Gelsdorf, der ihm die Verletzung mit einer Attacke von hinten zugefügt hat. Den foulspielenden Akteur so lange zu sperren wie sein Gegenspieler wegen der Verletzung ausfällt, hält Cha für einen „sehr interessanten Vorschlag, aber schwer durchzuführen. Denn die Absicht müsste bei dem Foulspiel wirklich festgestellt werden.“ Die Fans fordert er unmissverständlich auf, Drohungen gegen den Leverkusener Verteidiger zu unterlassen: „Gelsdorf hat sicherlich sehr schwer für diese Attacke gebüßt, jetzt muss damit endlich Schluss sein. Ich gehe davon aus, dass er nie mehr absichtlich einen Gegenspieler so hart attackiert. Ich appelliere an alle Fußballfans, Jürgen Gelsdorf zu unterstützen, dass er unbelastet seinem Beruf weiter nachgehen kann.“

„Ich möchte sehr gerne noch einmal gegen Jürgen Gelsdorf spielen, und wenn er fair spielt, habe ich keine Angst“, beantwortet Cha die nächste Frage und will seine Spielweise nicht ändern: „Auf keinen Fall will ich Angst zeigen. Ich werde so spielen wie früher, ich kann gar nicht anders spielen. Ich kann auch von den Gegenspielern nicht erwarten, dass sie gegen mich fairer als gegen andere sind. Aber die Spieler sind alle Kameraden und sollten sich gegenseitig respektieren, da der Fußball ihr Beruf ist.“ „Die Bundesliga ist weltweit anerkannt, dementsprechend müssen auch ihre Spieler auftreten. Wir tragen alle eine hohe Verantwortung.“

Und Chas Verantwortung bei der Eintracht wird um Montag um 18 Uhr im Salon 14 des Frankfurter Hofes nicht geringer. Unter den Blitzlichtern der anwesenden Fotografen setzt Cha im Beisein des kompletten Eintracht-Präsidiums seine Unterschrift auf pinkfarbenes Papier, auf dem sein neuer Zwei-Jahresvertrag geschrieben steht. „Diese Vertragsverlängerung war mein erklärtes Ziel bei meinem Amtsantritt im Juni“, erklärt Vizepräsident Dieter Lindner stolz, „denn um Cha und Pezzey wollen wir die neue Eintracht der Zukunft bauen.“ „Ich wollte immer in Frankfurt bleiben und freue mich, dass der Vorstand der Eintracht alle meine Wünsche erfüllt hat“, lässt Cha übersetzen, dessen Jahresgage von 200.000 DM auf 400.000 DM angehoben worden sein soll: „Mit dem Vorstand, mit Manager Udo Klug und mit Trainer Lothar Buchmann bin ich hervorragend ausgekommen, die Mannschaftskollegen sind immer freundlich und hilfsbereit. Ich bin froh, dass ich zwei weitere Jahre bleiben darf. Ich wäre ungern von Frankfurt weggegangen.“

„Die Verdienstmöglichkeiten in der Bundesliga sind sehr gut. Ich würde nie alles aufgeben, nur weil ein anderer Verein noch etwas mehr bietet. Ich bin mit den jetzigen Konditionen sehr zufrieden und hoffe, dass ich auch die entsprechende Gegenleistung erbringen kann“, sagt Cha, der die Angebote anderer Klubs bestätigt: „Bayern München war an mir interessiert. Ich habe auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich sehr gerne einmal für die Münchner gespielt hätte, wenn ich mit Frankfurt nicht einig geworden wäre. Auch Inter Mailand hat bei mir angeklopft und bei Vereinen in Saudi-Arabien und Amerika hätte ich bestimmt mehr verdient, aber die laufen mir mit 27 Jahren so schnell nicht weg.“ Für die Zukunft bleiben die USA „natürlich“ eine denkbare Option, denn dort leben auch viele koreanische Landsleute. Aber wenn ich gesund bleibe und meine Leistung stimmt, will ich noch fünf Jahre in der Bundesliga spielen, denn sie ist die beste Liga der Welt.“

Bei der Eintracht bis 1984 oder gar 1985 zu verlängern, war dagegen kein Thema: „Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Schon vor Monaten sagte ich, dass ich für zwei Jahre verlängern will. Ebenso hätten es auch drei Jahre sein können. Jetzt bin ich ja erst einmal für fast drei Jahre noch bei der Eintracht, das ist eine lange Zeit.“ Auch seine Rolle im Sturm passt ihm: „Mit meiner jetzigen Position bin ich sehr zufrieden, dort bleibe ich auch noch für einige Jahre. Später würde ich mich auch einmal für das Mittelfeld interessieren.“

Heimweh nach Südkorea habe er keines, jedenfalls „im Moment noch nicht, ich habe viele Freunde hier. Ende des Jahres fahren wir auch wieder kurz nach Seoul. Der neue Präsident Chun wird mich auszeichnen, da ich in die Weltelf gewählt wurde, die im November in Spanien spielt. Das gibt ein großes Volksfest in Seoul.“ „Im Fernsehen werden Bundesligaspiele gezeigt“, ergänzt seine Frau Oh Un Mi, die selbst dafür Sorge getragen hat, dass die in Südkorea lebenden Fans ihres Ehemannes nicht gänzlich auf ihn verzichten müssen: „Ich habe veranlasst, dass die Deutsche Botschaft in Seoul den ‚kicker‘ bezieht. Die Wochenzeitschrift Tonga Sports veröffentlicht die Berichte über die Eintracht und Cha aus dem ‚kicker‘.“

Nicht untätig werden auch die Verantwortlichen der Eintracht bleiben, wie Manager Klug mit Recht erinnert, „denn 11 Verträge müssen im nächsten halben Jahr noch abgehakt werden“. Dazu gehört auch der von Karl-Heinz Körbel. Dieter Lindner stellt dennoch zufrieden fest: „Mit Pahl, Sziedat, Lorant, Neuberger, Pezzey, Hönnscheidt, Nachtweih und Cha haben wir das Gerippe der Mannschaft über das Jahr 1981 hinaus fest gebunden.“

Dass der Vizepräsident Norbert Hönnscheidt zu diesem „Gerippe“ zählt, überrascht einigermaßen, dass Klaus Funk in der Aufreihung fehlt, dagegen nicht. Um ein Haar wäre der Ersatztorwart vor wenigen Wochen zu Fortuna Köln transferiert worden, doch nun steht er seit drei Wochen anstelle des verletzten Stammtorhüters Pahl zwischen den Pfosten und hat seine Sache sowohl beim Hinspiel in Donezk als auch am Samstag gegen den MSV Duisburg zufriedenstellend bis sehr gut gemacht. „Der Klaus hat endlich begriffen, dass er nichts zu verlieren hat“, glaubt Manager Klug, während Funk sich überrascht und dankbar zeigt, dass er gegen den MSV nicht wie gewöhnlich sofort ausgepfiffen wurde, als er in der Anfangsphase patzte: „Das gab mir Selbstvertrauen. Das war vom Publikum sehr fair. Jetzt ist ein Fundament da!“ Die Frage bleibt, wem Buchmann das Vertrauen schenken wird, wenn Pahl wieder fit ist. „Wenn ein Angebot kommt, unterhalte ich mich mit Trainer und Manager. Sagt mir der Trainer, dass ich die Nummer zwei bin, gehe ich, wenn mir die Eintracht die Freigabe erteilt“, stellt Funk klar, der gegen Schachtjor sein fünftes Pflichtspiel in Folge machen wird.

Es ist übrigens das zweite Mal nach 1974, dass die Eintracht in einem europäischen Wettbewerb auf eine ukrainische Mannschaft trifft. Beim ersten Mal behielt im Europapokal der Pokalsieger Dynamo Kiew in beiden Duellen die Oberhand und gewann am Ende auch den Wettbewerb. Wer sich am Mittwochabend in der Endabrechnung durchsetzen wird, ist nach der 0:1-Niederlage in Donezk offen. „Das wird eine ganz schwere Partie, es soll sich bloß keiner zu sicher fühlen“, warnt Buchmann: „Konditionell können die allemal mithalten und taktisch ist es für Donezk einfach. Die stellen sich hinten rein und warten auf Konter.“ „Da darf nichts passieren“, fordert Buchmann, denn bei einem Gegentor müsste die Eintracht drei Treffer erzielen: „Staruchin und die zweite Spitze müssen hundertprozentig ausgeschaltet werden.“ Körbel, der vor seinem 30. Europacupspiel steht, weiß genau, wer mit Staruchin auf ihn zukommt: „So wie der mich in Donezk beim Elfer, der zum Gegentor führte, reingelegt hat – das passiert mir nur einmal.“ Die Kondition des Gegners schätzt er aber anders ein als sein Trainer: „Die Kraft wird entscheidend sein, für uns entscheidend. Denn auch im Hinspiel ließ Schachtjor in der zweiten Halbzeit stark nach.“

„Wir müssen in die zweite Runde. Wenn‘s sein muss, in der Verlängerung. Die Kraft dazu haben wir. Unser Spiel wird besser sein als gegen Duisburg“, verspricht Buchmann vollmundig: „Ich erwarte von der Mannschaft einen 90-minütigen Sturmlauf, wie sie ihn gegen Duisburg am Samstag in der zweiten Halbzeit vorexerziert hat.“ „Wir müssen die Mannschaft einfach packen“, meint auch Körbel und liefert einen weiteren Grund: „Mit Cha, Nachtweih und Pezzey sind wir viel stärker als im Hinspiel besetzt.“ „Im Training läuft es schon wieder prächtig, besonders Cha ist in seinem Tatendrang kaum zu zügeln“, berichtet Buchmann, der im Gegensatz zum Aufeinandertreffen in Donezk auf eine geradezu prall gefüllte Auswechselbank zurückgreifen kann, auf der Ersatzkeeper Jüriens, Blättel, Trapp, Schaub, und Hönnscheidt sitzen werden: „Gerade Schaub und Hönnscheidt könnten für uns ganz wichtig sein, sollte es in der Schlussphase eng werden und wir wieder einen Sieg mit der Brechstange benötigen.“

„Der Triumphzug durch den UEFA-Pokal war ein einmaliges Erlebnis“, schwärmt Körbel in der Sportzeitung der Eintracht: „Ich hoffe, dass wir auch in dieser Saison so begeisternde Spiele – vor allem im Waldstadion – zeigen können wie damals.“ Diese Hoffnung teilen 25.000 Zuschauer, die der Eintracht eine Einnahme von rund 300.000 DM bringen. Dass beim Erreichen der nächsten Runde davon jeder Spieler zwei Prozent als Prämie erhält, sollte für zusätzliche Motivation bei den Frankfurtern sorgen.


1:0 durch Hölzenbein

Die werden nach dem Anpfiff erst einmal von der offensiven Ausrichtung des Gegners überrascht. Den ersten Treffer erzielen aber dennoch die Hausherren. In der 4. Minute passt Lorant 40 Meter vor dem Donezker Tor zu dem neben ihm laufenden Borchers, der aus zentraler Position den Ball auf die linke Seite zu Neuberger zieht. Der hat mit Fedorenko nur einen Verteidiger gegen sich, den er nach innen lockt, um dann den Ball weit links vorbei zu legen und freie Bahn zu haben. Aus dem vollen Lauf schlägt er eine angeschnittene Flanke in den Strafraum, die Nachtweih am kurzen Pfosten im Rückwärtslaufen zwar verpasst, aber am zweiten Pfosten mit Hölzenbein den gewünschten Adressaten findet. Mit der Innenseite nimmt er den Ball aus der Luft und trifft aus sechs Metern flach in die rechte Ecke des Gästetores.

Diese frühe Führung verhilft der Eintracht allerdings nicht zu größerer Ruhe. Die lauffreudigen Gäste unterbinden das Spiel der Frankfurter, in dem sie früh stören und die Räume eng machen. Unter diesem Druck kommt es bei Lothar Buchmanns sonst so kombinationssicheren Truppe zu ungewohnten Missverständnissen. Und in 13. Minute ist es dann fast der Ausgleich fällig: Der ungemein offensive Verteidiger Warnawski steht plötzlich völlig frei vor Schlussmann Funk. Warnawski zögert einen Moment, was Lorant die Gelegenheit gibt, seine Fußspitze dazwischen zu bringen und die Chance zu vereiteln.

Doch auch wenn die Spielzüge der Eintracht aufgrund vieler Fehlpässe häufig einen fragmentarischen Charakter haben, haben sie mehr Esprit als die schematisch vorgetragenen Kraftakte der Gäste. Von Erfolg gekrönt sind die Angriffe freilich vorerst nicht. So fängt, nachdem Pezzey einen Eckball des bemühten, aber blass bleibenden Nachtweih verlängert, Torwart Tschanow Hölzenbeins Kopfball in der 14. Minute sicher und drei Minuten später verpasst der Eintracht-Kapitän nur knapp eine Vorlage von Lottermann. Nach 19 Minuten bringt Borchers acht Meter vor dem Kasten einen Querpass von Cha nicht unter Kontrolle und wieder drei Minuten danach köpft Nachtweih eine Flanke von Borchers knapp rechts am Tor vorbei.

Nachdem Lottermann in der 28. Minute Pezzey elf Meter vor dem Tor bedient, doch Tschanow den Ball um den rechten Pfosten gelenkt hat, kommen die Ukrainer nach etwas mehr als einer halben Stunde zur zweiten großen Ausgleichsgelegenheit. Unfreiwilliger Vorbereiter ist der wieder einmal patzende Eintracht-Torhüter Funk, der den Ball abprallen lässt und so Staruchin in Position bringt. Der schießt sofort, doch Pezzey kann mit vollem Einsatz zur Ecke abfälschen. Keine Frage: Pezzey ist der Fels in einer Abwehr, die sonst alles andere als felsenfest wirkt. Das allerdings hat auch seinen Preis, denn der Libero kommt deswegen heute Abend nicht so oft wie sonst zu seinen Ausflügen in die Hälfte des Gegners.

Nötig ist das nicht, denn jetzt beginnt die Eintracht endlich ihre Konter konzentriert zu Ende zu spielen. Nach 33 Minuten schickt Hölzenbein den ungemein fleißigen Borchers steil, der mit seiner Sprintstärke seinen Gegner das Nachsehen gibt wie Neuberger vor dem Führungstreffer. In die folgende Flanke fliegt Cha wie eine aufgezogene Feder, verfehlt mit seinem Kopfball das 2:0 aber um wenige Zentimeter. Schade, das wäre ein traumhafter Treffer geworden.


2:0 durch Cha

Fünf Minuten später kommt Cha dann doch zu seinem Tor. Ein Abstoß von Funk rutscht einem Gästespieler kurz vor der Mittellinie beim Annahmeversuch über den Oberschenkel. Der Ball rollt in die Hälfte der Gäste, wo Hölzenbein schneller reagiert als sein Bewacher. Gedankenschnell passt er das Leder mit dem Außenrist auf den linken Flügel, was nicht nur seinen Gegenspieler, sondern drei weitere Verteidiger, die sich auf den Sturmführer des Titelverteidigers konzentriert haben, schachmatt setzt. Cha hat nun freie Bahn und zieht unwiderstehlich davon. Erst als er im Strafraum auf den aus seinem Kasten gekommenen Tschanow trifft, stoppt er ab und scheint kurz zu zögern. Doch dann legt er den Ball nach einer Körpertäuschung links am Torhüter vorbei und schießt im Fallen aus sieben Metern flach neben den linken Pfosten zum 2:0 ein.

Staruchin will die Schnelligkeit des Frankfurter Stürmers nicht wahrhaben und reklamiert immer noch auf Abseits, während die Frankfurter schon auf den Weg zurück in ihre Hälfte sind. Staruchin macht sich auf den Weg zum Linienrichter auf der rechten Seite und reißt mehrmals beide Arme auf Schulterhöhe, um sein Unverständnis deutlich zu machen. Erst als sein Kamerad mit der Nummer 11 ihn abfängt, am Arm nimmt und ihn zum Anstoßpunkt schickt, dreht Staruchin ab. Immer noch widerwillig geht er in Richtung des Mittelkreises, zieht die Schultern nach oben und breitet beide Hände nun fragend in Hüfthöhe aus. Wäre das Spiel des Torschützenkönigs und aktuellen Fußballer des Jahres in der Sowjetunion heute Abend so gefährlich wie er gestenreich, hätte die Eintracht sicher größere Probleme.

„Wir haben große Schwierigkeiten mit den Russen, die aber auch eine ganze Klasse besser spielen als im Hinspiel“, ist Manager Klug zur Halbzeit nur mit dem Ergebnis, aber nicht mit dem Spiel der Eintracht zufrieden. „Hoffentlich geht das heute gut“, bangt er. Doch nach Wiederanpfiff zum zweiten Durchgang wird schnell klar, dass sich einige der Gästespieler mit dem Tempo der ersten Halbzeit übernommen haben. Der technisch beschlagene Fedorenko, der Borchers immer seltener folgen kann, wird in der 52. Minute gegen Leonard Malij ausgetauscht. 120 Sekunden danach hat die Eintracht die nächste Chance. Hölzenbein gibt zu Lottermann und der lässt den Ball für Neuberger abtropfen. Neuberger, der ohne direkten Gegner spielend jede Gelegenheit nutzt, mit nach vorne zu stoßen, schießt sofort, doch der überzeugende Tschanow pariert.

Die Gangart der Ukrainer wird nun härter und der großzügig leitende spanische Unparteiische José Garcia Carrion lässt sie gewähren. Darunter hat besonders Cha zu leiden, der sich aber nicht beeindrucken lässt. Von Hölzenbein eingesetzt, scheitert er nach einer Stunde mit seinem Schuss von der Strafraumgrenze an Tschanow. Nun wechselt Trainer Viktor Nosov zum zweiten Mal: Wladimir Malij kommt für Anatoli Radenko. Es ist nicht zu erkennen, ob es Malij oder der sonst gut von Sziedat bewachte Rogowski ist, der sogleich die Gelegenheit zum Anschlusstreffer bekommt, der die Ukrainer in die nächste Runde bringen würde. Doch den knallharten Schuss aus kurzer Distanz wehrt Funk mit einer blitzschnellen Reaktion ab.

Die Elf aus Donezk drückt weiter, die Frankfurter finden sich in der Verteidigung wieder. Der Anhang der Gastgeber zittert und die Abwehr von Buchmanns Elf wankt, aber sie fällt nicht. Und ihr Kapitän Hölzenbein hilft ihr mit seiner Ruhe und Cleverness auch in dieser Phase der größten Bedrängnis. Zwanzig Minuten vor dem Ende rettet er am eigenen Strafraum, treibt den Ball dann im Spurt über 30 Meter zur Seitenlinie und schlägt von dort einen Pass über 40 Meter in die Hälfte des Gegners auf Cha. Der kommt zwar von seinem Bewacher bedrängt mit dem Kopf nicht an den Ball, den nimmt dafür aber der hinter ihm postierte Lorant auf. Lorant nimmt die Kugel einige Meter mit, wird angegriffen und passt dann vor dem Strafraum auf Cha. Der könnte nach rechts auf den frei stehenden Nachtweih weiterleiten, doch der sonst nicht eigensinnige Angreifer hat anderes im Sinn. Er spielt den ersten Gegner aus und wird im Sechzehner vom nächsten nicht schnell genug angegriffen. Dessen Zurückweichen nutzt Cha zu einem mächtigen Schuss aus 14 Metern, der jedoch direkt auf Tschanow zufliegt. Doch vom linken Unterarm des bislang überragend haltenden Schlussmannes prallt das Geschoss zum 3:0 ins Tor.

Das ist die Entscheidung. Von diesem Treffer erholen sich die Gäste nicht, auch wenn sie nicht sichtbar aufgeben. Allein der Glaube, in den letzten zwanzig Minuten noch zwei Tore erzielen zu können, fehlt der Truppe, die bereits so viel Kraft gelassen hat, nun verständlicherweise. Nach 90 Minuten, in denen Lottermann mit seinen Schüssen knapp einen vierten Treffer verpasst, hat die Eintracht drei Tore auf dem Konto und Willi Neuberger eine Gelbe Karte auf dem „Kerbholz“. Die hat er, wie erklärt wird, wegen „provozierten Abseitsspiels“ erhalten, weil er bei einem Angriff der Gäste das Spielfeld verlassen hat, um die gegnerischen Stürmer auf diese Weise ins „Abseits“ zu stellen.

„Diesmal musste ich mich bei meinem Tor gar nicht hinsetzen“, witzelt Hölzenbein nach dem Schlusspfiff in Anspielung auf seinen Sitzkopfballtreffer gegen Bukarest im letzten Jahr. Nach dem 3:0 durch Cha hatte sich der Kapitän aber der Länge nach auf den Rücken gelegt und vor Freude gezappelt wie ein Maikäfer: „Mann, war ich erleichtert!“ „Hätte Bernd Hölzenbein heute für Donezk gespielt, dann wäre der UEFA-Cup-Sieger Eintracht Frankfurt aus dem Pokal geflogen“, lobt der verletzte Nickel seinen Kollegen, der an allen Treffern beteiligt war und als einziger Ruhe ins oft überhastete Spiel seiner Mannschaft brachte: „Es ist mir aber nicht immer gelungen“, merkt der Kapitän selbstkritisch an.

„Es war ein Spiel mit eigenartigem Charakter, ein sehr gutes Spiel, zu dem die Russen einen großen Teil beigetragen haben“, findet Trainer Lothar Buchmann: „Ich muss zugeben, dass mich die Offensive von Donezk überrascht hat. Schachtjor hat uns in große Schwierigkeiten gebracht und wie eine echte Spitzenmannschaft gespielt.“ „Donezk war schwieriger zu spielen als Bukarest, Brünn und selbst die Bayern“, meint Hölzenbein zustimmend und der ehemalige Eintracht- und aktuelle DFB-Trainer Dietrich Weise zeigt sich besonders beeindruckt von der „spieltechnischen und offensiven“ Vorstellung der Gäste.

„Mein Kollege Nosov hat uns damit überrascht, dass seine Mannschaft uns sehr frühzeitig im Mittelfeld störte mit dem Wissen, dass ein Gegentor uns aus der Bahn hätte werfen können“, präzisiert Buchmann und moniert bei seiner Elf: „Trotz der Abschlussschwäche von Donezk sind wir bis zum 3:0 nie ganz zur Ruhe gekommen.“ „Wir hätten öfter in Ballbesitz bleiben müssen“, fordert Buchmann zwar, ist aber „dennoch insgesamt zufrieden, da wir im Abschluss wesentlich stärker waren.“ „Obwohl das 3:0 sehr klar aussieht, muss ich sagen, dass wir mit Donezk eine absolute Spitzenmannschaft geschlagen haben“, wiederholt er respektvoll. Dass seine Mannschaft gegen diesen Gegner die zweite Runde erreicht hat, zeigt laut Buchmann „dass es wieder aufwärts geht.“ Er ist sich sicher: „Wenn wir länger in dieser Formation spielen, haben wir bald unsere Spielstärke vom Anfang der Saison zurückgewonnen!“

„Das nächste Mal langt‘s auch zu einem Tor, wenn Lotti so weitermacht“, muntert er den bei der Eintracht weiterhin umstrittenen Lottermann auf, bevor er sich ein anderem zuwendet: „Erfreut bin ich vor allen Dingen über Cha, der auf dem Wege ist, wieder der alte zu werden. Ich darf gar nicht dran denken, wie es ohne Cha ausgesehen hätte.“ „Ich bin nicht ganz zufrieden“, meint der Gelobte bevor es ihn wegen seines immer noch schmerzenden Rückens eilig nach Haus ins Bett zieht: „Nein, (ich bin) noch nicht in alter Form.“ Besonders ärgert ihn die verpasste Chance aus der 33. Minute: „Das wäre ein schönes Tor gewesen.“


Epilog

Witalij Staruchin bleibt in dieser Saison weit hinter den 26 Ligatreffern des Vorjahres zurück: Er beendet die Runde mit lediglich 5 Toren. Während er allerdings hier in allen Wettbewerben mit 13 Toren zusammengerechnet auf die von ihm fast gewohnte zweistellige Trefferzahl kommt, reicht es 1981 lediglich noch zu insgesamt 5 Toren. Hier kann er mit 17 Einsätzen aber auch nur noch etwas mehr als die Hälfte der normalerweise von ihm gemachten Pflichtspiele absolvieren und beendet seine Laufbahn. Am 9.8.2000 stirbt er mit nur 51 Jahren in Donezk an einer Lungenentzündung.

Torhüter Wiktor Tschanow wechselt 1982 zu Dynamo Kiew und kommt bis 1990 auf 21 Einsätze in der Nationalelf der UDSSR. Dort nimmt er als Ersatzmann hinter Rinat Dassajew an einer Europameisterschaft (1988) und drei Weltmeisterschaften teil. Mit Dynamo Kiew erringt er 1986 den Europapokal der Pokalsieger. Atlético Madrid, das im Halbfinale Bayer 05 Uerdingen ausgeschaltet hat, wird im Finale mit 3:0 bezwungen. Unter den Torschützen ist Oleg Blochin, der mit Dynamo Kiew wie erwähnt die Frankfurter Eintracht in der Saison 1974/75 aus dem Europapokal geworfen hat.

1990 geht Tschanow für drei Jahre nach Israel zu Maccabi Haifa. 1991 und 1993 wird er dort Pokalsieger und 1991 Meister. 1994 kehrt er in seine Heimat zurück und beendet seine Karriere im folgenden Jahr bei FK ZSKA-Borisfen Kiew in der 1. ukrainischen Liga. Während Tschanow zeitweise bei Dynamo Kiew als Torwarttrainer aktiv ist, benennt sich sein letzter Klub 2001 letztmalig um. Als FK Arsenal Kiew, der ab Juli 2009 Wadym Rabynowytsch gehört, steigt der Verein am 30. Oktober 2013 aus dem laufenden Spielbetrieb aus und meldet Insolvenz an. (rs)

 

 

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