Michael Sziedat *22. 08. 1952 Ab 1961 bis 1971 BC Lichterfelde 1912, BFC Preussen Berlin, 1971 bis 1980 Hertha BSC Berlin, 1980 bis 1984 Eintracht, 1984/85 Hertha BSC Berlin.
Keener, der flennt ... Sachlich, sicher, solide und hart – das sind die Attribute, die in den meisten der Bewertungen seiner Spiele zu finden sind. Die Eintracht wurde auf den Verteidiger und Kapitän der Hertha noch einmal aufmerksam, als er im März 1980 mit dem Tabellenletzten aus Berlin anreiste, im Waldstadion mit 4:0 gewann und dabei Bum-Kun Cha – wenn auch nicht immer regelkonform – im Griff hatte. Nach dem Abstieg von Hertha BSC sollte Sziedat von der Spree an den Main wechseln und Horst Ehrmantraut den umgekehrten Weg gehen. Ehrmantraut war am Ende der Saison zwar in die erste Elf gerutscht, doch das war der Verletzung von Helmut Müller geschuldet. Die Neuverpflichtung des Jahres 1979 hatte die Erwartungen nicht erfüllt, hatte bei der Eintracht aber noch einen Vertrag bis zum 30.6.1981. „Ehrmantraut ist kein Schlechter, hat im UEFA-Cup bewiesen, dass er kein Fehleinkauf war“, aber die Eintracht brauche jetzt im Umbau einen anderen Spielertypus, erklärte Vizepräsident Dieter Lindner: „Robust, deckungstreu, standfest wie ein Fels. Damit wir auswärts nicht mehr so labil sind.“ „Geplant war seit langem ein Tausch Sziedat für Ehrmantraut. Wenn Ehrmantraut jetzt dem Tausch nicht zustimmt, denn so etwas hängt allein von seinem Einverständnis ab, dann müssen wir überlegen, ob wir Sziedat dennoch kaufen. Die Sache wird noch in dieser Woche forciert und über die Bühne gebracht, ehe ich nach Korea fliege. Wir sind an Sziedat sehr interessiert“, bekräftigte Manager Klug. Doch Klug hatte sich getäuscht, das „Tauschgeschäft wurde zur Hängepartie. Horst Ehrmantraut wurde von der Reise freigestellt, um mit Hertha BSC Berlin einig zu werden. „Ich habe dem Horst gesagt, dass Sziedat bei mir erst einmal Vorrang hat“, stellte Buchmann klar. „Die Eintracht hat mich dazu gedrängt, hat mich vor die Alternative gestellt, zu Hertha zu gehen oder bei ihr wieder auf der Bank zu hocken“, beklagte sich Ehrmantraut: „Ich höre mir das in Berlin einmal an. Und wenn ich dort nicht bessere Bedingungen vorfinde, dann bleibe ich in Frankfurt und erfülle meinen Vertrag bei der Eintracht.“ „Ich habe vier Jahre lang unter ihm trainiert und lediglich im ersten halben Jahr Schwierigkeiten gehabt, dann bin ich blendend mit dem Trainer ausgekommen“, sagte Ehrmantraut über Herthas neuen Coach Klimaschefski, den er aus seiner Homburger Zeit kannte: „Er ist ein Typ, der einzelne Spieler offen und ehrlich kritisiert. So etwas mag ich, da weiß man, woran man ist. Das ist etwas, was ich bei der Eintracht sehr vermisst habe.“ Aber auch nach Klugs Rückkehr war die Sache noch nicht entschieden, die Eintracht, die außer Sziedat nur Amateurspieler verpflichtete, hatte wohl kaum die finanziellen Mittel für beide Akteure. Horst Ehrmantraut hatte auch mit Hertha BSC verhandelt, doch Ehrmantraut signalisierte, seinen Vertrag in Frankfurt erfüllen zu wollen: „Ich mach' mich jetzt nicht mehr verrückt und werde voraussichtlich meinen Vertrag bei der Eintracht erfüllen.“ „Wenn der Horst bleibt, wird wohl aus der Verpflichtung von Michael Sziedat nichts“, befürchtete Eintracht-Trainer Buchmann. An Michael Sziedat hatte nun auch Fortuna Düsseldorf Interesse, die die von der Hertha geforderte Ablöse von 800.000 DM aber nicht bezahlen wollte. „Ich habe mich jetzt zehn Tage lang verrückt gemacht, jetzt lasse ich die Sache auf mich zukommen und gehe nur noch dann, wenn ein großes Angebot kommt“, erklärte Sziedat. „Wie sich der Verein verhält, das kann einen schon ärgern. Erst drängen sie wie verrückt auf meinen Wechsel, dann lassen sie nichts von sich hören. Jetzt bleibe ich wahrscheinlich, und selbst wenn Sziedat doch noch kommt, werde ich meinen Kampf um einen Platz in der Bundesliga nicht aufgeben. In die Zweite Liga kann ich immer noch freiwillig zurückgehen“, ließ sich Ehrmanntraut scheinbar nicht beeindrucken. „Ich kann ihn nicht zu einem Wechsel zwingen und verstehe auch seine Position. Seine Entscheidung, bei der Eintracht zu bleiben, muss von meiner Seite keine negativen Folgen für ihn haben. Es ist das Problem der Eintracht, einen Spieler aus einem laufenden Vertrag zu bringen. Gelingt das nicht, gehört er wie jeder andere zu uns“, kommentierte Buchmann. Der neue Trainer des frischgebackenen UEFA-Pokalsiegers hatte sich mit der finanziellen Situation der Eintracht arrangiert: „Ich hätte gern zwei Neuzugänge gehabt, aber ich werde wohl jetzt auch ohne sie mit der Situation fertig werden müssen. Es wird eine schwere Saison geben, denn das Ende der Karriere von Jürgen Grabowski trifft die Eintracht auf jeden Fall. Aber ich hoffe, dass alle ihre Ärmel hochkrempeln und sagen, es muss auch ohne ihn und Neuzugänge gehen“, sagt der neue Eintracht-Trainer. Manager Klug wurde sich dann aber mit der Hertha einig, die 300.000 Mark für Ehrmantraut bezahlt haben soll. Für Sziedat musste man also per Saldo eine halbe Million auf den Tisch legen, wobei Ehrmantraut für seinen Vertragsverzicht von der Eintracht eine Abfindung erhalten haben dürfte. Manager Klug sprach von einem „tragbaren Transfer“: „Gemessen daran, wie wir Horst Ehrmantraut ansetzen konnten, ist Michael Sziedat für uns ein preiswerter Spieler.“ Im Haus des Vizepräsidenten Dieter Lindner in Nieder-Erlenbach unterschrieb Sziedat für zwei Jahre. Mit Sziedat – so schrieb die Abendpost/Nachtausgabe bereits in Sziedats erster Hinrunde - bekam man einen „Verteidiger, wie ihn sich die Eintracht immer gewünscht hat: hart, kompromisslos, zuverlässig.“ „Sachlich und zuverlässig, ohne Schnörkel und Schaueffekte, hart und kompromisslos — so hat sich Michael Sziedat bei der Eintracht eingelebt, sich von Spiel zu Spiel gesteigert und jetzt sein bestes Bundesligaspiel für Frankfurt geboten. In allen 13 Spielen immer dabei, hat sich der Einkauf von Hertha BSC Berlin für die Eintracht ausgezahlt“, schrieb die A/N in ihrer „Starparade“ nach dem 2:1-Sieg gegen Mönchengladbach über den Mann, der selten so im Mittelpunkt stand. Sziedat wurde in Dietzenbach heimisch, machte aber nie ein Geheimnis daraus, dass die Hertha sein Lieblingsverein geblieben war und er nach seiner Zeit bei der Eintracht nach Berlin zurückkehren würde. Als es im DFB-Pokalhalbfinale gegen Hertha BSC ging, stellte Sziedat klar: „Ich will endlich einmal den Pokal gewinnen.“ Zwei Mal hatte er mit den Berlinern das Pokalendspiel verloren, diesmal sollte ihn seine Hertha nicht am Erreichen seines Ziels hindern. Mit Co-Trainer Uli Meyer hatte er den Zweitligisten im Gastspiel in Erkenschwick beobachtet. „Da hatten sie zwar keinen guten Tag, aber spielerisch ist die Mannschaft recht stark. Auf jeden Fall stärker als der 1. FC Nürnberg.“ „Es gibt Mannschaften, gegen die möchtest du am liebsten jede Woche spielen. Für die Berliner gehört die Eintracht zu diesen Vereinen, aber deshalb dürfen wir uns nicht verrückt machen“, beschwor er seine Mitspieler, sich vom Angstgegner nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. Durch ein Tor von Cha siegte die Eintracht dann auch mit 1:0 knapp und zog ins Endspiel ein. Auch dort siegte die Eintracht, dieses Mal in einem begeisternden Spiel, das Buchmanns Elf klar beherrschte. Sziedat wurde gleich in seiner ersten Saison mit der Eintracht DFB-Pokalsieger und 5. in der Bundesliga. Diese Erfolge konnte er mit den Frankfurtern nicht wiederholen, weil der Kader wegen finanzieller Probleme in jedem Jahr so an Qualität einbüsste, dass aus dem UEFA-Cup- und DFB-Pokalsieger ein Abstiegskandidat wurde. Branko Zebec löste bereits Mitte September 1982 den erfolglosen Helmut Senekowitsch ab, der erst zu Saisonbeginn als Buchmann-Nachfolger verpflichtet worden war. In der zweiten Hälfte der Vorrunde der Saison 1982/83 schienen Sziedats Tage bei der Frankfurter Eintracht dann aber fast gezählt. Ein Muskelfaserriss hatte ihn fast zwei Monate lang außer Gefecht gesetzt und als er wieder fit war, wollte ihn Hertha BSC zusammen mit Rainer Bonhof unbedingt nach Berlin zurückholen. „Es war schon alles klar mit der Hertha, doch dann legte der Trainer ein Machtwort ein und ich musste bleiben und meinen Vertrag erfüllen“, erinnerte sich Sziedat: Branko Zebec wollte nach dem Weggang von Lorant zu Schalke 04 nicht noch einen weiteren Routinier verlieren. Und Zebec wusste Sziedat nach einem Jahrzehnt in der Bundesliga neu einzusetzen, ob als Sonderbewacher gegen Rummenigge oder als Abfangjäger im Mittelfeld. "Das beste Beispiel ist Michael Sziedat", nannte Zebec den Berliner für die älteren Spieler, die noch immer lernbegierig und lernfähig seien: "Er spielte seine neue Rolle in unserem System mit Begeisterung und Erfolg. Das macht jedem Trainer Freude." Und auf Sziedat war auch hier stets Verlass. „Jahrelang habe ich immer auf derselben Schiene gespielt. Mir macht die Abwechslung einen Riesenspaß“, sagte er: „Ich glaube, die Zeiten der großen Auswärtsschlappen, wo wir nach dem ersten Gegentreffer regelmäßig zusammengebrochen, sind vorbei“, weil „mit Trieb und Kroth zwei gute und deckungstreue Spieler ins Mittelfeld eingebaut wurden. Doch wir dürfen jetzt nicht gleich euphorisch werden. Es ist erfreulich, dass die jungen Spieler so gut eingeschlagen haben. Dennoch darf man nicht übersehen, dass für die Zukunft noch ein paar Spieler aus dem Mittelalter mit 100 und mehr Bundesligaeinsätzen zur Leistungsstabilisierung fehlen. Aber das sieht Trainer Zebec sicherlich auch.“ Trainer Zebec, geplagt und gezeichnet von seiner Alkoholkrankheit, sah in der nächsten Saison am 10.9.1983 Sziedats Auftritt im Derby am Bieberer Berg. In der ersten Halbzeit sollte er - zur Verwunderung von Spielern und Publikum - den Ball mit der Hand gespielt haben. Uwe Bein verwandelte den Handelfmeter zum 1:0 für die Offenbacher. Doch es kam noch schlimmer, als Sziedat in der zweiten Halbzeit nach einem eher harmlosen Foul an Palacios vom Platz gestellt wurde. Schiedsrichter Hontheim hatte einen rabenschwarzen Tag erwischt, was auch neutrale Beobachter bestätigten, doch Sziedat und der Eintracht nutzte das wenig. Die Elf von Zebec schaffte zwar in Unterzahl den Ausgleich musste aber kurz vor Spielende durch Kutzop das 1:2 hinnehmen. „Hontheim hat uns betrogen“, erregte sich Körbel noch nach dem Schlusspfiff. „Das war die größte Frechheit, die seit langem im Fußball gelaufen ist“, fand der verletzte Frankfurter Spielmacher Jürgen Mohr. Bernd Hölzenbein bewunderte die Ruhe der Adler bei den Fehlentscheidungen des Schiedsrichters: „Ich hätte ihm eine geschossen!“ Selbst der „kicker“ bemerkte: „Von Vorteilsauslegung schien Hontheim keine Ahnung zu haben, zumindest dann nicht, wenn Frankfurt daraus hätte Profit schlagen können.“ Zebec trat mit der letzten großen Geste des Gentlemans noch in der Hinrunde von seinem Amt zurück und nach der 0:7-Niederlage in Köln kehrte Dietrich Weise an den Riederwald heim. Trotz aller Bemühungen blieb die Eintracht aber insgesamt 174 Tage ohne Sieg. Der doppelte Punktgewinn wollte einfach nicht gelingen und der Glauben an den Klassenerhalt schwand, als im Heimspiel gegen Bayer Uerdingen Körbel kurz vor Schluss den Ball verlor und Friedhelm Funkel zum 2:2 einschoss. Im nächsten Heimspiel am 25.2.1984 musste im Derby gegen die Kickers endlich der erste Sieg her. Kurz vor der Pause verlängerte dann Ronald Borchers einen langen, von Sziedat in den Strafraum geschlagenen Ball mit dem Kopf in Richtung Tor, Jan Svensson wollte die Kugel an Reck vorbeispitzeln, wurde dabei vom Kickers-Kapitän Kutzop bedrängt, der den Ball mit der Fußspitze traf und im eigenen Kasten versenkte. Was in der zweiten Halbzeit in der 70. Minute passierte, habe ich vor Jahren aus der Erinnerung mal so beschrieben: „Auch in der zweiten Halbzeit haben die Offenbacher keine Chance, aber das 1:0 ist denkbar knapp. Plötzlich, wie aus heiterem Himmel - und das mitten im Schneegestöber, wie unpassend – läuft Michelberger unbewacht auf das Frankfurter Tor zu. Sziedat, der alte Recke, steht seitlich und nimmt beherzt Fahrt auf. Alle im Stadion sehen, dass er Michelberger nicht mehr erreichen kann, aber geht nicht gibt es nicht für einen wie „Icke“ Sziedat. Nicht heute, nicht hier und nicht jetzt. Dieses Mal nicht! Dieses Spiel gewinnen wir. Koste es, was es wolle! Und während andere immer gerne davon reden, dass es gilt, Opfer zu bringen, tut „Icke“ das, was am meisten Mut erfordert: er „opfert“ sich. Der Einzelne ist nichts, die Mannschaft ist alles. Gegen Ende seiner Karriere, in seiner letzten Saison für die Eintracht, nimmt er die Rote Karte willig hin – auch wenn es für ihn als Wiederholungstäter eine wochenlange Sperre bedeutet. „Icke“, auch wenn du hinterher behauptest hast, dass du dachtest, Du würdest den Ball noch bekommen können: Ich weiß es besser. Und ich werde Dir immer dafür dankbar sein.“ „Der Sziedat hat das Spiel für die Eintracht gewonnen, so komisch das auch klingen mag“, meinte auch Franz Michelberger: „In der 23. Minute verhinderte er durch das Foul an mir das 1:0, als er dann nach einem weiteren Foul gegen mich die Rote Karte erhielt, war dies echtes Doping für die Frankfurter, die anschließend wie entfesselt auftrumpften.“ So wie er spielte, so kommentierte Sziedat auch diesen Platzverweis: „Ick bin halt keener, der flennt. Als Michelberger und ich aufeinander zuliefen, war klar, dass es rappelt. Einen Schritt schneller, und es wäre überhaupt nichts passiert.“ Der etatmäßige Libero wurde vom DFB mit einer sechswöchigen Sperre belegt. Am 20.3.1984, einem trainingsfreien Montag, stieg Michael Sziedat dann in den Flieger nach Berlin, um sich mit dem Präsidenten von Hertha BSC über seine Rückkehr zum Zweitligisten zu unterhalten. Trainer Weise war so gar nicht sein Fall. „Michael Sziedat hat uns so früh von seinem Wunsch unterrichtet, nach dieser Saison noch Berlin zurückkehren zu wollen, dass wir nun gar kein Angebot für einen neuen Vertrag mehr gemacht haben“, sagte Eintracht-Präsident Gramlich der Presse. Mit seinem Kollegen Holst hatte er sich bereits über den Transfer unterhalten: „Wir legen Sziedat keine Steine in den Weg, auch was die Ablösesumme angeht, die bei etwas über 100.000 Mark liegen dürfte.“ Am 14.4. gegen Köln stand Michael Sziedat zum ersten Mal nach seiner Sperre wieder für ein Bundesligaspiel zur Verfügung. Dietrich Weise sah aber keinen Anlass, seine Abwehr zu verändern. In der 65. Minute wurde Sziedat für den nach einem Tritt von Engels auf den Knöchel angeschlagenen Kraaz eingewechselt und übernahm die Bewachung von Torjäger Klaus Fischer. Auch diese Aufgabe erfüllte er zuverlässig wie eh und je. Es war Sziedats letzter Pflichtspieleinsatz für die Eintracht. Am 24.4. erlitt er im Testspiel beim SV Raunheim eine Knöchelverletzung und fiel aus. Die Eintracht verhinderte den Abstieg in der Relegation gegen den MSV Duisburg. „Icke“, der nach einer weiteren Saison bei der Hertha seine Karriere als Profi-Fußballer beendete, war in diesen beiden Spielen nicht dabei. Seinen Beitrag zum Klassenerhalt hatte er aber ohnehin bereits geleistet – und er ist bei den Eintrachtfans unvergessen. (rs)
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