SG Wattenscheid 09 - Eintracht Frankfurt

2. Bundesliga 1997/1998 - 2. Spieltag

0:1 (0:1)

Termin: So 03.08.1997 15:00
Zuschauer: 6.000
Schiedsrichter: Christian Schößling (Leipzig)
Tore: 0:1 Thomas Sobotzik (28.)

 

>> Spielbericht <<

SG Wattenscheid 09 Eintracht Frankfurt

  • Peter Martin
  • Mirko Stark
  • Frank Schön
  • Olaf Skok
  • Andreas Teichmann
  • Frank Bläker
  • André Gumprecht
  • Stefan Fengler
  • Sergio Allievi
  • Marcus Feinbier
  • Sergej Dikhtiar

 


 

Wechsel

  • Stefan Majek für Sergej Dikhtiar (57.)
  • Rainer Schümann für André Gumprecht (70.)
  • Emil Hamar für Olaf Skok (70.)

Wechsel

Trainer

  • Jupp Tenhagen

Trainer

 

Nur in Niederrad verzockt

Eine Vorbereitung der besonderen Art gibt es für einige Eintracht-Profis auf der Galopprennbahn in Niederrad, wo sie dem zweiten Freitagsrenntag beiwohnen, statt sich über das anstehende Spiel gegen Wattenscheid Gedanken zu machen. Offiziell natürlich, schließlich wird auch der “Preis der Eintracht“ ausgetragen, so dass Präsident Heller und Schatzmeister Patella ebenfalls unter den Gästen sind. Da Horst Ehrmantraut “ein Pferdenarr“ ist und regelmäßig bei Galopprennen zuschaut, hat er für Epp und Janßen “gleich beim ersten Rennen einen dieser todsicheren Tipps gegeben und uns geraten, einen Hunderter auf einen ganz bestimmten Gaul zu setzen. Das Dumme war nur, dass genau dieses Pferd bald abgeschlagen war und als letztes ins Ziel kam. Mensch, hat ihn das geärgert. Es hat ihm keine Ruhe gelassen“, erzählt Thomas Epp und spannt sogleich den Bogen zum Ligaalltag: “Normalerweise passiert es dem Trainer nicht, dass er sich derart täuscht. Das ist das Ergebnis seiner intensiven Vorbereitung. Seine Mannschaftssitzungen vor dem Spiel dauern etwa eine halbe Stunde, danach weißt du haargenau, was dich vom Gegner erwartet. Der kennt von jedem Spieler die Schuhgröße, ich kann es manchmal gar nicht fassen, mit welchen Details er uns versorgt.“

Scheinbar hat Horst Ehrmantraut beim Regionalligaaufsteiger eine Schwäche auf der linken Abwehrseite ausgemacht, denn Schur soll zusammen mit Zampach für Druck auf rechts sorgen, während auf der linken Außenbahn anstelle von Wolf der wieder genesene Kapitän Weber mit Janßen und Sobotzik rochieren wird. Sobotzik war zuletzt als Alternative für den unter der Woche an einer Gesäßmuskelzerrung leidenden Güntensperger im Sturmzentrum vorgesehen, doch kurz vor dem Spiel gibt der Schweizer hinsichtlich seines Hinterns Entwarnung: "Es zwickt nicht mehr so stark, aber es zwickt noch", um neben Epp zu beginnen.

Zwölf Jahre spielte er in Bochum, doch als der Hilferuf aus dem seit 1975 zu Bochum gehörenden Stadtteil Wattenscheid kam, reagierte Franz-Josef “Jupp“ Tenhagen sofort und konnte die gerade abgestiegene SG als souveräner Meister der Regionalliga West mit zuletzt zehn Siegen in Folge wieder in die Zweite Liga führen. Sicher sehr zur Freude von Mäzen und Bekleidungskönig Klaus Steilmann, der vor einer Woche von seinem Präsidentenamt zurück getreten und in den Aufsichtsrat gerückt ist, um den Chefposten Rüdiger Knaup zu überlassen, der auch Personalchef von Steilmanns Modefirma ist. Doch längst fließen nicht mehr die großen Gelder aus der Modefirma in den Verein, im Gegenteil, aufgrund seiner Schulden bekam der Aufsteiger vom DFB die Auflage, diese um 800.000 Mark abzubauen, was angesichts eines kalkulierten Zuschauerschnitts von 1400 schwierig werden wird.

So setzt der Trainer notgedrungen auf "die großen Homogenität meiner Mannschaft“, in der vor allem Allievi, Neuzugang Schön aus Mannheim sowie der Torschützenkönig der Vorsaison, Markus Feinbier, der auch in der Vorwoche beim 1:1 gegen Jena traf, zu den Hoffnungsträgern im “Team der Namenlosen“ (kicker-Sportmagazin) gehören. Das Ziel ist klar: “Wir möchten so schnell wie möglich so viele Punkte holen, dass wir mit dem Abstieg nichts zu tun haben.“ Am besten bereits gegen die Eintracht, auch wenn der Trainer vom ersten Auftritt der Frankfurter gegen die Fortuna sehr beeindruckt war: "Das war für Zweitliga-Verhältnisse ausgezeichnet und imponierend.“

Vielleicht liegt es an den ungewohnten blauen Hemden über den weißen Hosen, jedenfalls bietet die Eintracht in der Anfangsphase wenig Beeindruckendes. Sie wirken nervös, fahrig und lassen den druckvoll beginnenden Hausherren viel zu viel Platz. So kommen Dikthiar und Gumprecht in den Anfangsminuten zu zwei guten Torchancen, die sie zum Glück nicht nutzen. Doch nach gut zehn Minuten berappeln sich die Frankfurter und spielen vor allem über die rechte Seite schnell nach vorne. So flankt Zampach nach Doppelpass mit Schur vor den Strafraum, wo Sobotzik den Ball spektakulär mit einem Fallrückzieher verlängert. Der aufgerückte Kutschera setzt ein erstes Zeichen, als er die Kugel volley nur um ein paar Zentimeter über die Latte setzt (12.).

Jetzt läuft der Ball, immer wieder sind es Weber und Sobotzik, die das Spiel schnell machen, während vorne Epp und Güntensperger ständig die Positionen tauschen und für mächtig Wirbel im Strafraum der Wattenscheider sorgen. Diesmal über die linke Seite, als Janßen passt und der Schweizer sofort abzieht, doch Bläker kann den Schuss in letzter Sekunde zur Ecke blocken (15.). Fünf Minuten später ist es Epp, der nach Zuspiel von Houbtchev abzieht und kurz darauf Weber mit einem Knaller, aber Torhüter Martin reagiert jeweils klasse und kann die Null für die SG halten (22.).

Der Aufsteiger kommt jetzt nur noch sporadisch aus der eigenen Hälfte, und wenn, dann wird der Ball schnell abgefangen. Wie in der 27. Minute, als die Kugel über Weber zu Güntensperger kommt, der in den Strafraum sprinten will, aber kurz vor der Strafraumlinie von Schön zu Fall gebracht wird. Sobotzik nimmt sich das Leder, schaut kurz auf und zimmert den Freistoß wunderschön über die Mauer zum 1:0 ins Toreck (28.). Es ist Sobotziks erstes Tor für die Eintracht, was allerdings kein Wunder ist, meint der 22-Jährige: "In meiner Frankfurter Bundesliga-Zeit durfte ich ja nur bei zwei Kurzeinsätzen ran." Damals verließ er die Eintracht verärgert, zwei Jahre später kam er auf ausdrücklichen Wunsch des Trainers, weswegen er Angebote von zwei Bundesligisten ausschlug: “Frankfurt ist meine wirkliche Heimat und Horst Ehrmantraut hat mir die Rolle des Spielmachers versprochen. Das ist meine Position, doch die wollte mir kein Trainer eines anderen Vereins fest zu sagen."

Wattenscheid wirkt wie erstarrt und beschränkt sich fast nur noch auf die Defensive, während die Eintracht den Ball weiterhin souverän kreisen lässt und dafür sorgt, das Torhüter Martin bei hochsommerlichen Temperaturen im Lohrheidestadion noch mehr ins Schwitzen kommt. Zunächst ist es Weber, dessen abgefälschter Freistoß aus 25 Metern knapp neben den Pfosten landet (35.), dann prüft Epp den 29-jährigen und kurz darauf spielen Sobotzik und Janßen die linke Abwehrseite schwindelig, um zu Güntensperger zu passen. Aber wieder kann Martin parieren, so dass es mit der hochverdienten Führung für die Eintracht in die Pause geht und es auf den teuren Plätzen einiges zu diskutieren gibt.

Denn Ralf Weber steht mal wieder unter besonderer Beobachtung von englischen Scouts und Offiziellen von Arsenal London und vom FC Chelsea, die angeregt mit Präsident Heller und Schatzmeister Patella plaudern. 5 Millionen Mark sollen laut dem hessischen Hit Radio im Raum stehen, doch nicht nur Weber winkt ab: "Mich verwundert das nur. Ich habe zwei Jahre kein Spiel gemacht. Mich interessiert das überhaupt nicht." Auch Horst Ehrmantraut fordert zwar noch immer Verstärkungen, aber seinen Kapitän will er nicht hergeben: "Er ist zwar noch nicht hundertprozentig der alte, aber dennoch ganz klar der Kopf der Mannschaft. Und das nicht nur auf dem Platz."

Da bestimmt weiterhin die Eintracht das Geschehen, obgleich Wattenscheid nun aufopferungsvoll um jeden Ball und den Ausgleich kämpft. Doch zunächst ist es Epp, der einen Freistoß von Zampach nur um Zentimeter neben den Pfosten setzt (47.). Die Abwehr um Libero Houbtchev hat alles im Griff und nach vorne bieten sich jetzt Lücken. Aber sie gehen teilweise fahrlässig mit ihren Möglichkeiten um, was auch den Trainer am Seitenrand unruhig werden lässt: "Unser Konterspiel hatte heute viele Mängel, der letzte entscheidende Pass fehlte zu oft. Daran müssen wir in Zukunft hart arbeiten.“ Und wenn er dann doch kommt, der entscheidende Pass, steht da immer noch Torhüter Martin. So in der 66. Spielminute, als Zampach Epp auf die Reise schickt, der aber völlig freistehend am 29-Jährigen scheitert (66.). Auch Güntensperger macht es vier Minuten nicht besser, als er flach abzieht, Martin die Kugel aber mit einer Fußabwehr um den Pfosten lenken kann.

Danach kommen Wolf für Janßen, der über Knieprobleme klagt und Cengiz für Epp bei der Eintracht (75.), doch auch der Regionalliga-Torschützenkönig, der sich in der Vorbereitung in die Stammelf reden wollte, macht es nicht besser und scheitert ebenfalls zweimal an Martin oder an seinen Füssen. Es ist zum Haareraufen, selbst eine Vier-zu-Eins-Situation nutzen sie nicht, so dass der Trainer noch einmal reagiert und für Güntensperger Mehic, bringt, der sein Zweitligadebüt feiern darf. “Vor dem Tor sind wir nicht konzentriert genug, vor allen die jüngeren Spieler brauchen noch Zeit“, findet Horst Ehrmantraut. Die Uhr tickt, doch noch immer steht es nur 1:0 und Wattenscheid wirft noch einmal alles nach vorne. Es läuft die 86. Spielminute, einmal mehr versuchen es die Hausherren mit einem hohen Ball in den Strafraum. Doch diesmal ist kein Frankfurter zur Stelle, sondern Schön, der hochsteigt, den Ball aber um Haaresbreite über die Latte köpft. Kollektives Aufatmen bei den gut 1500 Eintracht-Fans, die die Eintracht wenige Minuten später nach dem zweiten Sieg im zweiten Spiel lautstark feiern. (tr)


Stimmen zum Spiel

Horst Ehrmantraut: "Wir freuen uns alle über diesen zweiten Erfolg im zweiten Spiel, auch wenn es die Jungs zum Schluss noch etwas spannend machen wollten. Dies ist für uns eine gute Basis und gibt uns vor allem einiges Selbstvertrauen für die nächsten Wochen. Aber wir dürfen uns keinesfalls davon blenden lassen. Ich warne davor, diese Mannschaft jetzt zum Favoriten abzustempeln."

Präsident Rolf Heller: "Ich hätte wirklich nicht an einen Sieg hier gedacht, aber jetzt ist es umso besser. Wir haben wirklich einen ganz hervorragenden hingelegt, das sieht sehr, sehr gut aus. Bei unserem Heimspiel gegen Kickers Stuttgart am nächsten Sonntag rechne ich jetzt mit einer Kulisse von 25 000 Zuschauern.“

Thomas Sobotzik: “Das sind drei wichtige Punkte, aber wir haben es uns mit den vielen Nachlässigkeiten bei den vielen Chancen selbst unnötig schwergemacht. Das hätte heute auch ins Auge gehen können."

Ralf Weber: “Wir haben uns vorgenommen, im oberen Tabellendrittel mitzuspielen. Es wäre vermessen, mehr zu fordern. Auch deshalb, weil uns Wattenscheid in eigenen Phasen unsere Schwächen aufgezeigt hat.“

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