Eintracht Frankfurt - Bayer 05 Uerdingen

Bundesliga 1975/1976 - 3. Spieltag

3:1 (0:1)

Termin: Sa 23.08.1975, 15:30 Uhr
Zuschauer: 13.000
Schiedsrichter: Heinz Quindeau (Ludwigshafen)
Tore: 0:1 Hans-Jürgen Wloka (10.), 1:1 Jürgen Grabowski (54.), 2:1 Bernd Hölzenbein (77.), 3:1 Rüdiger Wenzel (86.)

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Bayer 05 Uerdingen

 


  • Manfred Kroke
  • Hans-Jürgen Wloka
  • Edmund Stieber
  • Norbert Brinkmann
  • Paul Hahn
  • Friedhelm Funkel
  • Ludwig Lurz
  • Lothar Prehn
  • Peter Falter
  • Horst Riege
  • Lorenz-Günther Köstner

 

Wechsel Wechsel
  • Heinz Mostert für Horst Riege (68.)
  • Peter Lübeke für Peter Falter (78.)
Trainer Trainer
  • Klaus Quinkert

 

 

Der Ruf nach Beverungen

Dieter Stinka, im letzten Jahr noch Assistent von Trainer Dietrich Weise bei der Frankfurter Eintracht, ist seit Saisonbeginn Trainer beim Hessenligaverein VfR Groß-Gerau. "Wir sind halt nur Amateure", sagt Stinka dem "kicker" mit Blick auf die Saisonvorbereitung, in der ihm ein halbes Dutzend Spieler wegen Urlaub fehlten: "Erst eine Woche vor dem ersten Punktspiel hatte ich den kompletten Kader für die erste Mannschaft vollständig zusammen." Jetzt muss er am Wochenende auf Hessenauswahlspieler Staudt verzichten, der aus Studiengründen unterwegs ist: "Der Ausfall ist umso bedauerlicher, als Staudt unser einziger gefährlicher Stürmer ist, aber ich muss natürlich auch Verständnis für sein Anliegen haben." "Ich habe nun schon fast alle Spitzenmannschaften gesehen, gegen die haben wir kaum eine Chance. Unser Ziel muss der Klassenerhalt sein. Uns fehlt ein Spielgestalter, das wird unser größtes Problem in dieser Runde. Wir sind kämpferisch stark, aber das reicht nicht, wir müssen uns spielerisch verbessern." "Ich glaube, dass mir die Umstellung ganz gut gelungen ist", versichert Stinka und nennt den Grund für seinen Wechsel von der Bundes- in die Hessenliga: "Ich hätte sicherlich bei der Eintracht als hauptamtlicher Trainer anfangen können, aber ich wollte meinen Beruf bei der Post nicht aufgeben. Und auch zwei andere Angebote aus der Bundesliga habe ich abgelehnt, da ich gern im Raum Frankfurt bleiben und kein Zigeunerleben irgendwo draußen führen will."

Ins Amateurlager zieht es auch die Eintracht in der 2. Rundes des DFB-Pokals, in der der Offenburger FV auf den amtierenden Pokalsieger wartet. Trainer Weise hätte ein attraktives Heimspiel mit einem Gegner aus der 1. Bundesliga vorgezogen, glaubt aber: "Offenburg liegt weitab vom Bundesliga-Fußball. Da findet unser Gastspiel sicherlich gute Resonanz."

Ihre beiden DFB-Pokalsiege hat sich die Eintracht übrigens "vergolden" lassen. Der Neu-Isenburger Juwelier Hetebrüg hatte so fest an den Eintracht-Sieg geglaubt, dass er schon fünf Tage vor dem Endspielsieg gegen den MSV Duisburg Medaillen in Gold und Silber entworfen hatte, die auf der einen Seite das Vereinswappen und auf der anderen den DFB-Pokal zeigen. Die Goldmedaille, nummeriert von 1 bis 100, ist nur in begrenzter Auflage zu haben. Sie wiegt 17,5 Gramm, weist einen Durchmesser von 35 mm auf und kostet 395 DM. Die Silbermedaille, in unbegrenzter Auflage geprägt, kostet 39,50 DM, zusätzlich mit einer 60 cm langen Panzerkette versehen 63,50 DM. Zu erwerben sind die Medaillen über alle Filialen der BHF-Bank.

Jüngst in die vermeintliche Goldgrube Bundesliga aufgestiegen ist der nächste Gegner der Eintracht, Bayer Uerdingen. Im Sommer setzten sich die vom Bayern-Konzern unterstützten Krefelder gegen den FK Pirmasens durch, den man nach dem 4:4 in Pirmasens im Rückspiel bei drückender Schwüle mit 6:0 regelrecht auseinander nahm. "Wir haben eine Kameradschaft, die ihresgleichen sucht", jubelte Trainer Klaus Quinkert direkt nach dem Abpfiff: "Ich glaube, dass die Basis des Erfolges darauf beruht. Und das ist das Schöne an unserem Aufstieg. Bemerkbar hat sich das, so glaube ich, dadurch gemacht, dass wir drei wichtige Leute toll ersetzen konnten." Arno Eschler, der Präsident von Bayer 05 Uerdingen, ist zuversichtlich: "Wir werden uns auch in der Bundesliga halten können, denn wir sind nicht, wie zum Beispiel Hannover, von einem Wahrsager abhängig. Ich bin überzeugt, dass wir trotz des Abganges von Lüttges im kommenden Jahr noch stärker sein werden." Manfred Burgsmüller, Torjäger von Rotweiß Essen und noch im Vorjahr bei Uerdingen unter Vertrag, feierte mit seinen alten Kameraden den Erfolg: "Ich freue mich auf die Spiele gegen Bayer im kommenden Jahr. Niemand sollte die Uerdinger unterschätzen."

Sturmspitze Lüttges, der nun bei Hannover 96 unter Vertrag steht, haben die Krefelder abgeben müssen, doch sich auch mit einem jungen Spieler verstärkt, der bereits einmal Deutscher Meister war: Lorenz-Günter Köstner. "Ich bin innerhalb von wenigen Wochen ein ganz anderer Mensch geworden", meint der neue Spielmacher: "Bei Borussia Mönchengladbach war ich nur ein Mitläufer, ein Mann zweiter Wahl, der auf der Bank verhungerte. In Uerdingen bin ich dagegen wer, da läuft das Spiel über mich, da kann ich spielen und glänzen. Das hat sich in Selbstvertrauen und Ruhe niedergeschlagen. Ich bin viel ausgeglichener als noch vor ein paar Wochen in Mönchengladbach. Ich bin davon überzeugt, dass ich erst am Anfang stehe." Ein neuer Anfang und Köstner weiß, wie sich ein drohendes Ende anfühlt, denn schon zu Beginn seiner Karriere fiel er ein dreiviertel Jahr aus: "Ich hatte mir zwei Rippen gebrochen, was jedoch vom Arzt nicht festgestellt wurde. Davon bekam ich eine Rippenfellentzündung und eine Nierenbeckenentzündung. Für Bayern Hof war ich uninteressant geworden. Mein Verbandstrainer Stürze empfahl mich an Hennes Weisweiler. Ich kam zum Probetraining und wurde sofort engagiert, obwohl ich nicht austrainiert war. Ich spielte zwar relativ oft, vor allem in der letzten Saison. Aber fast kaum auf meinem Lieblingsposten im Mittelfeld. Schon weit vor Ende der Saison stand für mich fest, dass ich Mönchengladbach verlassen würde. Ein Fußballverrückter wie ich will spielen, muss spielen. Ich war seelisch einfach unzufrieden." Da kam ihm das Interesse des FC Augsburg und von Bayer Uerdingen gelegen: "Ich ging schließlich nach Uerdingen, weil mich natürlich die Bundesliga reizte. Heute bin ich froh, dass ich diesen Schritt getan habe." Seine Familie wohnt weiterhin in Mönchengladbach. "Meine Frau und ich haben dort einen so großen Bekanntenkreis, dass ich nicht gerne wegziehen möchte. Ich bin übrigens innerhalb von 20 Minuten in Krefeld-Uerdingen."

"Ich glaube, dass ich mich noch weiter steigern kann", ist Köstner zuversichtlich: "Ich verstehe mich mit Hans-Jürgen Wloka hervorragend; wir beide sind aufeinander abgestimmt. Was uns noch fehlt, sind Stürmer, Leute, die wir anspielen können. Wir müssen als Mittelfeldspieler bei Bayer Uerdingen zuviel machen, müssen praktisch in der Abwehr aushelfen und selbst auch noch Stürmeraufgaben übernehmen. Das geht oft an die Substanz. Normalerweise gehören wir zu den Abstiegskandidaten." "Der Junge kommt noch ganz groß heraus. Er hat alles, was ein Spielmacher von Format braucht", glaubt auch sein Trainer Quinkert, Köstner aber weiß: "Ich kann mich in der Bundesliga nicht auf meinen Lorbeeren ausruhen. Von mir wird Samstag für Samstag eine neue Spitzenleistung verlangt. Aber das ist genau das, was mich reizt."

Uerdingen hat zum Auftakt eine unglückliche 1:2-Niederlage in Essen hinnehmen müssen. Nach zwei Treffern von Horst Hrubesch, ebenfalls ein Neuling in der Bundesliga, hatte Friedhelm Funkel den Aufsteiger mit seinem Tor zurück ins Spiel gebracht, musste dann aber verletzt ausscheiden. Vor allem aber haderten die Uerdinger mit der Entscheidung des Schiedsrichters, der in der Schlussminute bei einem klaren Foul an Wloka den fälligen Strafstoß verweigerte. Am 2. Spieltag kam Quinkerts Elf in der heimischen Grotenburg-Kampfbahn dann nicht über ein 0:0 gegen Bochum hinaus. Aktuell plagen den Trainer außerdem Personalsorgen: Raschid, Lenzke und Franke haben allesamt je ein Bein in Gips, Lübeke und Funkel sind angeschlagen "Ich habe keine Stürmer", stellt Quinkert vor dem Spiel bei der Eintracht fest, verspricht aber: "Dennoch stellen wir uns nicht hinten rein. Auf dem Platz stehen Tore, und die sind dazu da, den Ball reinzutreten. Wir bauen darauf, dass die Eintracht-Stars im Mittelfeld nicht decken, dass sie sich zu schade für Schmutzarbeit gegen einen Neuling sind."

Dietrich Weise bietet gegen diesen Neuling die Elf auf, die in Bremen am letzten Spieltag mit 2:1 gewonnen hat. Klaus Beverungen, der nach der 0:2-Auftaktniederlage gegen den Aufsteiger aus Karlsruhe aus der Stammformation gerutscht ist und in Bremen nicht auf dem Platz gestanden hat, findet sich also erneut nur auf der Bank wieder.


Wloka erzielt die Uerdinger Führung

Der Eintracht ist anzumerken, dass sie den Uerdingern nicht ins offene Messer rennen will, das vorsichtige Ballgeschiebe in einem Tempo, das dem Begriff an sich Hohn spricht, ist aber nicht geeignet, den Gast unter Druck zu setzen. Ja, es ist nicht einmal geeignet, das zu verhindern, was verhindert werden sollte: Nach nur 10 Minuten geraten die Gastgeber in Rückstand. Der frühere Gladbacher Hans-Jürgen Wloka, der über Arminia Bielefeld in der vergangenen Spielzeit zu Uerdingen stieß, hat die Chance mit einer bemerkenswerten Einzelleistung selbst herausgearbeitet und Funkel im Fünfmeterraum in beste Schussposition gebracht. Da Funkel jedoch den Ball verstolpert und die Eintracht die Gefahr nicht bereinigen kann, funkt statt Funkel Wloka selbst dazwischen und vollstreckt auf der Linie zum Fünfmeterraum stehend zur Uerdinger Führung. Der indisponierte Libero Krobbach kommt deutlich zu spät und Neuberger kann nicht mehr eingreifen. Viele der 13.000 Zuschauer pfeifen bereits jetzt wortwörtlich auf ihre Eintracht

Der Aufsteiger, der nach den Worten Quinkerts erst noch die Scheu vor der Bundesliga und solch großen Gegnern wie die Eintracht ablegen muss, spielt erfrischend offensiv, fast kess auf. Da wird der Ball nicht blindlings nach vorne geschlagen, sondern mit schnellen Spielzügen die Defensive der Eintracht filetiert, in der weder Krobbach noch Körbel zu überzeugen wissen.

Dass sich die Eintracht nicht entfalten kann, liegt auch am athletischen Gäste-Libero Hahn und an Köstner, der zusammen mit Wloka das Spiel der Gäste bestimmt, während das Frankfurter Mittelfeld zu umständlich agiert. Die Zuordnung in Weises Elf stimmt nicht und der bedauernswerte Dauerläufer Roland Weidle irrt mangels der Mitarbeit Nickels im Mittelfeld zwischen zwei Gegenspielern hin und her - eben Köstner und Wloka, um den sich Nickel kümmern soll.

Wenzel und Lorenz gewinnen keinen Zweikampf gegen Stieber und Prehn. Nickel gelingen im ersten Durchgang noch ein paar Fernschüsse auf den von Kroke gehüteten Kasten, Weidle jedoch produziert Fehlpässe in Serie, die Fankurve ist unzufrieden und der Ruf nach Beverungen wird laut. Nickels Hammer, der nach 40 Minuten an die Latte des Gästetore klatscht, Neubergers gefährlicher Flachschuss, den Kroke gerade so abwehren kann, und einige turbulente Szenen im Uerdinger Strafraum können die Zuschauer nicht mehr besänftigen - zur Pause gibt es ein gellendes Pfeifkonzert.

Eintracht-Trainer Weise nimmt zur Halbzeit wahrscheinlich eine Ansprache, aber keine Änderung vor und tut gut daran. Die Eintracht kommt in derselben Aufstellung wie vor der Pause und dennoch wie verwandelt aus der Kabine. Hölzenbein schickt den zu Saisonbeginn von St. Pauli gekommenen Rüdiger Wenzel in der 49. Minute mit einem Pass auf die Reise, die Paul Hahn nur mit einem Foul beenden kann und dafür die Gelbe Karte kassiert. Uerdingens Fels in der Brandung muss ab jetzt entschieden vorsichtiger zu Werke gehen.

Fünf Minuten später ist es wieder Wenzel, der in Aktion tritt. Sein Schuss prallt Kroke von der Brust nach vorne ab, Körbel setzt den Ball im Nachsetzen per Kopf an die Latte und Jürgen Grabowski ist es vorbehalten, den erneuten Abpraller im Netz unterzubringen.

In der 63. Minute erhört Weise dann anscheinend den anhaltenden Ruf nach Beverungen und erlöst Weidle, der einfach einen schwachen Tag erwischt hat. Beverungen avanciert nach seiner Einwechslung neben Grabowski zur spielentscheidenden Figur auf dem Platz. Eine seiner ersten Aktionen ist ein Schuss auf Krokes Tor, den dieser nur mit Mühe unter Kontrolle bringt. Noch weniger zu lachen hat Köstner, den "Beve" nun fast völlig aus dem Spiel nimmt und so die gefährlichen Uerdinger Konter unterbindet.


Hölzenbein zum 2:1

Die Eintracht schnürt die auch kräftemäßig nachlassenden Uerdinger in deren Hälfte ein, ohne allerdings spielerisch zu brillieren. Körbel und Neuberger sorgen für Druck, Wenzel spielt dynamischer und selbstbewusster und Grabowski rotiert in der Uerdinger Hälfte; sein Gegenspieler Lurz kann die Kreise des Eintrachtkapitäns kaum noch einengen. Es dauert dennoch bis zur 77. Minute, ehe Kroke einen Schuss von Beverungen wiederum nicht festhalten kann und Hölzenbein das Leder im Fallen mit einem Rückzieher über den noch auf dem Hosenboden sitzenden Kroke ins Tor lupft.

Quinkert bringt umgehend Lübeke, den ehemaligen Profi des Hamburger SV, der im Sommer vom 1. FC Saarbrücken gekommen ist, für Falter. Die Uerdinger versuchen, angekurbelt von ihrem überragenden Libero Hahn, den Ausgleich zu erzwingen, doch es fehlt ihnen die nötige Kraft, ihre Kondition lässt sie im Stich. Vier Minuten vor dem Ende laufen sie dann in einen Konter der Eintracht. Nach einen schweren Fehler von Lübeke bedient Nickel Wenzel mit einem mustergültigen Pass, den der Stürmer aus vollen Lauf zum 3:1-Endstand in das Uerdinger Tor drischt.

Köstner steht im "kicker" in der "Elf des Tages", doch die Uerdinger auch am Tabellenende auf dem vorletzten Platz. "Wir haben die Eintracht an den Rand einer Niederlage gebracht und heute die Punkte verschenkt", trauert Trainer Quinkert dem ersten Durchgang nach, "denn solche Konzentrationsfehler und krasse Patzer wie zum Schluss durften nicht passieren. Aber ein Spiel dauert eben 90 Minuten. Ich glaube, spielerisch und läuferisch waren wir heute der Eintracht gewachsen. Doch gemessen an der heutigen Leistung brauchen wir den Mut nicht zu verlieren. Wir müssen eben erst noch unser Lehrgeld in der Bundesliga zahlen."

"Was soll man zu so einem Spiel sagen? Zufriedenstellend war für mich nur der Kampfgeist nach der enttäuschenden und schwachen ersten Halbzeit", zieht Dietrich Weise das gewohnt nüchterne Fazit: "Uerdingen hat in der ersten Halbzeit großartig gespielt. Bemerkenswert war für mich, dass nach der Pause Reichel keinen Zweikampf mehr verlor, und sich auch Wenzel gegenüber der ersten Halbzeit steigern konnte."

Die Pfiffe der eigenen Fans lassen allerdings auch die erfahrenen Frankfurter Spieler nicht unbeeindruckt, der ehemalige Nationalspieler Willi Neuberger etwa meint: "Momentan spielt jeder von uns viel lieber auswärts." Auch Bernd Nickel gehen die Pfiffe der eigenen Fans näher als er es sich vorgenommen hatte: "Lass’ die doch pfeifen, habe ich mir vor dem Spiel gesagt. Aber gegen Pfiffe des eigenen Publikums sind wir einfach nicht immun. Sie machen dich nervös und unsicher." Unterstützung erhält Nickel von seinem Trainer, der es lediglich diplomatischer ausdrückt: "Die Pfiffe haben nicht gerade zur Aufmunterung der Mannschaft beigetragen." Nickels Blick geht fast sehnsüchtig in die "Ferne": "Auswärts, da stehst du, lässt den Ball laufen und die anderen erst einmal kommen." "Heimspiele sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren", pflichtet ihm Weise bei: "Zu Hause kann man sich heute kaum noch spielerisch entfalten."

"Nun können Pfeifkonzerte natürlich keine Entschuldigung für ein verkorkstes Spiel sein", schreibt Hartmut Scherzer in der Abendpost/Nachtausgabe: "Vielmehr hat die Eintracht weder das Rezept noch den Rhythmus gefunden, ein Heimspiel auch ohne totalen Angriff erfolgreich und sehenswert zu gestalten. Die Umstellung auf eine verhaltenere, souveräne Spielweise ist ihr noch nicht gelungen, kann ihr auch schwerlich gelingen, wenn Schlafmützigkeit in der Abwehr (Peter Krobbach) sie früh in Rückstand bringt und das ganze Konzept über den Haufen wirft." "Wir müssen uns da etwas einfallen lassen", findet auch Jürgen Grabowski nach dem zweiten schwachen Heimspiel, die notwendig gewordene "Brechstange", wie Grabowski das Bemühen zum Ende der Partie zusammenfasst, ist für eine Elf, die überwiegend aus Technikern besteht, ein unhandliches und auf Dauer sicher auch das falsche Werkzeug. "Gegen Schalke und Mönchengladbach sieht es bestimmt ganz anders aus. Das sind Gegner, von denen das Publikum nicht von vornherein erwartet, dass wir sie in Grund und Boden rennen", meint Grabowski, schränkt aber ein: "Wenn wir allerdings auch in diesen Heimspielen nicht zurechtkommen, müssen wir unsere Spielweise völlig ändern. Wie müssen wie einst bei Elek Schwartz im Block angreifen, denn unsere überfallartigen Attacken reißen riesige Löcher in das Mannschaftsgefüge. Zwischen Angriff und Abwehr klafft eine Lücke, die dem Gegner als ideales Feld für seine Konter dient. Wir müssen den Raum besser abschirmen."

Abgeschirmt wird am Spieltag im Waldstadion auch Grabowski selbst, weil am Freitag eine Morddrohung in Form eines anonymen Telefonanrufes auf der Geschäftsstelle der Frankfurter Eintracht eingegangen ist. "Der Verein hielt das aber geheim. Selbst ich erfuhr erst nach dem Spielende von der Sache. So spielte ich unbelastet", sagt Grabowski: "Beim Warmlaufen vor dem Spiel wunderte ich mich darüber, dass sich dauernd drei Männer in meiner Umgebung aufhielten. Ich hielt sie für Autogrammjäger. Als ich (nach Spielende) aus der Kabine kam, gaben sich die drei dann als Kripobeamte zu erkennen." "Wahrscheinlich handelt es sich um einen Spinner. Doch wir nehmen die Angelegenheit auf jeden Fall sehr ernst", meint einer der Beamten zu Grabowski nach dem Spiel. "Die Polizisten sagten zu mir: Man darf so etwas niemals auf die leichte Schulter nehmen", berichtet Grabowski. In der Kabine und später im VIP-Raum des Stadions, wo die Spieler sich meist noch zu einem erfrischenden Drink treffen, sind die Beamten stets in Grabowskis Nähe. Ihr Schutz endet erst, als der Eintracht-Kapitän auf die Autobahn nach Wiesbaden fährt.

Im Zuge der Morddrohung wird auch bekannt, dass Grabowski wie Siegfried Held bereits im März 1975 einen Drohbrief erhalten hat, in dem beide zur Zahlung von 500.000 DM aufgefordert wurden. "Das ist bereits das zweite Mal, dass mich einer umbringen will", stellt Grabowski recht gelassen fest. Die Öffentlichkeit wurde seinerzeit nicht informiert, auch um Nachahmungstäter zu vermeiden – erfolglos, wie man nun weiß. Es ist nicht zu ändern: Wo man auch hintritt, knirscht ein Depp unter den Füßen. (rs)

 


>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg