Eintracht Frankfurt - FSV Frankfurt

Süddeutsche Meisterschaft, Gruppe Nord-Süd 1932/33 - 13. Spiel

0:0

Termin: 09.04.1933 im Stadion
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Sackenreuter (Nürnberg)
Tore: ./.

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt FSV Frankfurt

 


  • Wolf
  • May
  • Nadler
  • Knöpfle
  • Sadtler
  • Heldmann
  • Knapp
  • Schlagbauer

 

Trainer Trainer

 

Frankfurter Derby ohne Schwung

Eintracht — Fußball-Sportverein 0:0!!

Das Frankfurter Derby ist vorbei. Unentwegt halten die Frankfurter an dem Ausdruck fest; ob er seine Berechtigung hat oder nicht, das ist ihnen einerlei. Und wenn einer wählend der Fußballsaison vom „Frankfurter Derby" spricht, dann denkt kein Mensch an Pferderennen, sondern jeder weiß, was gemeint ist. Also das Derby ist vorbei und — um es gleich vorwegzunehmen, ein Spiel so lahm und lustlos, wie man in den Meisterrunden selten eins zu sehen bekommt! Zugegeben, daß das Wetter mehr geeignet war zum Zusehen als zum Fußballkampf — aber zwei Meistermannschaften, die ihren Gegnern um rund 10 Punkte voraus sind, die müssen auch bei schönem und warmem Frühlingswetter zeigen, daß sie etwas können. Denn, daß Könner in beiden Mannschaften sind, darf man doch wohl annehmen, sonst wären sie doch nicht so weit gekommen und hätten alle Gegner um ein beträchtliches Stück hinter sich gelassen.

Aber auch das Publikum — es waren rund 20.000 — war auffallend ruhig und zurückhaltend; und wir armen Berichterstatter haben keine Veranlassung, Ausdrücke zu gebrauchen, wie „die Wogen der Erregung schlugen haushoch", „die Volksseele kochte" u.a.m. So zahm habe ich die Bornheimer und die Eintrachtanhänger noch niemals um das große Oval eines Fußballfeldes herumsitzen sehen. Woran das lag? Vielleicht steckt hierin der Grund. Die Stadionleitung hatte vor das Haupttreffen nicht — wie üblich ein Spiel der Reserven gelegt, sondern ein Rugbyspiel zwischen 1880 und Eintracht, das übrigens für die letzteren mit 3:19 verloren ging. An dem ungewohnten Spiel, dessen Regeln die meisten nicht kannten und dessen eirunde Flugbahn ihnen in der Regel ein Schnippchen schlug, hatten sie kein Interesse und saßen teilnahmslos da, nur ab und zu nach der Uhr sehend, ob denn „das blödsinnige Spiel" noch nicht bald zu Ende sei. Nun kann bekanntlich bei Gleichgültigkeit und Einförmigkeit kein Barometer steigen; und so erklärt es sich auch, daß die Erregungssäule am Schluß des Rugbyspieles bei den meisten noch zwischen 560 und 600 stand, während sie beim Spiel der Reserven ganz sicherlich nahe an die 700 herangeklettert wäre. Von da bis zum höchsten Punkt war nicht mehr allzu weit. Aber ehe beim Kampf mit dem runden Ball die Differenz von 100 ausgeglichen war, war die erste Halbzeit vorbei. Nur ein einziges Mal in den ersten 45 Minuten setzte ein kurzes Pfeifkonzert im Bornheimer Lager ein, als Sackenreuter-Nürnberg, der sonst scharf, korrekt und kurz entschlossen das Spiel durchführte, sich eine Fehlentscheidung in der Abseitsregel zuschulden kommen ließ; und ein einziges Mal ertönte das „Horn von Bornheim", als einer aus dem Publikum dem Unparteiischen zurief: „Etwas genauer, Herr Schiedsrichter!" Ich hätte das Lamento bei anderen Spielen hören mögen; ein Dutzend „liebevoller Schimpfworte" wäre mindestens fällig gewesen — heute geschah nichts von alledem! Ist das Frankfurter Publikum seit heute so wohl erzogen, oder wollte es einen besonders guten Eindruck machen, weil das Oberhaupt der Stadt, Herr Oberbürgermeister Dr. Krebs, anwesend war? „Wenn ja, dann wird es schon gefallen dem Herrn Bürgermeister" zitieren wir frei nach Goethe.

Kurz vor 3 Uhr kommt ein Flugzeug herangesaust, senkt sich in kühnem Bogen zum Spielfeld herab und läßt den in eine Schleife eingewickelten Ball auf den grünen Rasen rollen, dessen sich sogleich ein Spieler bemächtigt; denn schon haben die 22 sich versammelt — und bald darauf erfolgt durch Eintracht der Anstoß. War das Rugbyspiel langsam und ermüdend gewesen, so stach der neue Spielbeginn geradezu wohltuend dagegen ab und die beiden Mannschaften gingen ins Zeug, daß viele Zuschauer sich unwillkürlich gefragt haben mögen, woher die Spieler die Kraft in der zweiten Halbzeit hernehmen wollten. Und diese Zweifler sollten recht behalten; bald merkte man deutlich, daß die Bornheimer ziemlich verhalten spielten. War es kluge Taktik oder machte ihnen die Wärme derart zu schaffen? Jedenfalls beherrschte die Eintracht anfangs die Situation, so daß Wolf im Tor der Blauschwarzen ziemlich viel zu tun bekommt. Sie haben gut daran getan, die Sportvereinler, daß Sie sich diesen Wiesbadener holten. Das Kerlchen ist ganz vorzüglich und wird von Spiel zu Spiel besser. Seine Wendigkeit ist auffallend und seine Berechnung der Flugbahn verblüffend und — sicher. Dabei wirft er sich schnell und mit Geschick und hat die Fähigkeit, die Bälle todsicher an sich her anzuziehen. Die Minusserie von 12:0 gegen die Oesterreicher scheint er glücklicherweise vergessen und überwunden zu haben. Sein Gegenüber hat nicht ganz diese Eigenschaften in so hohem Maße; aber auch in ihm steckt schönes Können, das er heute — gepaart mit redlichem Fleiß — restlos einsetzte. Hinzu kam ein gute Dosis Glück, wodurch seine Mannschaft vor einer Niederlage bewahrt blieb. Vor diesen beiden standen hüben und drüben eine Verteidigung, die recht und schlecht ihre Pflicht tat, aber nichts Hervorragendes leistete. Es wäre falsch, wenn man annehmen wollte, daß Verteidigung und Läuferreihe ganz besonders gut gewesen wären, weil die Stürmer nicht ein einziges Tor fertig brachten. Im Gegenteil, weil die Stürmerreihen — vielleicht mit Ausnahme von Lindner-Eintracht, Sadtler und Heldmann-Sportverein — ziemlich mäßig waren und es an durchreißerischen Kunststücken und saftigen, herzhaften Schüssen fehlen ließen, deshalb konnte die Hintermannschaften einigermaßen mit Erfolg arbeiten. Wo soll z.B. ein flottes, raumgreifendes Spiel herkommen, meine Herren, wenn jeder der fünf Stürmer sich jedesmal erst den Ball zurechtlegt, ehe er schießt; und was nützen alle guten Flanken und Vorlagen von den Außenleuten, wenn die Mittel- und Halbstürmer es nicht für ihre Pflicht halten, natürlich unter Berücksichtigung der Abseitsregel — so schnell wie möglich dem Ball nachzueilen? Wäre das geschehen, dann hätten für Sportverein leicht 2 bis 3 Tore fällig sein können; denn Schmitt im Eintrachttor ließ mehrmals das Leder fallen, konnte aber jedesmal die Situation wieder retten, weil der eigene Verteidiger ihn deckte und er den Ball in Ruhe aufnehmen konnte. Verpaßte Gelegenheiten, die mindestens einen Punkt kosteten!

Auch das Können der Läuferreihen war nicht überwältigend. Das Fehlen Mantels machte sich bei der Eintracht ziemlich stark bemerkbar; denn Sadtler und Knapp kamen oft an Tiefel vorbei, ohne daß ihnen viel Hemmnis in den Weg gelegt worden wäre. Bei den Bornheimern müßte Knöpfle eigentlich Wühler heißen; denn er ist überall und setzt sich auch überall durch. Nur sollte er seine Mätzchen lassen; ein internationaler Spieler mit solchem Können hat das nicht nötig! Daß er sehr oft — gelinde augedrückt — mehr als nötig scharf seine Körperkraft einsetzt, wird ihm selbst nicht unbekannt sein. Jedenfalls würde man ihn doppelt so gern spielen sehen, wenn er diese kleinen Mängel selbst ausmerzte. Wenn wir es für unsere Pflicht halten, den Spielern und auch dem Spielausschuß ziemlich unverhohlen die Wahrheit zu sagen, so geschieht das nicht, um zu kritteln und die einzelnen zu verletzen, sondern um sie auf die Fehler aufmerksam zu machen, die heute ganz augenfällig zu Tage traten.

Da diese beiden Frankfurter Mannschaften mit ziemlicher Gewißheit in die Endkämpfe um die Süddeutsche Meisterschaft kommen, kann es ihnen nur dienlich sein, wenn man sie auf ihre Fehler und Mängel aufmerksam macht. Noch ist es Zeit genug für den Trainer, diese kleinen Uebelstände zu beseitigen, denn daß die Schlußkämpfe entschieden schwerer und härter werden als die jetzigen sind, braucht wohl kaum betont zu werden. Diese Hintermannschaften sowohl als auch die Läuferreihen werden mit den Stürmern vom Club sowohl als auch von München 1860 ihre liebe Not haben. Ja, ich behaupte sogar, wenn sie nicht besser spielen als heute im Stadion, dann werden sie glatt überrannt. Vielleicht würde Stubb-Eintracht es sich dann doch reiflich überlegen, ob er allein Geländeritte übers ganze Spielfeld machen sollte, um als Verteidiger ein Tor zu schießen, das natürlich unterm allgemeinen Gelächter des Publikums daneben glückte. Die Neulinge bei der Eintracht Behning und Berger II führten sich gerade nicht auf die vornehmste Art ein. Gewiß — Kampf ist Kampf; aber auch Kämpfe können fair — und anders durchgeführt werden, und je feiner und ritterlicher man kämpft, ein um so geschätzter und lieber gesehener Spieler wird man!!

Ja — was sollen wir über den Spielverlauf besonders beerreichten: „Monotonie — Einförmigkeit" könnte man über das ganze Spiel schreiben, wen man von den paar beherzten und kraftvollen Schüssen von Heldmann und Lindner absieht. Der Schweizer Internationale Dietrich zeigte auch in der Gesamtheit des Spiels nichts Ueberragendes, trotzdem man zu Anfang des Spieles auf alles Mögliche gespannt sein durfte, da er sich mit seinem Nebenmann Berger II scheinbar ganz gut verstand und anfangs scharf und zielbewußt ins Zeug ging. Daß er und Trumpler kurz vor Halbzeit zweimal an die Latte schoß, war Künstlerpech!

So interesselos und ruhig das ganze Spiel verlief, so wenig schwungvoll war auch der Abmarsch der Massen. Die Spieler hatten dem Publikum keinen Stoff zur Unterhaltung gegeben; und still und nachdenklich gingen die meisten heim, verärgert und enttäuscht über das lustlose Spiel. Nur eine Bemerkung wollen wir festhalten, die wir unterwegs aufschnappten: Etwas Neues hat das Spiel doch gebracht; es ist das erste in dieser Runde, das 0:0 ausging; und damit hatte der Sprecher recht. Wir aber wollen zugleich hoffen, das es auch das letzte ist, denn bei Spielen dieser Art müssen Tore fallen — sonst ist es langweilig, und Langeweile können wir zu Hause ausbrüten, dafür brauchen wir nicht zum Fußballspiel von Meisterschaften zu gehen.      Richard Harbott. (aus dem 'Kicker' vom 11.04.1933)

 

>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg