Eintracht Frankfurt - Borussia Dortmund |
Bundesliga 1998/1999 - 32. Spieltag
2:0 (1:0)
Termin: Sa 15.05.1999 15:30
Zuschauer: 50.000
Schiedsrichter: Hartmut Strampe (Handorf)
Tore: 1:0 Jan-Aage Fjörtoft (40.), 2:0 Thomas Sobotzik (49.)
Eintracht Frankfurt | Borussia Dortmund |
|
|
Wechsel
|
Wechsel
|
Trainer |
Trainer |
Frankfurt gibt nicht auf 50.000 Zuschauer feierten. Eintracht Frankfurt darf weiter auf den Klassenerhalt hoffen. Nur ein Platz, jedoch drei Punkte und die schlechtere Tordifferenz gegenüber Hansa Rostock, trennt die Spieler von Trainer Jörg Berger nach dem 2:0 über die erschreckend schwachen Dortmunder noch vom Verbleib im Fußball-Oberhaus. "Wir haben nur getan, was wir tun mußten", sagte Berger. Seine Bilanz nach der Amtsübernahme: acht Punkte aus fünf Spielen. Beide Mannschaften konnten allein mit einem Sieg ihre verbliebenen Saisonziele überhaupt noch erreichen - das ließ ein vom Anpfiff an einsatzfreudiges und abwechslungsreiches Spiel erwarten. Doch weder die abstiegsbedrohten Frankfurter noch die Champions-League-süchtigen Dortmunder deckten in der ersten halben Stunde ihre Ambitionen vor den Zuschauern auf. Lediglich Frankfurt zeigte zumindest Initiative. Warum die Dortmunder eine der schwächsten Auswärtsmannschaften der Bundesliga sind, demonstrierten sie auch im Waldstadion. Bewegung scheint fern der Heimat ein Schimpfwort geworden zu sein, die Spieler beschränkten ihr Laufpensum wiederum auf das Nötigste. Aus dem Mittelfeld kamen weder von Möller noch Barbarez Impulse, Chapuisat und Herrlich fehlte im Angriff die Unterstützung, und Libero Stevic stopfte hinten zu selten Löcher. Bezeichnend: Chapuisat hatte in der 28. Minute die einzig nennenswerte Dortmunder Einschußmöglichkeit des Spiels. Ansonsten: technische Fehler des Brasilianers Dede und des deutschen Nationalspielers Ricken. Frankfurts Grobmotoriker Bindewald versprühte in der 22. Minute mit einem Sololauf über 30 Meter an vier Dortmundern vorbei mehr Eleganz als das gesamte hochdotierte Borussen-Ensemble. Angesichts der gegnerischen Harmlosigkeit wurden die Frankfurter immer mutiger und schossen sich allmählich auf Dortmunds Torhüter Lehmann ein. Erst mußte der Nationalkeeper einen Schuß Sobotziks, einen Freistoß aus 22 Metern, parieren (19. Minute), dann bedurfte es schon einer größeren Streckung sieben Minuten später, um Schneiders Geschoß zur Ecke abzuwehren. Nur 70 Sekunden danach vergab Kutschera aus zwölf Metern die bis dahin beste Frankfurter Torchance, ehe der Chinese Yang nach präziser Flanke Sobotziks mit einem Kopfball aus sechs Metern erneut an Lehmanns großartigen Reflexen scheiterte. In der 41. Minute half diese Kunst nichts mehr. Der Norweger Fjörtoft, von Sobotzik kurz vor der Mittellinie mit einem herrlichen Paß in die verwaiste Dortmunder Hälfte geschickt, spitzelte den Ball aus sieben Metern an Lehmann vorbei zur Frankfurter 1:0-Führung über den linken Innenpfosten ins Netz. Aus dem - wunderschönen - Treffer zogen aber nur die Frankfurter ihre Lehren. Vier Minuten nach dem Seitenwechsel konnten sie ihn dank erneuter Dortmunder Nachlässigkeiten kopieren. Diesmal durfte der unermüdliche Janßen den Steilpaß spielen, genau in den Lauf Sobotziks, der aus zwölf Metern zum 2:0-Endstand verwandelte. Dortmunds Antwort blieb aus, einzig der eingewechselte Nijhuis verpaßte in der 81. Minute eine mögliche Ergebniskorrektur. Frankfurts Trainer Berger fand trotz des Sieges klare Worte. "Man darf jetzt nicht jammern, wenn andere Mannschaften ihr Ziel schon erreicht und gegen uns gespielt haben", sagte er. "Aber die Saison ist noch nicht abgehakt. Die Zuschauer haben im letzten Spiel ein richtiges Endspiel verdient." Kollege Skibbe war derweil auf der Suche nach einem Lichtblick trotz der Niederlage fündig geworden. "Nach einer langen Saison", sagte er, "sind wir Tabellenfünfter und sehen nach vorne." (Welt am Sonntag vom 16.05.1999)
Frankfurt. Sie tanzten ausgelassen und fröhlich im Kreis wie eine Rasselbande. Sie hatten ja scheinbar auch allen Grund dazu, die Profis der Frankfurter Eintracht. Gerade war der Champions-League-Kandidat Borussia Dortmund, der überhaupt nicht wie ein solcher auftrat, vor 50 000 Zuschauern mit 2:0 besiegt worden, und dies ohne Zittern und auch noch hochverdient. Doch die Wahrheit an diesem sonnigen Maisamstag lag weniger auf dem Rasen des Waldstadions als auf den Plätzen in Nürnberg, Stuttgart und München. War es der Totentanz, den die Schwarzroten aufgeführt hatten? Eintracht-Trainer Jörg Berger tat gut daran, der Stadion-Regie das Einblenden der übrigen Resultate zu untersagen, denn wer weiß, ob nicht mancher Frankfurter Spieler schlapp gemacht hätte, wären die durchweg demoralisierenden Zwischenstände aufgeleuchtet. Nun bleibt der Eintracht nach einem Sieg, der wohl wie keiner zuvor in ihrer Geschichte mit Wehmut behaftet ist, vor den beiden letzten Spielen nur noch ein Fünkchen Hoffnung auf den Klassenerhalt. Denn selbst wenn ihr am nächsten Samstag in Schalke und am 29. Mai gegen Kaiserslautern zwei weitere Siege gelingen sollten, was ihr durchaus zuzutrauen ist, läßt das Hochrechnen des Restprogramms der fünf vor ihr liegenden Mannschaften (siehe Überblick auf dieser Seite) kaum noch Optimismus zu, auch wenn sich Präsident Rolf Heller seine ungebrochene Zuversicht nicht trüben lassen wollte: "Wir holen noch sechs Punkte und bleiben drin." Im Gegensatz zu einigen Spielern wollte Berger, der in sein "Riesenkompliment an meine Mannschaft" auch das "fantastische Publikum" einbezog, mit den Geschehnissen in anderen Stadien nicht hadern, verriet sogar Verständnis für "Teams, die ihre Ziele erreicht haben und bei denen die Spannkraft nachläßt". Und als Berger während der Pressekonferenz den Satz äußerte, der den Saison-Nagel auf den Kopf traf - "Wer nach 32 Spielen auf die Hilfe anderer angewiesen ist, der hat vorher einen Fehler gemacht" - verkniff er sich, soviel Höflichkeit muß sein, einen Seitenblick auf den neben ihm sitzenden Heller. Die Partie vom Samstag war so recht dazu angetan, unter den Eintracht-Fans hinterher "Ja, hätte"-Sätze anzustimmen. Ja, hätten wir wenigstens noch die zwei Punkte aus dem HSV-Spiel. Ja, hätte die Mannschaft doch immer so gespielt. Ja, hätten sie den Berger doch früher geholt. Ja, hätten Präsidium und Verwaltungsrat doch nicht. Die Frankfurter hatten mit den Borussen, abgesehen von einer Phase zwischen der 25. und der 35. Minute, keine Probleme, traten klug aus der Defensive heraus auf, kämpften, liefen, rackerten, waren vor allem weit williger als die nach der Pause lethargischen Dortmunder und eroberten sich auch spielerisch Vorteile. Und beide Tore wurden blitzsauber, fast wie auf dem Reißbrett produziert Fjörtoft stahl sich, um ein Abseits zu vermeiden, exakt im richtigen Moment aus dem Rücken der BVB-Abwehr davon, um Sobotziks öffnenden Paß kaltschnäuzig und präzise zum 1:0 zu verwerten (40.). Auch das 2:0 kurz nach der Pause (49.) war sehenswert. Diesmal schickte der überragende Janßen Sobotzik, für den sich kein Dortmunder zuständig fühlte, auf die Reise und der tunnelte Lehmann noch rotzfrech. Eine Minute später lag sogar das 3:0 nahe, aber Fjörtoft visierte sein Ziel denn doch zu hoch an. Die Eintracht hatte weitere gute Chancen: Schneiders Weitschuß zwang Lehmann zu einer Glanzparade (25.), Kutschera säbelte vorbei (26.), Yangs Kopfball prüfte Lehmann (38.), der Sobotziks Kopfball gerade noch auf der Torlinie zu fassen bekam (69.). Die karge BVB-Ausbeute: Chapuisat traf das Außennetz (28.), Nikolov mußte sich nach Nerlingers Schuß gewaltig strecken (30.), Herrlichs Kopfball-"Tor" ging Chapuisats Abseitsstellung voraus (32.), Nijhuis betätigte sich als fliegender Holländer, verfehlte aber den Ball (79.). Und unser alter Frankfurter Freund? Alles wie gehabt.
Er ließ sein Können nur zwei-, dreimal aufblitzen, tauchte
oft unter und hörte wie stets im Waldstadion die "Möller,
Du A..."-Chöre, gegen die er eigentlich längst immun sein
müßte. Noch bedenklicher aber war die Spiel-Analyse des jungen
Trainers Michael Skibbe. Er sagte lediglich, was jeder gesehen hatte,
und wirkte überfordert: "Ich habe keine Erklärung für
unsere Auswärtsschwäche." Aber der Schatten, den Hitzfeld
geworfen hat, war ja auch schon für einen Routinier wie Nevio Scala
zu lang. (Frankfurter Neue Presse vom 17.05.1999) Verbal abgegrätscht Alexander Schur spricht dem FC Bayern und Schalke
04 die professionelle Einstellung ab: Grabesruhe auf den Rängen. Kopfschüttelnd und fassungslos nehmen die Zuschauer die Ergebnisse auf den übrigen Bundesligaplätzen zur Kenntnis. Eben noch im Glauben, durch den 2:0-Sieg gegen Dortmund aus dem Tal der Tränen empor gestiegen zu sein, stürzen Fans und Fußballer am späten Samstag nachmittag wieder hinein in ein tiefschwarzes Loch. Punkt 17.36 Uhr ist die Eintracht-Welt wieder in Unordnung geraten. Der Stadionsprecher verliest pathetisch die auf der Anzeigetafel aufblinkenden Endergebnisse aus München, Nürnberg und Stuttgart. Ein Begräbnis erster Klasse. Vor dem Anpfiff hatte Trainer Jörg Berger die Männer am Regiepult des Waldstadions eigens angewiesen, während der 90 Minuten keine Zwischenstände einzublenden, „falls es schlechte sind“. Verdammt schlechte sogar. Es trifft sie knüppelhart. Toll gekämpft haben sie, gut gespielt obendrein. Und gewonnen auch noch. Nur freuen dürfen sie sich nicht. Wortlos ziehen die Fans des Weges, während die fußballspielenden Protagonisten der Unfairneß auf deutschen Fußballplätzen das Wort reden. Einen „Mega-Hals“ habe er, sagt beispielsweise Alexander Schur. Für den Mittelfeldspieler aus der Abteilung „Grätsche“ geht's nach dem Spiel erst richtig zur Sache, spricht einigen fußballspielenden Kollegen nicht nur die professionelle Einstellung ab, nein, in seiner ersten Erregung nach dem Abpfiff wittert Schur gar Vorsatz, spricht von Wettbewerbsverzerrung. „Es ist ganz bitter, wenn Profis auf den Platz gehen und nur 60 Prozent bringen, um nächstes Jahr einen kürzeren Anfahrtsweg zu haben“, sagt Schur an die Adresse des Deutschen Meisters FC Bayern, der sich in Nürnberg abservieren ließ. Aber auch die Schalker bekommen in der ersten Erregung nach dem Spiel ihr Fett weg: „Wir kämpfen um unsere Existenz, und die fahren unter der Woche nach Bremen und veranstalten dort ein Picknick auf dem Platz. Für mich ist das alles Mafia.“ Natürlich hat Alexander Schur bei seiner verbalen Grätsche über das Ziel hinausgeschossen, das weiß er selbst nur allzu gut. So kurz nach dem Abpfiff sei es dem jungen Mann verziehen, sein Herz auf der Zunge zu tragen, aber so ist das eben im Fußball. „Wenn man das Saisonziel erreicht hat, fehlen einem eben zehn, zwanzig Prozent. Das ist dann natürlich zuviel, um in der Bundesliga bestehen zu können“, weiß sein um knapp fünf Jahre älterer und um fast 200 Bundesligaspiele erfahrener Kollege Olaf Janßen. Die Enttäuschung der Eintracht-Fans bekommt auch Franz Beckenbauer hautnah zu spüren, der das Spiel bei Premiere kommentierte und sich ob der Niederlage seiner Bayern im Fränkischen wüster Beschimpfungen ausgesetzt sah. Der Präsident des FC Bayern versteht die erregten Zuschauer, „möglicherweise ist aber Bayern zur Zeit nicht in der Lage, gegen Nürnberg zu gewinnen.“ Keine Mannschaft verliere absichtlich, und „Nachbarschaftshilfe gibt es nicht.“ Also müssen sie sich schon an die eigene Nase fassen. Die fehlenden Punkte haben sie selbst liegenlassen. „Ich darf gar nicht daran denken, daß wir nach der Winterpause ein Drittel der Saison verschenkt haben“, weiß Schur sehr genau, wer die fehlenden Punkte zu verantworten hat. Alles Lamentieren nutzt jetzt aber herzlich wenig. Die Weichen sind gestellt, die Chance, aus dem Souterrain der Bundesliga doch noch empor zu steigen, ist aber noch vorhanden. Ebenso wie die Hoffnung, Ralf Weber und Thomas Sobotzik dazu zu bewegen, auch in der kommenden Saison in Frankfurt zu spielen. Nach Angaben von Heller müsse sich Sobotzik am heutigen Montag erklären. Noch aber, sagt der umworbene Mittelfeldspieler, habe er sich nicht entschieden. Zugegeben, „es hat keinen Sinn, einfach nur den Verein zu wechseln. Ich muß voll hinter der Entscheidung stehen“, sagt Sobotzik. „Aber genau die habe ich noch nicht abschließend getroffen.“ (Frankfurter Rundschau vom 17.05.1999)
|