Eintracht Frankfurt - Hamburger SV

Bundesliga 1998/1999 - 30. Spieltag

2:2 (2:0)

Termin: Di 04.05.1999 20:00
Zuschauer: 23.500
Schiedsrichter: Albrecht (Kaufbeuren)
Tore: 1:0 Alexander Schur (24.), 2:0 Chen Yang (42.), 2:1 Anthony Yeboah (73.), 2:2 Nico-Jan Hoogma (90.)

 

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Eintracht Frankfurt Hamburger SV

 

     

  • Jörg Butt
  • Ingo Hertzsch
  • Nico-Jan Hoogma
  • Dimitrios Grammozis
  • Andrej Panadic
  • Martin Groth
  • Bernd Hollerbach
  • Jacek Dembinski
  • Sergej Kirjakow
  • Fabian Ernst
  • Anthony Yeboah

 

Wechsel

Wechsel

  • Thomas Gravesen für Dimitrios Grammozis (30.)
  • Thomas Doll für Fabian Ernst (62.)
  • Harald Spörl für Bernd Hollerbach (75.)

Trainer

Trainer

  • Frank Pagelsdorf

 

In der letzten Minute vergibt die Eintracht den Sieg

Betreten und betröppelt haben die Fußballprofis der Frankfurter Eintracht am Dienstag abend den Rasen des Frankfurter Waldstadions verlassen. Sie hatten gegen den Hamburger SV scheinbar sicher zur Halbzeit nach Toren von Alexander Schur (24. Minute) und Chen Yang (42.) 2:0 geführt, sich die Minimalchance auf den Verbleib in der Bundesliga herausgearbeitet und herausgespielt, und doch haben sie wohl alles verspielt. Denn das 2:2, zu dem der Hamburger SV dank der Tore von Yeboah (73.) und in der Schlußminute von Hoogma noch kam, läßt die ohnehin nur geringen Aussichten, weiterhin erstklassig bleiben zu können, gegen Null sinken. Die Frankfurter hatten endlich wieder einmal vor 23000 Zuschauern ein akzeptables Fußballspiel gezeigt. Und doch hat es wieder nicht gereicht. Typisch für die gesamte Situation war der Ausgleich. Vier- bis fünfmal prallte der Ball im Strafraum hin und her, bis er dem Torschützen vor die Füße fiel. "Wir haben gut gekämpft, guten Fußball gespielt. Ich kann der Mannschaft nur den Vorwurf machen, das 3:0 nicht gemacht zu haben", sagte ein restlos enttäuschter Trainer Jörg Berger.

Horst Ehrmantraut, im Dezember bei der Eintracht entlassener Trainer, stand im Aufgang zum noblen Block 8 der Haupttribüne, schüttelte Hände ohne Ende, gab Autogramme und hielt - vielleicht unbewußt - hof. "Ich will meine Jungs mal wieder sehen", sagte Ehrmantraut, der an selber Stelle vor Jahresfrist noch als Trainer eines Aufsteigers gefeiert worden war. Und er saß just ein paar Meter hinter jenen Männern, die ihm den Stuhl vor die Tür gesetzt hatten.

Ob die Herrschaften den Druck von hinten verspürten, sei einmal dahingestellt. Der Druck, unter dem die Mannschaft stand, war mit Sicherheit wesentlich größer. Und die Mannschaft braucht auch eine gewisse Zeit, zueinander zu finden. Zumal Berger den Liberoposten wieder anders besetzt hatte. Nach seinen Patzern vom Spiel in Freiburg mußte Peter Hubtschew draußen bleiben, seine Stelle nahm wieder Olaf Janßen ein, der zunächst wenig Arbeit hatte. Die Hamburger wirkten seltsam saturiert, geradezu desinteressiert und beschränkten sich vornehmlich darauf, den Ball in der eigenen Hälfte kontrollieren zu wollen. Das ging anfangs recht gut, weil sich die Frankfurter in diesem Bollwerk festrannten. Die Hamburger lauerten auf Konterchancen, die sie jedoch verstreichen ließen. Als deswegen endgültig Langeweile drohte, versuchten die Eintracht-Fans von außen das Feuer ins Spiel zu tragen. Nach 20 Minuten hatten sie genug von diesem Ballgeschiebe, feierten ihre Mannschaft scheinbar ohne Grund - doch der wurde ihnen prompt nachgeliefert. In der 24. Minute hielt der Mann mit der 24 auf dem Rücken den Kopf in die Flugbahn des Balles, den Bernd Schneider nach einem Eckball in die Mitte geschlagen hatte, und schon stand es 1:0. Horst Ehrmantraut blieb übrigens sitzen, als seine Jungs feierten, so, als wisse er nur zu gut, was man ihnen trotz ihrer prekären Lage immer noch zutrauen darf. Er sollte sich nicht täuschen. Thomas Sobotzik schwang sich im Mittelfeld endlich wieder zu einer akzeptablen Leistung auf, worunter sein Nebenmann Bernd Schneider etwas zu leiden schien. Der immerhin schlug in der 28. Minute wieder einen Eckball so präzise, daß der aufgerückte Alexander Kutschera frei köpfen konnte, aber nur die Fäuste von Torhüter Butt traf. Eine weitere große Chance ließ der Norweger Jan-Aage Fjörtoft aus, als er nach einer Flanke von Chen Yang im Überfeier am Ball vorbeiflog.

Spielte der Chinese in diesem Fall Vorbereiter, so rückte er nur drei Minuten später in die Rolle des Hauptdarstellers. Thomas Zampach trat von rechts eine Flanke, die ihre Gefährlichkeit dadurch erhielt, daß sie von der Hamburger Abwehr völlig unterschätzt wurde. Fjörtoft tat ein übriges, irritierte Torhüter Butt und Libero Hoogma, der Ball flog durch die Mitte und Yang vor die Füße. Das 2:0 war sein siebter Saisontreffer im 19. Einsatz.

Und der schien den Hamburgern doch etwas gegen den Strich zu gehen. In der zweiten Halbzeit, die die Eintracht mit Ansgar Brinkmann anstelle von Bernd Schneider begann, legten sie ein anderes Tempo vor. Von der 62. Minute versuchten Trainer Pagelsdorf dies noch weiter zu forcieren, als er den ehemaligen Eintracht-Spieler Thomas Doll ins Spiel brachte, der im übrigen vom Publikum höchst ungnädig empfangen wurde; im Gegensatz zu Anthony Yeboah, der vor dem Spiel gefeiert wurde. Im Spiel blieb Yeboah wenig Zeit, an alte Zeiten zu denken, denn Kutschera war ein jederzeit hartnäckiger Widerpart.

Und Doll war kaum im Spiel, da hätte die Eintracht 3:0 führen können, ja müssen. Doch Butt wehrte den Ball, getreten vom völlig freistehenden Fjörtoft, glänzend um den Pfosten. Das sollte der Knackpunkt werden.

Statt des 3:0 kam das 2:1. In der 73. Minute drehte sich der bis dahin überhaupt nicht in Erscheinung getretene Yeboah wie gewohnt geschickt um die Frankfurter Abwehrspieler und ließ dem bis dahin überhaupt nicht beschäftigten Torhüter Oka Nikolov keine Chance. Die Frankfurter schienen schockiert, zumal der HSV urplötzlich die überlegene Mannschaft war. Ausgerechnet Doll hatte wenige Minuten vor dem Ende die Chance zum Ausgleich hatte. Kurz darauf parierte Nikolov einen mächtigen Weitschuß von Yeboah glänzend, war dann aber gegen das 2:2 von Hoogma, erzielt aus dem Gewühl heraus, machtlos.

Lähmendes Entsetzen. Ein gutes Spiel, ein guter Kampf, und doch standen sie wieder einmal mit (fast) leeren Händen da. (FAZ vom 05.05.1999)

Hoogma vereitelt ersten Sieg unter Berger

Es sollte wieder nicht sein, der Abstieg aus der Fußball-Bundesliga scheint für Eintracht Frankfurt besiegelt zu sein. Vor 23.500 Zuschauern erreichte die Eintracht gestern abend im Waldstadion gegen den Hamburger SV nur ein 2:2 (2:0). Bitter: Der Ausgleichstreffer fiel erst wenige Sekunden vor Schluß.

Jörg Berger hatte seine Startformation gegenüber der beim 0:2 in Freiburg auf zwei Positionen geändert. Der genesene Kapitän Ralf Weber war zur Freude des Eintracht-Trainers wieder an Bord, Olaf Janßen bezog - wie in den letzten 30 Minuten im Breisgau - den Libero-Posten, Petre Hubtchev mußte auf der Ersatzbank Platz nehmen. Tore Pedersen konnte wegen seiner Nebenhöhlenerkrankung nicht mit von der Partie sein, für ihn spielte Weber auf der linken Seite.

Und auf der Haupttribüne nahm - erstmals seit seiner Entlassung am 8. Dezember vergangenen Jahres - Horst Ehrmantraut Platz. Ein gutes Omen? Die Eintracht zeigte sich bestens bemüht, der eine oder andere war sogar übermotiviert. Chen Yang zum Beispiel, der bereits in der vierten Minute wegen einer „Schwalbe“ am HSV-Strafraum die Gelbe Karte sah. Vier Minuten später schoß der Chinese, von Bernd Schneider schön freigespielt, überhastet übers Tor.

Die Eintracht spielte gefällig, mutig und hatte mehr vom Spiel - begünstigt von der Passivität der Hamburger, die zwar mit Yeboah, Kirjakow und Dembinski drei Spitzen aufgeboten hatten, diese Offensivkraft jedoch nicht einsetzten. Und in der 24. Minute wurde die Eintracht für ihren Angriffswillen belohnt. Einen Eckball von Bernd Schneider, dem ansonsten nicht allzuviel gelingen wollte, köpfte Schur nahezu unbedrängt zum Führungstreffer ein.

Berger hatte in den Tagen unmittelbar vor dem Spiel das Eckball-Training forciert. Eine Maßnahme, die sich auszahlen sollte, denn fünf Minuten später hätte Kutschera - ebenfalls nach einer Ecke - beinahe das 2:0 geköpft, aber diesmal war HSV-Torhüter Butt auf dem Posten und boxte das Leder weg.

Die Eintracht hatte nun wieder das Kommando auf dem Platz, nachdem der Spielfluß vor dem Führungstreffer kurzzeitig ins Stocken geraten war. In der 39. Minute hätte Fjörtoft die Führung ausbauen können, doch Butt spitzelte ihm das Leder nach Yangs guter Vorarbeit auf der rechten Seite im letzten Augenblick weg. Drei Minuten später brandete allerdings erneut Jubel durch das Waldstadion. Zampach hatte von rechts geflankt, Fjörtoft noch verpaßt, doch Chen Yang stand richtig und schob das Leder zum 2:0 ins Netz. Zur Freude von Horst Ehrmantraut: „Ich bin so glücklich, daß ich meine Jungs wieder einmal sehe. Die Führung ist sehr verdient, der HSV spielt mit einem Schuß Überheblichkeit.“ Kirjakows Lattentreffer (45.) war die einzige Hamburger Ausbeute der ersten Hälfte.

Jörg Berger hatte sich in der ersten Halbzeit anscheinend so sehr über Bernd Schneider geärgert, daß er den künftigen Leverkusener aus der Mannschaft nahm und zu Beginn des zweiten Spielabschnitts Ansgar Brinkmann brachte. Die Hamburger präsentierten sich nun etwas arbeitsfreudiger, doch die Musik spielte weiter vor dem HSV-Tor. In der 63. Minute schien das 3:0 perfekt zu sein, Fjörtoft hatte nach Yangs feiner Vorarbeit auf dem rechten Flügel im Strafraum freie Bahn, aber Butt klärte mit einer Hand zur Ecke.

Völlig unverdient deshalb der Anschlußtreffer in der 73. Minute: Gleich vier Frankfurter Abwehrspieler bekamen am Strafraum den Ball nicht weg, Yeboah, ausgerechnet er, schaltete am schnellsten und schob den Ball zum 1:2 ins Tor. Nun begann doch noch einmal das große Zittern, und in der 90. Minute war die Eintracht-Depression perfekt, als Hoogma ein erneutes Gewühl im Frankfurter Strafraum zum Ausgleich nutzte.

Stimmen zum Spiel

Jörg Berger: „Wir haben gekämpft und gut gespielt, aber wir haben es nicht geschafft, den Sack mit dem 2:0 zuzumachen. Ein Sieg hätte noch einmal einen psychologischen Schub geben können. Die Enttäuschung ist auch bei mir jetzt groß, aber morgen muß ich die Köpfe der Spieler wieder nach oben richten. Sie haben heute gezeigt, daß sie sich noch nicht aufgegeben haben.“

Christoph Westerthaler: „Das 2:2 ist schrecklich und deprimierend. Wer solche Spiele nicht gewinnt, kann sich auf den Kopf stellen, und es passiert nichts.“

Anthony Yeboah: „Natürlich tut mir die Eintracht leid. Sie war besser und hätte gewinnen müssen.“

Frank Pagelsdorf: „Ich bin sehr verärgert über unsere erste Halbzeit. Da haben wir die Eintracht eingeladen, in Ruhe das Spiel aufzubauen. Dann hatten wir Glück, nicht 0:3 in Rückstand zu geraten. Yeboahs Tor war das Signal zur Aufholjagd.“ (FNP vom 05.05.1999)


Nun packt Jörg Berger den Rechenschieber aus

Ein paar Tage nach dem Beginn seiner Trainertätigkeit im Riederwald ist Jörg Berger gefragt worden, wie hoch er denn die Chance seiner neuen Mannschaft einschätze, doch noch in der Erstklassigkeit zu bleiben. Sie sei vorhanden, hat er gesagt, aber er ziehe es vor, allenfalls von Spiel zu Spiel zu denken und keinesfalls rechnen zu wollen. "Ich rechne, wenn ich in mein Portemonnaie gucke oder aufs Konto." Wenige Spieltage später, die Chancen der Eintracht auf den Klassenerhalt haben sich nicht wesentlich verbessert, will der 54 Jahre alte "Sanierer" womöglich doch noch mit den Zahlen spielen. "Ich fange frühestens dann an zu rechnen, wenn wir am Freitag gewinnen und die Konkurrenz in unserem Sinne spielt", hat er am Mittwoch gesagt.

Nun hat zumindest die Konkurrenz am Mittwoch schon ganz im Sinne der Eintracht gespielt, der VfL Bochum hat zu Hause verloren, und Werder Bremen, der Gegner am Freitag schwächelt spätestens nach der 0:4-Klatsche gegen den 1. FC Kaiserslautern ganz gehörig. Was für eine große Chance die Hessen durch ihr schusseliges 2:2 gegen den Hamburger SV in der Schlußminute verspielt haben, wird erst jetzt so richtig deutlich. Bochum und Bremen haben 29 Punkte, die Eintracht hat 25 Punkte auf ihr Konto geschaufelt. Bei einem Sieg gegen den HSV hätten sie 27 gehabt und beste Perspektiven. Dessen ungeachtet verlangt Berger, der mutmaßlich seine Elf nicht anders formieren wird als am Dienstag, das gleiche Engagement und die gleiche Einstellung wie gegen den HSV. "Die Mannschaft wird sich nicht aufgeben, ihr fehlt nur etwas mehr Sicherheit und Frechheit", sagt der Trainer, der allen negativen Prognosen zum Trotz auch persönlich nicht nachlassen will in seinen Bemühungen, das Unmögliche noch machbar zu machen. Er beobachtete am Mittwoch die Partie Schalke gegen Dortmund und wird am Samstag nochmals die Dortmunder Borussen (gegen Kaiserslautern) unter die Lupe nehmen.

Ansonsten kann Berger allenfalls versuchen, sein Team mental wieder aufzurichten mit Einzelgesprächen und Appellen an eine profigemäße Einstellung. Am Donnerstag ist die Mannschaft morgens schon nach Bremen geflogen und hat dort noch trainiert. Kein Zweifel: Trotz fortgeschrittener Resignation wollen sie sich in Frankfurt nicht noch mal den Vorwurf gefallen lassen, nicht alles versucht zu haben. Inzwischen kann Berger auch personell aus dem Vollen schöpfen und die zum derzeitigen Stand bestmögliche Mannschaft nominieren. Irgendwann, hat Alex Kutschera nach diesem traurigen Dienstag gesagt, "muß das Glück auch wieder zu uns zurückkommen." Doch das Glück, man weiß es, hat Flügel. (FR vom 07.05.1999)

 

 

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