Werder Bremen - Eintracht Frankfurt |
Bundesliga 1988/1989 - 32. Spieltag
2:0 (1:0)
Termin: Sa 03.06.1989 15:30
Zuschauer: 21.500
Schiedsrichter: Gerhard Theobald (Wiebelskirchen)
Tore: 1:0 Frank Neubarth (27.), 2:0 Frank Ordenewitz (84.)
Werder Bremen | Eintracht Frankfurt |
|
|
Wechsel
|
Wechsel
|
Trainer
|
Trainer |
Hilflos, ratlos „Hängt euch bitte auch gegen die Frankfurter so rein, und schlagt bitte die Eintracht.“ Darum hatte Nürnbergs Trainer Gerlandt vor 14 Tagen nach der 1:2-Niederlage in Bremen gebeten. Trainer Rehhagel: „Das machen wir, das ist Ehrensache.“ Gestern löste Werder das Versprechen ein und schlug die abstiegsbedrohten Hessen 2:0. 21.500 Zuschauer sahen eine halbe Stunde ein sehr gutes, in den restlichen 60 Minuten ein eher mittelmäßiges Spiel. Vor allem eins fehlte: Die Tore. Werder hätte gestern gegen die schlappen Frankfurter schon früh alles klar und einen deutlichen Erfolg herausschießen können. Woran lag's? Kalle Riedle, im Länderspiel in Cardiff mit einer Leistenverletzung ausgewechselt, ließ es vorsichtig angehen. Doch er will bis zum Pokalfinale weiterspielen, sich erst dann operieren lassen. Eine weise Entscheidung? Auch Neubarth, Schütze des ersten Tores, bot wenig Überzeugendes. So kam's, daß sich trotz flotter, schöner und spritziger Kombinationen vorn wenig tat. Und außerdem hielt Stein sensationell. Überragend auf dem Platz waren die Bremer Mittelfeld-Spieler Dieter Eilts und Günter Hermann. Es machte Freude, ihnen bei ihren Dribblings, Schüssen und Pässen zuzuschauen. Die erste dicke Chance bot sich jedoch der Eintracht. Ein Studer-Paß landet bei Eckstein, doch der vergibt, und Eilts kann noch klären (6.). Sein herrlicher Heber acht Minuten später klatscht an die Querlatte. Die Bremer stürmen, die Bremer dominieren. 27. Minute: Wolter kann frei flanken, Neubarth steigt hoch und nickt für Stein unhaltbar aus 2 Metern ein. Was auffällt: Die Eintracht gewinnt zu wenige Zweikämpfe. Von einem Abstiegskandidaten erwartet man mehr Biß, mehr Behauptungswillen. Auch mit besten Chancen kann sie nichts anfangen. So bot sich Eckstein in der 36. Minute nach einem Fehler von Bratseth eine hundertprozentige Tormöglichkeit. Doch - allein vor Reck — trifft Eckstein nicht, der Bremer Torhüter hält. Nach der Pause verflacht die Partie, wird das Tempo langsamer -und doch bekommt Werder dicke Chancen: So, als Eilts aufs leere Tor schießt. Da rettet Körbel auf der Linie. So, als Riedle plötzlich allein vor Stein auftaucht - der Frankfurter Keeper klärt. Besser macht's Frank Ordenewitz, der nach 77 Minuten für Riedle gekommen war. „Otze“ setzt nach 83 Minuten vor der Mittellinie zu einem wunderschönen Alleingang an. Sein ersten Schuß kann Stein noch abklatschen. Der Nachschuß aus 12 m sitzt. Das 2:0 (83.). (BamS vom 04.06.1989)
Hölzenbein: „Müssen für die Zweite Liga planen“ Eintracht Frankfurt muß der Realität fester denn je ins Auge sehen. Die Mannschaft des vorjährigen Pokalsiegers zeigt nicht mehr den Willen und besitzt auch nicht die spielerischen Mittel, um in der Bundesliga bestehen zu können. „Wir müssen die Zweite Liga wohl planen“, beschönigte Vizepräsident Bernd Hölzenbein nach dem 0:2 (0:1) beim Deutschen Fußball-Meister Werder Bremen nichts. Den Weltmeister von 1974 hatte die Leistung der Mannschaft in den 90 Minuten fast sprachlos gemacht. Verärgert, maßlos enttäuscht und niedergeschlagen, aber dennoch redselig gab sich Trainer Jörg Berger: „Eine Zumutung, wie einige ihr Pensum heruntergespielt haben.“ Der Mannschaftsschelte folgte sogleich der Vorwurf an den Deutschen Fußball-Bund: „Für mich ist es unverständlich, daß die Kölner erst am Dienstag bei unserem Konkurrenten Kickers Stuttgart spielen. Nun kann Kollege Daum aber beweisen, daß es trotz verpaßter Meisterschaft auch weiterhin sportlich zugeht und seine Mannschaft mit der richtigen Einstellung im Neckarstadion antritt.“ Der Eintracht-Trainer befürchtet Wettbewerbsverzerrung: „Die Kölner haben doch nach dem hohen Bayern-Sieg kaum noch Ehrgeiz. Und wenn die Münchner in Nürnberg antreten, könnte die Luft raus sein.“ Die Relegationsspiele gegen den Zweitliga-Dritten werden für die Eintracht immer wahrscheinlicher. Das Team spielte im Weserstadion tatsächlich wie ein Absteiger. Dabei agierte drei Wochen vor dem Saisonhöhepunkt Werder lässig wie selten zuvor. „Die Spieler haben im Hinterkopf sicherlich das Pokalfinale“, versuchte Manager Willi Lemke zu entschuldigen. Treffer von Neubarth und Ordenewitz waren gegen diese desolate Eintracht-Mannschaft einfach zu wenig. Mit seiner Leistung konnte vor allem Torjäger Riedle nicht zufrieden sein: „Ich spiele ständig unter großen Schmerzen und wurde sogar fitgespritzt.“ Gespräch mit Eintracht-Trainer Jörg Berger Frage: War das 0:2 bei Werder Bremen die Kapitulation der Mannschaft im Kampf gegen den Abstieg? Berger: „Es war erschreckend, wie einige ihr Pensum heruntergespult haben. So kämpft man nicht um den Klassenerhalt.“ Frage: Wo sehen Sie denn noch Chancen auf Punkte? Berger: „Das nächste Heimspiel gegen Dortmund muß gewonnen werden. An das Spiel in Hannover wage ich noch gar nicht zu denken. Wir müssen das irgendwie überstehen, aber wie das geschehen soll, kann ich noch nicht sagen.“ Frage: Wie können Sie die Mannschaft umbauen? Berger: „Ich habe keine Alternativen. Von Turowski hatte ich in unserer schwierigen Situation ein anderes Verhalten erwartet, Gründel ist im nächsten Spiel wieder dabei. Mit unseren Mittelfeldspielern, die mich in Bremen maßlos enttäuschten, werde ich mich auseinandersetzen. Ihre Leistung war indiskutabel.“ (Darmstädter Echo vom 05.06.1989)
Der Mann verfügt wirklich über einen schier unerschütterlichen Optimismus. Da baute sich Jürgen Friedrich, der als Manager in Frankfurt so gerne mehr bewegt hätte, in der Abfertigungshalle des Bremer Flughafens auf, warf sich in die Brust und diktierte: „Wir werden die beiden letzten Spiele gewinnen und uns mit dem 15. Tabellenplatz von der Saison verabschieden.“ Punktum. Aus. Widerspruch? Unerwünscht! Eine knappe Stunde zuvor hatte Eintracht Frankfurt im Bremer Weserstadion verloren. Tore von Neubarth in der 27. und Ordenewitz in der 83. Minute hatten Werder zum neunten Mal die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb garantiert, während es bei den Frankfurtern wieder faul und modrig nach Abstieg roch. Und dennoch: „Ich habe es schon vor geraumer Zeit gesagt: Wir verlieren nur noch ein Spiel.“ Vielleicht ist Jürgen Friedrich ja ein Prophet in Sachen Fußball, denn recht behalten hat er bis jetzt. Vom 11. Mai stammt diese Aussage. Tags darauf gewannen die Frankfurter 3.2 gegen Kaiserslautern, dann folgten Punkteteilungen in Leverkusen (2:2) und gegen Gladbach (1:1) und jetzt, praktisch mit „Ansage“, die Niederlage in Bremen. Es bleiben die Termine gegen Borussia Dortmund am kommenden Samstag im Waldstadion (Kapitän Körbel: „Da müssen die Zuschauer noch einmal mobil gemacht werden.“) und am letzten Spieltag in Hannovers Niedersachsen-Stadion. Friedrichs Botschaft hört man wohl, allein es fehlt der Glaube. Denn die sportliche Leistung von Eintracht Frankfurt in Bremen war nun alles andere, nur nicht geeignet, volle Kellen Zuversicht und Optimismus aus dem Bottich zu schöpfen. „So kann man in der Bundesliga nicht spielen“, stellte abermals ernüchtert Trainer Jörg Berger fest, „ich habe jedes Aufbäumen vermißt“. Noch 180 Bundesliga-Minuten, dann spielt Eintracht Frankfurt in der Zweiten Liga — so lautet die pessimistische Variante zu Friedrichs (Zweck-?) Optimismus. „Wir müssen wohl für die Zweite Liga planen“, wurde am Sonntag Vizepräsident Bernd Hölzenbein von der Nachrichtenagentur dpa zitiert. So deutlich kam das bisher noch nicht zum Ausdruck. Jörg Berger, gleichermaßen geplagter wie genervter Eintracht Trainer, gab in Bremen wieder einmal Auskunft über die körperliche Pein, die ihm seine marode Mannschaft permanent und in Penetranz zufügt „Es ist eine Zumutung, wie einige in so einer wichtigen Phase ihr Pensum abspulen. Das tut mir weh.“ Bergers Leid begann früh, früher als sonst. Nach einer knappen halben Stunde scheuchte er Balzis von der Ersatzbank hoch und schickte ihm zum Aufwärmprogramm hinter das Bremer Tor, wo längst die Hitze des Gefechts hohe Temperaturen erreicht hatte. Balzis kam nach 34 Minuten für Heidenreich — weil der wie ein Gockel auf dem Platz herumstolziert war, ohne Engagement ohne Mumm, ohne Mut, nur eben mit erhobenem Haupt. Einen Konter hatte er eingeleitet, mehr nicht. Und weil Jörg Berger auch und gerade von seinen Mittelfeldspielern im Abstiegskampf „Einsatzwillen bis an die Grenzen der körperlichen Möglichkeiten“ verlangt, tauschte er früh aus. Doch da hatte Neubarth schon mit einem wuchtigen Kopfstoß getroffen, weil Wolter völlig ungehindert flanken konnte. Werder spielte Katz und Maus mit den Frankfurtern. Vor allem im Mittelfeld, wo Schulz, Sievers, Binz, Heidenreich, später Balzis und Studer Bundesligatauglichkeit nicht nachwiesen. Wie in einem besseren Training, schoben die Bremer die Kugel hin und her. Es ergab sich daraus das, was man als Feldüberlegenheit bezeichnet. So gesehen, und auch weil Eckstein zweimal in aussichtsreicher Position vertändelt hatte, war der Führungstreffer normal. Doch dagegen begehrte die Eintracht in der gesamten verbleibenden Zeit eben nicht mit dem gebotenen Willen auf. Ein paar Konter auf der einen, großartige Paraden von Torhüter Stein gegen Sauer, Votava, Neubarth, Riedle, Eilts auf der anderen Seite, das war's. Am Ende standen sage und schreibe 11:0 Ecken zu Buche. Das sprach Bände über das Spiel des amtierenden Deutschen Meisters gegen den amtierenden Deutschen Pokalsieger. Die Bremer, mit Gedanken längst beim Pokalfinale in Berlin, taten nur das Allernötigste, aber das genügte, um die Frankfurter im Zaum zu halten. Bei denen kam noch Lasser für Klepper. Da spielte dann Körbel gegen Riedle und Binz wieder mal Libero. Es half nichts, weil halt im Mittelfeld nichts lief, weil sich Andersen und Eckstein nicht durchsetzten. Nur die Abwehr um die starken Körbel und Roth stand. Aber auch die erstarrten zu Salzsäulen, als der eingewechselte Ordenewitz nach 83 Minuten unwiderstehlich loszog und mit einem herrlichen Solo über das halbe Feld, vorbei an Körbel und Roth, eine Partie entschied, die schon vorher praktisch gelaufen war. Ein Alptraum der Eintracht-Anhänger hat sich derweil erledigt. Heimspiel gegen Dortmund: 87. Spielminute, 0:0, Freistoß 20 Meter vor dem Eintracht-Tor, Andreas Möller setzt den Ball hin — und schießt die Frankfurter in die Zweite Liga. Der Ex-Frankfurt handelte sich am Samstag die vierte gelbe Karte ein und muß im Spiel bei seinem früheren Arbeitgeber pausieren. Aber es gibt so viele Träume in diesen schweren Wochen... (Frankfurter Rundschau vom 05.06.1989)
|