Eintracht Frankfurt - VfB Stuttgart |
Bundesliga 1988/1989 - 27. Spieltag
1:3 (1:2)
Termin: Sa 29.04.1989 15:30
Zuschauer: 26.500
Schiedsrichter: Karl-Josef Assenmacher (Hürth)
Tore: 1:0 Janusz Turowski (4.), 1:1 Jürgen Hartmann (15.), 1:2 Fritz Walter (25.), 1:3 Maurizio Gaudino (83.)
Eintracht Frankfurt | VfB Stuttgart |
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Don Quijote und die IG Trainer Arie Haan wird dem VfB Stuttgart im Spiel bei Eintracht Frankfurt fehlen. Der Niederländer beobachtet vor dem UEFA-Pokal-Finale die Partie des Gegners SSC Neapel gegen Verona und wird währenddessen am Main von Co-Trainer Willi Entenmann vertreten. Katanec fehlt dem VfB ebenfalls; er spielt mit Jugoslawiens Nationalelf gegen Frankreich. „Dies wird ein Schlüsselspiel für uns, wenn wir Gladbach noch vom fünften Rang verdrängen wollen“, sagt Haan. Bei seinem Frankfurter Kollegen Jörg Berger sind mittlerweile die ärgsten personellen Sorgen verflogen, denn die Bedenken im Fall von Heinz Gründel nach dem Privatspiel in Spanien gegen CD Malaga haben sich im Laufe der Woche verflüchtigt und auch Karl-Heinz Körbels Fußverletzung soll sich bis Samstag gebessert haben. „Das steckt ein Körbel weg“, sagt Berger zu Körbels uneigennütziger Berufsauffassung. „Die Schmerzen sind tierisch“, bestätigt Mannschaftsarzt Dr. Degenhardt, „aber wenn es einer packt, dann Charly.“ Der so Gelobte bleibt also an Bord und meldet sich an anderer Stelle auch zu Wort. „Was 40 Jahre lang währt, muss ja gut sein. In der Tat ist es schon erstaunlich, was die Fußball-Tipperei für einen Aufschwung genommen hat. Der Fußball-Toto ist ein wichtiger Bestandteil der Fußball-Szenerie. Es ist sicher viel Spannung und Kribbeln dabei, wenn man samstags auf die Ergebnisse wartet oder den Spielverlauf bereits im Radio mitbekommt. Spekulieren ist immer spannend, auch wenn ich nur ein unregelmäßiger Tipper bin. Man kann dem Hessen-Toto getrost zum 40-Jährigen gratulieren. Eine gute Sache“, gratuliert Körbel, der weiß, dass die Wetten auf den Klassenerhalt seiner Eintracht besser stehen könnten. Dafür steht die Eintracht bei einem der besten Bundesligaspieler hoch im Kurs. Am Montag vor dem Spiel gegen den VfB Stuttgart vermeldete Manager Jürgen Friedrich die Verpflichtung des 28 Jahre alten Mittelfeldspielers Bein vom Hamburger SV zur neuen Saison. Bein, der mit 14 Treffern in der Torjägerliste nur einen Treffer hinter dem führenden Thomas Allofs liegt, unterschreibt einen Zwei-Jahres-Vertrag zuzüglich einer Option für ein weiteres Jahr und kostet die Eintracht eine Ablöse von ca. 1,3 Millionen Mark. „Vielleicht bin ich ein kleines Risiko eingegangen. Aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Eintracht den Klassenerhalt schafft. Über alles andere habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, aber wenn die Eintracht absteigen sollte, würde ich sicherlich einen anderen Verein finden“, erklärt Bein. „Mein Ziel ist die Weltmeisterschaft 1990 in Italien“, stellt Bein seine Ambition klar. In der DFB-Auswahl hatte Hermann Nuber seinen Schützling schon nach dem ersten Profijahr bei Kickers Offenbach an der Seite Völlers gesehen: „Der Uwe und der Rudi werden eines Tages die linke Angriffsseite in der Nationalmannschaft bilden.“ Während Völler in Beckenbauers Elf seit Jahren etabliert ist, muss sich Bein, der 1984 zum 1. FC Köln und 1986 schließlich zum Hamburger SV wechselte, dort aber seinen Platz noch sichern. Bein meint, dazu den richtigen Verein gefunden zu haben, und erklärt die Gründe für seine Rückkehr an den Main: „Erstens steckt in der Eintracht-Mannschaft weitaus mehr Substanz, als es in dieser Saison den Anschein hat, so dass dort sportlich noch einiges machbar ist. Zweitens bin ich nach langen Gesprächen mit meiner Familie zu der Entscheidung gekommen, nach Hessen zurückzukehren.“ Bein nimmt dabei Rücksicht auf seine ab dem Sommer schulpflichtige Tochter und Manager Friedrich hat es verstanden, Eintrachts Werbepartner Hoechst bei Beins Ehefrau Sabine ins Spiel zu bringen, die schon bald wieder ihrem erlernten Beruf als Chemielaborantin nachgehen will. „Neben Bein wollen wir noch einen oder zwei gestandene Spieler sowie zwei, drei Talente verpflichten“, geht Friedrich bei seinen Personalplanungen davon aus, dass die Eintracht am Ende die Klasse halten wird. Friedrich stand seit zwei Wochen in Kontakt mit Bein, „aber konkret konnten wir die Sache erst bereden, nachdem sich mit dem Sieg in Karlsruhe ein Silberstreif am Horizont gezeigt hat.“ Das 3:1 beim KSC war der zweite Auswärtssieg in der Rückrunde für die Frankfurter, die sich bis in diesem Jahr in der Fremde leichter tun als im Waldstadion, wo sie unter Berger immer noch auf den ersten Heimsieg warten. Janusz Turowski, der schnelle, aber vor dem Tor nicht eben nervenstarke Stürmer hat alle drei Treffer in Karlsruhe erzielt und gegenüber den vom Club aus Nürnberg verpflichteten Sturmduo Jörn Andersen und Dieter Eckstein reichlich Boden gut gemacht. Vor dem Spiel flimmern über die Anzeigetafel noch einmal Turowskis Tore gegen den KSC und Turowski ist es auch, der bei strahlendem Sonnenschein in der 4. Minute die Eintracht gegen die Stuttgarter in Führung bringt. Studer hat einen Fehler von Schäfer genutzt und von der Torauslinie Turowski mit einer Flanke bedient, die dieser mit einem Volleyschuss aus kurzer Distanz an Eike Immel vorbei ins Stuttgarter Tor kanoniert. Die Eintrachtanhänger unter den 26.500 Zuschauern sind begeistert, wobei sie auch deswegen so zahlreich erschienen sind, weil es für eine gekaufte Eintrittskarte noch eine Freikarte obendrein gegeben hat. Diese Aktion will die Eintracht als Auftakt zum neunzigjährigen Vereinsjubiläum verstanden wissen. „Gegen Favoriten haben wir uns immer gut geschlagen“, meinte Jörg Berger vor der Partie und es scheint, als hätten seine Worte an die Spieler endlich Wirkung gezeigt: „Sie müssen neunzig Minuten alles geben, für sich, die Mannschaft und den Verein. Das ist ihr Beruf, und das muss man ihnen nicht vor jedem Spiel wiederholen. Das müssten sie eigentlich wissen.“ „Was die Stuttgarter denken, hat uns nicht zu interessieren. Wichtig ist, was in den Köpfen unserer Spieler vor sich geht“, hat der engagierte Trainer aber auch gesagt. Und genau das würde man in diesem Moment zu gerne wissen. Ob die Eintracht nach dem Sieg beim KSC und der schnellen Führung euphorisiert ist oder den mit 7:17 Punkten eher auswärtsschwachen VfB unterschätzt? Oder glaubt man gar, die von Arie Haan trainierte Truppe schon in die Knie gezwungen zu haben, weil die mit ihren Gedanken schon beim am folgenden Mittwoch stattfindenden ersten UEFA-Cup-Finale beim SSC Neapel sein könnten? Wie auch immer: Anstatt nun mit dem 1:0 im Rücken aus einer verstärkten Abwehr heraus den Gegner kommen zu lassen, stürmt die Eintracht weiter mit Mann und Maus und rennt mit dem Kopf voll gegen die Wand, durch die man spazieren will. Die Gäste nehmen das fehlerhafte Aufbauspiel der Eintracht dankbar an und spielen sich mit großer Leichtigkeit durch die ungeordneten Reihen des Gegners. Fritz Walter nimmt in der 15. Minute einen meisterhaften Pass von Sigurvinsson auf, setzt sich an der linken Eckfahne gegen den wegen seiner Blessur am rechten Knöchel mit einer schmerzstillenden Spritze in die Partie gegangenen Körbel durch und flankt in die Mitte, wo Hartmann mit einem Kopfballaufsetzer aus fünf Metern den auf der Linie verharrenden Stein überwindet.
Zehn Minuten später verdribbelt der für Bakalorz in die Mannschaft gekommene Heidenreich den Ball vor dem eigenen Tor. Sigurvinsson schießt Körbel an, bevor er den Abpraller nach links zu Gaudino legt, dessen Flanke Walter im Fünfmeterraum stehend eindrückt. In der 29. Minute klingelt es dann zum dritten Mal nach einem herrlichen Seitfallzieher Sigurvinssons, doch dieser Treffer findet wegen gefährlichen Spiels keine Anerkennung - Studer stand beim Schuss zu nahe am Isländer, der in der Folge von Roth bewacht wird. Ein Hühnerhaufen hat mehr Struktur als die Eintracht an diesem Nachmittag. Libero Binz überlässt seine ohnehin überforderte Abwehr sich selbst und turnt in der Offensive umher, während Eckstein und Heidenreich Fußball verkehrt spielen, als der schnelle Stürmer Eckstein den vergleichsweise fußlahmen Mittelfeldspieler Heidenreich steil in die Spitze schicken will … Zur Halbzeit stützt sich Manager Friedrich am Geländer der Ehrentribüne ab und starrt stumm auf den Rasen. Ratlosigkeit macht sich auf den Rängen breit. Trainer Berger bringt zum Wiederanpfiff Sievers für Lasser und nach einer knappen Stunde Bakalorz für Heidenreich, der gegen Jürgen Hartmann kein Land sieht, doch das kopf- und harmlose Anrennen der Eintracht bringt kein zählbares Ergebnis. Die beste Torchance besteht in einem abgefälschten Schuss des schwachen Eckstein. Der VfB verwaltet die Führung, die er schon längst hätte ausbauen müssen. Schröder trifft in der 78. Minute nach einer Flanke von Allgöwer ins Frankfurter Tor, doch Schiedsrichter Assenmacher entscheidet auf Abseits.
Das 3:1 erzielt dann Gaudino in der 83. Minute, als er bei einem Konter von dem für Walter eingewechselten Poschner steil angespielt den weit vor seinem Tor stehenden Stein mit einem Heber aus 25 Metern überwindet. Da können es die Schwaben leicht verschmerzen, dass Allgöwer zwei Minuten vor dem Ende mit einem Strafstoß an Steins Faust scheitert, nachdem Körbel Klinsmann gelegt hat. Der Uli täte ihm leid hinter solch einer Deckung, bekennt Steins Stuttgarter Gegenüber Eike Immel nach dem Abpfiff und sinniert wenig optimistisch: „Meist wird der Abstieg über eine gute Abwehr verhindert.“ Stuttgarts Co-Trainer Willi Entenmann, der heute anstelle des den SSC Neapel beobachtenden Arie Haan auf der Bank das Sagen hatte, freut sich indes über den Sieg: „Er hat uns auch wieder in die Lage versetzt, den fünften Platz aus eigener Kraft zu erreichen.“ Und: „Dieser Sieg gibt uns Selbstvertrauen für Neapel. Am erfreulichsten war, wie viele Chancen wir herausgearbeitet haben. So viele, wie in den letzten 10 Spielen zusammen.“ Die Presse geht wenig zimperlich mit der Frankfurter Mannschaft um. So fragt das Darmstädter Echo: „Das Wasser steht ihnen seit Monaten bis zum Hals, zum Teil sogar darüber. Doch gemerkt haben die Spieler von Eintracht Frankfurt das offenbar nicht. Wollen sie untergehen, ohne sich zu wehren?“ „Ich habe gedacht, wir stehen im Abstiegskampf und nicht im Abstiegsspiel“, prangert auch Trainer Berger die Darbietung seiner kickenden Angestellten an und findet als Einziger Anerkennung: „Berger allein offenbarte am Spielfeldrand jene kämpferische Bereitschaft, mit der die Heimniederlage zu verhindern gewesen wäre“, lobt ihn das Darmstädter Echo, während die Allgemeine Zeitung aus Mainz kommentiert: „Laut Trainer Berger beschäftigt man sich bereits seit Anfang des Jahres in Frankfurt mit den Relegationsspielen. Sollten noch mehr solcher Vorstellungen folgen, wird dies jedoch nicht mehr nötig sein.“ Wolfgang Tobien nennt Berger, der eine Vielzahl von Einzelgesprächen mit den Spielern führte, in der FAZ „eine Art Don Quichotte im Kampf gegen die Windmühlen innerhalb der Mannschaft. (..) Bei seinen Bemühungen, den Spielern Beine zu machen und die Mannschaft dadurch als Ganzes wieder auf die Füße zu stellen, legt Berger die Hände wahrlich nicht in den Schoß. Gerade ihm wäre es daher zu gönnen, dass er diese Mannschaft in der Schlussphase dieser Saison wenigstens noch zu einer Interessengemeinschaft gegen den Abstieg vereinigen könnte. Mehr wäre, um den Sturz in die Zweitklassigkeit zu verhindern, angesichts der sportlichen Substanz innerhalb dieses Teams gar nicht nötig.“ Aber nicht nur ihre Klasse hat diese überstürzt zusammen gestellte IG vergessen, sondern auch den Wunsch des dienstältesten Zeugwarts der Bundesliga Anton „Toni“ Hübler. Toni, seinerzeit schon seit 35 Jahren für und bei der Eintracht tätig, hat am Freitag seinen 60. Geburtstag begangen und vor Sonntag, mindestens aber vor Samstag, 17.15 Uhr, aus Aberglauben alle Glückwünsche abgelehnt und sich von der Mannschaft ein einziges Geschenk gewünscht: „Am Samstag gegen den VfB, da müssen sie auch für mich spielen und gewinnen.“ „Toni“ Hübler, der all die Jahre seinem Prinzip treu geblieben ist, „nie etwas in die Kabine hinein- und nie etwas aus ihr hinauszutragen“, denkt noch lange nicht an den Abschied von der Eintracht. „Der Arbeitsminister Blüm hat doch gerade gesagt, wir alle sollen etwas länger arbeiten. Ich bin topfit, die Eintracht und ich, wir brauchen uns noch“, sagt er und glaubt nicht an einen Abstieg seines Vereins: „1983, als Dietrich Weise uns an letzter Stelle übernahm, da habe ich jeden Tag vor dem Training die rote Laterne angezündet, und dann haben wir es wieder geschafft. Und wir werden es auch in diesem Jahr schaffen.“ „Ein Heimsieg über Stuttgart hätte uns auf diesem Gebiet vieles erleichtert“, klagt Manager Friedrich mit Blick auf weitere Neuverpflichtungen und fürchtet ein mögliches drittes Relegationsspiel am 30. Juni: „Spätestens am 6. Juli müssen wir aber mit dem ersten Training der neuen Saison beginnen.“ „Wenn die Spieler jetzt nicht bereit sind, sich als Mannschaft zu wehren, dann sieht es ganz schlecht aus. Gegen Stuttgart ging kein Ruck durch das Team, da tat sich nach dem 1:2-Rückstand nichts untereinander und miteinander“, konstatiert Jörg Berger, der es nicht bei allgemeinen Appellen belässt, sondern weiterhin auf Einzelgespräche setzt, wie mit Dieter Eckstein. „Ich habe ihm mit aller Deutlichkeit gesagt, dass er vorne in der Spitze spielen und Tore machen muss. Danach wird er beurteilt. Wenn er sich weiterhin so ins Mittelfeld zurückfallen lässt wie zuletzt, muss ich mir über harte Konsequenzen Gedanken machen.“ Uwe Bein hat übrigens den Kampf um die Torjägerkrone an diesem Wochenende verloren. Bei der 1:2-Niederlage des HSV beim VfL Bochum wurde er wegen wiederholten Foulspiels des Feldes verwiesen und muss mit einer mehrwöchigen Sperre rechnen. (rs)
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