Alle Neune
Zum Abschluss des siebentägigen Trainingslagers
in der Sportschule Ruit steht ein letztes Testspiel in Deizisau gegen
lokale Vertreter des gepflegten Amateurfußballs an. Gegner der
Eintracht ist eine kombinierte Mannschaft aus Spielern der SG TSV Deizisau
und der SF Dettingen.
Mit
Pahl, Sziedat, Berthold,Körbel, Trieb, Kraaz, Borchers, Falkenmayer,
Kroth, Müller und Svensson schickt Trainer Weise die derzeit wohl
bestmögliche Aufstellung aufs Feld. Beruhigend ist für Verantwortliche
wie für Fans, dass Körbel, Svensson und Kroth, die beim letzten
Testspiel vor zwei Tagen gegen die Stuttgarter Kickers aufgrund von
Blessuren noch pausieren mussten, wieder mit an Bord sind.
Beide gastgebenden Clubs spielen derzeit in der Bezirksliga
eine gewichtige Rolle bei der Vergabe der Meisterschaft, entsprechend
engagiert gehen die Amateurkicker zu Werke. Auf dem schwer bespielbaren
Boden sehen die 1.200 Zuschauer ein sehr ordentliches Spiel mit einem
starken Dettinger Torwart Schnitzler, der bis zur Halbzeit nur zwei
Gegentore durch Körbel per Elfmeter und durch Falkenmayer zulässt.
In der zweiten Hälfte geht die Eintracht dann
weniger lässlich mit ihren Chancen um, während die Kräfte
der Amateure erwartungsgemäß schwinden. Sieben weitere Tore
durch Falkenmayer, Kroth, Svensson, Trieb sowie die eingewechselten
Tobollik (2) und Schreml sind die Folge. In den letzten Minuten des
Spiels haben die Frankfurter dann die Souveränität, sich für
die Gastfreundschaft zu bedanken, indem sie zwei Treffer der Platzherren
zulassen.
Nach dem Spiel geht es für die Eintrachtkarawane
von der schwäbischen Ruhe wieder nach Frankfurt. Am Mittwoch gönnt
Trainer Weise seinen Spielern einen freien Tag, für Donnerstag
ist Training am Riederwald angesetzt, um sich auf den Rückrundenstart
am Samstag in Dortmund vorzubereiten. (fgo)
Epilog: In ihrer Ausgabe vom 18. Januar
1984 veröffentlicht die Abendpost-Nachtausgabe einen Artikel ihres
Sportchefs Hartmut Scherzer, der die Chancen der Eintracht auf den Klassenerhalt
und die möglichen fatalen Folgen eines Abstiegs zum Thema hat:
Weise packt's
Frankfurt. — Im „Grauen Bock"
in Sachsenhausen, beim Dienstag-Debattierklub der glühendsten
Eintracht-Fanatiker, haben Provokateure schon wahre Schreckensvisionen
gezeichnet. Gruselige Nebelschwaden ziehen durchs Waldstadion, naßkalter
Nieselregen tropft den Menschen auf Hut und Haupt. Es ist so richtig
ungemütlich am Samstag, dem 17. 11. 1984. Die Eintracht spielt
gegen den BV Lüttringhausen in der Zweiten Bundesliga. Apokalypse
November.
Anton Hübler schleppt eine große Thermoskanne
auf die Tribüne (ein Antrag, die letzten Zuschauer doch unten
neben den Spielern auf der Bank Platz nehmen zu lassen, wurde vom
DFB abgelehnt) und schenkt den Treuesten der Treuen dampfenden Kaffee
ein. Es sind 159 Zahlende.
Damit die gähnende Leere nicht gar so gähnend
leer wirkt, wurde die Gegentribüne mit einer riesigen Leinwand
zugehängt. Die Aufschrift ist ein Nachruf des abgesprungenen
Werbepartners "Infotec": "Damit haben wir nichts mehr
zu tun."
Daß die Spieler im Nebel nur schwer zu
erkennen sind, stört nicht weiter. Sie kennt eh' keiner mehr,
seit Körbel aus Gram über den Abstieg wie Sziedat die Fußballstiefel
in die Ecke gefeuert hat, die Eintracht sich einen Mohr und einen
Borchers nicht mehr leisten kann (Ronny geht stempeln) und Falkenmayer,
Berthold, Kroth und Tobollik verkaufen mußte, um für die
2. Liga überhaupt die Lizenz zu bekommen.
"Schluß jetzt", brüllt einer
durchs Lokal und haut mit der Faust auf die Theke, "die Eintracht
steigt nicht ab!" Wer an der Eintracht hängt, denkt so,
gemäß dem Motto, "Was nicht sein darf, das kann auch
nicht sein".
Aber ist das realistisch? Der Terminplan der
Rückrunde hat das Schicksal der Eintracht vorgezeichnet: Wenn
sie sich am 31. März (gegen Bochum, dem fünften von acht
Heimspielen) nicht gerettet hat, ist sie nicht mehr zu retten. Das
heißt: Sie muß sich im leichteren ersten Teil ein Punkte-Polster
anschaffen, von dem sie zum Finale zehren kann. Denn bei den Titelkandidaten
Mönchengladbach, Bayern, Stuttgart und HSV ist der Abstiegskampf
dann nicht mehr zu gewinnen.
Auf dem Papier hat die Eintracht Heimvorteil:
bis auf Borussia Dortmund müssen alle Leidensgenossen im Waldstadion
antreten, Offenbach, Braunschweig, Bochum und Nürnberg. Das werden
also die Schlüsselspiele. Soviel zum Für und Wider nach
dem Spielplan.
Zur Mannschaft: Die Serie der Verletzungen ist
schon zur Seuche geworden. Mattern und Mohr fehlen in der so wichtigen
Anfangsphase der Aufholjagd immer noch. Gerade sie aber sollten das
größte Übel abschaffen helfen, die Unfähigkeit,
Tore zu schießen (eins (!) in den letzten sechs Bundesligaspielen,
ganze 18 in den 17 Spielen der Vorrunde). Mit Schießübungen
und Schußtests, bis die Füße qualmten, rückten
die Stürmer im Trainingslager ihrer eklatanten Schwäche
zu Leibe.
Diesem verhängnisvollen Manko stehen der
kompakte Abwehrblock mit Michael Sziedat als neuem Libero und die
Zuverlässigkeit des Torwarts gegenüber. Im Abstiegskampf
hat sich der unruhige Pahl zum ruhenden Pol gemausert. Beides ein
Verdienst von Trainer Dietrich Weise.
Allein
dieser Mann ist für mich der Grund, realistische Überlegungen
anzustellen, die dem Wunschdenken anderer gleichkommen: Weise wird
den Abstiegskampf ohne Hektik und Panik führen, mit äußerer
Gelassenheit und innerer Geduld seinen Spielern jenes Maß an
Sicherheit und Selbstvertrauen vermitteln, um die lösbaren Aufgaben
auch zu lösen und dem Abstieg zu entrinnen.
Dazu sind aber die von mir vorausgesagten 16
Punkte in der Rückrunde unbedingt erforderlich, um mit insgesamt
25 Punkten Offenbach und Nürnberg gerade noch hinter sich zu
lassen und sich im Relegationsspiel (gegen den Dritten der 2. Liga)
zu retten. Sonst droht Lüttringhausen im November ...
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