Eintracht Frankfurt - Eintracht Braunschweig

Bundesliga 1982/1983 - 4. Spieltag

0:1 (0:0)

Termin: Sa 04.09.1982, 15:30 Uhr
Zuschauer: 9.500
Schiedsrichter: Wolf-Dieter Ahlenfelder (Oberhausen)
Tore: 0:1 Günter Keute (83.)

 


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Eintracht Frankfurt Eintracht Braunschweig

 


  • Bernd Franke
  • Franz Merkhoffer
  • Reiner Hollmann
  • Hasse Borg
  • Peter Lux
  • Matthias Bruns
  • Hans-Heinrich Pahl
  • Michael Geiger
  • Manfred Tripbacher
  • Thomas Herbst
  • Günter Keute

 

Wechsel Wechsel
Trainer Trainer
  • Uli Maslo

 

 

Eintracht in Not

Vor einer Woche, beim Pokal-K.-o. in Waldhof, mußte sich Eintracht Frankfurts Libero Bruno Pezzey von Mannheims Trainer Schlappner sagen lassen, sein Mittelfeldakteur namens Hein habe Pezzey schlecht aussehen lassen. Am vergangenen Samstag, es war die 84. Minute, überlief Braunschweigs Ersatz-Mittelstürmer namens Keute Frankfurts vermeintlichen Weltklasse-Libero nach einem Paß von Lux beinahe mühelos und schoß arn machtlosen Torhüter Pahl, der erstmals den Vorzug vor Jüriens erhielt, das einzige Tor des Tages. Die Katastrophe war komplett.

0:1 gegen eine noch mehr wie die Frankfurter ersatzgeschwächte, zudem hausbackene Braunschweiger Elf, knapp 10.000 Fans auf sonnenüberfluteten Rängen, von denen die meisten spätestens um l6.15 Uhr den Nachmittag im Waldstadion bereuten, nach dem Heimspiel gegen Bochum am kommenden Samstag die Hürden Bayern und Mönchengladbach (auswärts), Hamburg und Stuttgart (zu Hause): Es sieht zappenduster aus um die Frankfurter Eintracht.

Nun klagt Pezzey nicht zu Unrecht, daß er die Abwehr ordnen, das Spiel im Mittelfeld neben Nickel machen und vorne die Tore schießen (köpfen) müsse und daß er damit überfordert sei. Das galt aber nicht gegen Braunschweig, denn da hielt sich der Österreicher fast lustlos zurück, beschränkte sieh weitgehend auf die Abwehr und ließ sich im entscheidenden Moment dennoch übertölpeln.

Das klägliche Spiel ist mit ein paar Bemerkungen schnell abgehakt: die besten Szenen hatten die Frankfurter noch in der ersten halben Stunde, als Neuberger übers Tor knallte (4.) und Franke mit einem Aufsetzer prüfte (16.), als Cha und Nickel mit strammen Schüssen Franke innerhalb von 60 Sekunden zu Glanzparaden zwangen (26.).

Doch schon in dieser Phase taten sich die systemlosen Frankfurter schwer, gegen ein Braunschweiger Team, das sein Heil in einer massiven Abwehr suchte, die Junioren-Weltmeister Herbst bei Nickels gefürchteten Eckbällen noch verstärkte. Aber selbst diese biederen Niedersachsen konnten den Frankfurtern noch das Fürchten lehren: Geiger schoß freistehend über die Latte (24.), noch der Pause mußte Pahl bei Keutes Schuß (63.) und Lux Flanke (65.) höllisch aufpassen.

In der zweiten Hälfte wurde die Vorstellung der heimischen Eintracht noch jämmerlicher, wen wunderte es noch, daß auch Nickel und Cha in einem desolaten Umfeld abfielen? Die einzige Chance zum Sieg, bevor diesen die Braunschweiger bejubeln konnten, besaß Schreml. Es war eher ein Zufallswink, typisch, den Schreml wahrnahm, als er einen abgefälschten Lottermann-Schuß akrobatisch verlängerte, doch Franke bewies seine große Klasse. Zwei Minuten später stürzten Lux und Keute Frankfurt in die Tiefe. (Frankfurter Neue Presse vom 06.09.1982)


Der Kampf gegen den Abstieg hat begonnen

Vier Bundesligaspiele, drei Niederlagen. Im DFB-Pokal ausgeschieden. Im Europapokal erst gar nicht dabei. 21.000 Zuschauer müßten kommen, um die Kosten zu decken, gerade 9000 verloren sich gegen Eintracht Braunschweig im Waldstadion. Und sie wurden durch ein Trauerspiel bei der 0:1-Niederlage auch noch vergrault. Bei der Frankfurter Eintracht schrillen die Alarmglocken. „Wir kämpfen gegen den Abstieg", hat Regisseur Bernd Nickel erkannt, „wer was anderes erwartet, streut sieh Sand in die Augen.“

Der Streit um die geplante Verjüngung der Mannschaft ist in vollem Gange. Jeder gegen jeden heißt das Motto. Vor zwei Wochen, nach der Niederlage in Karlsruhe, kanzelte Präsident Schander seinen Trainer öffentlich ab, weil er das Talent Ralf Falkenmayer auf der Bank sitzen ließ. „Herr Senekowitsch, Falkenmayer ist kein Mann für die Bank“, schimpfte Schander. Ein paar Tage später kündigte der Präsident Konsequenzen nach dem Pokal-Aus von Waldhof an. Konsequenzen, die er mangels Möglichkeit nicht ziehen konnte.

Am Samstag verließ Vize-Präsident Wolfgang Zenker in der 73. Minute seinen Platz auf der Tribüne und setzte sich demonstrativ neben Helmut Senekowitsch auf die Bank. „Trainer, was
ist los? Lassen Sie sich was einfallen, sonst verlieren wir“, forderte der „Vize“ vom Trainer. Helmut Senekowitschs ebenso kurze wie einfache Antwort. „Schauen Sie nach links, was da noch sitzt.“

Neben Wolfgang Zenker warteten Ralph Sievers, Helmut Gulich und Uwe Müller auf ihre Chance. Nicht einer hat auch nur eine Sekunde Bundesliga-Erfahrung. Senekowitsch nach dem Spiel in der Pressekonferenz: „Ich kann mit ruhigem Gewissen sagen, daß keiner der Jungen im Moment bundesligareif ist.“

In den Fluren der Tribüne hatte da bereits die Diskussion begonnen. Die Verfechter der radikalen Verjüngung waren in der Überzahl, das Präsidium mit Axel Schander, Wolfgang Zenker und Wolfgang Knispel versuchte, die Ruhe zu bewahren. „Nur keine Panik“, beschwor Zenker seine Kollegen. Der Vize weiß, wie schwer die nächsten Wochen werden, der sportliche Niedergang geht einher mit dem drohenden finanziellen Kollaps. „Wenn das so weitergeht, müssen wir vor Weihnachten noch einen weiteren Spieler verkaufen“, deutete Zenker erste Konsequenzen an. Versuche, kurzfristig über Transfers zu Geld zu kommen, scheiterten an der Bereitschaft einzelner Spieler, den Verein zu wechseln. Armin Görtz, Reservist mit Platz auf der Tribüne, weigerte sich, ein Angebot des FC Augsburg anzunehmen, Stefan Lottermann zog einen Studienplatz an der Uni in Frankfurt einem Wechsel zu seinem Entdecker und Förderer Udo Klug nach Nürnberg vor.

Wolfgang Zenker reist derweil unaufhörlich durch die Lande und sucht einen Stürmer. „Aber für nichts gibt es nichts“, sagt er, „und wir haben nun mal kein Geld.“ Der Existenzkampf hat also begonnen, ein Sieg am kommenden Samstag gegen Schlußlicht Bochum ist schon fast lebenswichtig. „Drei Jahre müssen wir überstehen“, sagt Zenker, „dann haben wir wieder eine gute Mannschaft.“ An Abstieg will der neue Vize nicht denken. „Dafür garantiere ich: wir steigen nicht ab.“

Der Weg in die Pleite

Vor dem Spiel wurde Bernd Nickel für sein 400. Bundesligaspiel geehrt. Das Spiel auf ein Tor beginnt. Braunschweig wehrt geschickt ab, die Eintracht griff ungeschickt an. Frankes beste Paraden in der ersten Halbzeit: Faustabwehr gegen Cha nach indirektem Freistoß, mit den Fingerspitzen gegen einen raffinierten Nickel-Schuß.

Nach dem Wechsel gefährliche Braunschweiger Konter. Geiger steht fünf Meter vor dem Tor, verzieht aber (77.), Keute scheitert an Jürgen Pahl. Dann die größte Frankfurter Möglichkeit. Schreml schoß aus der Luft, doch erneut reagierte Franke prächtig (81.). Und schließlich die Entscheidung: Keute lief Pezzey und Körbel auf und davon und ließ Pahl keine Chance (84.).

Der Spruch

„Es war eine einzige Quälerei. Für die Mannschaft, für die Zuschauer und für mich.“ (Vorstopper Karl-Heinz Körbel, der verletzt ins Spiel gegangen war.) (Abendpost-Nachtausgabe)

Nickel: Uns drohen Notverkäufe

Als maßgeschneidert wurde der Auftakt der diesjährigen Bundesligasaison bei der Frankfurter Eintracht bejubelt, als vor einigen Wochen der Spielplan veröffentlicht wurde. 8:2 Punkte gegen die vermeintlichen Abstiegskandidaten Karlsruher SC, Leverkusen, Bielefeld, Braunschweig und Bochum waren errechnet. Doch aus dem Plan nach Maß ist inzwischen eine Pleite nach Maß geworden. Mit 2:6 Punkten steht die Eintracht nicht im oberen, sondern im unteren Tabellendrittel. „Und wenn jetzt am nächsten Samstag im Heimspiel gegen unseren Angstgegner Bochum etwas schief geht, hat für uns der Kampf gegen den Abstieg begonnen“, sieht Spielmacher Bernd Nickel die Dinge realistisch.

Am Samstag, als Frankfurt zum ersten Male seit elf Jahren wieder gegen Braunschweig verlor, verbrannten die Fans auf den Rängen die Fahnen. Vizepräsident Zenker schien das Unglück zu ahnen. In der 73. Minute eilte er hinunter an den Spielfeldrand und setzte sich neben den Trainer. „Herr Senekowitsch, was ist nur mit der Mannschaft los. Die spielt ja Klassen schlechter als gegen Leverkusen“, fragte er entsetzt den Coach. Der habe, so Zenker, geantwortet: „Da schau‘n Sie mal nach links, was ich da noch sitzen habe.“ Zenker wollte freilich nicht wissen, was auf der mit Trieb, Sievers, Gulich und Uwe Müller, ausschließlich mit Nachwuchsspielern besetzten Bank, sondern was auf dem Spielfeld los sei. Dort führten exakt zu jenem Zeitpunkt Bernd Nickel und Bruno Pezzey ein kurzes Zwiegespräch. „15 Minuten vor Schluß sagte ich dem Bruno, heute läuft nichts, wir müssen sehen, daß wir wenigstens den einen Punkt halten“, so Nickel. Doch selbst dieses Vorhaben gelang nicht.

Nach dem Abpfiff resümierte dann Nickel: „Ich habe schon vor der Saison gesagt, daß dieses Jahr zum schwersten für die Eintracht wird. Inzwischen kann sich doch schon jeder ausrechnen, daß Notverkäufe notwendig sein werden, um zu überleben.“ Das will nach der enttäuschenden Publikumsresonanz in den ersten beiden Heimspielen gegen Leverkusen (9000) und Braunschweig (9500) und der nach Pokal-K.o. und Punktspiel-Fehlstart nun zu befürchtenden Zuschauerpleite gegen Bochum auch Vizepräsident Zenker nicht ausschließen. „Es kann sein, daß wir vor Weihnachten noch einen unserer Stars verkaufen müssen.“

Bei der Frankfurter Eintracht schwelt die Krise weiter, die Alarmglocken schrillen immer lauter. Nach 2:6 Punkten und den Zuschauer-Pleiten gegen Leverkusen (9000 Besucher) und Braunschweig (9500) spricht Spielmacher Bernd Nickel von der „schwersten Saison der letzten 15 Jahre“. Trainer Helmut Senekowitsch muß in der „schwersten Zeit des Vereins“, so der Österreicher, einen Ausweg aus der Misere finden. Wohin und womit aber soll sich der geplagte Eintracht-Trainer orientieren?

Den Kurs der Verjüngung, der von ihm gefordert wird, will auch er steuern. Allerdings behutsam und das Risiko kalkulierend. „Mit Schreml, Falkenmayer, Künast und Jüriens standen in den ersten Spielen vier junge Spieler in der Mannschaft. Mit Trieb, Sievers, Gulich und Uwe Müller saßen am letzten Samstag vier junge Spieler auf der Reservebank. Da kann doch keiner behaupten, ich würde die jungen Talente vernachlässigen. Doch eine totale Verjüngung, wie sie von einigen Seiten gefordert wird, wäre jetzt in der schwersten Zeit des Vereins der Tod der Eintracht“, erklärt Senekowitsch.

Das größte sportliche Problem drückt die Eintracht im Sturm. Seitdem Borchers wegen Verletzung ausfällt verfügt Frankfurt mit Cha nur über einen Stürmer mit Durchsetzungsvermögen. Künast hat sich bisher ebenso wenige empfehlen können wie Gulich bei seinen Kurzeinsätzen. „Künast hat sich zwar sehr bemüht, doch wenn die Klasse fehlt, dann nützt alles Bemühen nichts“, urteilt Senekowitsch.

Bernd Nickel sieht die Angriffsnot in den kommenden Wochen größer werden: „Der Gegner braucht sich doch nur noch auf Cha zu konzentrieren. Da ist es abzusehen, wann er durch die permanente Überforderung kaputt ist. Dann aber läuft bei uns überhaupt nichts mehr.“ Als Angriffsverstärkung ist seit einigen Tagen Bernd Hölzenbein im Gespräch, dessen Vertrag mit den Fort Lauderdale Strikers Mitte September ausläuft. „Ich habe mit Hölzenbein zweimal gesprochen. Konkret vereinbart ist nichts. Wir sind so verblieben, daß er sich bei uns meldet, wenn er in Amerika keinen neuen Vertrag mehr bekommt“, meinte Vizepräsident Wolfgang Zenker zu diesem Thema.

Bernd Nickel, der seinen Sommerurlaub, wie im Vorjahr, bei Hölzenbein in Florida verbrachte, ist zwar überzeugt, daß der frühere Eintracht-Kapitän eine Verstärkung wäre, kann aber an dessen Rückkehr nicht so recht glauben: „Ich denke nicht, daß der ,Holz‘ so dumm ist und hierher kommt, wenn er in Amerika einen neuen Vertrag bekommen könnte. Er weiß doch genau, was ihn mit 37 Jahren als Sturmspitze in der Bundesliga erwartet.“

 


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