PAOK Saloniki - Eintracht Frankfurt

Europapokal der Pokalsieger 1981/1982 - 1. Runde, Rückspiel

4:5 n.E. (2:0 n.V., 2:0, 1:0)

Termin: 30.09.1981
Zuschauer: 35.000
Schiedsrichter: Kuti (Ungarn)
Tore: 1:0 Kostidos (38.), 2:0 Kostidos (60.)
Elfmeterschießen: 0:1 Werner Lorant, 1:1 Kostikos, 1:2 Karl-Heinz Körbel, 2:2 Gouerino, 2:3 Wolfgang Trapp, 3:3 Gounaris. 3:4 Norbert Nachtweih, 4:4 Siggas, 4:5 Bruno Pezzey, Dimopoulos verschossen

 

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PAOK Saloníki Eintracht Frankfurt

  • Gounaris
  • Apostolidis
  • Siggas
  • Josifidis
  • Pantelis
  • Damanakis
  • Triandafilidis
  • Georgopoulos
  • Kostikos
  • Alavantes
  • Koudas

 


 

Wechsel
  • Dimopoulos für Triandafilidis (75.)
  • Gouerino für Koudas (91.)
Wechsel
Trainer
  • Heinz Höher
Trainer

 

Erst schwach, dann eiskalt

Im Spiel zeigte die Eintracht wenig Schneid, im Elfmeterschießen aber, im Hexenkessel von Saloniki, besaßen die Spieler eiserne Nerven: Als Jürgen Pahl den letzten der zehn Elfmeter von Dimoupolos mit einer sagenhaften Reflexbewegung aus dem Torwinkel boxte, hatte die Eintracht die zweite Runde im Europapokal der Pokalsieger erreicht. 5:4 entschieden die Frankfurter dieses nervenzerfetzende Elfmeterschießen für sich, nachdem PAOK Saloniki die 0:2-Niederiage von Frankfurt durch zwei Tore ihres überragenden Stürmers Kostikos wettgemacht hatte. Die Eintracht schien zunächst durch Kostikos k.o., dann schlugen die Fäuste des Eintracht-Torwarts die Griechen k.o. Die 35.000 Zuschauer im Toumba-Stadion von Saloniki empfanden das Ausscheiden ihrer Lieblinge, den Spielern des deutschen Trainers Heinz Höher, als eine neue griechische Tragödie. Höher: „Ein Sieg über die Eintracht, das Weiterkommen über die Eintracht wäre die Krönung meiner Laufbahn gewesen.“ Die Eintracht aber kann mit Recht von Massel in Mazedonien sprechen. Daraus machte auch Trainer Lothar Buchmann keinen Hehl: „Wir sind sehr glücklich weitergekommen.“

Denn in den 90 Minuten der regulären Spielzeit hatte Buchmanns Mannschaft eine enttäuschende Leistung geboten, kaum Initiative gezeigt und konnte heilfroh sein, daß die Griechen ein Dutzend klarster Torchancen nicht verwertet hatten. Es war erstaunlich, wie viele Zweikämpfe, wie viele Kopfballduelle die Eintracht-Routiniers verloren, vor allem Willi Neuberger gegen den griechischen National-Mittelstürmer Kostikos.

Erst in der Verlängerung, als die Griechen mit ihren Kräften am Ende waren, ihr Spielmacher Koudas ermattet den Kampfplatz verlassen hatte, zeigte sich die Eintracht von ihrer besseren Seite. Und das, obwohl sie praktisch die Verlängerung mit zehn Spielern durchstehen mußte. Ronald Borchers hatte sich nach einem bösen Foul von Alavantes in der 93. Minute am linken Knöchel so schwer verletzt, daß er nur noch als Statist auf dem Feld herumhumpeln konnte. Die Eintracht hatte zu diesem Zeitpunkt ihr Austauschkontingent längst erschöpft. Bei Borchers' Pech aber ging ein Ruck durch die ganze Mannschaft. Endlich!

Nun zum nervenzerfetzenden Elfmeterschießen: Die Eintracht trat zuerst an, vielleicht ein kleiner psychologischer Vorteil. Aber trotz der ohrenbetäubenden Buhrufe aus 35.000 mittlerweile heiseren Kehlen traten nacheinander Lorant, Körbel, Trapp, Nachtweih und Pezzey eiskalt an den Elfmeterpunkt, und einer nach dem anderen verwandelte seinen Elfmeter bombensicher.

Bei den Griechen zogen Kostikos, der Brasilianer Guerino, Gounaris und Singas immer wieder gleich, bis dann alles Glück der Griechen auf den Schultern von Dimopoulos lastete. Plaziert und hart trat er den Ball ins rechte. Toreck, doch Pahl, der „Panther“, flog in die Ecke, brachte seine Fäuste an den Ball, der über die Querlatte hoch in die Luft stieg. Die Frankfurter rissen die Arme hoch.

Präsident Axel Schander hielt es nicht mehr in der Ehrenloge. Er stürmte auf den Platz und umarmte seinen Torwart. Dessen Fäuste hatten der Eintracht ein kleines Vermögen gerettet. „Ich habe tausend Ängste ausgestanden, ich kann nur eines sagen, ich bin überglücklich“, sagte Axel Schander.

Zum Spielverlauf: Die Eintracht versäumte es von Anfang an, selbst irgendwelche Initiative zu ergreifen. Ihr Zaudern und Zögern machte die elanvollen und streckenweise glänzend aufspielenden Griechen erst so stark. Es gab in den 90 Minuten eigentlich nur einen Spieler, der frech und selbstbewußt auftrat, und das war der Amateur Norbert Otto, der in der 65. Minute den bis dahin auch nicht schlechten Stefan Lottermann ablöste. Dieser 24-jährige Otto, der überhaupt zum erstenmal mit den Profis spielte, kann als die Entdeckung von Saloniki gelten. (Abendpost-Nachtausgabe)


Zehn Elfmeter

Anton Hübler (52), seit 28 Jahren die gute Seele der Mannschaft, verschwand vor der ersten Elfmeter-Entscheidung der Eintracht im Europa-Pokal unter der Tribüne in den Kabinengängen. „Ich hätte es nicht überstanden!“ Die so dahingesagte Allerweltsfloskel entbehrte gerade an diesem Ort nicht einer gewissen Ernsthaftigkeit. Gyula Lorant hatte in diesem Stadion auf einem Hügel von Saloniki am Spielfeldrand im Mai vor Aufregung sein Leben gelassen. In der Ehrenloge erlitt diesmal der Bruder des PAOK-Präsidenten einen Herzinfarkt. Toni Hübler konnte nicht mehr hinsehen, er horchte nur noch nach draußen. „Als plötzlich Totenstille eintrat, wußte ich, wir haben gewonnen.“

Die Meister der Hochspannung und des Nervenkitzels wie Alfred Hitchcock hätten für so ein „Shoot-Out“ auf der Leinwand einen „Oscar“ bekommen. Schon die Einteilung der Schützen zum Elfmeter ist ein Drama für sich.

Willi Neuberger zog schnell den rechten Schuh aus — ein Zeh drückte — und stahl sich vom Feld. Der Linienrichter holte ihn zum Sammelpunkt an der Mittellinie zurück. Bum Kun Cha sah nur weg oder stierte auf den Boden. Seit er einmal in Bangkok bei den Asienspielen einen Elfmeter für Korea in die Wolken gedroschen hatte („Den Ball suchen sie noch heute“) will er mit dieser Mutprobe des Fußballs nichts mehr zu tun haben.

Lothar Buchmann („Ich habe mit Absicht vorher nichts abgesprochen“) konnte auf Werner Lorant, Karl-Heinz Körbel und Wolfgang Trapp zählen, hatte bei Norbert Nachtweih schon Bedenken („weil er so schwach war“) — und dann verließen sie ihn. Bruno Pezzey und Michael Sziedat sahen sich verlegen an. Pezzey: „Willst du, Ike?“ Sziedat: „Nee, mach' du mal, du bist der Kapitän.“ Die Binde wurde zur Bürde. Die Versagensangst saß allen im Nacken.

Lorant, Körbel, Trapp wurden im Hexenkessel plötzlich eiskalt. Bombensicher traten sie den Ball ins Tor. Jürgen Pahl stand dabei abseits. „Soll ich nun zuschauen oder weggucken?“ grübelte er zwischen seinen Auftritten. Er sah hin, und die Sicherheit der Schützen machte auch ihn sicher, obwohl die Griechen immer ausglichen. Aber einen hätte er fast erwischt.

Kreidebleich ging Norbert Nachtweih zum Elfmeterpunkt. „Jetzt bin ich das Arschloch.“ Sprach's und setzte den Ball sicher ins Netz. „Jetzt bin ich es“, brummte Bruno Pezzey, nachdem die Griechen abermals gleichgezogen hatten. Den Letzten beißen die Hunde. Die 35.000 auf den Rängen stimmten ein dröhnendes „Buuuh“ an. Dimopoulos, der fünfte Schütze der Griechen, stellte sich Pezzey in den Weg und bedeutete ihm gestenreich: „Du bringet ihn nicht rein.“ Das hätte er nicht tun sollen. Auch Pezzeys Schuß paßte. Er drehte sich schnurstracks um und ging seinerseits auf Dimopoulos zu: „Du bringst ihn jetzt nicht rein.“ Psychologische Kriegsführung der Schützen beim Elfmeter.

Fünf sichere Treffer im Rücken — da riskierte Jürgen Pahl alles: „Hopp oder top“, sagte er sich. „Der Grieche ist ein Linksfüßler; kein Techniker, der den Ball noch in die andere Ecke schiebt. Der haut' ihn bei mir oben links ins Eck“, sagte er sich und flog auch schon wie ein Panther dem Ball entgegen. Er sah noch, wie Dimopoulos beim Anlauf grinste. Pahl: „Aber das war reine Verlegenheit.“

Mit dem linken Unterarm erwischte er den Ball., der hoch über das Tor flog. Plötzlich Totenstille im Hexenkessel. „Als ich am Boden lag, wußte ich in den ersten Sekunden überhaupt nicht, was los war. Erst als ich unsere Spieler sah, wie sie Freudentänze aufführten, wußte ich: es ist geschafft“, erzählte Pahl. Sziedat wäre der nächste gewesen. Ihm fiel ein Stein vom Herzen.

Eintracht-Präsident Axel Schander („Ich habe tausend Ängste ausgestanden“) hatte auf seinem Tribünenplatz an den Fehlbetrag gedacht, den da unten ein Fehlschuß verursacht hätte. „Jürgen hat uns heute zunächst einmal eine halbe Million gerettet“, strahlte er, stürmte aufs Spielfeld und drückte seinen Torwart an die Brust. Rundfunk-Reporter Joachim Böttcher bedeutete Schander: „Axel, jetzt muß deine Frau ein Paar goldene Handschuhe stricken.“ Jürgen Pahl indessen begegnete der allgemeinen Euphorie mit der gleichen Gelassenheit wie den Elfmeterschüssen. „Ich war halt der Strohhalm, an den sich alle geklammert hatten.“

Derweil stand Aristide Dimopoulos gottverlassen mit seinem Elend auf dem Platz. Völlig apathisch zog er sein Trikot aus und gab es dem Trainer-Assistenten Uli Meyer („Nur dieses Trikot mit der Zwölf wollte ich“). Bruno Pezzey fühlte Mitleid, weil ihn selbst so leicht das Schicksal des Griechen hätte ereilen können. „So etwas hängt einem noch Jahre nach, denkt doch an Uli Hoeneß. Mir tut der Junge leid.“ Aristide Dimopoulos wurde zu Griechenlands tragischster Figur seit Ödipus, die Frankfurter aber feierten bis tief in die Nacht Jürgen Pahl als den Helden von Saloniki. (Abendpost-Nachtausgabe)


Nervensache

Frankfurt hat's geschafft, ist bei den Pokalsiegern in der zweiten Runde! Aber es war ein Sieg, der allen an die Nerven ging ... 5:4 im Elfmeterschießen bei PAOK Saloniki! Die Entscheidung: Dimopoulos schießt halbhoch auf die rechte Ecke, Eintracht-Torwart Pahl hechtet dazwischen. Boxt den Ball mit beiden Fäusten über die Latte. Irrer Jubel, aber vorher...

Saloniki feiert ein Fußballfest. Schon eineinhalb Stunden vor Spielbeginn regnet Konfetti von den Rängen, zerplatzen knallbunte Leuchtkörper, so groß wie Fußbälle. Überall Rauch. Die deutschen Spieler stehen beim Warmmachen auf dem Rasen - und staunen. Um sie herum eine Wand von Lärm.

Als Schiedsrichter Kuti aus Ungarn anpfeift, machen die 35.000 im Stadion PAOK Saloniki gleich Beine. Trainer Buchmann hat seine Männer (mit der Elf wie beim 4:1 über Stuttgart) noch mal gewarnt: „Bloß kein frühes Tor einfangen.“ Also nichts mit Schönspielerei. Rückgaben zu Torwart Pahl - sechs in den ersten Minuten. Pezzey drischt den Ball ins Aus.

Die Griechen gehen gleich zur Sache. Tscha Bum wird umgesäbelt, Borchers gelegt. In der achten Minute die erste Ecke für Frankfurt. Nachtweih von rechts. Tscha höher als Bewacher Siggas, köpft aber drüber. Koudas, Salonikis Kapitän, links durch. In der Mitte geflankt, Torjäger Kostikos mit getrecktem Bein am Ball vorbei (17.) Gegenzug über Neuberger. Lottermann stoppt mit der Brust, nimmt volley. Da fehlte auch nicht viel.

Aber ganz klar: Die Eintracht mehr unter Druck. Artistischer Fallrückzieher von Koudas, rein in den Strafraum. Körbel rettet mit Preßschlag vor Kostikos (24.). Kostikos trägt die Nummer 7, weil er mit der 9 zuletzt nicht traf. Die 38. Minute 1:0 für Saloniki. Verteidiger Gounaris flankt von links zwischen Pezzey von Nachtweih durch. Kostikos dreht sich an Bewacher Körbel vorbei, schießt aus zehn Metern ins kurze Eck. Nichts zu halten. Ohrenbetäubender Jubel, als sich der Torschütze vor der Haupttribüne feiern läßt.

Frankfurts verletzter Regisseur Bernd Nickel sieht die Bilder daheim im hessischen Fernsehen. Sein (Halbzeit-)Urteil: „Jetzt wird's für uns brandheiß. Wir müßten einfach vorne mehr tun.“ Anders Heinz Höhers Griechen. Die wirbeln. Falkenmayer muß auf der Torlinie wegköpfen (50.). Pahl wirft sich in ejnen Schuß von Kostikos, begräbt den Ball unter sich. Stark von beiden. Wie lange kann die Eintracht dieses 0:1 halten?

Triantafilidis vorbei an Körbel. Hat nur noch Pahl vor sich, aber spitzer Winkel. Rechts ist Koudas mitgelaufen - das muß ein Tor sein. Aber der Grieche schießt darüber (58.). Dann passiert's. Ein weiter Freistoß von rechts, Alavantos steigt am höchsten, drückt den Ball an den rechten Pfosten. Pahl macht sich lang, läßt abklatschen. Kostikos stürzt nach vorn, schlägt im Rückwärtsfallen unter die Latte. 2:0 nach 61 Minuten.

35.000 Menschen spielen verrückt, Trainer Buchmann muß klaren Kopf behalten. Schickt für Mitteifeldmann Lottermann Amateur Norbert Otto (22) ins Sturmzentrum. Die Zeit läuft den Frankfurtern weg. Aber sie versuchend jetzt wenigstens. Borchers dribbelt sich fest. Nachtweih schießt - ein Grieche noch dazwischen. Dann Neuberger - kurz vorm Abpfiff noch eine riskante Rückgabe. Verlängerung!

Den Griechen geht die Kraft aus. Es fällt kein Tor. Elfmeterschießen. Lorant, Körbel, Trapp, Nachtweih und Pezzey treffen, Dimopoulos verschießt. Die Eintracht ist weiter. (Bild)

 

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