Hamburger SV - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1979/1980 - 24. Spieltag

5:0 (4:0)

Termin: Sa 08.03.1980, 15:30 Uhr
Zuschauer: 33.000
Schiedsrichter: Walter Engel (Reimsbach)
Tore: 1:0 Horst Hrubesch (7.), 2:0 Manfred Kaltz (25.), 3:0 Jürgen Milewski (29.), 4:0 Willi Reimann (30.), 5:0 Horst Hrubesch (86.)

 

>> Spielbericht <<

Hamburger SV Eintracht Frankfurt

 


 

Wechsel
  • Peter Nogly für Ditmar Jakobs (46.)
  • Waldomir Pacheco Buca für Willi Reimann (46.)
Wechsel
Trainer Trainer



Pahls schwarzer Tag

Die Frankfurter Eintracht hat den krisengeschüttelten deutschen Fußballmeister Hamburger SV wieder aufgerichtet, schenkte ihm in der ersten Halbzeit vier Tore und nahm dafür ihr größtes Debakel in dieser Saison in Kauf. Der spärliche Beifall der 30.000 Zuschauer im Volksparkstadion war eher Dank für die Frankfurter Geschenke als Begeisterung für die Leistung ihres HSV. Ein rabenschwarzer Tag von Torhüter Jürgen Pahl und ein Nobert Nachtweih, der nach gutem Beginn gegen Manfred Kaltz ein Blackout nach dem anderen hatte, und eine konfuse Abwehr in nicht einmal kritischen Situationen bereiteten schon in der ersten halben Stunde dem HSV den Weg zum leichten Sieg in einem schlappen Bundesligaspiel. Hrubesch, Kaltz, Milewski und Reimann verwandelten vor der Pause die Geschenke zu Toren. Das 5:0 durch Hrubesch nach einem schönen Spielzeug mit Magath versöhnte fünf Minuten vor Schluß das Publikum doch noch etwas.

Ein Spiel ohne viele Stars. Beim HSV fehlte Kevin Keegan, der in Kaiserslautern die vierte gelbe Karte erhalten hatte. Und als Konsequenz der sehwachen Vorstellung im Europapokal gegen Split ließ Trainer Branko Zebec Nogly und Memering auf der Bank. Hidien, Buljan (als Libero) und Milewski hießen die Neuen beim HSV, die für neuen Auftrieb sorgen sollten. Bei der Eintracht fehlten Hölzenbein, Cha und Pezzey. Obendrein spielte Körbel mit einer Grippe.

„Da ist wohl nicht viel zu machen. Aber wir haben ja auch nichts zu verlieren“, glaubte Jürgen Grabowski vor dem Spiel noch vielleicht mit Unbekümmertheit den personellen Notstand etwas auffangen zu können. Die Eintracht hatte nichts zu verlieren, verschenkte aber alles gegen einen unsicher, gehemmt und fehlerhaft beginnenden HSV. Das erste Geschenk machte dem HSV Torwart Jürgen Pahl schon nach sieben Minuten. Einen harmlosen Ball von Willi Reimann aus spitzem Winkel ließ er fallen, bekam den Ball auch beim zweiten Zugreifen nicht zu fassen, und Horst Hrubesch ließ sich solch eine Chance natürlich nicht entgehen.

Die Eintracht bemühte sich, den frühen Schock abzuschütteln und sie zeigte auch weiterhin in einem schwachen langsamen Spiel die gefälligeren Spielzüge, weil der junge Hieronymus Eintracht-Regisseur Grabowski weidlich Spielraum ließ, Nachtweih auf seiner Seite Kaltz im Offensivdrang übertrumpfen wollte, und Harry Karger vorn frech und forsch gegen Jimmy Hartwig auftrat. Eine Chance, wie sie die Eintracht in der 17. Minute herausspielte, hatte der HSV bis dahin nicht. Ein herrlicher Paß von Nachtweih in die Gasse, Karger startete, scheiterte aber allein an dem herausstürzenden Kargus.

Das zweite Eintracht-Geschenk folgte in der 25. Minute. Unterbrechung des Spiels, weil sich Hieronymus bei einem Zweikampf mit Körbel im Gesicht verletzt hatte. Freistoß weit draußen von der linken Seite, Magath hob den Ball hoch in den Eintracht-Strafraum. Pahl blieb auf der Linie, Nachtweih blieb tatenlos neben Kaltz stehen, der völlig ungehindert den Ball mit dem Kopf flach ins Tor stoßen konnte. Pahls Fußabwehr kam zu spät. Unhaltbar war auch dieser Kopfball nicht.

Bei der Eintracht machte sich nun die Resignation breit. Auch bei Grabowski, weil offenbar niemand mehr bereit war, sich freizulaufen, sich anzubieten und auf seine Pässe einzugehen. Nur Karger kämpfte unverdrossen weiter. Kaltz, der Vielgeschmähte und von einer Formkrise Geschüttelte, wurde von der Eintracht regelrecht wieder aufgebaut. Sie ließ ihn als Rechtsaußen gewähren. Innerhalb von zwei Minuten (29. und 30.) folgte durch ihn ein Doppelschlag und das Debakel für die Eintracht. Flach gab Kaltz den Ball zum Elfmeterpunkt, Pahl und Hrubesch verfehlten ihn, und da die Eintracht-Abwehr ohnehin nur noch ein aufgescheuchter Hühnerhaufen war, brauchte Milewski, völlig frei, den Ball nur noch ins Tor zu schieben. Beim 4:0 hatte sich Nachtweih wie ein blutiger Anfänger von Kaltz abdrängen lassen, und dessen Vorlage verlängerte Reimann mit dem Kopf ins kurze Eck. Noch nie war wohl dem HSV von der Eintracht das Toreschießen und Siegen so leicht gemacht worden wie in dieser halben Stunde.

Nickel zur Pause, weil er die Aufgabe, Kaltz abzufangen, ungenügend erfüllte, und Nachtweih zehn Minuten später, als zweiter Kaltz-Geschädigter, mußten die Zone, in der das Chaos herrschte, räumen. Lottermann wurde als Mann gegen Kaltz gestellt und Schaubs Hereinnahme als dritter Stürmer war Symptom dafür, daß das Bundesligaspiel in der zweiten Halbzeit nur noch den Charakter und die Klasse eines Freundschaftsspieles hatte.

Die Eintracht hatte nichts mehr zu gewinnen, der HSV hatte alles gewonnen, und demgemäß gab Zebec für die zweite Hälfte Nogly (für Jakobs) eine Rehabilitierungs- und dem Brasilianer Buca (für Reimann) die erste Bundesliga-Chance. Die Zuschauer pfiffen Sieger und Besiegten aus, weil in dem schlappen Spiel mit Ausnahme des 5:0 von Hrubesch nichts mehr passierte.


Die Quittung für die Torhüter-Torheiten

Die Spieler nennen ihren Torhüter Sepp, weil Gyula Lorant in seiner ungarisch-euphorischen Art Jürgen Pahl einmal zum Nachfolger Sepp Maiers hochgejubelt hatte. Seit Samstag, seit der 0:5-Schlappe der Frankfurter Eintracht in einem schlappen Spiel gegen den Hamburger SV, ist der Sepp allenfalls noch der Depp eines traurigen Torwart-Theaters. Es würde Seiten füllen, wollte man all die Akte noch einmal aufführen. In denen bei der Eintracht aus Torwart-Talenten Nervenbündel wurden, weil immer einem ein anderer erst in den Nacken und dann vor die Nase gesetzt wurde. Die Eintracht hatte in den letzten Jahren stets zwei rivalisierende Zweier (Kunter/Wienhold, Wienhold/Koitka, Koitka/Pahl, Pahl/Funk), aber eben nie eine souveräne Nummer eins.

Beschränken wir uns auf den Akt in Hamburg. Vor dem Spiel resignierte Klaus Funk, Sündenbock des 2:4-Debakels in seiner Heimat Stuttgart: „Ich glaube, ich gehe zum Saisonende, auch wenn ich noch für zwei Jahre einen Vertrag habe“, haderte er im Hotel in Hamburg mit seinem Schicksal. „Jürgen ist jetzt die Nummer eins. Was soll ich ihn da auf der Bank weiter nervös machen?“ Welch rührselige Rücksicht auf den Rivalen.

Nach sieben Minuten des Spiels konnte sich Klaus Funk wieder als Nummer eins fühlen und zuversichtlicher in die Zukunft blicken. Da bekam Pahl nach einem harmlosen Schuß den Ball nicht zu fassen, einen Ball, den ein Karl-Heinz Volz selbst mit seinen Krücken abgewehrt hätte. Hrubesch nutzte Pahls ersten Patzer zum 1:0.

Das Debakel nahm seinen Lauf, weil sich Friedel Bausch nicht entschließen konnte, den übernervösen und geschockten Pahl sofort durch Funk abzulösen. „Ich wollte ihm eine Chance geben, es wiedergutzumachen“, begründete Rausch. Als es zur Pause durch Pahls Patzer und Nachtweihs „Umnachtung“ (Rausch; „Er war heute mit seinen Gedanken ganz woanders“) 4:0 stand, fand auch Manager Udo Klug: „Im nachhinein gesehen, wäre es besser gewesen, Pahl herauszunehmen.“ Der Fehler beim Torwart-Tausch wurde nach Klugs Ansicht aber nicht erst in Hamburg, sondern bereits in Stuttgart gemacht. Klug: „Da hätte der Trainer Funk nicht gleich fallenlassen dürfen.“

Doch was will der Trainer anderes machen? Bei zwei gleichwertigen, mittelmäßigen Torleuten verlangt das Versagen des einen sofort den Einsatz des anderen. Beide werden dadurch nervös, unsicher, wie Pahl in Hamburg. „Ich war mit dem Gedanken schon beim Abwurf, da sprang mir der Ball an den Unterarm, und ich hab‘ ihn nicht mehr gesehen. Ich hätte mich am liebsten im Boden vergraben“, sagte er kleinlaut und schuldbewußt.

Die Rivalität belastet, obwohl Pahl und Funk Freunde sind und sogar bei Reisen stets das Zimmer teilen. Bei ihnen geht es nicht nur darum, wer auf der Bank, sondern wer demnächst auf der Straße sitzt. Mit Jochen Jüriens hat die Eintracht bereits einen dritten Torwart verpflichtet, auch ein Talent, wie es Jürgen Pahl einmal war.

Konsequenzen? „Wir haben am Montagabend Präsidiumssitzung, dort fallen Personalentscheidungen, auch in der Torhüterfrage“, sagte Udo Klug, ohne mit seiner Vorstellung über eine Lösung vorprellen zu wollen. Aber er schloß nicht aus: „Vielleicht trennen wir uns auch von beiden, von Pahl und von Funk.“ (Abendpost-Nachtausgabe)

 

 

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