Rigobert Gruber

*14. 05. 1961

Bis 1978 Blau-Weiß Worms, 1978 bis 1981 Eintracht, 1981 bis Februar 1987 Werder Bremen, 1987/88 TSV Verden.

Bundesliga
DFB-Pokal
Europapokal
1979/80
12
-
1
-
1
-
1980/81
9
1
2
-
1
-
Gesamt:
21
1
3
-
2
-

Saison 1979/1980 Saison 1980/1981

 

"Eines der größten Talente ..."

Rigobert Gruber kam 1978 von Blau-Weiß Worms zur Eintracht. Er war auch anderen Vereinen aufgefallen, doch die Eintracht war schneller. In Worms war er im Jugendbereich bereits eine Größe. Sein Wunsch war, „dass mein Vater das sieht. Aber er hat sich nie gemeldet. Heute bin ich darüber weg.“ Den US-Soldaten-Sender AFN hörte er, „um englisch zu lernen. Und weil meine Vater eine ähnliche Stimme haben könnte wie der Sprecher.“

Es war eine Zeit, in der hierzulande ein Fußballer mit schwarzer Hautfarbe etwas Ungewöhnliches war, aber sich kaum jemand etwas aus Worten wie Negerkuss und Sarotti-Mohr machte. Als „Mischlingsjunge“ wird er in den Zeitungsartikeln aus jenen Tagen oft bezeichnet und kaum einmal kam jemand ohne den Hinweis auf seine Hautfarbe aus. Als er acht Monate bei der Eintracht war und sich mit Fred Schaub ein Zimmer im Eintracht-Jugendheim teilte, wurde auch die „Bild“ auf ihn aufmerksam und lichtete ihn mit einer „schokoladenbraunen Fußballerin“ ab, die damals recht populär war: Beverly Ranger. Jürgen Grabowski hatte ihn mit der Stürmerin der SSG Bergisch-Gladbach bekannt gemacht. „Eine wie Beverly könnte mir schon gefallen“, zitierte die „Bild“ Gruber und seine Mutter: „Ein Schuft, wer Schlechtes dabei denkt. Rigo hat noch gar keine Zeit für Mädchen.“

Die hatte er in der Tat nicht. Neben der Kaufmannslehre im Autohaus Riederwald, Berufsschule, Training mit der Jugend und zweimal wöchentlich bei den Profis kamen die Spiele am Wochenende sowie freiwillige Waldläufe zu Hause in Worms am Rhein. Die Belastung war kein Problem für ihn: „Ich habe doch ein Sauglück gehabt, dass sie mich entdeckt haben.“ Auch durch einen Knochenhautabriss hatte sich der Jugendnationalspieler nicht aufhalten lassen und Trainer Rausch bestätigte. „Wenn die Bestimmungen im deutschen Fußball nicht so verbohrt wären, stünde Rigo längst in der Bundesliga.“

Zur Saison 1979/80 wurde der nun 18-jährige Gruber mit Fred Schaub in den Lizenzspielerkader aufgenommen. Wolfgang Kraus und Rüdiger Wenzel hatten die Eintracht verlassen, doch neben den beiden Jugendspielern kamen mit Stefan Lottermann von Kickers Offenbach, Horst Ehrmantraut aus Homburg und Harald Karger aus Burgsolms sowie Bum-Kun Cha nur bundesligaunerfahrene Spieler. „Es war einfach höchste Zeit, den kontinuierlichen Übergang in die achtziger Jahre personell einzuleiten. Aber ich kann in Frankfurt keine Mannschaft zusammenkaufen, ich muss sie sich entwickeln lassen“, begründete Manager Udo Klug seine Personalplanung.

„Der dunkelhäutige Gruber gilt als eines der größten Talente, das die Eintracht jemals besaß“, schrieb Wolfgang Tobien im Juli 1979 im „kicker“. Einen ersten Einsatz hatte Gruber bereits beim letzten Freundschaftsspiel der vorherigen Saison am 14.6.1979, beim 5:5 der Eintracht in Laudenbach, wobei Torwart Friedl und Gruber ihren Teil dazu beitrugen, den Gastgebern die 3:1-Führung zu ermöglichen. Trainer Rausch, der sich das Spiel gemeinsam mit Torwart-Neuzugang Klaus Funk vom Spielfeldrand ansah und die Arbeit von der Bank Assistenz-Trainer Schulte überließ, nahm es nicht tragisch: „War doch schön. Die Leute hier haben sich riesig gefreut.“

Wie erwartet musste Gruber hinter Körbel und Pezzey zurückstehen. Doch als Bruno Pezzey nach dem Fernsehbeweis seiner Tätlichkeit gegen Gelsdorf verurteilt wurde, kündigte Rausch an, dass Gruber den Libero während seiner Sperre ersetzen sollte. „Ich hätte ihn schon im HSV-Spiel gegen Hrubesch gebracht. Aber Pezzey durfte damals dann doch spielen“, berichtete Rausch. Und beim 1:4 in Gladbach hatte er ihn nicht eingesetzt, weil Gruber nach einer Knöchelverletzung eine Woche Trainingsrückstand hatte und nicht schmerzfrei war.

Gruber musste sich aber noch drei weitere Bundesligaspiele gedulden, ehe Rausch ihn am 9.11.1979 beim Abschlusstraining zur Seite nahm: „Richten Sie sich darauf ein, dass Sie am Betzenberg auflaufen.“ „Natürlich bin ich nervös. Aber ich freue mich darauf. Hoffentlich überlegt es sich der Trainer nicht noch anders. Denn in Kaiserslautern - da kenn' ich mich aus“, erzählte Gruber mit pfälzischem Zungenschlag. Auf dem Betzenberg hatte er schon als Jugendlicher mit Blau-Weiß Worms gespielt.

Am folgenden Tag konnte er mittags nichts essen und nicht schlafen. Doch Jürgen Grabowski spielte ihm vom Anstoß weg gleich den Ball zu und Libero Willi Neuberger anschließend sofort frei. „Da kam ich überhaupt nicht dazu, an das Lampenfieber zu denken, mit den ersten Ballkontakten war auch die Aufregung wie weggeblasen“, berichtete nach dem 1:0-Sieg der erleichterte Neuling. „Ich war sofort da und Willi Neuberger hat mich immer gut ins Spiel gebracht“, dankte Gruber seinem Mitspieler. „Meine Kumpels von Blau-Weiß waren alle da, die sind ja FCK-Fans“, freute er sich über die „Rigo“-Rufe und auch über das Lob seiner Mutter: „Ei Bub’, was warst du gut!“

„Ich möchte allen meinen Spielern danken, dass sie so geschuftet haben“, sagte Rausch und ergänzte: „Besonders herausheben möchte ich den jungen 18-jährigen Rigobert Gruber, der erstmals heute in der Bundesliga gespielt hat und sich glänzend schlug.“ Hartmut Scherzer urteilte in der Abendpost/Nachtausgabe über Grubers „eindrucksvolles Bundesligadebüt“ vorausschauend: „Wenn seine Karriere so verläuft wie sein Debüt, wird er einmal ein ganz Großer!“ „Ich war angenehm überrascht, wie gut er sich eingefügt hat“, lobte selbst Manager Klug, doch Gruber hatte abseits der Hymnen Lehrgeld auch bezahlen müssen: Vor dem Pfostenschuss der Lauterer hatte er sich im Zweikampf mit der Schulter wegdrängen lassen. Gruber hatte am Boden gelegen und dem drohenden Unheil hinterher geschaut: „Da war' mir fast das Herz stehengeblieben.“ „Wenn ich ab und zu die Spiele der Eintracht nicht am Fernseher, sondern von der Bank aus verfolgen kann, bin ich schon zufrieden“, wollte er zunächst keine Ansprüche aus seiner Leistung ableiten: „Ich bin keiner, der den Molly macht. Jetzt will ich mich hocharbeiten.“

„Auch in seinem zweiten Bundesligaspiel eine gute Partie gegen Abel. Stieß stets mutig und im rechten Augenblick mit nach vorn“, notierte die A/N nach dem nächsten Spiel beim VfL Bochum und Jezek, der Trainer von Feyenoord Rotterdam, sagte: „Ich beglückwünsche die Eintracht zu diesem Talent Gruber.“ „Ich bin nervös wie vor dem ersten Spiel in Kaiserslautern“, sagte er am folgenden Wochenende vor seinem ersten Heimspiel im Waldstadion. Doch zur Nervosität bestand kein Grund. Bei seinem dritten Bundesligaeinsatz hintereinander beeindruckte der junge Vorstopper auch seinen Kölner Gegenspieler Dieter Müller: „Der Gruber ist ein sehr guter Mann. Er hat mich wirklich überrascht. Er ist einer der besten, gegen die ich bisher gespielt habe. Gruber ist ein Riesentalent. Der macht seinen Weg.“ „Gruber war enorm“, schwärmte auch Friedl Rausch, doch der Spieler selbst blieb realistisch: „Am Mittwoch gegen Rotterdam sind wir wieder komplett. Ob ich dann spielen werde, weiß ich wirklich nicht.“

Alles gelang aber auch ihm nicht. In der 35. Minute hätte er beinahe sein erstes Bundesligator erzielt, als einen Rückpass von Cha fünf Meter vor dem Kölner Kasten übers Tor drosch und enttäuscht mit der Faust auf den Rasen schlug. „Ich habe den Ball zu spät gesehen, sonst wäre er drin gewesen“, ärgerte er sich und verriet: „Wenn der Ball reingegangen wäre, hätte ich heute Nacht mit Sicherheit nicht schlafen können.“ Doch auch ohne Tor feierten ihn bereits die Fans in der Kurve mit Sprechchören: „Gruber, Gruber!“

Obwohl er gegen Köln der beste Abwehrspieler war, ahnte er: „Aber gegen Rotterdam spielt wohl der Pezzey.“ So war es. Gruber wurde erst in der Schlussphase in die Partie gebracht, was die A/N Trainer Rausch anlastete: „Gruber kam kalt in ein heißes Spiel — ein undankbarer und auch unnötiger Wechsel. „Ich hatte ganz schöne Schwierigkeiten, den Rhythmus zu finden“, fand auch Gruber.

Im nächsten Spiel gegen Uerdingen war Gruber dann wieder erste Wahl, weil Pezzey in der Liga weiterhin gesperrt war. Doch sein Einsatz dauerte nur eine Halbzeit. „Ich habe Borchers für Gruber in der zweiten Halbzeit gebracht, weil wir mehr über die Flügel spielen mussten“, erklärte Rausch und konnte sich brüsten, den Schützen des Führungstreffers eingewechselt zu haben. Bei der folgenden 3:4-Niederlage in Bremen bereitete Gruber zwar das 1:1 mit einem Lauf übers halbe Feld vor, hatte jedoch große Probleme mit Gegenspieler Steinkogler und musste zur Halbzeit mit einer Sprunggelenksblessur in der Kabine bleiben. „Er hat für viel Unruhe gesorgt. Gruber hatte mit ihm mehr Mühe als zuletzt mit dem Kölner Dieter Müller“, lobte Rausch den Gegenspieler Grubers. Und auch in der nächsten Partie musste das Talent zur Halbzeit das Feld verlassen.

In der Rückrunde kam Gruber erst am 21. Spieltag zu einem weiteren Einsatz. Nach dem 7:2 gegen Eintracht Braunschweig absolvierte Gruber sein nächstes Bundesligaspiel erst am 24. Spieltag, obwohl Pezzey schon zwei Partien zuvor in Leverkusen eine Rote Karte erhalten und zum zweiten Mal gesperrt worden war. Nach der 0:5-Niederlage beim HSV flog Gruber erneut aus der Stammelf. Auf die Einwechslung am 25. Spieltag hätte er dennoch verzichten können: Er ersetzte Jürgen Grabowski, der gerade vom Platz getreten worden war. Es war „Grabis“ letztes Pflichtspiel und das Ende seiner ruhmreichen Karriere. Im nächsten Spiel war Gruber wieder in der Startelf, doch bei der 0:4-Heimniederlage gegen den Tabellenletzten Hertha BSC wechselte Rausch wieder Gruber zur Pause aus. Am 28. Spieltag kam Rigo noch einmal für Helmut Müller zum Einsatz, der damit ebenfalls sein letztes Bundesligaspiel gemacht haben sollte. Danach spielte Gruber unter Rausch nicht mehr.

Rauschs Nachfolger Lothar Buchmann schien die Karten zur Saison 1980/81 neu zu mischen. „Rigo hat mit seinen Spiel Karl-Heinz Körbel nicht gleich verdrängt, aber bewiesen, dass er ohne Weiteres eingesetzt werden kann“, sagte der neue Trainer nach dem 4:0 in Luzern: „Gruber hat große Fortschritte gemacht.“ „Wer hinten drinsteht, hat den besten Überblick und muss die anderen dirigieren. Es ist völlig egal, wer das gerade ist. Da verlange ich einfach, dass zum Beispiel Rigobert Gruber Bernd Hölzenbein zurückruft und der sich dann auch dranhält. Unsere Spielweise ist lautlos nicht durchzuziehen, wir brauchen das Schreien“, forderte Buchmann aber auch.

Erst am 7. Spieltag kam Gruber zu seinem nächsten Bundesligaeinsatz, musste aber in der Halbzeit ausgewechselt werden. „Der Trainingsrückstand nach meiner Knöchelverletzung ist einfach noch zu groß. Nächste Woche werde ich mich im Training besonders reinknien.“ Drei Tage zuvor hatte Gruber im UEFA-Cup in Donezk bereits 14 Minuten gespielt. Einen Monat später bedauerte Buchmann nach dem Spiel in Utrecht, Gruber am Dienstagabend in der Nachwuchsrunde eingesetzt zu haben: „Es wäre sicher kein Fehler gewesen, Gruber dabei zu haben“, sagte Buchmann nach Körbels Ausfall, „aber hinterher ist man immer klüger.“ Am Samstag stand Gruber dann in Köln in der Elf, die gegen den 1. FC mit 0:5 unterging …

„Vor ihm stehen Pezzey und Körbel, an den beiden kann er nicht vorbei“, stellte Trainer Buchmann klar und Dieter Lindner ergänzte: „Sein Pech.“ Buchmann wollte auch Mitte November in Uerdingen nicht auf Gruber setzen, obwohl Pezzey fehlte: „Seine Form ist einfach nicht konstant, außerdem wird er immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen.“ Gruber plagte eine Entzündung des Sitzbeins und konnte nicht voll trainieren. „Es bringt uns doch beiden nichts, wenn er bei uns auf der Bank sitzt und für Unruhe sorgt“, begründete der Trainer sein Einverständnis, Gruber zu verkaufen. Wenige Tage später verlängerte die Eintracht den Vertrag mit Körbel um drei Jahre bis zum 30. Juni 1984. „Ich muss mit Manager Klug über einen Wechsel zu einem anderen Verein sprechen“, lautete Rigoberts Reaktion.

„Gruber war beim Probetraining in Schalke, nur haben wir danach nichts mehr von ihnen gehört. Zur Sicherheit setzen wir ihn aber auf die Transferliste“, erklärte Manager Klug, doch am Jahresende hatte der Spieler die Hoffnung auf einen Vereinswechsel aufgegeben: „Das wird ja doch nichts mehr. Ich bleibe halt bis zum Saison-Ende bei der Eintracht.“ Schalke, 1860 München, Worms und Darmstadt hatten sich interessiert gezeigt, doch bei der Ablöseforderung der Eintracht abgewinkt.

Am 29. Spieltag kam Gruber dann erst zu seinem zweiten Bundesligaeinsatz über die volle Distanz in jener Saison, zeigte beim 1:1 in Karlsruhe aber wieder einmal eine bemerkenswerte Leistung. „Und vor allem dieser Rigobert Gruber, der als Vorstopper Karl-Heinz Körbel mustergültig vertrat. Dieser Gruber soll verkauft werden, doch fragt man sich, ob man so ein Talent und bei diesem Alter ziehen lassen soll. Auf alle Fälle hat er weiterhin seine Chance verdient“, machte sich Grabowski für den jungen Mann stark. „Für die Eintracht ist es schade, wenn so ein Talent geht. Für Grubers Entwicklung ist es gut, wenn er den Verein verlässt. Der Rigo kann in vielen Bundesligamannschaften seinen Mann stehen“, urteilte Trainer Buchmann: „Rigo hatte anfangs Schwierigkeiten, weil ihm einfach Spielpraxis fehlt. Von mir aus könnte er bleiben, für die Eintracht wäre es gut, einen Gruber in der Hinterhand zu haben. Aber ihn persönlich wird das natürlich nicht zufrieden stellen, weiterhin auf der Bank zu sitzen.“ „Von mir aus werde ich dieses Gespräch auch nicht suchen, werde mich weiter nach einem neuen Verein umschauen und wohl gehen“, erklärte Gruber: „Viel hängt von der Ablöseforderung ab.“

Zwei Spieltage später und zwei Tage nach seinem 20. Geburtstag erzielte Rigobert Gruber in seinem 20. Bundesligaspiel sein erstes Bundesligator. Nach fünf Minuten wuchtete er den Ball nach einem Eckstoß von Bernd Nickel ins Uerdinger Tor. Es war die Abschiedsvorstellung des großen Talents im Waldstadion, „denn sobald der Aufstieg von Darmstadt 98 feststeht, unterschreibe ich dort einen neuen Vertrag. Ich habe immer noch meine Wohnung in Worms, und von da ist es nicht weit nach Darmstadt.“ Das neue Vertragsangebot, das ihm Manager Klug machte, änderte nichts mehr: „Ich will auf jeden Fall weg, weil ich glaube, dass die Mannschaft für die neue Saison bereits feststeht und das ohne mich. Ich sehe auch nach dem heutigen Spiel keine Chance auf einen Stammplatz. Wo man gelernt hat, soll man eben nicht bleiben.“

„Ich hätte nichts dagegen, wenn er bleiben würde“, versicherte Buchmann erneut: „Im Gegenteil. Er hat mir gegen Uerdingen sehr gut gefallen. Doch die Zusicherung, die er von mir erwartet, kann ich ihm nicht geben. Einen Stammplatz kann ich keinem Spieler garantieren.“ „Irgend jemand hat ihm das einmal eingeredet, dass er nur für diese beiden Positionen etwas tauge“, sah Buchmann Gruber übrigens nicht nur im Abwehrzentrum, sondern auch geeignet fürs defensive Mittelfeld.

Sein letztes Pflichtspiel für den frisch gekürten DFB-Pokalsieger machte Gruber am nächsten Spieltag beim 2:7 in München - zur Pause hatte es noch 0:0 gestanden. „Ohne Sziedat, ohne Körbel, ohne Pezzey - da ging nichts mehr. Das Spiel hat mir so wenigstens noch einige wichtige Fingerzeige gegeben“, bilanzierte Trainer Buchmann und zürnte besonders mit Gruber, dem der Schiedsrichter den Treffer zum 1:0 nicht anerkannt hatte: „Er hat in der zweiten Halbzeit nicht mehr diszipliniert gespielt, war in Räumen anzutreffen, wo er gar nicht hingehörte und vor dem zweiten Elfmeter wollte er den Ball stoppen wie Beckenbauer, anstatt kompromisslos zu klären.“ Buchmanns Ärger saß aber tiefer: „So kann man in kein wichtiges Meisterschaftsspiel gehen, ohne Training und ohne einige verletzte Spieler, die Rückschläge kommen dann zwangsläufig. Letzte Woche waren wir in Hongkong, am Sonntag, kaum einen Tag nach dem Spiel in München, müssen wir ein Freundschaftsspiel in Schrecksbach absolvieren, und am Montag geht es schon wieder zur Sache in Zeilsheim. Training ist überhaupt nicht mehr möglich, als Trainer komme ich mir ganz schön überflüssig vor.“ Provokativ schlug Buchmann vor, im nächsten Jahr im Mai mit der Bundesliga aufzuhören und nur noch Freundschaftsspiele zu machen. „Ich weiß, dass der Verein Geld braucht, aber so geht es auch nicht. Dann braucht sich niemand zu wundern, dass der Verein ein schlechtes Image bekommt.“

Das Image der Eintracht sollte in den nächsten Jahren nicht besser werden und die Zeit großer sportlicher Erfolge war auch erst einmal beendet. Gruber aber wechselte nicht nach Darmstadt, sondern für eine Ablösesumme von 450.000 Mark zum Aufsteiger Werder Bremen: „Ich bin aus Frankfurt weg, weil ich da keine Chance mehr sah. Jetzt will ich’s wissen!“ Das wollte auch Trainer Buchmann beim ersten Aufeinandertreffen mit dem überraschend gut gestarteten Bremern: „Am Samstag wissen wir, wer besser ist: Rigo oder Charly Körbel.“ „Körbel ist am Ball stärker, ruhiger, aber im entscheidenden Augenblick resoluter“, fand Mitspieler Ronald Borchers: „Er denkt voraus, bringt auch dann noch die Fußspitze ans Leder, wenn man denkt, jetzt renkt’s ihm den Meniskus aus.“

„Rigos Torgefährlichkeit hat uns immer verblüfft. Aber dass er sich in Bremen so schnell einen Namen machen würde, ist doch überraschend“, sagte Körbel, der den Konkurrenzkampf gegen Rigo nie gefürchtet habe: „Dazu war meine Position in der Mannschaft viel zu stark. Denn der Arbeitsplatz Vorstopper ist nun bei Eintracht mal durch mich besetzt. Genau wie der Libero-Posten durch Pezzey.“ Trotzdem hätte die Eintracht Rigo nur ausleihen sollen, meinte Körbel, doch Buchmann konterte: „Weil er schon einen neuen Vertrag in Darmstadt unterschrieben hatte, war ein Ausleihen nicht mehr möglich.“ Körbel versuchte das mediale Interesse am „Duell“ mit Gruber abzuschwächen: „Ich spiele gegen Kostedde, nicht gegen Rigo.“ Und Gruber spielte im Waldstadion nicht Vorstopper, sondern im defensiven Mittelfeld, wo ihn auch Buchmann gesehen hatte. An der 2:9-Niederlage der Bremer im Waldstadion traf Rigo die geringste Schuld. Das Rückrundenspiel gewannen die Bremer mit 2:1 und belegten am Ende Platz 5, während die Eintracht auf Rang 8 einlief.

Ende 1982 ließ sich Gruber dann mit der Verlängerung seines Vertrages bei Werder Zeit. „Wir werden am Montag nochmals verhandeln“, kündigte Werder-Manager Willi Lemke an, während Präsident Axel Schander das Interesse der Eintracht bestätigte, aber gleichzeitig auf die finanzielle Situation der Frankfurter hinwies: „Eine mögliche Rückkehr Grubers hängt davon ab, wie sich die Vertragsverhandlungen mit unseren Spielern gestalten.“ „Ich habe Rigo vor drei Wochen ein ordentliches Angebot unterbreitet, darauf hat er mit einer für uns utopischen Forderung geantwortet. Seither habe ich von ihm nichts mehr gehört“, sagte Lemke und dementierte die in der „Bild“ veröffentlichte Behauptung, Gruber habe sich beim Wechsel an die Weser im Vertrag zusichern lassen, er könne für die 450.000 Mark zur Eintracht zurück, die Werder im Mai 1981 nach Frankfurt überwiesen hatte; „Davon steht im Vertrag kein Wort. Gruber wurde schließlich in Bremen zum Stammspieler, er wird auf jeden Fall teurer werden.“

„Es stört die Konzentration der Mannschaft und belastet Gruber zusätzlich“, klagte Werders Trainer Rehhagel vor dem Spiel gegen die Eintracht: „Ich habe mich um ihn bemüht wie kein anderer, jetzt möchte ich ihn auch gerne hier behalten. Er hat das Zeug dazu, Nachfolger von Klaus Fichtel auf dem Liberoposten zu werden“, lobte Rehhagel den Allround-Spieler, der in der Vorwoche in Bielefeld eine glanzvolle Partie im Mittelfeld geliefert hatte und auch gegen die Eintracht auf dieser Position spielte. Rigobert Gruber selbst, vor dem Spiel im Stadion auf die mögliche Rückkehr angesprochen, zuckte nur mit den Schultern: „Kein Kommentar - ich kann dazu momentan nichts sagen.“ Seine alte Mannschaft verlor 0:3 und Torhüter Pahl warf sich den Ball ins eigene Netz …

„Ich würde ihn gerne wieder zu Hause sehen“, hatte Trainer Branko Zebec am Samstag noch einmal das Frankfurter Interesse unterstrichen, doch am Sonntagnachmittag musste Eintracht-Vizepräsident Wolfgang Zenker nach dem Telefongespräch mit dem Spieler die Akte schließen. „Mit allem Drum und Dran würde Gruber eine Million Mark kosten, das ist für uns völlig ausgeschlossen“, berichtete Zenker und bestätigte Lemkes Aussage vom Freitag: „Im Vertrag steht in dieser Richtung absolut nichts. Das damalige Präsidium hat versäumt, einen finanziellen Nachlass einzubauen.“ Rigobert Gruber blieb in Bremen und wurde dort am Ende der Saison Vizemeister, die Eintracht Zehnter.

In der Saison 1983/84 spielte der nach Bremen gewechselte Pezzey an der Seite Grubers. Die Eintracht kämpfte derweil gegen den Abstieg und konnte sich erst in der Relegation den kaum noch für möglich gehaltenen Klassenerhalt sichern. Den sensationellen 3:2-Erfolg der Schützlinge von Dietrich Weise erlebte Gruber nur auf der Tribüne, weil er wegen einer Roten Karte gesperrt war. So blieb das 0:0 im Hinrundenspiel das letzte Aufeinandertreffen mit der Eintracht, denn Grubers Karriere war mit dem 1.5.1984 beendet. Das Unglück passierte im Pokal-Halbfinale in Mönchengladbach: “Ich verdrehte mir in einem Zweikampf total das Knie, danach war alles kaputt“, erinnert sich Gruber: „Insgesamt bin ich fünfmal am Knie operiert worden, war allein elf Monate bei Fitmachern in Frankfurt, um wieder spielen zu können.“

Ende der Saison 1984/85, als sein Profivertrag bei Werder Bremen ausgelaufen war, „haben die ihn noch mal um zwei Jahre zu den alten Bedingungen verlängert. Dann war ich zwei Jahre krank geschrieben. Im Frühjahr 1986 wollte ich es noch einmal wissen. Aber da war der alte Druck, der Schmerz bei allen wichtigen Bewegungen. Da habe ich ernsthaft begonnen, mich mit dem Ende meiner Karriere zu befassen. Die Hoffnung, die ich nach jedem Stück herausoperiertem Knorpel hatte, war aufgebraucht. Der Schmerz blieb. Was wollen die denn jetzt noch rausnehmen, habe ich mich gefragt.“ Nach seinem gescheiterten Comeback-Versuch bei den Werder-Amateuren wurde Gruber mit 25 Jahren Sportinvalide, doch seine Laufbahn als Profi-Fußballer endete genau genommen bereits knapp zwei Wochen vor seinem 23. Geburtstag. Wie zuvor bei den Eintrachtspielern Helmut Müller und Harald Karger scheiterte die Rückkehr an einer irreparablen Knieverletzung. Das Innenband war gerissen, dazu kamen kaputte Kreuzbänder und ein ramponierter Außenmeniskus. „Heute machen die so was in der Mittagspause. Ich musste allein ins Fitnessstudio. Da wusste man gar nicht, was man vielleicht selbst alles falsch macht.“ „Ich war fit wie ein Bulle, ich hätte noch zehn Jahre gespielt“, glaubt er, aber er trauert der Zeit nicht nach: „Ich bin immer positiv.“

Gruber eröffnete eine Herrenmode-Boutique - „Rigo’s Nouveau“ - in der Knochenhauerstraße in Bremens Innenstadt und legte im Mai 1989 eine Prüfung als Dressman ab, um statt auf dem Rasen auch auf dem Laufsteg etwas verdienen zu können. Seine Boutique konnte er bis 2003 halten, seither betreibt er eine Handelsvertretung für Golf-Ausrüstung und beliefert Einzelhändler in ganz Norddeutschland. (rs)


 


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