VfB Stuttgart - Eintracht Frankfurt

DFB-Pokal 1979/1980 - Achtelfinale

3:2 (0:2)

Termin: 16.02.1980
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Jan Redelfs (Hannover)
Tore: 0:1 Bernd Hölzenbein (28.), 0:2 Ronald Borchers (41.), 1:2 Georg Volkert (60.), 2:2 Hermann Ohlicher (67.), 3:2 Hermann Ohlicher (69.)

 

>> Spielbericht <<

VfB Stuttgart Eintracht Frankfurt

  • Helmut Roleder
  • Bernd Martin
  • Dragan Holcer
  • Karl-Heinz Förster
  • Bernd Förster
  • Erwin Hadewicz
  • Hermann Ohlicher
  • Hans Müller
  • Walter Kelsch
  • Bernd Klotz
  • Georg Volkert

 


 

Wechsel
Wechsel
Trainer Trainer



Déjà-vu

Halbzeit im Neckarstadion. In der Stuttgarter Kabine ist es mäuschenstill. Der VfB liegt 0:2 zurück. Das Spiel scheint verloren. Lothar Buchmann spricht leise aber eindringlich auf seine Spieler ein: „Jungs, das schafft ihr noch. Denkt an das 4:2!“ 0:1 hieß es vor zwei Wochen im Punktspiel zur Pause. Am Ende 4:2 für Stuttgart. Weil der VfB vier Tore in zehn Minuten schoß. Diesmal trafen die Schwaben dreimal in neun Minuten - und hatten am Ende Eintracht Frankfurt mit 3:2 (0:2) aus dem Pokal geworfen.

Diesen Nervenkitzel hätte der VfB seinen 25.000 Fans ersparen können. Chancen dazu gab es schon in der ersten Halbzeit. Reihenweise. Doch bevor die Frankfurter Abwehr von Stuttgart aufgemischt wurde, wirbelte sie erst mal Trainer Rausch durcheinander. Gegenüber dem Vorspiel stand Pahl für Funk im Tor, die beiden Verteidiger Müller und Nachtweih wurden gegeneinander ausgewechselt, für den verletzten Libero Neuberger sollte Pezzey die Abwehr zusammenhalten. Gruber deckte Stuttgarts Mittelstürmer Klotz, damit wurde Körbel frei für die Bewachung von Hansi Müller.

Vorne stand Tscha Bum allein auf weiter Flur. Als die Eintracht anspielen sollte, war niemand an der Mittellinie. Hölzenbein und Nickel mußten erst 30 Meter nach vorne kommen. Die ersten 20 Minuten - ein Spiel auf ein Tor. Auf das der Frankfurter. Hansi Müller zielt aus 20 Metern knapp am linken Torwinkel vorbei (7.). Verteidiger Martin hebt den Ball aufs Tordach (15.). In der 26. Minute der erste Frankfurter Konter. Flanke Grabowski, versuchter Fallrückzieher von Hölzenbein. Der Ball trudelt am Tor vorbei.

Karl-Heinz Förster nimmt Tscha Bum mit harten Körperattacken den Mumm. Der Koreaner wird böse. Försters Bruder Bernd muß für „Kalle“ büßen: Er wird von hinten umgesäbelt. Die gelbe Karte für Tscha Bum. Dann das 0:1 wie eine eiskalte Dusche. Hölzenbein mit Volleyschuß vom Elfmeterpunkt nach Doppelpaß mit Borchers (29.). Drei Minuten vor der Pause gar das 0:2. Freistoß aus 25 Metern von Bernd Nickel. Ein Mordspfund. Roleder kann den Ball nicht festhalten, Borchers drückt ihn über die Linie.

Dazwischen vergab Kelsch den Ausgleichstreffer. Der VfB-Rechtsaußen stürmte allein aufs Tor zu, legte sich den Ball zu weit vor und Pahl warf sich dazwischen.

Nach einer Stunde bekommt Stuttgart die zweite Luft. Ein Freistoß von Hansi Müller prallt von der Mauer ab. Volkert erwischt den Ball, umkurvt elegant seinen Bewacher Müller und schießt aus spitzem Winkel das 1:2 (60.). Dann der Doppelschlag von Hermann Ohlicher. Vorlage Klotz, Stuttgarts Kapitän spitzelt den Ball unter Pahl zum 2:2 ins Netz. Drei Minuten danach: Klotz legt mit letztem Einsatz quer, Ohlicher schießt aus sieben Metern zum 3:2 ein. „Buchmann, Buchmann“, schallt es aus der Cannstatter Kurve. Vor einem Vierteljahr hieß es noch: „Buchmann raus...“ (Bild)


Hat Eintracht Frankfurt jetzt VfB-Komplex?

In Stuttgart lief's für die Eintracht erneut wie verhext. Wieder drehte der VfB nach dem Wechsel binnen weniger Minuten den Spieß um. Und wieder wirkte die Eintracht-Abwehr plötzlich konfus, wie gelähmt, weggetreten, wie schon unlängst im Punktekampf.

Die Eintracht gab sich bis zu jenem plötzlichen wie unerklärlichen Zusammenfall freilich recht geschickt, clever, den VfB konternd einige Male verwirrend, stets gefährlich bleibend. Die größte Gefahr ging von Hölzenbein aus, den B. Förster zu „großzügig“ deckte. Erstaunlich stark daneben: Borchers. Cha dagegen wurde von dem überragenden K. H. Förster eliminiert, wiewohl nie aufgebend, immer zu beachten. Die zwei Tore waren kalte Duschen für Stuttgart. Das zweite „leitete“ Roleder ein, als er einen scharfen Freistoßball Nickels nicht festhalten konnte. Die Partie schien entschieden. Doch der VfB zeigte eine starke Moral. Und nach dem schlitzohrigen Anschlußtreffer Volkerts kam's prompt wie schon einmal gehabt.

Die Eintracht war am Ende fassungslos, beladen mit einem Stuttgart-Komplex, der VfB wurde gefeiert. Der Sieg war letztlich natürlich verdient, aufgrund der größeren Spielanteile, der Chancen. Neben K. H. Förster ragte noch Martin heraus, gaben sich Ohlicher und Hadewicz, der gegen einen allerdings nicht sonderlich auftrumpfenden Grabowski, gewohnt fleißig, wie auch Kelsch, während Volkert wieder einen „seiner“ Tage erwischt hatte, zum Leidwesen Nachtweihs. Schwächen verriet Libero Holcer, der allerdings nach seiner Verletzung notgedrungen für Hattenberger (Zerrung) einspringen mußte. Bei der Eintracht brillierte Hölzenbein, konnte aber auch ein Pezzey in den entscheidenden Minuten nicht alle Löcher stopfen. (Kicker)


Duplizität der Ereignisse

Gewiß: Eine Schande ist es nicht, im Stuttgarter Neckarstadion aus dem Pokal zu fliegen, und schon gar kein Debakel, gegen einen herzerfrischenden VfB 2:3 zu verlieren. Wenn sich dennoch bei der Frankfurter Eintracht Unmut breitmachte und Kritik laut wurde, dann wegen der Duplizität der Ereignisse: Vor zwei Wochen, im Bundesligaspiel, führte die Eintracht zur Pause 1:0 und kassierte dann innerhalb yon zehn Minuten vier Tore. Diesmal betrug die Pausen-Führung gar 2:0, und dennoch wurden die Frankfurter wieder innerhalb von zehn Minuten in Grund und Boden gestampft, fingen in neun Minuten, Schlag auf Schlag, drei Tore.

„Durch die Ereignisse im letzten Spiel hatten wir ein psychologisches Plus, als der Anschlußtreffer fiel“, sagte Stuttgarts Trainer Lothar Buchmann. Der Rückstand der Stuttgarter sollte zu ihrem Vorteil werden: Der VfB hatte die Zuversicht, den Coup zu wiederholen, die Eintracht die Angst, wieder in Panik zu verfallen. „Als das Anschlußtor fiel, ging bei uns ein Ruck durch die Mannschaft, bei der Eintracht aber spürten wir sofort den Knacks“, sagte Hansi Müller.

Und was hatte sich Friedel Rausch alles einfallen lassen, um eine Wiederholung des Zusammenbruchs zu vermeiden. Er wechselte die Verteidigerpositionen, brachte Rigobert Gruber als Vorstopper, schickte Karl-Heinz Körbel zu Hansi Müller und überließ Bruno Pezzey den Libero-Posten für den verletzten Willi Neuberger. Bis auf Pezzey konnte damit jedoch keiner die Abwehr stabilisieren. „Schon vor der Pause herrschte keine Sicherheit, hatte ich bei jedem Stuttgarter Angriff Angst, daß was passiert“, sagte Bernd Hölzenbein. „Und dann herrschte doch nur noch das Chaos in unserem Strafraum.“ Aus Norbert Nachtweih und Helmut Müller werden eben keine energische, sachliche, voll konzentriert spielende Verteidiger, indem man den einen von links nach rechts und den anderen von rechts nach links schickt.

„Es sind bei uns immer wieder die gleichen Fehler, da hat sich, seit ich zur Eintracht gekommen bin, nichts geändert“, sagte Bruno Pezzey, der sich wie der Hahn in einem Hühnerhaufen vorkam. „Wir spielen in der Abwehr zu amateurhaft“, klagte der Österreicher. Zwei Beispiele mögen Pezzeys Kritik unterstreichen. „Ich habe mich die ganze Woche lang auf den erneuten Zweikampf mit Cha vorbereitet, habe mich voll darauf konzentriert“, sagte Karl-Heinz Förster, der diesmal keine brutale Härte brauchte, um den koreanischen Weltklasse-Stürmer zum Bundesliga-Durchschnitt zu degradieren.

Nachtweih und Müller konzentrierten sich noch nicht einmal im Spiel auf die gefährlichen Stuttgarter Stürmer Volkert und Kelsch. Karl-Heinz Körbel, der einzige Frankfurter, der im Zweikampf so unerbittlich dazwischenfunken kann wie die Förster-Buben, sollte diesmal Hansi Müller nur abschirmen, ihm nicht ständig auf den Füßen stehen. „Für einen Techniker wie mich ist ein Gegner, der mich den Ball erst annehmen läßt, natürlich sehr angenehm“, gab Hansi Müller zu. Körbel hatte es dann überaus schwer, dem Jongleur den Ball noch abzujagen. Cha hingegen wußte: Kam der Ball zu ihm, da waren Karl-Heinz Försters Stiefelspitzen schon da.

Panik, Chaos — der VfB Stuttgart kennt solche Zustände nicht, auch bei einem 0:2 nicht. Der Grund: „In kritischen Phasen motivieren wir uns innerhalb der Mannschaft gegenseitig, möbeln wir uns einander auf.“ Bei der Eintracht halfen nicht einmal die beschwörenden Worte des Trainers: „Ich habe meine Spieler in der Pause noch gewarnt, bei einem Gegentor die Ruhe zu bewahren und nicht in Panik zu verfallen.“ (Abendpost-Nachtausgabe)

 

 

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