Hertha BSC Berlin - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1976/1977 - 27. Spieltag

2:3 (2:0)

Termin: Sa 26.03.1977, 15:30 Uhr
Zuschauer: 17.000
Schiedsrichter: Eckhard Jensen (Schönkirchen)
Tore: 1:0 Karl-Heinz Granitza (3.), 2:0 Uwe Kliemann (26.), 2:1 Wolfgang Kraus (58.), 2:2 Wolfgang Kraus (77.), 2:3 Bernd Hölzenbein (87.)

 

 

>> Spielbericht <<

Hertha BSC Berlin Eintracht Frankfurt

  • Norbert Nigbur
  • Michael Sziedat
  • Holger Brück
  • Uwe Kliemann
  • Jürgen Diefenbach
  • Gerhard Grau
  • Karl-Heinz Granitza
  • Erwin Hermandung
  • Lorenz Horr
  • Wolfgang Sidka
  • Erich Beer

 


 

Wechsel
  • Hans Weiner für Jürgen Diefenbach (62.)
  • Bernd Gersdorff für Erwin Hermandung (79.)
Wechsel
Trainer
  • Georg Kessler
Trainer



Die Serie hält

Sie saßen im Bus und rechneten. Noch spricht keiner darüber, aber ausschließen wollen es die Spieler der Frankfurter Eintracht auch nicht mehr: Nach dem 3:2-(0:2-)Sieg bei Hertha BSC Berlin, dem 14. Spiel hintereinander ohne Niederlage, können die Frankfurter noch in den Endkampf um die Deutsche Meisterschaft eingreifen. Wolfgang Kraus, zweifacher Torschütze: „Wenn Mönchengladbach am Mittwoch gegen Dortmund nicht gewinnt, dann…" Er schluckte den Rest des Satzes hinunter. Und auch Berlins Kapitän Erich Beer hält bei „dieser Mannschaft alles für möglich". Beer: „Die spielen wie aufgedreht. Wir konnten das Tempo einfach nicht mehr mithalten."

20.000 Zuschauer im Berliner Olympiastadion erlebten beim 3:2-Sieg der Frankfurter Eintracht nach einem 0:2-Rückstand ein denkwürdiges Spiel. Die ausgekochten Profis von Hertha BSC und ihr Trainer Keßler waren ratlos wie Schuljungen. Sie hatten das bis jetzt wirkungsvollste Gegenmittel gegen die Frankfurter Raumdeckung gefunden und standen am Ende doch wie begossene Pudel da. Frankfurt — 14 Spiele in Serie unbesiegt — stellte einen neuen Saisonrekord auf und gewann nach 13 Jahren zum erstenmal wieder bei Hertha. Wie? Das bleibt für „Sir" Keßler nach eigener Aussage „ein Rätsel."

Die Berliner Taktik, die Frankfurter — vor allem Trinklein — schon in deren eigenem Strafraum zu attackieren, wirkte wie Gift. Nach 50 Sekunden brannte es schon vor Koitkas Tor, nach drei Minuten hieß es 1:0, weil Weidle und Trinklein den Torschützen Granitza zu spät attackierten. „Frankfurt, Frankfurt — haha!" lachten die Hertha-Fans, denn der Wirbel vor Frankfurts Tor nahm immer bedrohlichere Formen an. Und kein Strohhalm weit und breit in Sicht. Denn Diefenbach machte Nickel das Leben schwer, Sidka hetzte Grabowski, Sziedat erdrückte Hölzenbein und Kliemann sprang mit Wenzel nach Belieben um. Doch wer zuletzt lacht...

Das 2:0 durch Kliemann, dessen Freistoß von Weidle unhaltbar für Koitka abgefälscht wurde, schien für Frankfurt der endgültige Untergang. Doch es kam anders. Nickel und Reichel inszenierten die ersten Gegenangriffe. Bald schaltete sich auch Grabowski ein — das Frankfurter Spiel kam langsam, aber sicher auf Touren. Bis zur Pause wäre nach den Torchancen schon der Ausgleich möglich, zumindest aber der Anschlußtreffer verdient gewesen. Die besten Möglichkeiten hatten Wenzel mit einem Direktschuß nach abgewehrter Grabowski-Flanke und Körbel mit einem Kopfball, der den ungemein fangsicheren Nigbur fast ins Tor gerammt hätte.

Nach der Pause begann das große Sterben der Berliner. Kraus war für den unsicheren Kantonisten Stepanovic eingewechselt worden und fungierte als dritte Spitze der nun immer überlegener auftrumpfenden Eintracht. Die bis dahin sehr sattelfeste Hertha-Abwehr kam mit diesem unvermuteten Unsicherheitsfaktor nicht mehr zurecht. Jetzt war auch Hölzenbein ständig frei, hatte aber viel Pech. Das 2:1 durch Kraus mit einem 12-m-Volleyschuß war überfällig. Nur — die Berliner schienen die Gefahr gar nicht zu ahnen, die davon ausging. Jedenfalls waren sie kaum noch zu Abwehrreaktionen fähig. Und nach dem 2:2, ebenfalls durch Kraus, mit dessen Einwechslung Lorant eine glückliche Hand bewies, kam der totale Zusammenbruch.

Kläglicher torkelte noch keine Bundesliga-Truppe in eine Niederlage als die völlig ausgelaugten Berliner. Hölzenbein vergab eine Minute nach dem Ausgleich zwei todsichere Gelegenheiten, dann spielte er Wenzel fünf Meter vor dem Tor so mustergültig frei, daß nur ein „Blinder" danebenschießen konnte. Das 2:2 schien schon endgültig, da kam der Ball noch einmal zu Hölzenbein, und diesmal traf der Weltmeister, nachdem er Brück verladen hatte, mit seinem linken Fuß tödlich.

Trainer Lorant gab sich nach dem Spiel so gelassen wie in der Pause: „Dieser Zusammenbruch war so gewiß, wie das Amen in der Kirche." Sein Kollege Keßler: „Wir hatten so gut gespielt, schon fast sicher gewonnen — ich verstehe das alles nicht mehr."

 

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