Eintracht Frankfurt - FSV Frankfurt

Gauliga Südwest 1935/36 - 7. Spiel

1:0 (0:0)

Termin: 24.11.1935 im Stadion
Zuschauer: 14.000
Schiedsrichter: Paulus (Saarbrücken)
Tore: 1:0 Theodor Trumpler (66.)

 

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Eintracht Frankfurt FSV Frankfurt

 


  • Kersten
  • Schweinhardt II
  • Schreiber
  • Sadtler
  • Schweinhardt I
  • Schuchardt (Platzverweis)
  • Armbruster
  • Haderer

 

Trainer Trainer

 

Südwest (Gau 13)

Aufregendes Derby

Zunächst einige Worte zur Tabellenlage: Neunkirchen hat am grünen Tisch gegen Phönix gewonnen und steht wieder allein an der Spitze (nach Verlustpunkten gleich mit Pirmasens, Eintracht und Niederrad). Ludwigshafen dagegen wird durch die DFB.-Strafe bis zum 8. Dezember ans Tabellenende rutschen. Die Angelegenheit mit dem Sieg gegen die Eintracht ist auch noch nicht endgültig entschieden, denn wenn der Schiedsrichter wirklich gesagt hat, er habe nur aus Angst um seine persönliche Sicherheit das Spiel nicht abgebrochen, dann muß es einfach so behandelt werden, wie wenn es abgebrochen worden wäre, denn es war dann offenbar kein reguläres Resultat. (Dies ist ganz unabhängig von der Tatsache zu entscheiden, daß die Ludwigshafener ihre Vergehen schwer büßen müssen). So ist wenigstens der Frankfurter Standpunkt.

Die Eintracht rückt durch ihren 1:0-Sieg im „Derby" auf den vierten Tabellenplatz vor, während der Fußballsportverein, nach Verlustpunkten gerechnet, kein Anrecht mehr auf den dritten Platz hat. Äußerlich ändert sich in der Tabelle allerdings nicht viel, da die restlichen Spiele verschoben wurden.

Vor dem Derby gaben die Vereinsführer der Eintracht und des Fußballsportvereins vor der Presse gutgemeinte Erklärungen ab. Stadtturnrat Söhngen sagte: „Dieses Spiel wird gutmachen, was auf anderen, auswärtigen Plätzen in unserem Gau gesündigt wurde... Ich glaube, wir alle dürfen uns auf den Kampf freuen..." Amtsgerichtsrat Dr. Wurz erklärte: „Unsere Leute werden kämpfen bis zur letzten Sekunde, denn sie wissen, um was es geht - und gerade darum werden sie anständig streiten. Das haben wir ihnen auch ausdrücklich mit auf den Weg gegeben, und weil wir wissen, daß es bei der Eintracht nicht anders ist, versprechen wir uns eine großartige Fußballpropaganda..."

Nun, außergewöhnlich schlimm ist es bei diesem Spiel nicht hergegangen, es war aber doch weit entfernt von „großartiger Fußballpropaganda". Man sieht, daß trotz aller Bemühungen der Vereinsführer die Erziehung einiger Spieler - denn es waren wieder nur einige - noch nicht vollendet ist. Einer wurde sogar vom Platz gestellt: Schuchardt, ein hartgesottener Sünder!

Zum Spiel vor Tausenden von aufgeregten Zuschauern gehören Nerven. Die Eintrachtspieler hatten sie, die Sportvereinler nicht. Die alte Regel, daß man weiterspielen muß, bis der Schiedsrichter pfeift, wurde von ihnen mehrfach mißachtet. Daraus entstand auch das Verhängnis: Trumppler nutzte schlau die Verwirrung aus, brach durch, und schoß das Tor des Tages. Der Schiedsrichter mußte dieses Tor geben, darüber ist nicht zu streiten. Es wäre aber vielleicht nicht gefallen, wenn einige Sportvereinsspieler aufgepaßt hätten, statt zu reklamieren.

Statt des geforderten Elfmeters gegen die Eintracht fiel das Tor für diese: eine bittere Pille. Die Bornheimer benahmen sich daraufhin wie die Kinder: sie wollten sogar das Spielfeld verlassen, was ihr ganz entsetzter Vorstand noch rechtzeitig verhindern konnte. Wie können nur erfahrene Spieler überhaupt an so etwas denken?! Es kam dann auch genau, was man jetzt erwarten konnte: ein kopfloses Drauflosrennen der wütenden Bornheimer, Regelverstöße in Massen, der Ausschluß Schuchardts und — natürlich kein Erfolg. Im Zorn kann man nicht Fußball spielen. Die Eintracht dagegen brachte ihre beiden Punkte in aller Ruhe unter Dach und Fach.

Die Eintracht hat aber auch den Sieg verdient. Sie hatte wesentlich mehr vom Spiel und die viel zahlreicheren und besseren Torgelegenheiten. Dabei hatte Schmidt mit einem Lattenschuß ganz entschieden Pech. Bei vernünftiger Überlegung mußten sich die Bornheimer mit dieser Feststellung trösten.

Der beste Mann auf dem Platz war der linke Läufer Hugo Mantel. Jawohl, der linke Läufer. Es ist nun zwar nicht neu, daß Mantel linker Läufer spielt, und daß er ein erstklassiger Spieler ist, aber andrerseits ist auch bekannt, daß der DFB. unter den 350 linken Läufern der deutschen Gauliga noch keinen gefunden hat, der englischen Ansprüchen genügt. (Inzwischen durch Gramlich gelöst.)

Von den eigentlichen Kandidaten spielte Gramlich ordentlich, während Tiefel den flinken Armbruster nicht zu halten vermochte. Ich neige weiter zu der Auffassung, daß Tiefel als Mittelläufer (sein angestammter Platz) besser zur Geltung käme.

Im Tor der Eintracht stand der wiedergenesene L. Schmidt, der wenig zu tun bekam. Im Sturm spielte erstmals der linke Flügel Groß-Gerth recht ordentlich. Sturmführer A. Schmidt, ein Namensvetter des Torwarts, stellte seine ausgezeichneten Anlagen erneut unter Beweis. Er war einer der besten unter den 22 und das ist kein Zufall. Die Verteidigung hatte Schwächen. Mittelläufer Fürbeth wurde mehrfach verletzt, kam aber sehr tapfer immer wieder. Vorn enttäuschten Möbs und Trumppler.

Die Bornheimer waren schwach im Sturm, dagegen bewährte sich die Hintermannschaft, besonders Schweinhardt, und schließlich war Torwart Kersten ganz hervorragend. Hier erleben wir einen der seltenen Fälle, daß ein Handballtorwart auch im Fußball erstklassig wird.

Schiedsrichter Paulus, Saarbrücken, war nach meiner Auffassung recht gut, nur hätte er etwas entschiedener auftreten können, um sich besser durchzusetzen.      Dr. C. E. L. (aus dem 'Fußball' vom 26.11.1935)

 

 


 

 

Südwest hatte nur ein Spiel

Das Frankfurter Derby Eintracht — Fußballsportverein 1:0

Die fehlende Statistik

Ich hätte das Geschehen so gern mit dem Satz eingeleitet: „Das 98. Lokalderby zwischen Eintracht und dem Fußballsportverein fand usw." Aber ich kann es nicht. Die Berliner haben ihre Hertha-Tennis-Statistiken, die Nürnberg-Fürther wissen genau, zum wievielstenmal sich Club-Kleeblatt gegenübertreten und selbst auf kleinen Plätzen ist man sich über die Zahl und den Ausgang der Lokalkämpfe im Reinen. Nur in der Fußballstadt Frankfurt gibt es keine Statistik über diese Kämpfe. Es ist zum Weinen, aber es ist so. Wenn es im Laufe der nächsten Monate sonst niemand tut, werde ich die schwere Arbeit nachholen. Die „Kicker"-Leser haben mein Versprechen.

Gespräch mit den Vereinsführern

Im Amtszimmer des Eintrachtführers. 48 Stunden vor dem Spiel. Stadtturnrat Söhngen sagt mir guter Zuversicht: „Es wird eine wirkliche Fußballpropaganda. Das Verhältnis der Vereinsleitungen ist recht gut. In den Mannschaften stehen nicht nur Leute, die Fußball spielen können, sondern die auch den Geist der Regeln begriffen haben. Ich glaube, wir dürfen uns auf das Spiel freuen."

Am gleichen Abend. Eine stille Wohnstraße am Hippodrom. Ich sitze dem Vereinsführer des Fußballsportvereins gegenüber. Amtsgerichtsrat Dr. Wurz freut sich ebenfalls auf den Kampf. „Ich bin optimistisch genug, trotz aller Vereine, die vor uns liegen müssen, anzunehmen, daß die beiden Frankfurter Vereine die Meisterschaft Südwests in erster Linie unter sich ausmachen werden. Natürlich wird der Kampf fair. Unsere Spieler kämpfen bis zum letzten, aber es ist selbstverständlich, daß es hüben wie drüben ritterlich zugehen wird."

Sonntagnachmittag 3.15 Uhr

Es ist Pause. Wir sitzen im Sportfeld. Der Totensonntag ist mit einem grauen, stillen Himmel über die Stadt gezogen. Nur im Westen lagt ein matter, gelber Schein auf ein paar Wolken. 12, vielleicht auch 14.000 Menschen sind gekommen. Alle Erwartungen haben sich erfüllt. Diese erste Halbzeit war so schön, daß das Spiel jetzt schon zu Ende sein könnte: es wäre kein Torso, es wäre rund und erfüllt. Selbst sein Ergebnis, das noch 0:0 heißt, wäre rund und erfüllt. Selbst sein Ergebnis, das noch 0:0 heißt, wäre verständlich. Denn die feldüberlegene, von einer wundervollen Läuferreihe regierte Eintrachtmannschaft stieß auf so heroischen Widerstand, rannte mit den geschicktesten Schachzügen und schärfsten Schüssen in ein so bewegliches, auffangsicheres stählernes Abwehrnetz hinein, daß das 0:0 durchaus verständlich ist.

Zwei Welten

Das sind zwei ganz verschiedene Temperamente, die sich bekämpfen. Freilich hängen in beiden Mannschaften die Mittelläufer weit zurück, aber sonst ist viel verschieden. Bornheim setzt die Flügel Armbruster und Haderer viel und geschickt ein und tut gut daran, denn sie sind tüchtig und vor allem Haderer ist der weitaus beste Außenstürmer im Feld. Eintracht schafft mehr mit dem Innentrio, das Schmidt unerhört geschickt führt: auch sie tut recht, denn weder Gerth noch Trumpler erfüllen die Ansprüche, die man an einen großen Außenstürmer stellen muß. Die Eintrachtläufer sind eindeutig überzeugend, vor allem die Außen und hier wieder Mantel, der Gramlich beinahe noch übertrifft. Mantel, der schon einmal ein großer Läufer gegen England war! Ja, die Eintracht musiziert einen guten Fußball hin. Dafür sind nun wieder die Bornheimer Verteidiger Schreiber und Schweinhardt, der Jüngere, den Tiefel, Konrad kein bischen unterlegen und übertreffen sie in der Wirksamkeit der Deckungsarbeit sogar noch deutlich. Und die Wächter? Kersten wird dreifach so stark beschäftigt. Er hält alles. Schmidt schießt gewaltig auf ihn, den Nachschuß köpft Groß herrlich - Kersten hat.

Das Gefecht ist grundanständig, dabei sehr schnell und erfüllt von wechselnden Schulbeispielen für gute Angriffe und gute Abwehr. Alle Hoffnungen sind erfüllt. Auf den Pressebänken guckt man sich befriedigt an. Das ist ein Spiel! Ja, wenn alle so wären! Man seufzt. Es wäre eine wahre Freude, Fußballspiele zu beschreiben. Niemand wagt zu sagen: „Fußballspiele dauern keine 45, sie dauern 90 Minuten". Nicht einmal zu denken wagt das jemand.

Die psychologische Minute

Zwanzig Minuten nach der Pause. Schon vor Seitenwechsel ist Eintrachts Mittelläufer Fürbeth bei einem Zusammenstoß mit Sadtler verletzt worden und er ist noch nicht zurückgekehrt. Gramlich spielt Mittelläufer, Möbs hängt zurück. Die Eintracht stürmt mit vier Leuten. Das Spiel wird wesentlich ausgeglichener. Bornheim kommt zu schönen und gefährlichen Angriffen. Schmitt in seinem Kasten muß sehr aufpassen. Zwanzig Minuten nach der Pause, mitten im bewegten Hin und Her, Fürbeth ist mittlerweile zurückgekehrt und steht Rechtsaußen, geschieht es, daß Haderer energisch aufs Tor steuert und daß ihm Schmitt im Ballaufnehmen zuvorkommt. Aber der Torhüter Schmitt schafft nicht einfach den Ball fort, er tut zuvor noch irgendetwas mit Haderer. Stößt ihm den Ball vor die Brust, drückt ihn nur mit der Brust zurück oder nimmt er die Kniee? Einwandfrei läßt sich's nicht erkennen. Haderer ist empört. Alle Bornheimer Spieler sind es und schauen nach dem Schiedsrichter. Der muß auch irgendetwas gemerkt haben und droht Schmitt mit dem Finger. In dieser selben Minute mitten in dieser Stimmung, die alle Bornheimer Spieler halb erregt, halb gelähmt sein läßt, nutzt Trumpler die Verwirrung aus, rennt davon und schießt ein schönes Schrägtor. 1:0. Die Eintracht führt. Und jetzt scheint der Himmel einzustürzen.

Es bleibt dabei

Vieltausend Bornheimer pfeifen und schreien. Die Fußballsportvereinmannschaft dringt beschwörend auf den Schiedsrichter ein. Als der eisern bleibt, will die schwarzblaue Elf vom Feld rennen, ihre Verantwortlichen halten sie mit beschwörend hochgereckten Armen von diesem unsinnigen Vorhaben ab. Noch minutenlang, wörtlich minutenlang, tönt das gellende Schreien des Bornheimer Publikums. Die Schönheit des Spiels ist futsch. Schuchardt macht foul an Fürbeth und wird vom Feld gestellt. Strafstöße mehren sich. Bornheim beginnt jetzt zu drängen. Eintracht verteidigt ruhig und geschickt. Knapp vor dem Ende kehrt Fürbeth noch zurück. Vorher noch wird Sadtler nach einem Zusammenprall mit Tiefel verletzt vom Feld geschafft: auch er kommt bald wieder. Und selbst beim Schlußpfiff gibt es noch einmal mächtige Erregung im Publikum, weil Paulus-Saarbrücken nicht nachspielen läßt.

Zwei wichtige Punkte

Frankfurt braucht sich nichts vorwerfen zu lassen. Was im Sportfeld geschah, war kein Sportskandal, war kein Eindringen von Zivilisten ins Feld, war keine Schlägerei zwischen Spielern. Die verhängnisvolle Minute ist nur psychologisch zu erklären: die Elf, die der Mannschaft mit vier Nationalspielern in der Hintermannschaft heroischsten Widerstand geleistet hatte und gerade dabei war, das Spiel ausgeglichener zu gestalten, gingen die Nerven durch, als sie sah, wie sie just in der Minute geschlagen war, in der sie selber auf einen Elfer hoffte, weil Haderer angegangen war; genau so ging es ihrem Publikum. Das ist in einem Satz alles. Man wird sich inzwischen beruhigt haben.

Die Eintracht hat mit Ersatz für die gesperrten Leis und Koch ein großes Angriffsspiel inszeniert und deswegen verdient gewonnen. Paradoxerweise muß man aber sagen, Bornheim hätte ebenfalls ein Punkt gehört - denn, ohne Nadler und Mihm, leistete die Mannschaft mit Energie und Tempo eine Glanzpartie. Sie hatte den überragenden Torwart in Kersten, sie hatte die schon gerühmt gute Verteidigung, in Mittelläufer Schweinhardt den hingebendsten Spieler und die besseren Außenstürmer. Die Eintracht aber spielte den besseren Fußball, bot die größere Augenweide. Sie hatte in Schmidt — dessen Fähigkeiten nur Fußballaien anzweifeln konnten — einen überragenden Sturmführer, in Groß einen glänzenden Halbspieler und damit waren die zwei Neuen hervorragend eingeführt. Auch Möbs war trefflich. Die Läuferreihe Gramlich-Fürbeth-Mantel ohne Makel. Die Verteidigung? Man sah Konrad und Tiefel schon besser. Daß Schmitt im Tor nach so langer Pause derart sicher spielte, war ein Wunder.      Jan Jansen. (aus dem 'Kicker' vom 26.11.1935)

 

 

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