Viktoria 94 Hanau - Frankfurter Fußball-Verein

Nordkreis A-Klasse 1911/1912 - 8. Spiel

1:1 (0:0)

Termin: 05.11.1911
Zuschauer:
Schiedsrichter:
Tore: 0:1 Willi Schulze, 1:1 (89.)

>> Spielbericht <<

Viktoria 94 Hanau Frankfurter Fußball-Verein

  • Seikel
  • Fiedler
  • K. Heck
  • Junge
  • Diehl
  • Borst
  • Dassbach
  • O. Heck
  • Schömber
  • Linck
  • Wolf

 


 

 

Victoria 94 Hanau — Frankfurter Fußballverein 1 : 1

5. November 1911.

rechts           Unsere Aufstellung:            links

Chaboud
Klebe      Stephan
Gilly      Reich      Jockel
Becker      Dornbusch      Lampe      Pickel      Schulze

links            Hanau 94:            rechts

Seikel
Fiedler      K. Heck
Junge      Diehl      Borst
Dassbach      O. Heck      Schömber      Linck      Wolf

Nicht nur die letzten acht Tage, sondern seit Wochen setzte der Gedanke an dieses Spiel unsere Gemüter in Bewegung, hielten wir doch die Hanauer Victoriamannschaft für unseren stärksten Gegner in der Liga. Was uns Victoria im Spiele zeigte, rechtfertigte diese Meinung vollkommen und wir können froh sein, diesen Besuch in Hanau hinter uns zu haben ohne besiegt worden zu sein.

Das Spiel hatte sehr unter einem fortwährenden starken Winde zu leiden, der in der Längsrichtung über den Platz strich. Gerade hier, wo zwei der besten Gegner ihre Kräfte massen, war es doppelt schade, dass so viele Augenblicke vom Gefallen der Natur abhängig waren. Trotzdem war der Spielverlauf spannend genug. Hanau gewinnt die Wahl und wir stossen gegen den Wind an, um eine halbe Stunde ziemlich bedrängt zu sein. Wir erreichen dazwischen, immer gefährlich bleibend, verschiedentlich des Gegners Tor und gleich anfangs gibt Becker von seinem Aussenposten einen schönen, scharfen Ball aufs Tor, den aber Seikel sicher fängt und wegbringt. Die nächste Minute bringt wieder Angriffe der 94er, die einen Eckball für Hanau zur Folge haben, der jedoch nicht verwandelt wird. Verschiedene weitere Eckbälle, die auf beiden Seiten getreten werden, gehen des starken Windes wegen entweder aus oder zu weit ins Feld. Erst eine Viertelstunde vor der Pause haben wir die grösste Gefahr beseitigt und können das Spiel offener gestalten; beim Stande 0:0 werden die Seiten gewechselt.

Nach Halbzeit verlegen wir nach kurzem Drängen Hanaus mit Hilfe des Windes das Spiel für 25 Minuten in die feindliche Hälfte und können hier durch einen langen, scharfen, ganz ausgezeichneten Schuss unseres Linksaussen ein Tor erringen; Victoria zieht vom Anstoss ab mit mächtiger Energie vor unser Tor, wo um ein Haar der Ausgleich gefallen wäre. Das Spiel wird wieder offener, und es wird gegen Schluss ganz dunkel, da das Spiel erst kurz vor 1/2 4 Uhr begonnen hat. Eine Minute vor Schluss erzielt Victoria nach einem Eckball den Ausgleich. Bei Ausführung dieses Eckballs war es schon so dunkel, dass man den Ball von der Mittellinie aus nicht mehr sehen konnte.

Nun zu den Spielern. Nach dem, was ich bei diesem Spiel teilweise zu wiederholten Malen sah, könnte ich ziemlich viele Spalten füllen. Da mir aber soviel Raum nicht zur Verfügung steht, weil andere auch zum Wort kommen wollen und sollen, muss ich mich kürzer fassen.

Chaboud war tadellos, solange er im Tor oder in dessen Nähe war. Aber der Leichtsinn, mit dem er das Tor weit verlässt, um Bälle wegzuschaffen, die er nie vor dem Gegner erreichen kann, muss unbedingt aufhören, bevor er durch den Verlust von Toren oder gar Spielen schwer bestraft wird. Es war nicht das erste Mal, dass Chaboud diesen Leichtsinn beging. Klebe befriedigte vollkommen; er hatte einen schweren Stand und musste sehr viel arbeiten. Einem öfters bei ihm auftretenden Fehler hat er noch abzuhelfen, nämlich den Ball nicht so lange laufen und abspringen zu lassen bis zum Wegtreten. Stephan als der Ruhigere trat weniger hervor, war aber gut und sicher. Von den Läufern waren Jockel und Reich ausgezeichnet, während Gilly im Zuspiel gut war, in der Deckung jedoch gar nicht befriedigte. Er hielt sich wieder fast ständig in der Mitte auf, in der Nähe von Reich, der dieser Unterstützung wahrlich nicht bedarf, vielmehr schon selbst auf dem rechten Läuferflügel half, wo es durchaus nicht unnötig war. Es kann Gilly, der ein alter Spieler ist, unmöglich verborgen geblieben sein, dass er taktisch falsch spielt, indem er den Aussenstürmer des Gegners, den er decken soll, fast ständig frei lässt. Ebenso muss er sehen, dass Reich einer in diesem Masse zugewendeten Unterstützung nicht bedarf. Soviel ist klar, dass diesem Mangel abgeholfen werden muss, soll er sich nicht noch bitter rächen.

Von den Stürmern gefielen mir Schulze und Pickel infolge ihres feinen Verständnisses für Zusammenspiel wiederum am besten. Lampe war gut; im Wesentlichen beschränkte er sich darauf, Angriffe einzuleiten und das Zusammenspiel zu unterstützen. Bei einer freien Schussgelegenheit knallte er leider den Torhüter an. Dornbusch zeigte nicht das gewohnte forsche Spiel; er hielt verschiedentlich den Ball zu lange und schoss so gut wie garnicht. Becker am rechten Flügel spielte eifrig, ohne für den vielfach unnötigen Aufwand von Kraft und Lunge entsprechend belohnt zu sein. Seine Spielweise gipfelt in Flankenlauf und Flanke und wieder Flankenlauf und Flanke. Er verlangt viel Unterstützung von Nebenmann und Läufer, ohne selbst solche zu gewähren; das Zusammenspiel wird dadurch einseitig und die ganze Sache ist nicht gut für einen jungen Spieler wie Dornbusch. Man wird mich schon verstehen. Vergleiche das gute Verständnis der linken Seite.

Hanau 94 besitzt wohl die ausgeglichenste Mannschaft des Nordkreises. Besonders die Stürmer sind sehr schnell und dürften hierin den unsrigen wohl etwas überlegen sein. Vornehmlich gefielen mir der Torwächter, die beiden Verteidiger und der Mittelläufer. Der Rechtsaussen ist vielleicht der schwächste Punkt. Trotz des schlechten Wetters konnten die 94er mit dem Besuch zufrieden sein; das Spielfeld war ringsum dicht besetzt.      Menningen. (aus der Vereinszeitung des Frankfurter Fußball-Vereins vom 15.11.1911)

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