FC Hanau 93 - Frankfurter Fußball-Verein |
Nordkreis A-Klasse 1911/1912 - 6. Spiel
2:4 (0:1)
Termin: 22.10.1911
Zuschauer:
Schiedsrichter:
Tore: 0:1 Karl Pickel, 1:1 Leising, 1:2 Fritz Becker, 1:3 Karl Reich, 2:3, 2:4 Jakob Dornbusch
FC Hanau 93 | Frankfurter Fußball-Verein |
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Hanau 93 — Frankfurter Fußballverein. 2:4. 22. October 1911. rechts Unsere
Aufstellung: links rechts Hanau
93: links Nach dem Ausgang der vorhergegangenen Spiele war diesem Treffen eine erhöhte Bedeutung zuzumessen; unserem bisherigen guten Abschneiden zufolge durften unsere zahlreich in Hanau erschienenen Mitglieder und Anhänger berechtigte Siegeshoffnungen hegen, während man sich vom Gegner sagen musste, dass er sicher alles daran setzen würde, vorhergegangene Niederlagen wett zu machen und eine weitere zu verhüten. Infolgedessen drückte wohl manchen von uns die bange Frage: „Wird es nicht am Ende eine für uns unangenehme Ueberraschung geben?" In der Tat wurde beiderseits mit grosser Aufopferung gespielt. Trotzdem artete das Spiel nie aus sondern hielt sich in anständigen Grenzen. Das erzielte Ergebnis von 4:2 Toren zu unseren Gunsten dürfte, den gezeigten Leistungen nach beurteilt, das Stärkeverhältnis beider Vereine wiedergeben. Ueber den Spielverlauf ist zu berichten: Ein seitlich über den Platz wehender, zeitweilig ziemlich starker Wind benachteiligte beide Parteien gleichmässig. Hanau gewinnt die Wahl, wir stossen an, verlieren den Ball und der erste Angriff, von Hanau ausgeführt, wird durch Abseits stehen eines Stürmers zu Nichte gemacht. Die 93er bleiben etwas überlegen bis unser Sturm klappt und wir nach vielleicht zehn Minuten die Oberhand gewinnen. Erfolge erzielen wir aber nicht, da die Innenleute zu viel combinieren und zu wenig schiessen. Hanau macht sich frei und bei einem Angriff auf unser Tor wird ein Elfmeter gegen uns verhängt; Leising tritt und Chaboud hält wunderbar, indem er sich auf den Ball wirft. Dieser geht wieder ins Feld und wird, nachgeschossen, von Chaboud wiederum gewehrt. Die weiteren Bemühungen Hanaus, den Ball in unser Tor zu befördern, enden mit einem Strafstoss für uns, der das Tor befreit und uns wieder in Angriff bringt. Es gelingt hier Pickel, der nahe an der Torlinie noch einen Gegner umspielt, gut zum Schuss zu kommen; der Torwächter fängt den Ball hinter der Torlinie und wir führen 1:0. Bald darauf ist Halbzeit. Die zweite Hälfte wird von uns vielversprechend begonnen und wir hoffen auf weitere Tore unsererseits. Es wird aber damit vorläufig nichts, vielmehr vermag Leising einen vom Tor zurückgehenden Ball zum Ausgleich einzuschiessen. Wir spielen unentmutigt weiter, Jockel giebt zum Linksaussen, dieser flankt schön und durch Becker, der geschickt eindreht, gehen wir wieder in Führung. Gleich darauf erzwingen wir eine Ecke, nachdem eine solche für Hanau erfolglos verlauten war. Schulze gibt den Ball gut vors Tor und Reich verwandelt durch schönen Kopfstoss. Man denkt, wir haben den Sieg sicher, aber plötzlich geht Hanau unwiderstehlich vor und hält uns eine Viertelstunde vor unserem Tore fest. Das waren bange Minuten für uns, als Hanau ungestüm drängte und nach gutem Zusammenspiel, das Claus durch schwachen Stoss nicht genügend zerstörte, das zweite Tor erzielte. Chabout konnte diesen Erfolg nicht verhindern, da er den Ball zu spät zu Gesicht bekam. Als dann gar noch Claus unsicher zu werden begann, sank der Mut auf den Gefrierpunkt und man glaubte, der Ausgleich, wenn nicht sogar mehr müsse kommen. Aber alles hat ein Ende, wir machen uns mit Anstrengung frei, kommen vor und Dornbusch bringt einen guten Schuss an. Der Hanauer Torwächter hätte den Ball unbedingt halten müssen; aber der Ball sprang ihm über die Hände ins Tor. Die Schlussminuten brachten offenes Spiel und beiderseits noch schöne Leistungen, die aber durch Erfolge nicht mehr belohnt wurden. Unsere Stürmer hätten vor Halbzeit etwas mehr erreichen sollen; sie spielten vor dem Tore zuviel hin und her und schossen zu wenig, wie überhaupt bei weitem nicht die Schussfreudigkeit gezeigt wurde wie gegen Vereinigung. Die beiden Verbindungsstürmer waren die besten im Angriff. Caesar muss rascher im Abgeben werden, er passt durch langes Warten zu scharf am Gegner vorbei. Becker war schlechter als im Spiel gegen Vereinigung. Er versuchte zur Abwechslung kick and rush-Spiel anzuwenden, fand aber damit wenig Gegenliebe bei dem Läufer, der ihn deckte. Auch Lampe hat nach Halbzeit etwas von dieser Spielart gezeigt, die aber für uns unfruchtbar ist, da wir im Sturm mit unseren kleinen Leuten nur durch Zusammenarbeit etwas erreichen können. Auch wird Lampe gut tun, nicht gar zu blindlings auf den Ball zu stürzen; er reisst wohl manchmal durch, muss aber dann den Ball erst suchen, da er die Richtung verloren hat. Reich als Mittelläufer arbeitete viel und gut. Sein Zuspiel war genau, Abnehmen, Täuschen und Kopfspiel gut. Jockel stand etwas nach, hatte auch gegen Schluss unter einem kleinen Krampf zu leiden. Gut gefiel mir: sein Flügelwechsel, weniger das wiederholte Stellungnehmen nach der Mitte zu, was bei Gilly noch deutlicher zu Tage trat. Es rührte dies bei Letzterem daher, dass er den gefährlichen gegnerischen Halblinken deckte, wodurch aber der Linksaussen Hanaus fast immer frei war. Zum Glück zählt dieser Spieler nicht mehr zu den Ausreissern, konnte auch die oft viel zu scharf gegebenen Bälle nicht erreichen, sonst hätte uns von da mehr Gefahr gedroht. Klebe, der für Seibel spielte, war ein vollgültiger Ersatz. Er war in der vorerwähnten kritischen Viertelstunde sogar verlässlicher als Claus und rettete verschiedene Male sehr schön. Das war allerdings ein anderer Klebe als der, der Sonntag mit der zweiten Mannschaft gegen Wiesbaden spielte. Claus war vor Halbzeit der alte, wurde aber als wir sehr bedrängt waren, unruhig, machte Fehler und brachte den freien Ball nicht weg. Chaboud spielte wieder glänzend und war von einer erstaunlichen Gewandheit und Schnelligkeit. Hanaus Mannschaft spielte viel besser wie ich nach den letzten Ergebnissen erwartet hatte. Der verschiedentlich als zweitklassig bezeichnete rechte Stürmerflügel konnte soviel zeigen wie der linke. Leising und Haseneier verstehen sich am besten, ersterer unterstützte manchmal unsere Verteidigung durch Stehenbleiben in angenehmer Weise. Die Läufer bildeten eine gute Stütze, Biba dürfte wohl der beste gewesen sein. Die Verteidiger waren wohl auf dem Posten, besonders Henning erwies sich als sehr ballsicher. Der Torwächter hielt gut, was zu ihm kam, bis auf das letzte Tor. Wenn er herauszulaufen verstanden hätte, wäre vielleicht manches anders geworden. Der Besuch des Hanauer Sportplatzes war gut.
Menningen. (aus der Vereinszeitung des Frankfurter Fußball-Vereins
vom 01.11.1911) |