Bayer 04 Leverkusen - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 2010/2011 - 5. Spieltag

2:1 (1:1)

Termin: Mi 22.09.2010, 20:00 Uhr
Zuschauer: 23.000
Schiedsrichter: Peter Sippel (München)
Tore: 1:0 Lars Bender (9.), 1:1 Theofanis Gekas (18.), 2:1 Arturo Vidal (90., Elfmeter)

 

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Bayer 04 Leverkusen Eintracht Frankfurt

  • René Adler
  • Daniel Schwaab
  • Manuel Friedrich
  • Stefan Reinartz
  • Michal Kadlec
  • Lars Bender
  • Hanno Balitsch
  • Arturo Vidal
  • Tranquillo Barnetta
  • Nicolai Jörgensen
  • Eren Derdiyok

 


 

Wechsel
  • Simon Rolfes für Lars Bender (46.)
  • Renato Augusto für Nicolai Jörgensen (70.)
  • Sami Hyypiä für Tranquillo Barnetta (90.)
Wechsel
Trainer Trainer

 

In letzter Sekunde alles versaut

"Dass einige Spieler öffentlich Kritik am Team äußern, sind wir nicht gewohnt. Eine Abstrahierung, auf der einen Seite ich und auf der anderen die Mannschaft, wünscht sich kein Trainer und kein Manager", grummelt Heribert Bruchhagen, der noch immer angefressen ob der vielen Interviews seiner Spieler ist. Dies sieht auch Michael Skibbe so, der ebenso weder die von Altintop und Schwegler angedeuteten internen Probleme noch mangelndes Engagement erkennen kann: "Ich habe mit der Mannschaft darüber gesprochen, dass solch nebulöse Aussagen, die viel Raum für Spekulationen lassen, wenig hilfreich sind."

Viel Zeit für weitere Spekulationen gibt es jedenfalls nicht, denn bereits fünf Tage nach der 0:1-Heimniederlage gegen Freiburg steht das Auswärtsspiel beim Tabellenachten aus Leverkusen an. "Ich hoffe, dass wir die richtige Reaktion zeigen und vertraue darauf, dass wir ähnlich stark agieren wie in Mönchengladbach. Wenn wir an unser Optimum kommen, haben wir auch eine Siegchance", meint der Trainer mit einer nur auf einer Position veränderten Mannschaft. Zwar fällt Meier mit einem Muskelfaserriss im Leistenbereich aus, dafür aber ist Jung nach seiner im Training erlittenen Knöchelverletzung soweit belastbar, um in der Abwehr neben Franz, Russ und Tzavellas zu spielen. Vor der Abwehr startet nach seiner langen Verletzungspause erstmals seit dem 1. Mai wieder Kapitän Chris neben Schwegler. Ochs, Altintop und Köhler komplettieren das Mittelfeld hinter Gekas im Sturm.

"Wenn es mal holprig wird, macht es noch viel mehr Spaß", meint Leverkusens Trainer Heynckes nur lapidar zu den bisherigen Auftritten seiner Truppe, die von der blamablen 3:6-Heimniederlage gegen Mönchengladbach und dem mageren 0:0 zuletzt gegen Nürnberg gekrönt wurden. Nur ein Sieg am ersten Spieltag ist zu wenig für die hochtrabenden Ziele der Werksmannschaft, doch es bleibt ruhig in Leverkusen, zumal einige Verletzte zu beklagen sind. Neben Ballack und Castro fällt heute mit Kießling und Helmes der komplette Sturm aus, so dass "Osram" seine Mannschaft auf ein Ein-Stürmer-System mit Derdiyok sowie Barnetta und Jörgensen auf den Außenbahnen umstellt. Zudem spielen Balitsch und Vidal anstelle von Hyypiä und Sam im Mittelfeld.

Lediglich 24.000 Zuschauer wollen an diesem Mittwochabend das Spiel sehen bzw. versuchen, es zu sehen. Denn vor dem Gang ins Stadion erwartet die Gäste aus Frankfurt zunächst ein Polizeiaufgebot, welches Frauen und Kinder zu einem roten Zelt geleitet, in dem diese sich intensiv abtasten lassen sollen. "Bitte die Hose runter bis zu den Kniekehlen", ist die Anweisung, die Leverkusens Pressesprecher Sprink nur arrogant verharmlost: "Wenn Sie in ein Flugzeug steigen, müssen Sie sich auch kontrollieren lassen", rechtfertigt er die Aktion, die aufgrund des Anrufs eines "besorgten Vaters aus Frankfurt", dass Feuerwerkskörper eingeschmuggelt werden könnten, stattfindet. Aus Protest gegen diese unwürdige Behandlung weigern sich viele Fans, ins Stadion zu gehen. Erst als die Polizei nach Intervention der Fanbetreuer auf normale Durchsuchungen einlenkt, füllt sich die Gästekurve nach knapp 30 Minuten Spielzeit.

In der Zwischenzeit präsentieren sich die Frankfurter Spieler mit viel Selbstbewusstsein. Während die Werkself einige Abstimmungsprobleme zu haben scheint, läuft die Kugel schnell und direkt durch die Reihen der Adler. Vor allem über die linke Seite geht es zu Beginn schnell nach vorne. So in der 5. Spielminute, als sich Tzavellas durchsetzt, um scharf in den Strafraum zu flanken. Genau zu Köhler, der präzise köpft, aber Torhüter Adler kann die Kugel mit einer tollen Parade um den Pfosten lenken. Leverkusen hingegen tut sich schwer, in die Hälfte der Eintracht zu kommen, denn sie werden früh und engagiert attackiert. Dann aber die 9. Spielminute, nach einem langen Pass von Barnetta bekommt Jörgensen das Leder auf der linken Außenbahn und kann viel zu leicht an Jung vorbei ziehen, um quer in den Strafraum zu flanken. Franz steht zu weit weg und Russ bricht den Versuch, Bender zu folgen, frühzeitig ab, so dass der 21-Jährige das Leder an Nikolov vorbei ins Netz schießen kann. Zur 1:0-Führung für Leverkusen.

Erinnerungen an das letzte Jahr werden wach, denn die Werkself scheint nun Oberwasser zu bekommen. So muss Russ nach einer knappen Viertelstunde nach einer Flanke von Jörgensen mit vollem Einsatz vor Derdiyok retten, doch nach dieser Aktion finden die Frankfurter zurück ins Spiel, so dass die Partie nun an Fahrt gewinnt. Vor allem über Köhler, Altintop und Ochs kombiniert die Eintracht schnell nach vorne, auch Tzavellas schaltet sich immer wieder in die Angriffe ein. So in der 18. Spielminute, als der 22-jährige Grieche einen tollen Diagonalpass zu Ochs spielt, der nach Doppelpass mit Gekas in den Strafraum flankt. Punktgenau für Gekas, der das Leder aus 8 Metern zum verdienten 1:1 ins rechte Toreck köpft. "Ein schöner Spielzug, der zum Markenzeichen werden könnte. Man konnte sehen, dass im Training solche Spielzüge - wie gerade das Ablegen von Gekas auf Ochs und das erneute Freilaufen von Gekas - eingeübt werden", erzählt Christoph Preuß.

Mit neuem Elan übernimmt nun wieder die Eintracht das Geschehen auf dem Platz. Wie an der Schnur gezogen läuft der Ball bis kurz vor den Strafraum, doch genau da endet meist die Herrlichkeit. Dann die 24. Spielminute, Ochs verlängert einen Steilpass von Schwegler mit der Hacke auf Altintop, der bis zur Torlinie sprintet, um mit dem Außenrist einen Kunstschuss zu wagen. In scharfen Bogen fliegt der Ball auf den Kasten, aber Adler bekommt gerade so die Fäuste hoch und verhindert das Tor des Jahres. Vier Minuten später zieht Tzavellas nach Pass von Köhler vor der Strafraumgrenze ab, doch diesmal rettet Reinartz und blockt den Schuss ab. Von der Werkself hingegen ist nun wenig zu sehen, die Angriffe versanden meist schon im Halbfeld, so dass Derdiyok kaum einmal einen Ball bekommt.

Auch den Rest der ersten Halbzeit führen die Frankfurter die verunsicherten Leverkusener im eigenen Stadion vor. Sicher wird der Ball hin- und hergepasst, aber es fehlt die Entschlossenheit, doch noch mal einen schnellen Angriff zu starten. Schwegler beschränkt sich auf Sicherheitspässe und Chris ist die lange Pause anzumerken, auch wenn er mit zunehmender Spieldauer immer besser wird. So geht es mit dem 1:1 in die Pause, was auch Christoph Preuß zufrieden stellt: "Heute ist durchaus mehr drin. Man muss die richtige Dosis Risiko finden, ohne hinten in die Bredouille zu geraten." Der zweite Abschnitt beginnt mit großem Jubel bei den Leverkusenern, denn nach fast sieben Monaten Pause aufgrund eines Knorpelschadens läuft Kapitän Rolfes wieder für Bender auf. Und die Werkself kommt sogleich zu einer ersten Möglichkeit durch Balitsch, der sich gegen Franz durchsetzt, das Leder aber knapp am kurzen Toreck vorbei schießt (47.). Fast im Gegenzug wird Gekas mit einem weiten Pass von Schwegler geschickt, Reinartz kommt ihm entgegen, während ihm der Ball an den ausgestreckten Arm prallt. Doch Schiedsrichter Sippel entscheidet auf Weiterspielen (48.).

Danach plätschert das Spiel wieder vor sich hin, die Eintracht kontrolliert den Ball, vergisst dabei jedoch, sich Chancen zu erspielen. Es läuft die 60. Spielminute, als es plötzlich schnell wird, Vidal sieht am Mittelkreis Balitsch sich auf Halbrechts freilaufen und spielt ihm genau in den Lauf. Weder Russ noch Tzavellas können dem 29-Jährigen folgen, der sich jedoch, statt auf die mitlaufenden Rolfes und Derdiyok zu passen, für einen Flachschuss entscheidet, den Nikolov aber parieren kann. Drei Minuten später gibt es Ecke von der rechten Seite, die Tzavellas flach in den Strafraum schlägt, so dass er geklärt werden kann. Aber Franz liegt vor dem Fünfmeterraum am Boden, ohne das Schiedsrichter Sippel oder seine Assistenten etwas gesehen haben. "Barnetta tritt mir mit voller Wucht in den Oberschenkel. Das war eine ganz klare Tätlichkeit und ein klarer Elfmeter. Es reicht, diese krassen Fehlentscheidungen müssen aufhören. Wenn ich so was mache, dann ist das Geschrei groß. Dann heißt es wieder: 'der Franz, der Rüpel, der Bad Boy'", beschwert sich Franz zu Recht. Aber auch das DFB-Sportgericht erhebt nach Durchsicht der Fernsehbilder keine Anklage, da diese nach Ansicht von Chefankläger Nachreiner für eine Beweisführung nicht ausreichend seien.

Die nächsten Minuten verrinnen ziemlich ereignislos, die Eintracht scheint sich mit dem Unentschieden zufrieden zu geben, aber auch der stärker werdenden Werkself fehlen die Mittel, Torhüter Nikolov in Bedrängnis zu bringen. Dann aber die 79. Spielminute, Schwaab schlägt einen Freistoß von der rechten Seite vor das linke Torraumeck, Franz und Jung schlafen, nicht aber Rolfes, der den Ball jedoch nicht richtig trifft, so dass er am rechten Toreck vorbei fliegt. Vier Minuten vor dem Ende raffen sich die Adler noch einmal zu einem Konter auf, Ochs sprintet Richtung Strafraum, wird jedoch von Kadlec umgerissen, was Schiedsrichter Sippel erneut übersieht. Dafür kassiert Paddy die Gelbe Karte, als er sich direkt im Anschluss mit einem Foul revanchiert.

Es läuft die 89. Spielminute, Clark und Franz fangen einen Angriff der Leverkusener ab, so dass Tzavellas und Altintop im Zusammenspiel kontern können. Halil passt das Leder zu Caio, doch Barnetta kann in letzter Sekunde zur Ecke klären. Tzavellas führt aus, ein Werkselfer klärt mit dem Kopf und Ochs will den Ball stoppen. Doch er kann das Leder nicht sauber annehmen, verzichtet aber auf den klärenden Schlag und verliert die Kugel an Vidal, der zu Augusto passt. Barnetta kommt am linken Strafraumrand an den Ball, umkurvt Köhler und legt begleitet von Jung das Leder quer zu Vidal, der in den Strafraum will. Ochs streckt das Bein und bringt den Chilenen zu Fall. Klare Sache, es gibt Elfmeter für Leverkusen, den Vidal unhaltbar für Torhüter Nikolov im linken Toreck versenkt. Zum 2:1 für Leverkusen (90.). Zudem kassiert Ochs die Gelb-Rote Karte.

"Das soll jetzt keine Ausrede sein, aber der Ball kam nach der Ecke ziemlich angeflattert. Ich bekam ihn nicht unter Kontrolle, er ist mir dann unter der Sohle durchgerutscht. Ich hätte ihn einfach auf die Tribüne donnern sollen. Dann habe ich versucht, meinen Patzer wieder wett zu machen und mache den zweiten Fehler. Ich muss mich bei allen entschuldigen, bei der Mannschaft, aber auch bei den Fans, die den weiten Weg nach Leverkusen gemacht haben, die uns toll unterstützt haben und die ich enttäuscht habe. Es war allein meine Schuld, dass wir verloren haben", sagt der frustrierte Patrick Ochs. Erneut verliert die Eintracht ihr Spiel in der Schlussminute und rutscht nach der vierten Niederlage im fünften Spiel auf Rang 17 in der Tabelle. (tr)


Stimmen zum Spiel

Michael Skibbe: "Wir sind total enttäuscht. Wie in der Vorwoche haben wir in der 90. Minute das Spiel verloren. Trotzdem haben wir sehr gut Fußball gespielt und gut kombiniert. Erst in den letzten 20 Minuten haben wir Druck von Leverkusen verspürt. Wir sind bedient, werden aber wieder aufstehen."

Heribert Bruchhagen: "Wir haben weitaus mehr als drei Punkte erwartet. Es ist sehr deprimierend, dass Spielabläufe und Ergebnisse nicht übereinstimmen."

Maik Franz: "Das Ergebnis ist beschissen. Ich denke aber, die Mannschaft hat die erwartete Reaktion gezeigt. Wir waren einen Tick besser und hätten zumindest ein Unentschieden verdient gehabt. Aber insgesamt drei Punkte nach fünf Spielen – das ist halt zu wenig. Die Lage wäre jedoch nur dann dramatisch, wenn wir keine Chance gehabt hätten."

Omid Nouripour, MdB der Grünen zur Durchsuchungsaktion vor dem Spiel: "Nach Augenzeugenberichten haben die Polizeieinheiten in Leverkusen gestern jedes Augenmaß verloren. Den Schaden hatten die Fans der Eintracht zu tragen. Selbst Frauen und Kinder mussten sich menschenunwürdigen körperlichen Durchsuchungen unterziehen, sich bis auf die Unterwäsche ausziehen, bevor sie die Arena in Leverkusen betreten durften. Ich fordere von der Einsatzleitung eine Entschuldigung bei unseren Fans. Da es zu keinen Verhaftungen gekommen ist, waren die Fans der Eintracht offensichtlich faire Gäste."

 

 

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