Rot-Weiß Essen - Eintracht Frankfurt

2. Bundesliga 2004/2005 - 7. Spieltag

4:4 (2:2)

Termin: Fr 01.10.2004, 19:00 Uhr
Zuschauer: 17.000
Schiedsrichter: Günter Perl (München)
Tore: 0:1 Stefan Lexa (5.), 1:1 Ali Bilgin (7.), 1:2 Benjamin Köhler (26.), 2:2 Ali Bilgin (35.), 3:2 Peter Foldgast (58.), 3:3 Alexander Meier (71.), 4:3 Marcus Wedau (74.), 4:4 Christian Lenze (90.)

 

 

>> Spielbericht <<

Rot-Weiß Essen
Eintracht Frankfurt

  • René Renno
  • Ronny Ernst
  • Vivaldo Nascimento
  • Marko Kück
  • Sidney
  • Bjarne Goldbaek
  • Ali Bilgin
  • Sven Lintjens
  • Ramazan Yildirim
  • Peter Foldgast
  • Francis Kioyo

 


 

Wechsel
  • Marcus Wedau für Bjarne Goldbaek (46.)
  • Sandro Schwarz für Ali Bilgin (68.)
  • Philipp Haastrup für Vivaldo Nascimento (78.)
Wechsel
Trainer
  • Jürgen Gelsdorf
Trainer

 

 

Offensiv hui, defensiv pfui

Berlin im Februar 2004. So lange ist es her, dass die Eintracht zuletzt in der Ferne einen Sieg einfahren konnte. Seitdem wurden von zehn Auswärtsspielen neun verloren und zudem in der bisherigen Zweitliga-Saison nur beim 1:1 in Aachen ein mageres Auswärtstor geschossen. So setzt Friedhelm Funkel vor dem Spiel an der Essener Hafenstraße seine Spieler nicht zusätzlich unter Druck: "Auch ein Punkt ist okay, wir wollen nur nicht mit leeren Händen heimkommen. Wir müssen uns auf einen aggressiven Gegner einstellen und eine gute Leistung bringen, um bestehen zu können." Für dieses Ziel nimmt er im Vergleich zum 6:2-Heimsieg gegen Oberhausen, bei dem der “Arie“sche Knoten endlich geplatzt ist, drei Änderungen vor: Anstelle von Ochs spielt Wiedener auf der rechten Abwehrseite neben Keller, Hoffmann und Reinhard, Lexa ersetzt Cha auf der rechten Außenbahn und Weissenberger agiert statt Dragusha auf links. Trotz seiner zwei Joker-Tore gegen Oberhausen bleibt Beierle auf der Bank, denn Köhler, der mit seinen 13 Treffern viel zum Aufstieg der Essener beigetragen hat, und van Lent bilden das Sturmpaar.

Erst einen Sieg und fünf Punkte hat der Aufsteiger bislang auf seinem Konto, doch so langsam scheinen sich die Essener spielerisch und kämpferisch an die Zweite Liga gewöhnt zu haben, meint jedenfalls Trainer Gelsdorf: “Gegen Cottbus haben wir gezeigt, dass wir auch spielerisch etwas zu bieten haben. Wir werden versuchen, ein richtig gutes Spiel zu machen und einen großen Kampf zu liefern.“ Auch RWE beginnt mit zwei Stürmern, nämlich Kioyo, der einst bei der SG Hoechst kickte und Foldgast, hinter denen Lintjens auf der linken Außenbahn für Schwarz beginnt. In der Viererabwehrreihe spielen Ernst, Kück, Sidney sowie der Brasilianer Nascimento, der in der Winterpause 2003/04 zur Eintracht kam, sich jedoch nicht durchsetzen konnte und es nur auf zwei Kurzeinsätze brachte.

17.000 Zuschauer, darunter knapp 3.000 aus Frankfurt, bereiten den Mannschaften an diesem Freitagabend einen lautstarken Empfang. Pfiffe und böse Rufe erhält hingegen Köhler, dem die Essener Fans den Weggang nach Frankfurt offenkundig nicht verziehen haben. So ist der Beginn wie der Empfang, mit offenem Visier spielen beide Teams schnell und aggressiv nach vorne. Es läuft die 5. Spielminute, Reinhard hat auf halblinks viel Platz und sprintet freundlich begleitet von Ernst fast bis zum Fünfmeterraum, um das Leder scharf quer zu legen. Van Lent verpasst, aber Lexa am langen Pfosten schafft es, die Kugel auf das Tor zu lenken, wo Torhüter Renno sie nur noch ins eigene Netz abfälschen kann.

Es bleibt kaum Zeit zu jubeln, denn bereits vom Anstoß weg drückt Essen und bekommt sogleich einen Freistoß zugesprochen. Kapitän Goldbaek zirkelt den Ball in den Strafraum, Pröll zögert auf der Linie, während Bilgin sich im Kopfballduell gegen van Lent durchsetzt und das Leder aus kurzer Distanz ins Netz köpft. Zum 1:1-Ausgleich (7.). Beide Teams behalten das hohe Tempo bei und versuchen mit schnellen Angriffen, das Mittelfeld zu überbrücken. So hat Meier nur zwei Minuten später die Chance, die Eintracht wieder in Führung zu bringen, doch Torhüter Renno wirft sich dem 21-Jährigen beherzt entgegen und kann klären (9.). Was für ein Spiel, das inzwischen noch schneller, dafür aber immer hektischer wird. Vor lauter Offensiveifer beider Mannschaften geht die spielerische Linie flöten, harte Zweikämpfe und Fehlpässe prägen das Geschehen.

In der 26. Spielminute gibt es Freistoß für die Eintracht, den Weissenberger aus fast vierzig Metern in den Strafraum zirkelt. Hoffmann kann köpfen, doch die Kugel wird abgeblockt und landet bei van Lent, dessen Schuss ebenfalls von einem Abwehrbein abprallt. Kein Essener schafft es, den Ball aus der Gefahrenzone zu bolzen, so dass Köhler sich drehen kann und ihn aus sechs Metern an Renno vorbei ins linke Toreck schlenzt. Zur 2:1-Führung, die ihm nur noch mehr Pfiffe und Schmährufe von den Essener Zuschauern einbringt, was Köhler sichtlich ärgert: “Nein, mit diesem Verhalten hatte ich nicht gerechnet, ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu den Essener Fans. Den Wechsel nach Frankfurt habe ich nicht bereut, hier sehe ich einfach die sportlich besseren Perspektiven.“

Angetrieben von den Fans verstärkt Essen jetzt wieder den Druck und erhält in der 35. Spielminute einen Freistoß zugesprochen. Erneut ist es Goldbaek, der das Leder in den Strafraum zirkelt, während die Abwehr der Adler auf Abseits spielt. Bis auf Weissenberger jedenfalls, der stehen bleibt, so dass Bilgin den Ball in Ruhe annehmen und an Pröll vorbei zum 2:2 ins Netz schießen kann. “Das war klar meine Schuld, ich hatte das Kommando nicht gehört“, meint der 29-jährige Österreicher zerknirscht. Die Eintracht antwortet sofort mit wütenden Angriffen. Zunächst scheitert der durchgebrochene Meier alleine vor Torhüter Renno (36.) und drei Minuten später geht sein Schuss aus 15 Metern nur knapp am Kasten vorbei.

Dann die 42. Spielminute, wieder ist es Meier, der einen gefühlvollen Pass in den Strafraum genau zu van Lent spielt. Doch der bringt es tatsächlich fertig, den Ball aus zwei Metern nicht richtig zu treffen, so dass er vom Pfosten in den Armen von Torhüter Renno landet. "Ich hab den Ball total blöd an die Hacke bekommen. Ich weiß auch nicht, warum der nicht rein gegangen ist. Es ist zum Verrücktwerden, den muss ich einfach machen“, zetert van Lent, während Friedhelm Funkel ihn in Schutz nimmt: “Ich habe keine Sekunde daran gedacht, ihn deshalb auszuwechseln. Ich war selbst Profi und weiß, was man mit einer Auswechslung in diesem Moment anrichten kann.“ So geht es mit dem 2:2 in die Pause, dass er nur ungläubig kommentiert: "Als Trainer schüttelt man ab und an den Kopf über so viele unglaubliche Fehler."

Bei Essen kommt nun Wedau für Goldbaek ins Spiel, das nach wie vor keinerlei taktisches Geplänkel kennt. Es läuft die 59. Spielminute, Yildirim schlenzt das Leder mit viel Übersicht in den Rücken der Frankfurter Abwehr, wo Bilgin nach vorne stürmt und die Übersicht behält, während Keller stehen bleibt und so das Abseits aufhebt, als der 23-jährige Türke quer auf Foldgast passt. Wiedener träumt zudem, so dass Foldgast keine Probleme hat, die Kugel an Torhüter Pröll vorbei ins Netz zu hauen. Zum 3:2 für Essen, das nicht nur Hoffmann ärgert: “Wir müssen in der Defensive kompakter stehen“, während Kapitän Keller seine Mitspieler verteidigt: „Für das Abwehrverhalten sind alle Mannschaftsteile zuständig.“ Währenddessen reagiert Trainer Funkel auf den neuerlichen Rückstand und bringt mit Beierle für Weissenberger einen dritten Stürmer (64.).

Nachdem Köhler bei seinem Sprint noch an Torhüter Renno scheitert, der erst den Ball und dann den Frankfurter wegschlägt, setzt sich zwei Minuten später Lexa auf der rechten Außenbahn durch und flankt in den Strafraum. Die Hintermannschaft der Essener zögert ebenso wie Torhüter Renno und scheint mit einem Abseitspfiff zu rechnen, was Meier nicht weiter stört. Im Fünfmeterraum steigt er höher als seine Gegenspieler und versenkt die Kugel wuchtig zum 3:3 im Netz (71.). Erneut gibt es kein Verschnaufen, nur eine Minute später kann Keller einen Kopfball von Kioyo auf der Linie klären und kurz darauf setzt sich Lintjens auf der linken Seite durch, um scharf in die Mitte zu flanken. Yildirim verlängert den Ball zu Wedau, während Pröll ein wenig zögert. Zu lange, denn Wedau haut die Kugel ins kurze Eck zur 4:3-Führung für Essen (74.).

Kurz darauf muss Chris mit einer Innenbanddehnung im linken Knie ausgewechselt werden, so dass jetzt Lenze vor der Abwehr spielt, während die Eintracht den Essener Kasten in den Schlussminuten wie beim Feldhandball umkreist. Selbst Torhüter Pröll hält es kaum noch in der eigenen Hälfte und auch bei der nun folgenden Ecke läuft er in den Essener Strafraum. Lexa zirkelt das Leder von der rechten Seite scharf nach innen, Lenze steigt am Elfmeterpunkt hoch und köpft das Leder in der Nachspielzeit genau ins rechte Toreck. Zum 4:4-Endstand in einem mehr als bemerkenswerten Spiel.

Mit nunmehr 11 Punkten rutscht die Eintracht auf Rang 7 in der Tabelle. Der Rückstand auf den Tabellendritten Köln, der in Saarbrücken verloren hat, beträgt 2 Punkte.

Stimmen zum Spiel

Friedhelm Funkel: "Es war ein fantastisches Spiel, bei dem es keiner verdient gehabt hat, zu verlieren. Die Offensivleistung meiner Mannschaft war sensationell, aber im Defensivverhalten beider Teams gab es unglaublich viele Fehler. Wenn man vier Tore auswärts macht, muss man eigentlich gewinnen, aber wir haben bis zum 4:4 Moral gezeigt.“

Heribert Bruchhagen: “Wir wissen immer noch nicht genau, wo wir stehen.“

Präsident Peter Fischer: “Das war einfach geil für jeden neutralen Beobachter, aber tödlich für jeden Eintrachtler.“


Schlägereien in Essen

Unmittelbar nach dem Spiel geht es in der Gästekurve richtig zur Sache: Fäuste und Wurfgeschosse fliegen und einige Getränkestände gehen zu Bruch, als Frankfurter und Essener Fans aufeinander treffen. Nach Angaben des Roten Kreuzes werden hierbei 45 Personen verletzt. Eintracht-Fansprecher Andreas Hornung bedauert die Vorkommnisse, bringt aber sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass eine strikte Trennung der Fangruppen nicht erfolgt sei. Die Essener Fans, die offenbar Unterstützung einer Gruppe von Fußball-Schlägern aus Offenbach erhielten, kamen direkt am Eintracht-Block vorbei, wo die Gästefans von der Polizei festgehalten wurden. Nach gegenseitigen Provokationen eskalierte die Situation. Frankfurts Polizeichef Moog, der seit 1995 die Einsätze im Waldstadion leitet, kündigt unterdessen an, die Videoaufzeichnungen der Kollegen aus Nordrhein-Westfalen sichten und gegen Frankfurter Fans Strafanzeigen und Stadionverbote aussprechen zu wollen, so sie an den Schlägereien und Sachbeschädigungen beteiligt waren. (tr)

 


>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg