Hansa Rostock - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1999/2000 - 8. Spieltag

3:1 (1:0)

Termin: Sa 16.10.1999 15:30
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Wolfgang Stark (Ergolding)
Tore: 1:0 Christian Brand (35.), 2:0 Olaf Holetschek (66.), 2:1 Jan-Aage Fjörtoft (77.), 3:1 Timo Lange (86., Foulelfmeter)

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Hansa Rostock Eintracht Frankfurt

     

  • Perry Bräutigam
  • Mohamed Emara
  • Sven Benken
  • Uwe Ehlers
  • Timo Lange
  • Olaf Holetschek
  • Peter Wibran
  • Hilmar Weilandt
  • Magnus Arvidsson
  • Christian Brand
  • Steffen Baumgart

     

 

Wechsel

  • Radwan Yasser für Hilmar Weilandt (69.)
  • Abdelaziz Ahanfouf für Magnus Arvidsson (75.)
  • Kreso Kovacec für Steffen Baumgart (84.)

Wechsel

Trainer

  • Andreas Zachhuber

Trainer

Absturz auf dem Rasen und Tiefflug im Hintergrund

Als “Kurs-Korrektur“ wird das nächste Heimspiel gegen Schalke 04 auf den Spielplakaten angekündigt und spätestens nach der Niederlage in Köln gilt dies auch für Jörg Berger: "Vielleicht haben wir uns zu lange blenden lassen, dass wir ganz gut gespielt haben. Eins, zwei, auch dreimal, habe ich mir Niederlagen gefallen lassen, das kann passieren, aber nun müssen wir umdenken." Mit Einzelgesprächen hat der Trainer eindringlich versucht, die Mannschaft "zu provozieren und aggressiver zu machen, denn so jedenfalls kann es nicht mehr weitergehen. Man muss sich auch mal vor die Fresse hauen, um das Letzte aus sich raus zu kitzeln. Jeder muss sich um Gottes Willen klar darüber sein, wo wir stehen."

Das wissen die Rostocker auch, deren Ziel ebenfalls die 40-Punkte-Marke ist. Immerhin konnte vor der Saison nach den Abgängen von Rehmer zu Hertha, Neuville zu Leverkusen und Dowe zu Rapid Wien für über 16 Millionen Mark einkauft werden, investiert wurden zunächst jedoch nur 3,5 Millionen DM in Arvidsson, Kovacec, Ahanfouf, Thielemann, Schneider und Oswald. Doch, "ich sage es mal so, wir können froh sein, dass wir nach diesen schlechten Spielen nicht noch schlechter dastehen“, meint Pressesprecher Schulz. Insbesondere das knappe 2:1 gegen die nach vier Platzverweisen arg dezimierten Ulmer hat für Verdruss bei den Fans gesorgt, zudem wurde Torhüter Pieckenhagen aufgrund einiger Fehlgriffe von Vorgänger Bräutigam abgelöst. Zudem hat René Schneider noch drei Spiele Sperre und Stürmer Agali nach seinem Kung-Fu-Tritt gegen den Münchener Löwen Hoffmann sogar acht Wochen Pause.

Also wurde erst vor einer Woche noch einmal nachgelegt: Brand und Baumgart wurden von Wolfsburg verpflichtet, zudem Benken aus Bremen. Und der Einstand ist gelungen - mit 3:1 gewann Hansa im DFB-Pokal in Fürth, Torschützen waren unter anderem Brand und Baumgart. Nun gilt es noch gegen die punktgleichen Gäste vom Main, die Fans im eigenen Stadion zu versöhnen, auch wenn Trainer Zachhuber warnt: "Über die Frankfurter zu sagen, sie sind nach vier aufeinanderfolgenden Niederlagen in den Punktspielen verunsichert, ist sehr gefährlich. Wenn sie in ihren Spielen nur die eine oder andere Chance genutzt hätten, dann stünden sie nicht mit sieben Punkten unten, sondern wären mit zehn oder elf Punkten eine Spitzenmannschaft.“ Gegenüber dem Pokalsieg nimmt er nur eine Änderung vor, für den gesperrten Oswald kommt Ehlers als Linksverteidiger in die Mannschaft, Arvidsson und Baumgart bilden auch weiterhin den Sturm vor Brand und Wibran im zentralen Mittelfeld.

Jörg Berger hingegen hat den Worten Taten folgen lassen und bringt für den zuletzt so schwachen Heldt überraschend Bulut, bei dem gegen Köln zumindest der kämpferische Einsatz gestimmt hat. Zudem spielt Salou wieder für Westerthaler im Sturm. Keine Änderung gibt es hingegen in der Abwehr, Kutschera, Janßen und Kracht sollen das von Nikolov gehütete Tor sauber halten, Bindewald spielt erneut auf der rechten Außenbahn.

Es ist ein nervöser Beginn der Eintracht im Ostseestadion, die sich bereits im Mittelfeld schnell den Schneid abkaufen lässt. Wibran und Brand wirbeln mit präzisen Pässen, während Weber, Guié-Mien und Bulut dem Treiben zunächst fast hilflos zuschauen müssen. Aber auch in der Abwehr herrscht große Verunsicherung, im Zusammenspiel zwischen Janßen und Kracht gelingt es nicht, einen eher harmlosen Ball aus der Gefahrenzone zu befördern. Gut nur, dass der sichtlich überraschte Baumgart, dem das Leder vor die Füße trudelt, den Ball am Tor vorbei stolpert (6.). Und es wird nicht besser, bereits im Spielaufbau gibt es verheerende Fehler, die die kompakt stehenden Hanseaten für schnelle Angriffe nutzen. So in der 9. Minute, als Lange im rechten Halbfeld an den Ball kommt und unbedrängt, aber zum Glück auch überhastet abzieht.

Was ist nur los auf dem Platz? Kutschera und Kracht kommen kaum hinter Arvidsson und Baumgart hinterher, Janßen rennt vogelwild im eigenen Strafraum umher und bekommt eher selten einen Ball zum eigenen Mitspieler. Dies ist jedoch auch schwer, denn im Mittelfeld versucht sich Guié-Mien so gut wie möglich bei Weilandt zu verstecken, um ja nicht in die Verlegenheit zu kommen, einen Ball annehmen und weiterleiten zu müssen. So macht Rostock das Spiel, immer wieder angetrieben von Wibran und Brand, die geschickt die Positionen tauschen und das Mittelfeld der Adler immer wieder vor - so scheint’s - neue Rätsel zu stellen.

Dann die 26. Spielminute, Yang hat das Leder im Mittelfeld, doch er findet keine Anspielstation, so dass er sich zu einem weiten Rückpass in Richtung Torhüter Nikolov entscheidet. Doch was für ein Anspiel! Baumgart ist zum Glück viel zu überrascht, als das er den Ball annehmen und ins Tor schießen könnte …

Grausam, was die Eintracht den ca. 300 mitgereisten Fans anbietet. Gut nur, dass Rostock aus den zahlreichen Fehlern der Adler kein Kapital schlagen kann. Dann aber verdaddelt Kutschera in der 35. Spielminute erneut das Leder in der eigenen Hälfte, Arvidsson kommt an den Ball und spielt zu Brand, der freundlich beobachtet von Janßen die Kugel vorbei an Torhüter Nikolov einnetzt. Das 1:0 für Rostock.

Mit dem Anstoß kommt tatsächlich einmal Salou vor dem gegnerischen Strafraum an das Leder und schießt sofort, doch der Ball geht knapp am linken Pfosten vorbei. Das war es dann auch schon in der ersten Hälfte. Trainer Berger ist restlos bedient: “Zu weit weg vom Mann, zu weit auseinander als Mannschaft. Ich muss kämpfen, dann komme ich auch ins Spiel“, während Hansa-Trainer Zachhuber sich ärgert: "Eigentlich hätten wir zur Pause schon 3:0 führen müssen." Der erschreckend schwache Kutschera bleibt in der Kabine, für ihn kommt Dombi, der nun im rechten Mittelfeld spielt, während Bindewald nun als Innenverteidiger ran muss.

Aber es wird nicht viel besser, Rostock spielt nun aus einer verstärkten Defensive heraus und den Adlern fehlen nach wie vor die Ideen. Immer wieder wird das Leder quer gespielt, ein ums andere Mal rennen sich Dombi und Gebhardt auf den Außenpositionen fest und Yang baut seine Fehlpassquote beeindruckend aus.

Bezeichnend, dass nach einem Gewühl im Mittelfeld das Leder einfach einmal nach vorne geschlagen wird. Baumgart kommt dort irgendwie an den Ball und verlängert auf Holetschek vor den Fünfmeterraum, der das Leder völlig humorlos ins Netz zimmert. Das 2:0 für Rostock (66.). Fußball ist eben ein einfaches Spiel.

Trainer Berger reagiert sofort und bringt mit Fjørtoft für Gebhardt einen dritten Stürmer, Yang rückt dafür als hängende Spitze nach halblinks (67.). Und dies zahlt sich 10 Minuten später aus: Weber ist im Mittelfeld am Ball, er spielt einen schönen Pass zu Bulut, der auf den linken Flügel ausgewichen ist. Ein kurzer Haken und der 24jährige Türke flankt das Leder genau auf den Kopf von Fjørtoft, der das Leder zum 2:1 einnetzt (77.).

Aber dies ist nur ein kurzes Strohfeuer, erneut versucht es die Eintracht mit sinnlosen Einzelaktionen, kaum eine Kombination gelingt. Dann vertändelt auch noch Guié-Mien das Leder in der eigenen Hälfte, Kovacec schnappt sich den Ball und sprintet Richtung Strafraum, während der Kongolese ihm hinterher rennt. Guié-Mien bekommt Kovacec zu fassen und reißt ihn im Strafraum einfach um. Keine Frage, Schiedsrichter Stark zeigt sofort auf den Elfmeterpunkt. Lange läuft an und trifft zum 3:1 (86.). Und nicht nur Torschütze Fjørtoft, der mit dem Anschlusstreffer für einen Funken Hoffnung auf einen Punkt sorgte, ist verärgert: "Und dann passiert wieder so ein Schülerfehler, der in der Bundesliga nicht passieren darf. Dann kann man gleich zu Hause bleiben und die drei Punkte hergeben. Wir setzen einfach nicht um, was der Trainer sagt, machen taktische Fehler."

Kurz darauf ist Schluss, mit hängenden Schultern verlassen die gerupften Adler das Spielfeld. Lediglich Oka Nikolov hat den Mumm, sich von der Gästekurve zu verabschieden. Nach der fünften Niederlage in Folge rutscht die Eintracht mit noch immer 7 Punkten auf Platz 16, einen Punkt hinter der doch angeblich schlechtesten Mannschaft der Welt, Unterhaching.


Stimmen zum Spiel

Jörg Berger: "So kann man auswärts nicht auftreten. Die Zeit des Schönredens ist nun endgültig vorbei. Wir sind mitten im Abstiegskampf. Ich kann die schützende Hand nicht mehr über die Mannschaft halten und werde Konsequenzen ziehen. Es gibt Spieler, die die Situation noch nicht verstanden haben. Ab sofort wird eine Mannschaft spielen, die für den Abstiegskampf geeignet ist."

Uwe Bindewald: "Wer jetzt noch nicht wach ist, der hat was verpasst im Leben."

Jan-Aage Fjørtoft: "Wir stecken ganz tief drin in der Scheiße. Es ist zu viel Schönrednerei betrieben worden. Ich kann es nicht mehr hören, dass wir eigentlich viel zu gut sind für da unten. Wenn ich 50 Meter von einer Klippe springe, kann ich auch sagen, es sind nur 50 Meter. Tot bin ich trotzdem. Wir sind ganz, ganz tief im Keller. Langsam müssen wir wach werden, wir sind in der Krise mit großem K."


Neues aus dem Hintergrund – Die Spuckaffäre

Die Frankfurter Anzeigenzeitung “Sunday“ ist nun nicht gerade für kritischen Sportjournalismus bekannt, hat jedoch diesmal Zündstoff zu bieten, denn sie zitiert am Tag nach dem Spiel Gaetano Patella - der vom Verwaltungsrat aus dem Amt des Schatzmeisters enthoben und zum Vizepräsidenten hochgelobt wurde - in einem angeblichen Interview wie folgt: "Wenn mir Herr Ehinger das nächste Mal begegnet, hat er noch eine Wahl: Ob ich ihm zuerst ins rechte oder zuerst ins linke Auge spucke." Große Aufregung bei Patella, der dies heftig dementiert und klarstellt: "Ich habe solch ein Interview gar nicht gegeben." Zudem schaltet er einen Anwalt ein, die Gegendarstellung wird in der folgenden Sonntagsausgabe erscheinen.

Doch zu spät, Patella muss sich bei einer Präsidiumssitzung rechtfertigen, die Pfeilspitzen gegen ihn nehmen zu. Ehinger selbst meint öffentlich nur lapidar: "Eigentlich sollte man über solche Kindereien gar nicht erst debattieren“, doch auch Präsident Heller legt nach und sagt: "Aber diese Dinge müssen möglichst schnell aus der Welt geschafft werden, denn sie werfen ein schlechtes Licht auf die Eintracht. Herr Ehinger hat ein Recht, aufgeklärt zu werden.“

Wer diese Schlammschlacht letztendlich initiiert und gesteuert hat, wird nicht bekannt, doch in welchem Interesse sie ist, braucht keiner näheren Erläuterung. Drei Tage nach der Veröffentlichung des Artikels tritt Patella tief getroffen von all den Anfeindungen und Verleumdungen von seinem Amt zurück. Nicht besonders überrascht von diesem Rücktritt zeigt sich Verwaltungsratschef Ehinger: "Er hat sich selbst in diese Lage gebracht. Man muss Kritik vertragen können. Und er sollte sich gegenüber den Medien zurückhalten. Aber in den letzten zwei, drei Tagen hat sich die Sache zugespitzt." Und nun ist endlich der Weg frei für die Pläne, eine über einen Investor neu zu gründende Kapitalgesellschaft für die Profiabteilung zu realisieren.

Kein Zufall, am gleichen Tag wird der 43 Jahre alte Unternehmensberater Rainer Leben Mitglied bei der Eintracht und am Freitagabend im Rahmen einer Sitzung von Präsidium und Verwaltungsrat auf Vorschlag Hellers einstimmig zum neuen Schatzmeister gewählt. (tr)


Spieler zum Rücktritt von Patella

Jan-Aage Fjørtoft "Das ist ein weiteres trauriges Kapitel Eintracht-Geschichte. Patella steht für hundert Prozent Menschlichkeit, aber Menschen wie er sind anderen ein Dorn im Auge, die müssen ganz schnell weg - das passt ja zu unserer heutigen Gesellschaft."

Alexander Schur: "Die Leute, die das veranstaltet haben, werden es noch bereuen, man sieht sich immer zweimal im Leben".

 

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