VfB Stuttgart - Eintracht Frankfurt |
Bundesliga 1998/1999 - 21. Spieltag
2:0 (1:0)
Termin: Sa 06.03.1999 15:30
Zuschauer: 23.500
Schiedsrichter: Dr. Fleischer (Ulm)
Tore: 1:0 Krassimir Balakov (41.),k 2:0 Bradley Carnell (90.)
VfB Stuttgart | Eintracht Frankfurt |
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Ohne Chancen keine Tore
Er hätte so gerne Ruhe, der Frankfurter Manager, doch schon wieder ist die Eintracht ein Thema im kicker-Sportmagazin. Unter dem Titel “Neu und schon verbraucht?“ werden die bisherigen Wochen unter der Amtszeit von Gernot Rohr und Reinhold Fanz - der “nur wie der verlängerte Arm des Technischen Direktors“ wirkt - kritisch beleuchtet und auch der “Kleinkrieg mit den örtlichen Medien“ thematisiert. Zudem müsse die Mannschaft endlich eine klare Kontur und Hierarchie erkennen lassen und die Routiniers “retten, was noch zu retten ist“, resümieren die Fachauguren.
Doch ganz so einfach ist es für “Rohrs verlängerten Arm“ nicht, den Verletzungssorgen plagen. Denn neben Kapitän Weber, auf den Fanz wohl noch vier Wochen verzichten muss, kann Alexander Schur nach seinem Rippenbruch ebenso wenig spielen wie die angeschlagenen Gephardt, Epp, Uwe Schneider und Zampach, zudem ist Bernd Schneider nach seiner Grippe noch nicht richtig fit, so dass er zunächst auf die Bank muss. Dafür ist Chen Yang erstmals seit der Teilnahme an den Asienspielen und seiner Oberschenkelzerrung, die er sich in der Vorbereitung zuzog, wieder soweit, dass er von Beginn an auflaufen wird. Und zwar als einzige Spitze vor Sobotzik sowie Brinkmann, denn der Trainer plant, den “haushohen Favoriten“ mit Kontern zu überraschen: “Auswärts ist dies für uns einfacher, da müssen wir das Spiel nicht machen.“ Bounoua auf links sowie Amstätter auf der rechten Seite besetzen die Außenbahnen, während sich Kaymak vor der Abwehr um Stuttgarts Spielmacher Balakov zu kümmern hat.
Unterdessen sollte in Stuttgart endlich Ruhe einkehren, nachdem Rainer Adrion den Trainerstuhl in der Winterpause von Interimscoach Wolfgang Rolff, dem Co-Trainer des zuvor entlassenen Winfried Schäfer übernahm. Doch nach einem Heimsieg gegen Schalke und dem unglücklichen Unentschieden in Kaiserslautern überschlagen sich mal wieder die Nachrichten. Denn ausgerechnet die schwäbische Speerspitze Freddi Bobic kündigt nach fünf Jahren beim Tabellenzehnten an, in der neuen Spielzeit “für ein Schweinegeld“ (Präsident Mayer-Vorfelder) von 11,5 Millionen Mark nach Dortmund zu wechseln. “Wir dürfen bei dem ganzen Trubel unsere Konzentration nicht verlieren, denn wir haben noch überhaupt nichts erreicht“, warnt daher Kapitän Verlaat ganz im Sinne des allmächtigen Präsidenten. “Ich will den Verein nach wie vor in der europäischen Spitze etablieren“, verkündet dieser nämlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit und setzt damit den neuen Trainer mächtig unter Druck, der auch gegen die Eintracht auf sein 4-4-2-System mit Bobic und Akpoborie im Sturm sowie dem Ex-Frankfurter Thomas Bertold und dem künftigen Eintrachtler Jens Keller in der Vierer-Abwehr setzt.
Von Beginn an ist es die erwartet einseitige Partie, Stuttgart beginnt druckvoll und verlagert das Geschehen in die Hälfte der Eintracht, die sich sehr weit zurückzieht. So zelebrieren die Schwaben im Mittelfeld fast ungestört ihr Kurzpassspiel, vergessen allerdings vor lauter Verzückung über ihre Kombinationen, den entscheidenden Pass in die Spitze zu setzen, so dass die Gäste keine großen Probleme haben, den Kasten von Nikolov sauber zu halten. Und in der 23. Spielminute kommt sogar der erste der angekündigten Konter, als Brinkmann sich nach Zuspiel von Janßen prima auf der rechten Außenbahn gegen Keller durchsetzt und in den Strafraum flankt. Yang ist zur Stelle, doch Torhüter Wohlfahrt kann den Kopfball glänzend parieren. Traurig, aber wahr, die erste Torchance der Eintracht ist gleichzeitig ihre letzte…
Denn für Konter agieren sie in der Folgezeit viel zu fahrig auf dem holprigen Rasen. Zwar ackert und bemüht sich Janßen als erste Anspielstation im Mittelfeld, doch Unterstützung erhält er kaum. Weder Brinkmann noch Sobotzik setzen sich im Mittelfeld entscheidend durch, von den Außen kommt überhaupt keine Entlastung und der einsame Yang wirkt vorne wie ein Fremdkörper. Also kombiniert Stuttgart fröhlich weiter und zeigt nun auch den nötigen Zug nach vorne. So setzt Akpoborie erst einen Kopfball an den Pfosten und zimmert die Kugel nur drei Minuten später um Millimeter neben den Pfosten (27.). Jetzt muss Oka Nikolov immer häufiger eingreifen, hat aber Glück, dass weder Bobic noch Balakov das nötige Zielwasser getrunken haben, um den 24-Jährigen zu überwinden. Dies ändert sich allerdings in der 40. Minute, als sich Akpoborie im Halbfeld gegen Bindewald durchsetzt und quer zu Balakov spielt. Der lässt Kaymak stehen wie einen Schulbub und zieht aus gut 20 Metern ab. Eigentlich kein Problem, doch Houbtchev fälscht das Leder so unglücklich ab, dass es unhaltbar für Nikolov zum 1:0 im Netz landet. So ein Mist, jetzt sollte ein Ruck durch die Mannschaft gehen. Doch die Frankfurter auf dem Platz nehmen den Rückstand nur zur Kenntnis und spulen ihr Programm bis zur Pause einfach weiter ab.
Wer nun erwartet hat, dass sich die Eintracht mit Bernd Schneider statt des schwachen Sobotzik wenigstens nach dem Seitenwechsel aufbäumt, sieht sich schnell getäuscht. Selbst ein Lattenschuss von Bobic kurz nach Wiederanpfiff weckt die Gäste nicht aus ihrer Lethargie (48.). Mutlos, Ideenlos und nur allzu bieder versuchen sie nach vorne zu kommen, obwohl die Schwaben im Gefühl der eigenen Überlegenheit oft sorglos und unkonzentriert agieren. Das aber reicht vollkommen aus, um das Spiel zu kontrollieren und sich weitere Chancen zu erarbeiten, während Angriffe bei der Eintracht stets im Ansatz steckenbleiben. “Das System des Trainers müssen wir akzeptieren, er hält dafür schließlich den Kopf hin. Aber System hin oder her, unterm Strich liegt es natürlich an uns, wir verlieren zu viele Bälle, spielen ohne Selbstvertrauen, sind gehemmt und erarbeiten uns keine Torchancen“, klagt der von seiner Grippe noch geschwächte Bernd Schneider über das triste Treiben.
Was sich auch nicht ändert, als Reinhold Fanz im Schlussdrittel erst Nwosu und dann Westerthaler für Brinkmann sowie Yang ins Spiel bringt. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, die Eintracht verliert 61 Prozent ihrer Zweikämpfe und der VfB hat sich kurz vor Schluss ein Chancenverhältnis von 8:1 bei 7:1 Ecken herausgespielt. Um in der Schlussminute erneut einen Ball im Mittelfeld zu erobern, den Timo Rost direkt in den Lauf des Richtung Sechzehner startenden Carnell passt. Der hat freie jetzt Bahn und überwindet Nikolov mit seinem satten Linksschuss zum 2:0-Endstand (90.).
Pünktlich mit dem Schlusspfiff geht ein heftiger Regenschauer über dem Stadion nieder, während die sogenannten Frankfurter Spieler in die Gästekurve schleichen und sich ihre wohlverdienten Pfiffe abholen. "Die Fans waren stocksauer, aber das muss man ja auch verstehen. Über das Spiel muss intern dringend geredet werden", grummelt Uwe Bindewald, während Sobotzik kurz angebunden anmerkt: "Die Stimmung ist explosiv." Weitere Worte verkneift er sich, um nicht “Opfer“ des ominösen Strafen-Kataloges zu werden, den der Manager ausgearbeitet hat. Die Tabelle allerdings lügt nicht. Nach dem achten sieglosen Spiel in Folge rutscht die Eintracht wieder auf Rang 16 mit einem Punkt Rückstand auf Nürnberg, das Schalke mit 3:0 besiegen konnte, so dass die Knappen auf Platz 14 weiterhin vier Zähler Vorsprung vor den Hessen haben. (tr)
Stimmen zum SpielReinhold Fanz: "Wir müssen uns gehörig steigern, wenn wir auswärts punkten wollen. Aber es sind noch 13 Spiele. Zuhause gegen Hertha BSC, müssen unbedingt drei Punkte her. Da ist es wichtig, dass wir in der kommenden Woche unsere Moral festigen."
Präsident Rolf Heller: "Heute hat man den Unterschied zwischen einer guten Bundesliga-Mannschaft und uns gesehen. Dennoch ist all das Gerede um die sportlichen Verantwortlichen Unsinn. Man kann nicht nach jeder Niederlage die Trainerfrage stellen."Sportdirektor Gernot Rohr: “Immer dasselbe. Wenn wir verlieren war es Reinhold Fanz, wenn wir gewinnen war es Horst Ehrmantraut.“
Olaf Janßen: "Wir hätten hier viel mehr auf Risiko spielen müssen."
Ansgar Brinkmann: "Es ist fünf vor Zwölf…"
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