1. FC Kaiserslautern - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1998/1999 - 17. Spieltag

2:1 (1:0)

Termin: Sa 12.12.1998 15:30
Zuschauer: 41.500
Schiedsrichter: Winfried Buchhart (Schrobenhausen)
Tore: 1:0 Michael Ballack (4.), 1:1 Damir Stojak (73.), 2:1 Hany Ramzy (90.)

 

>> Spielbericht <<

 1. FC Kaiserslautern Eintracht Frankfurt

     

  • Andreas Reinke
  • Hany Ramzy
  • Marian Hristov
  • Ciriaco Sforza
  • Michael Ballack
  • Olaf Marschall
  • Carlos de Jesus Junior
  • Marco Reich
  • Janos Hrutka
  • Uwe Rösler
  • Thomas Riedl

 

 

Wechsel

  • Axel Roos für Carlos de Jesus Junior (71.)
  • Jürgen Rische für Marco Reich (77.)

Wechsel

Trainer

  • Otto Rehhagel

Trainer

 

 

Alles prima, harmonisch und toll im Geisterhaus

Rohr bleibt Rohr und Bernhard Lippert übernimmt

Zwei Tage nach der “hinnerfozzischen“ Entlassung von Horst Ehrmantraut äußert sich der technische Direktor Gernot Rohr erstmals in der Presse und versucht sich an einer sportlichen Erklärung für den Rauswurf: “Wir saßen auf einem Ast, der schon fast abgebrochen war. Wenn man gegen Mannschaften verliert, die in der Tabelle unter einem stehen, kann man nicht in der Bundesliga bleiben. Ehrmantraut hat taktisch das Niveau für die Zweite Liga, aber für die Erste Liga...? Kann man den Klassenerhalt als Einzelkämpfer mit 28 Profis ohne Teamwork und ohne gegenseitiges Vertrauen schaffen? Ich glaube nicht. Ich stehe nach wie vor zu meiner Entscheidung, ich habe ein reines Gewissen.“ Ob ihm das einer glaubt? Zumindest das Presseecho bleibt verheerend und auch bei den Fans wird die Entlassung fast unisono fluchend und mit heftigem Kopfschütteln quittiert, während der Manager “unten durch“ ist.


Trainer für zwei Spiele:
Bernhard Lippert

Währenddessen rückt Interimstrainer Bernhard Lippert in den Focus. "Nein“, muss er ständig wiederholen, “ich bin Co-Trainer und es ist klar abgesprochen, dass ich nach der Winterpause wieder ins zweite Glied zurücktrete." Nur vorsichtig äußert er sich zur Entlassung von Horst Ehrmantraut und erzählt von einem längeren Telefonat mit ihm: “Es war weniger ein sportliches Gespräch, sondern ein menschliches. Nur so viel: Ich war wohl außerhalb der Mannschaft noch der einzige im Verein, dem er vertraute." Dann darf er endlich über das nächste Spiel beim amtierenden deutschen Meister sprechen, in dem “wir zwar krasser Außenseiter sind, aber eben auch nichts zu verlieren haben.“ Die Vorbereitung wird auch den verbalen Austausch mit Manager Gernot Rohr beinhalten, aber, so Lippert: "Ich werde in erster Linie mit meinen Führungsspielern sprechen und bin endgültiger Entscheidungsträger." Klar, dass Gernot Rohr auch dazu ungefragt seinen Senf abgibt: "Ich will ihm meine Hilfe nicht aufzwingen. Er ist intelligent genug und weiß, dass ich internationale Erfahrung habe."


Harmonische Niederlage beim amtierenden deutschen Meister

Inwieweit der Manager in die Aufstellung reingeredet hat, ist nicht überliefert. Große Änderungen sind es jedenfalls nicht, wenn auch ein paar Überraschungen dabei sind. Hinter der einzigen Sturmspitze Fjørtoft spielen wie gehabt Bernd Schneider sowie Sobotzik und auf der rechten Seite der wieder genesene Brinkmann. Sein Comeback nach 13 Monaten Verletzungspause gibt hingegen Olaf Janßen, der anstelle des gelbgesperrten Schur zusammen mit Weber im defensiven Mittelfeld beginnt. Auf links soll Uwe Schneider dicht machen, während Pedersen als Manndecker für den Lauterer Olaf Marschall in die Abwehr rutscht.

Nach einem zwischenzeitlichen Tief im Oktober hat sich der 1. FC Kaiserslautern wieder eindrucksvoll gefangen. Sechs Siege in Folge gab es zuletzt in der Bundesliga und auch am Mittwoch konnten die Pfälzer ihren letzten Auftritt in der Zwischenrunde der Champions League gegen Helsinki erfolgreich gestalten. Damit stehen sie im Viertelfinale, in dem sie ausgerechnet auf die Bayern treffen werden. Zunächst gilt es aber, einen Heimsieg einzufahren, meint Trainer Otto Rehhagel, der sich sehr über die Entlassung von Horst Ehrmantraut gewundert hat: “Wollen die in Frankfurt etwas Meister werden? Das ist kaum zu glauben, es herrscht eine unglaubliche Hysterie im Geschäft.“ Ruhig bleibt er hingegen bei der Aufstellung. Uwe Rösler darf nach seinen drei Treffern gegen Helsinki von Beginn an neben Marschall stürmen, Jesus Junior ersetzt Buck, der sich beim Warmmachen verletzt hatte, auf der rechten Außenbahn und der 22-jährige Riedl kehrt neben den 22-jährigen Michael Ballack und Hristov zurück ins Mittelfeld.

Ob er da ist? Jedenfalls ist sein Name überall präsent, "Danke, Horst", "Ehre, das hast Du nicht verdient" oder "Wir danken Dir, Gandhi". Sprechchöre erschallen aus dem Gästeblock, überall hängen Transparente mit dem Konterfei von Horst Ehrmantraut, während der Präsident kurz vor dem Anpfiff an seiner eigenen Wahrheit bastelt: "80 Prozent der Frankfurter Journalisten haben doch nach dem Wolfsburg-Spiel gefordert, der Ehrmantraut müsse weg", worauf die “Frankfurter Neue Presse“ süffisant antwortet: “Wir haben nachgelesen: Fehlanzeige, Herr Heller.“ Unterdessen startet Kaiserslautern mit viel Schwung in die Partie und überrennt die Frankfurter fast in der Anfangsphase. Zudem pressen sie extrem früh, wie Sobotzik in der eigenen Hälfte schnell feststellen muss, als er die Kugel beim Dribbelversuch an Ballack verliert. Der sprintet nach vorne, zieht ab und versenkt die Kugel mit seinem fulminanten Linksschuss zum 1:0 im Netz (4.).

Au Backe, in der Mitte geraten sie heftig ins Schwimmen, die Pfälzer dürfen weiter ungestraft nach vorne walzen. Sobotzik und Bernd Schneider sind keine große Hilfe bei der Abwehrarbeit, während Pedersen enorme Probleme mit Marshall hat und auch Houbtchev sowie Weber nicht gerade sattelfest wirken. Zwar haben Uwe Schneider und Brinkmann die Außenbahnen einigermaßen im Griff, aber dennoch erspielen sich die Gastgeber eine Vielzahl von Möglichkeiten. Gut nur, dass Rösler und Marshall mit ihren Chancen wunderbar fahrlässig umgehen, es hätte sonst bereits nach einer halben Stunde 4:0 gestanden.

Und die Eintracht? Null Torchancen, null Ecken zur Halbzeit. Fjørtoft wirkt saft- und kraftlos, während Uwe Rösler seine Mitspieler lobt: “Ich habe noch nie in einem Team gespielt, dass eigentlich mit den Kräften so am Ende ist, sich aber ständig neu aufbäumt, um ihren unbedingten Siegeswillen durchzusetzen.“ In der Tat ist es beeindruckend, wie sie die Gäste ständig unter Druck setzen, um bei Ballbesitz engagiert nach vorne zu rennen. Dennoch, trotz bester Chancen steht es zur Pause nur 1:0. In der Frankfurter Kabine gibt es indes eine Premiere. Denn neben Interims-Trainer Lippert ist auch Manager Rohr zugegen, was unter Ehrmantraut zwar völlig ausgeschlossen war, nun aber normal sei, wie Lippert betont: "Es ist doch klar, dass der Manager vor dem Spiel und in der Pause in der Kabine war."


Sobotzik, bedrängt von Riedl und Ramzy

Tatsächlich scheinen die Pausenpredigten ein wenig geholfen zu haben, denn sowohl Sobotzik als auch Bernd Schneider legen kämpferisch einen Zahn zu, so dass die Eintracht sich immer wieder vom Druck des amtierenden deutschen Meisters befreien kann. Zudem legt sich der für Fjørtoft gekommene Westerthaler mächtig ins Zeug und erarbeitet sich sogleich eine Möglichkeit, die er allerdings einige Meter am Kasten des bislang beschäftigungslosen Reincke vorbei setzt. Aber endlich stellen sie auch mal die Räume in der Mitte zu, so dass bei Sforza & Co. Die Ordnung ein wenig verloren geht. Die Pfälzer passen sich langsam aber sicher dem Niveau der Frankfurter an, so dass Bernhard Lippert ein zweites Mal wechselt und mit Stojak für Uwe Schneider eine weitere Sturmspitze bringt. Auch diese Umstellung fruchtet, nur vier Minuten später setzt sich Janßen im Mittelfeld wunderbar durch, um einen hohen Ball in den Strafraum zu spielen. Perfekt für Stojak, der mit dem Kopf den Ausgleich erzielt (74.).

“Ich bin sehr zufrieden. Auch wenn nach 13 Monaten die Kraft natürlich nicht für 90 Minuten gereicht hat, so dass ich die letzten Minuten auf der Bank miterleben musste und natürlich sehr gelitten habe“, nimmt Olaf Janßen die letzten Minuten vorweg, denn kurz nach seiner tollen Vorlage muss er erschöpft raus und Kutschera kommt in die Partie, während bei Kaiserslautern mit Rische für Reich ein weiterer Stürmer eingewechselt wird. Dies zeigt Wirkung, die Pfälzer legen wieder einen Zahn zu und die Eintracht verliert ohne Janßen vollkommen ihre Linie. Zu viele Fouls und zu wenig Entlastungsangriffe bringen sie jetzt immer wieder in prekäre Situationen. Doch trotz eines Chancenverhältnisses von 11:1 bei 7:1 Ecken hält das Unentschieden. Noch...

Es laufen die letzten Sekunden, fast alle Frankfurter stehen um den eigenen Strafraum, während Kaiserslautern alles auf eine Karte setzt. Der aufgerückte Hrutka wird von Brinkmann nur halbherzig bedrängt und schlägt eine weite hohe Flanke in den Strafraum. Es ist ein schönes Getümmel im Sechzehner, dennoch kann Libero Ramzy den Ball völlig unbedrängt annehmen und aus wenigen Metern Entfernung wuchtig zum 2:1 in die Maschen zimmern (90.). "Ich hab's kommen sehen, der Ramzy stand eine Minute frei. Blöd war das, einfach blöd", grummelt Bernhard Lippert und auch Olaf Janßen schimpft: "Wenn man drei Flanken pro Minute zulässt, muss man sich über ein Tor in Kaiserslautern nicht wundern."

Denn zur Reaktion bleibt keine Zeit mehr, dem Anstoß folgt 34 Sekunden später überpünktlich der Abpfiff. Während Nikolov und Houbtchev tief enttäuscht auf den Rasen sinken und sich Kutschera noch einmal mit Gegenspieler Rösler anlegt, wirft Weber seine Mannschaftsführer-Binde demonstrativ und laut schimpfend vor Schiedsrichter Buchhart auf den Rasen. "Typisch DFB, so einen Blindfisch zu schicken", meckert der Kapitän, der sich gar nicht mehr beruhigen mag. Es gibt heftige Diskussionen im Kabinentrakt, bei denen auch Schiedsrichter-Betreuer Rudi Merk - der Vater von FIFA-Schiedsrichter Markus Merk - heftig zündelt. Das macht Ralf Weber noch wütender, der kurz darauf in die Schiedsrichterkabine stürzt, um "einige unfreundliche Worte an uns“ zu richten, wie Buchhart in seinem Sonderbericht an den DFB schreibt. "Eigentlich ist so was unverantwortlich dem Verein und den Spielern gegenüber", ärgert sich Bernhard Lippert, während der Kapitän zunächst vorläufig für das nächste Spiel, im folgenden schriftlichen Verfahren dann vom 15. Dezember bis zum 5. Januar gesperrt wird und zudem eine Strafe von 3.000 Mark zahlen muss.

Trotz des Ärgers über das Verhalten des Kapitäns ist bei der Eintracht nach der vierten Niederlage in Folge rosarotes Schönschwätzen und Harmonie Trumpf. Und natürlich Nachtreten gegenüber dem alten Trainer, denn Zufall ist es keiner, dass “Die Welt“ zwei Tage nach der Niederlage einen Artikel mit der Überschrift “Geisterhaus Eintracht Frankfurt – Okkultismus-Vorwürfe gegen Ex-Trainer Ehrmantraut“ veröffentlicht, dem sich andere Medien dankbar anschließen…


Lobhudeleien nach dem Spiel

Interims-Trainer Bernhard Lippert: “Der Treffer in der Schlussminute war zwar tragisch, aber auf dem Betzenberg auch normal. Wir haben einen aufopferungsvollen Kampf geliefert, für den wir leider nicht belohnt wurden. Ich habe nicht das Gefühl gehabt, dass die Mannschaft Probleme hat, von einem anderen geführt zu werden."

Präsident Rolf Heller: “Ich weiß beim besten Willen nicht, was ich anstelle von Lippert anders gemacht hätte. Die personellen Veränderungen waren durchweg positiv.“

Manager Gernot Rohr: "Im Gegensatz zu den Heimspielen gegen Bremen und Schalke war wenigstens wieder ein Konzept zu sehen. Die Mannschaft hat gute Ansätze in der Solidarität, in der Organisation und in der zweiten Halbzeit auch im Spielerischen gezeigt. Uwe Schneider auf die linke Seite zu stellen war eine interessante Variante, die uns Möglichkeiten für die Zukunft eröffnet. Bernhard Lippert hat seine Sache gut gemacht, er hat gut ausgewechselt und Mut bewiesen, in dem er Olaf Janßen von Anfang an gebracht hat.“

Olaf Janßen: “Nach dem frühen Rückstand hat jeder gedacht, jetzt bricht Frankfurt auseinander, aber das Gegenteil war der Fall. Wir haben uns aufgebäumt, den Ausgleich erzielt und damit bewiesen, dass wir selbst mit Spitzenteams wie Kaiserslautern mithalten können. Das gibt uns Mut für das Spiel gegen Duisburg.“


Fröhliches Nachtreten: “Okkultismus-Vorwürfe gegen Ex-Trainer Ehrmantraut“

…titelt “Die Welt“ am 14. Dezember und auch die Boulevard-Presse springt nach der vierten Niederlage der Eintracht mit Wonne auf den Zug. “Trotz Bernhard Lippert“, fragt sich die Zeitung: “Oder gerade wegen Lippert? Seit Wochen wird die okkultistische Geschichte kolportiert, Lippert würde sogenannte "negative Energien" ausstrahlen. Es heißt, Ehrmantraut habe ihn deshalb vor gut einem Jahr von Team-Sitzungen ausgeschlossen. Die Eintracht - ein Geisterhaus?“ Weiter wird spekuliert, dass Ehrmantraut wegen "okkultistischer Praktiken" von seiner Tätigkeit entbunden worden sei.

Natürlich steht Messerwetzer Gernot Rohr gerne zu einer verklausulierten Stellungnahme bereit: "Bei den Gesprächen nach meinem Dienstantritt mit allen Mitarbeitern wurden mir teilweise befremdende Dinge berichtet. Ich lehne es aber ab, jetzt mit Einzelheiten in die Öffentlichkeit zu gehen." Statt betreten zu schweigen, lässt es sich leider auch der Präsident nicht nehmen, seinem technischen Direktor den Rücken zu stärken: "Es gibt seit langem eine Menge Geschichten, mit denen die Belastbarkeit der Zusammenarbeit eigentlich erreicht war. Ich habe im Interesse des Vereins immer viel geschluckt. Aber es geht einfach nicht, dass der Manager im sportlichen Bereich nichts zu sagen hat und nur dafür da sein soll, den Spielberichtsbogen auszufüllen." Danach verkündet er seine Wahrheit: "Das Verhältnis der Mannschaft zum Trainer war schlecht, dies wird in den Medien falsch dargestellt. Viele Spieler haben sich bei uns beschwert, nicht nur die Reservisten." Rührend naiv wird es, als er betont, dass der Verein aber "keine schmutzige Wäsche mehr waschen wird."

Im Gegensatz zum Präsidium widersprechen sowohl Horst Ehrmantraut als auch Bernhard Lippert den Darstellungen vehement. "Der sportliche Leiter Gernot Rohr hat dieses Gerücht bewusst verbreitet, das ist eine Lüge, die zum Himmel schreit", schimpft der Ex-Trainer, “Lippert ist ein ehrlicher junger Mann, mit dem ich vertrauensvoll zusammengearbeitet habe. Meinen Sie, er würde tagtäglich am Riederwald eng mit der Mannschaft arbeiten, wenn er irgendwelche Schwingungen hätte? Oder negative Einflüsse? So blöd kann ich doch gar nicht sein, dann könnten sie mich ja gleich einliefern.“ Bernhard Lippert meint dazu: "Diese Sache mit den Energiefeldern wurde von den Boulevardblättern hochstilisiert. Ehrmantraut und ich haben uns darüber kaputtgelacht. Da wurden Äußerungen aus dem Zusammenhang gerissen, Horst und ich sind loyal miteinander umgegangen.“ (tr)

 

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