Borussia Dortmund - Eintracht Frankfurt |
Bundesliga 1998/1999 - 15. Spieltag
3:1 (1:0)
Termin: Fr 27.11.1998 20:00
Zuschauer: 63.500
Schiedsrichter:Alfons Berg (Konz)
Tore: 1:0 Stephane Chapuisat (13.), 1:1 Ralf Weber (54.), 2:1 Bachirou Salou (63.), 3:1 Andreas Möller (75.)
Borussia Dortmund | Eintracht Frankfurt |
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Ein Stürmer kommt, der Sturm wird heftiger … Rohr vs. Ehrmantraut, die nächste Runde "Keine Zwietracht bei der Eintracht" lautet die Überschrift eines Artikels über den heutigen Gegner im Stadionheft der Borussia, der wohl schon ein paar Wochen alt ist. Denn der spätestens nach der Niederlage gegen Bremen eskaliert der inzwischen offen ausgetragene Streit zwischen Horst Ehrmantraut auf der einen und Gernot Rohr auf der anderen Seite. Diesmal in der Frankfurter Festhalle, in der es bei der Pressekonferenz zwei Tage vor dem Dortmund-Spiel eigentlich nur um das im Januar stattfindende Frankfurter Hallenturnier gehen soll. Pressesprecherin Katja Kraus sitzt zwischen den beiden Streithähnen, die sie nicht zu bremsen vermag. "Es wird gezielt Negatives gestreut, aber niemand sagt mir was ins Gesicht. Hier herrscht eine permanente Misstrauensbasis. Es geht ja nun schon Monate, dass meine Arbeit infrage gestellt wird und ich finde es beschämend, dass mir nun unterstellt wird, ich würde wegen eines Vertragsangebots pokern. Diese Unterstellungen sind bösartig und unwahr", schimpft Horst Ehrmantraut, der es als äußerst unglücklich empfindet, dass der Präsident derzeit in China weilt und ihm als Ansprechpartner nicht zur Verfügung steht. "Die nächsten Tage werden zeigen, wie es weitergeht. Aber ich werde nicht das Handtuch werfen. Wer so was glaubt, der kennt mich schlecht." Rumms, das hat gesessen. Gernot Rohr, der technische Direktor windet sich und empfindet die von den Journalisten gestellten Fragen als “peinlich“. Es sei nicht seine Aufgabe, bei Medien und Fans populäre Entscheidungen zu treffen, "sondern so zu entscheiden, wie es für den Verein das Beste ist. Die Kritik der Medien kommt mir etwas aggressiv vor, diese Aggressivität kenne ich aus 21 Jahren in Frankreich nicht.“ Er habe sich jedoch nichts vorzuwerfen, ergänzt er selbstherrlich, "ich habe hier bislang mit reinem Gewissen meine Arbeit getan. Ich war immer ehrlich und habe nie jemandem etwas vorgegaukelt." Angesichts der eskalierenden Entwicklung schließt der technische Direktor: "Wenn ich ihn ans Telefon bekomme, werde ich den Präsidenten bitten, nach Frankfurt zurück zu kommen." Immerhin handelt Verwaltungsrat-Chef Bernd Ehinger und lädt “alle Beteiligten“ zu einem Schlichtungsgespräch am Samstag ein (Fortsetzung folgt nach dem Spielbericht…).
Wie gut, dass er diesen Streit nicht verfolgt, sonst hätte er es sich wohl anders überlegt. "Tore hat mir die Stadt und den Verein wirklich schmackhaft gemacht, wenn die Beschreibungen meines Freundes der Realität entsprechen, erwartet mich eine tolle Zeit bei Eintracht Frankfurt", erklärt der 31-jährige Jan-Aage Fjørtoft, der zuletzt beim englischen Erstdivisionär Barnsley spielte und nun einen Vertrag bis zum 30. Juni 2001 unterschreibt. Eine weitere Aufgabe hat er noch, wie der Norweger grinsend ergänzt: “Tore ist ein sehr guter Freund von mir. Ich bin jetzt hier, um eine Frau für ihn zu finden.“ Gernot Rohr ist hingegen sichtlich erleichtert, endlich einmal etwas Positives zu verkünden: "Es ist uns gelungen den lange gesuchten Brecher zu verpflichten. Wir werden an Jan sehr viel Freude haben." Die Ablösesumme für den Stürmer, der bereits am Freitag in Dortmund spielberechtigt ist, beträgt umgerechnet 1,2 Millionen Mark.
"Natürlich bist du im Kopf nicht frei", zürnt Horst Ehrmantraut vor dem Hintergrund der andauernden Zwistigkeiten mit den Vereinsoberen und hofft, dass sich dies nicht auf seine Mannschaft auswirkt, da er bei den zuletzt fünfmal zuhause siegreichen Dortmundern unbedingt einen Punkt mitnehmen möchte. Eine Trotzreaktion ist angesagt, denn die Frankfurter beginnen fast mit der gleichen Elf, die in der Vorwoche gegen Bremen gepatzt hat. Da Epp eine leichte Zerrung plagt, steht Fjørtoft sogleich in der Sturmspitze vor Sobotzik und Bernd Schneider. Auch auf der Ersatzbank gibt es eine Änderung, denn nach einjähriger Verletzungspause gehört Olaf Janßen wieder zum Kader. Viel ruhiger als in Frankfurt geht es inzwischen in Dortmund zu, nachdem die Kritik am 34-jährigen Trainernovitzen Michael Skibbe, der zur neuen Saison Nevio Scala ablöste, inzwischen leiser geworden ist. Denn nach den Kapriolen zu Saisonbeginn hat sich die Borussia auf Rang fünf eingependelt und den anvisierten Champions League Rang zumindest wieder in Sichtweite. Dennoch ist nach der Niederlage in Kaiserslautern ein Heimsieg Pflicht, für den der BVB-Trainer zwei Änderungen vornimmt. Neben Bachirou Salou erhält Chapuisat den Vorzug vor Barbarez und anstelle von Manndecker Nijhuis verstärkt Ricken das Mittelfeld, in dem sich neben Dede und Häßler auch der ehemalige Frankfurter Andreas Möller tummelt. Wie passend, dass Herr Alfons Berg aus Konz das Spiel leitet, doch so viel vorweg. Er macht dies recht ordentlich. Ebenso wie die Eintracht, die überraschend forsch startet und mit den ständig rochierenden Sobotzik und Schneider der Dortmunder Hintermannschaft zunächst mehr Probleme bereitet, als ihnen lieb ist. So kann sich Sobotzik nach Zuspiel von Brinkmann an Reuter vorbei mogeln und abziehen, doch Torhüter Klos reagiert ebenso gut wie drei Minuten später, als Fjørtoft nach schönem Zuspiel von Schneider aus zwölf Metern abzieht (10.). Weiter spielen nur die Gäste, während die Borussen nur reagieren können. Doch als sie eine Möglichkeit bekommen, agieren sie eiskalt: Salou kann sich im Halbfeld erstmals gegen Schur durchsetzen und den Ball zu Ricken auf die rechte Außenbahn spielen. Der 22-Jährige flankt, Chapuisat ist einen Tick schneller als Bindewald und versenkt das Leder im langen Toreck zur 1:0-Führung für den BVB (14.). So ein Ärger, denn ansonsten haben Schur mit Salou und Bindewald mit Chapuisat bislang nicht sonderlich viele Probleme und auch die Dortmunder Schaltzentrale Möller und Häßler haben sie im Griff, während Reuter, Freund und Cesar oft das Nachsehen gegen die sich ständig in Bewegung befindlichen Frankfurter Offensivkräfte haben. Diesmal ist es Bernd Schneider, der Fjørtoft in Szene setzt, doch dessen Schuss aus 18 Metern saust knapp am Tor vorbei (16.). Sie machen weiter viel Alarm in der Mitte, während von Weber und Brinkmann auf den Außenbahnen wenig zu sehen ist. Der Kapitän ist allerdings vollauf mit Ricken beschäftigt, so dass nur Brinkmann Luft zum Hadern hat: “Manchmal habe ich mir gedacht, gebt mir doch bitte einen eigenen Ball.“ So ist es wieder der Norwegische Neuzugang, der nach einem Pass von Sobotzik mit einem Direktschuss aus der Drehung Torhüter Klos prüft (27.). Langsam aber sicher drehen die Hausherren allerdings auf und verstärken vor allem über die starke rechte Seite den Druck. So schießt Ricken nach einem Doppelpass mit Chapuisat zum Glück unkontrolliert über das Tor und kurz darauf entwischt Salou Schur, kann aber im letzten Moment von Houbtchev abgeblockt werden (35.). Nun wirbeln Häßler, Möller und Ricken, die Eintracht kann sich zwar nur noch selten aus der eigenen Hälfte befreien, aber dank der guten Abwehrarbeit brennt es bis zum Pausenpfiff nicht mehr vor dem Tor von Nikolov. “Ehrmantraut, Ehrmantraut!“ schallt es wie schon nach dem Rückstand aus dem Gästeblock. So laut, dass es den anwesenden Frankfurter Präsidiumsmitgliedern in den Ohren dröhnt. Ohne Wechsel geht es in die zweite Halbzeit, die sogleich mit einem rüden Foul von Möller an Brinkmann beginnt, für das “Heintje“ die gelbe Karte bekommt. Denn wie schon zu Beginn der Partie müssen die Gastgeber energisch gegenhalten, weil die Eintracht schnell nach vorne spielt. Diesmal ist es Fjørtoft, der den Ball im Halbfeld hält und nach einer kurzen Drehung Sobotzik in die Gasse schickt. Von der Strafraumgrenze aus schießt der 24-Jährige, aber erneut kann Torhüter Klos zur Ecke klären, die Brinkmann ausführt. Das Leder landet bei Schneider, der sieht, dass sich Weber in der Mitte freiläuft, um ihm die Kugel butterweich vor die Füße zu legen. Ein Blick und ein überlegter Schuss mit links sind die Zutaten für den verdienten 1:1-Ausgleich (53.). Dortmund reagiert mit wütenden Angriffen, doch noch halten die Abwehr und das bislang erarbeitete Glück. Wie in der 60. Spielminute, als sich Salou gegen Schur durchsetzt und im Strafraum abzieht. Nikolov reagiert blitzschnell, kann den Ball aber nur nach vorne prallen lassen, wo Kohler das Kunststück fertig bringt, die Kugel aus kurzer Distanz gegen den Pfosten zu schnicken. Leider bleiben die Gastgeber aber hellwach, als Sobotzik einen schlampigen Querpass auf Weber spielt. Ricken ist schneller als der Kapitän, schnappt sich das Runde und zieht auf der rechten Außenbahn nach vorne, um den startenden Salou mit einem Steilpass zu bedienen. Der Bald-Frankfurter zündet ebenfalls den Turbo, umkurvt im Strafraum den sich ihm entgegen werfenden Nikolov und haut das Leder aus spitzem Winkel zur erneuten Führung in die Maschen (62.).
So ein Mist, sie haben wirklich gut gespielt und auch Neuzugang Fjørtoft deutet mehr als nur an, dass er eine Bereicherung für die Mannschaft sein kann. Doch langsam geht ihnen gegen die spielstarken Borussen die Luft aus, hier fehlt ein Schritt im Zweikampf, da der Tick Konzentration beim Abspiel. So reagiert Horst Ehrmantraut und bringt mit Gebhardt sowie Stojak für Brinkmann und Fjørtoft zwei frische Kräfte (72.). Doch drei Minuten später ist es erneut Chapuisat, der die Kugel genau im rechten Augenblick in die Gasse spielt, bevor Möller startet. So ist es kein Abseits als “Heintje“ allein vor Nikolov den Ball unter Kontrolle bekommt und ihn über den Torhüter hinweg zum 3:1 ins Tor lupft, um dies ausgiebig provozierend vor der Südtribüne zu feiern (75.). Das war es dann, beide Trainer wechseln noch einmal,
während Dortmund das Spiel zwar nur noch locker runterspielt, der
Eintracht aber zum Reagieren die Kraft fehlt. Am Ende klingen den Eintracht-Offiziellen
erneut die Lauscher ob der “Ehrmantraut“-Rufe und der Bestätigung
von Kapitän Weber vor laufenden Sportschau-Kameras, “dass die
Mannschaft voll hinter dem Trainer steht“. Da Bremen überraschend
deutlich gegen den bisherigen Tabellendritten 1860 München gewinnt,
rutschen die Frankfurter allerdings hinter Werder auf Rang 13 ab. Der
Vorsprung auf die Abstiegsplätze beträgt somit nur noch zwei
Zähler. Der wachsweiche Burgfriede, Reinhold Fanz dementiert Wie von Verwaltungsratschef Bernd Ehinger gefordert, erscheinen am Samstagvormittag der Trainer und der Technische Direktor am Riederwald. Nicht jedoch Präsident Heller, der einen Abbruch seiner Chinareise abgelehnt hat. Obwohl viele in Präsidium, Verwaltungsrat und “Beraterstab“ gegen einen Verbleib des streitbaren Einzelkämpfers sind, haben sie sehr wohl spätestens in Dortmund festgestellt, dass große Teile der Mannschaft und die übergroße Mehrheit der Fans für einen Verbleib von Horst Ehrmantraut sind und auch Kritiker wie Bernd Hölzenbein und Rudi Bommer ihm eine “sehr gute Arbeit“ bescheinigen. Zusätzlich sickert im kicker-Sportmagazin durch, dass ausgerechnet Dr. Lämmerhirdt, einer der größten und gröbsten Kritiker des Trainers, neben seiner Anstellung bei der Eintracht Service und Marketing GmbH für die Unternehmensberatung Roland Berger arbeitet. Und das zu einer Zeit, wo eben diese GmbH einen formidablen sechsstelligen Verlust im Merchandising eingefahren hat, was zu ungläubigem Kopfschütteln im Präsidium führt. Um nicht noch mehr negative Schlagzeilen zu produzieren, kreißt der Berg mehrere Stunden um den Riederwald und gebiert ein klitzekleines Mäuschen in Form einer Presseerklärung, die nur einen Sieger kennt. Den Trainer. Doch bereits eine Woche später bleibt festzustellen, dass der Text das Papier nicht wert ist, auf dem er gedruckt ist: “Eintracht Frankfurt und Trainer Horst Ehrmantraut einigten sich auf eine weitere Zusammenarbeit. Dies ist das Ergebnis der heutigen Unterredung zwischen Verwaltungsratsvorsitzenden Ehinger, dem Technischen Direktor Rohr und dem Eintracht-Trainer. Die in den letzten Wochen aufgekommenen ‘Missverständnisse‘ zwischen Trainer und Teilen des Präsidiums konnten zu großen Teilen ausgeräumt werden. Weitere Gespräche sollen innerhalb der nächsten 14 Tage geführt werden.“ Kleinlaut sind sie nach der Unterredung, Bernd Ehinger meint, der Trainer solle sich “künftig ein wenig zurücknehmen“ und der angeschlagen wirkende Gernot Rohr nuschelt sichtlich angefressen: "Zum Wohle des Vereins lasse ich mich gern als Verlierer stempeln, obwohl ich mich nicht als solcher fühle und mir nichts vorzuwerfen habe. Ich habe die Interessen des Vereins zu vertreten, auch wenn es unpopulär ist. Und es liegt im Interesse der Eintracht, sich nicht erpressen zu lassen. Bedauerlich ist, dass ich in diesem Konflikt relativ allein dagestanden habe". Bla-Bla für Presse und Umfeld, denn intern wetzen die Intriganten weiter fröhlich die Messer. Der Trainer soll weg… Unterdessen dementiert Hannover-Trainer Reinhold Fanz, der unter der Hand als möglicher Nachfolger von Horst Ehrmantraut gehandelt wird, dass es (Geheim-)Verhandlungen gäbe: "Es gibt keinen Kontakt zu diesem Verein. Ich möchte noch zweieinhalb Jahre in Hannover arbeiten, auch wenn dies einigen Leuten nicht passt." Auch dies wird sich schnell ändern.
Die Rede ist tatsächlich von Andreas Möller… (tr)
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