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Stuttgarter Kickers - Eintracht Frankfurt |
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2. Bundesliga 1997/1998 - 20. Spieltag
2:3 (0:1)
Termin: Sa 28.02.1998 15:30
Zuschauer: 6.000
Schiedsrichter: Schütz (Norken)
Tore: 0:1 Ansgar Brinkmann (18.), 1:1 Alexander Malchow (84.), 2:1 Eberhard Carl (86.), 2:2 Ansgar Brinkmann (89., Foulelfmeter), 2:3 Christoph Westerthaler (90.)
Stuttgarter Kickers | Eintracht Frankfurt |
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Sechs Minuten Tollhaus… Nicht nur wegen der unglaublich vielen Fehler beim 2:1-Zittersieg gegen Wattenscheid grübelt und bastelt Horst Ehrmantraut in dieser Woche mehr denn je. Er muss für das Spiel bei den Stuttgarter Kickers die gelbgesperrten Zampach und Schur ersetzen, hat aber dafür nur Vertragsamateure in der Hinterhand. Allerdings dürfen laut DFB nur drei Amateure gleichzeitig auf dem Platz stehen und Gebhardt sowie Brinkmann sind bereits gesetzt. Daher wird am Freitag flugs ein Profivertrag unterzeichnet und Lizenzspielerleiter Falkenhain regelt am Nachmittag die Formalien beim DFB. Aber nicht Brinkmann, Sawieh, Mehic, oder Gebhardt sind es, da dies eine Ablösesumme verursacht hätte, sondern der 24-jährige Burhanettin Kaymak, der bereits 1990 von der SG Rosenhöhe an den Main kam, ist der Unterzeichner des begehrten Profivertrages. Und steht prompt zum ersten Mal in der Startformation. Da Kutschera ins defensive Mittelfeld rutscht und die Position von Schur übernehmen wird, soll Kaymak sich um Maric kümmern, “weil er der Richtige gegen einen wendigen, ballgewandten Mann ist“, erklärt der Trainer. Brinkmann rutscht hingegen auf die rechte Außenposition und Sawieh übernimmt die Rolle als zweiter Stürmer neben Epp gegen einen vermeintlich aggressiven Gegner. "Die werden ihre Chance suchen und voll dagegenhalten", meint Horst Ehrmantraut, um noch einen Gruß an den neuen Stuttgarter Trainer Linz zu richten, der ihn im April 1996 als Trainer in Meppen ablöste: "Ich kenne ihn ein bisschen als Trainer und als Mensch. Das reicht mir. Ich mag ihn nicht."
Nur 6.000 Zuschauer verirren sich bei stürmischem
Schauerwetter im weiten Rund des Gottlieb-Daimler-Stadions, in das
die Kickers aufgrund von Umbaumaßnahmen im heimischen Waldaustadion
ausweichen müssen. Und die sehen von Beginn an eine überlegen
spielende Frankfurter Mannschaft, der die Gastgeber nicht viel mehr
als Einsatz entgegen zu setzen haben. Konzentriert tragen sie ihre
Angriffe vor und bei Ballbesitz der Stuttgarter kann Kutschera nach
Meinung des Trainers “mit großer Aggressivität und
Entschlossenheit“ Spielmacher Kevric schnell den Schneid abkaufen.
Aber auch Bindewald und Kaymak spielen abgeklärt und sicher,
so dass die Kickers sich keine Torchancen erspielen können. Die
Eintracht hingegen bringt die Degerloch-Abwehr schön ins Schwitzen,
ständig tauschen Epp, Sawieh und Die Kickers versuchen nun mit ordentlich Wut, zum Ausgleich zu kommen, doch außer ein paar harmlosen Freistößen von Kevric sowie einem Kopfball von Carl, der knapp neben den Kasten segelt, kommt nicht viel gegen die souverän verteidigenden Frankfurter heraus (29.). Die wiederum unmittelbar nach Carls Kopfstoß schnell nach vorne streben und ihre nächste gute Möglichkeit durch Sobotzik haben. Doch statt freistehend stramm abzuziehen, versucht er sich mit einem Schlenzer, der nur in den Armen von Torhüter Klaus landet (30.). Mehr recken muss er sich kurze Zeit später bei einem fulminanten Schuss von Weber aus zwanzig Metern. Auf der anderen Seite sorgt nur Nikolov bei einem Eckball für Aufregung, als er die Kugel überhastet faustet statt sie einfach zu fangen, der Nachschuss eines Stuttgarters aber zum Glück in den Werbebanden landet (42.). So geht es mit der verdienten Führung in die Kabinen. Nachdem bereits Raspe für den angeschlagenen Wüllbier kam (31.), wechselt Kickers-Trainer Linz erneut und bringt Bounoua - der im nächsten Winter für sechs Monate in Frankfurt spielen wird - für Sebescen. Da sich am Spiel jedoch nicht viel ändert, stellt Paul Linz noch einmal um und bringt Mallam für Maric, so dass Carl nun in die Spitze rückt und sogleich einen Kopfball an die Latte knallt, nachdem er Kaymak entwischt ist (56.). “Er hat eine extreme Torgefährlichkeit. Während des Trainings verwertet er neunzig Prozent aller Chancen, was eine Restfehlerquote von nur zehn Prozent ausmacht." So lobte Horst Ehrmantraut unter der Woche Christof Westerthaler, der zusammen mit Güntensperger elf Minuten später Sawieh und Epp ablöst, um für frischen Wind bei Kontern zu sorgen, die inzwischen ein wenig zu erlahmen drohen. Kurz darauf könnten sie den Sack gegen weiterhin engagiert kämpfende aber bieder spielende Stuttgarter zu machen, doch ein Kopfball von Brinkmann landet nur an der Unterseite der Latte und kann geklärt werden (74.). Etwas mehr als sechs Minuten sind es noch und plötzlich wird es heftig. Nachdem die Eintracht in der Vorwärtsbewegung den Ball verliert, wird er schnell nach vorne geschlagen. Malchow kommt an das Leder, setzt sich auf halblinks durch und zieht einfach einmal trocken ab. Zum 1:1-Ausgleich (84.). Kopfschütteln bei den Gästen, die ihrerseits mit wütenden Angriffen reagieren, aber prompt in den nächsten Konter laufen. Diesmal ist es Carl, der sich mit einer Drehung gegen Kaymak durchsetzt und die Kugel zur 2:1-Führung für Stuttgart in den Maschen versenkt (86.). "Da ist eine Welt zusammengebrochen", meint der entsetzte Präsident Heller und auch Ehrmantraut wirkt geschockt: “Beim 1:2 habe ich gedacht, was ist das denn? Wir waren doch überlegen. Wie kann man sich denn innerhalb von zwei Minuten derart auskontern lassen.“ Doch statt darüber zu grübeln, schnappt sich Bindewald die Kugel aus dem Netz und rast sofort zum Anstoßpunkt.
Nach einigen weiteren Taucheinlagen vor dem frenetisch feiernden Gästeblock entspannt der Blick auf die Tabelle, denn die Eintracht bleibt auf Rang drei mit nunmehr vier Punkten Vorsprung auf Uerdingen und nur einen Zähler Rückstand auf das Führungsduo Nürnberg und Freiburg. (tr)
Horst Ehrmantraut: "Schon Herberger hat gesagt: Ein Spiel dauert neunzig Minuten. Aber die letzten Minuten haben mich ganz schön mitgenommen. Was für ein verrücktes Spiel, das war zwischen zu Tode betrübt und himmelhochjauchzend. Bei uns ist der Wille da, etwas zu bewegen, die geben nicht auf. Dennoch bleiben wir auf dem Boden, es gibt genügend Anlass, auch über Fehler zu reden." Kickers-Trainer Paul Linz: “Das war tragisch, ganz schlimm war das", Präsident Rolf Heller: “Das war ein faszinierendes, außergewöhnliches Fußballspiel, was für ein Wechselbad der Gefühle.“ Thomas Zampach: "Wenn wir jetzt nicht aufsteigen, fresse ich einen Besen." Ansgar Brinkmann: "So was gibt's nur einmal in zehn Jahren. Aber man darf das Glück nicht zu oft herausfordern." Wenn der wüsste…
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