Oberneuland-Auswahl - Eintracht
Frankfurt |
Freundschaftsspiel 1997/1998
1:20 (0:7)
Termin: 09.07.1997 in Ried (Österreich) im Rieder Stadion
Zuschauer: 500
Schiedsrichter:
Tore: Hakan Cengiz (4), Urs Güntensperger (3), Thomas Sobotzik (3), Ralf Weber (2), Thomas Epp (2), Petr Houbtchev, Sascha Amstätter, Dirk Wolf, Thomas Zampach, Antonio da Silva, Edi Martini; Oberneuland-Auswahl: 1:19 Alexander Gunolf (87.)
Oberneuland-Auswahl | Eintracht Frankfurt |
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Mit Maßband und Akribie zum vom Trainer geforderten Schützenfest Alle Jahre wieder reist die Eintracht nach Seefeld in Tirol, um im Alpenhotel Lamm auf knapp 1200 Metern Höhe die Grundlagen für die neue Saison zu schaffen. Doch bei der Ankunft mit seinem 22-köpfigen Kader bekommt Horst Ehrmantraut nach eigenen Worten zunächst “eine Vollkrise“, denn es schüttet wie aus Eimern. Zudem hat der aufgeweichte hoteleigene Platz nicht die versprochenen Maße, wie Masseur Ronconi rausfindet, nachdem er vom akribischen Trainer zum nachmessen in den Regen geschickt wird. So disponiert er sogleich um und wählt eine Übungswiese am Auslauf der Toni-Seelos-Olympiaschanze, auf der von nun drei Mal am Tag trainiert wird. Diese erweist sich als mehr als ausreichend, da er sowieso nicht über den gesamten Platz trainieren lässt, sondern mit Hütchen, Stangen und Hürden Spielzonen für die Übungen persönlich absteckt. “Das ist Ehrmantraut. Die Dinge, die ich gestalte, sind immer vorbereitet. Auch das Feld zum Fußballtennis muss bestimmte Größen haben, das muss der Masseur auf den Punkt so machen, und das macht er auch gerne. Auch die Netzhöhe ist genau auf den Millimeter austaxiert. Das kann man dann auch übertragen auf die Jungs, auf die Charaktere. Wenn die Spieler merken, der Trainer ist einer, der macht sich Gedanken auch um ein Fußballtennis-Turnier, der schüttelt das nicht einfach spontan aus dem Ärmel, dann trägt das irgendwann Früchte, denn ich verlange von den Spielern ja auch akribisches Arbeiten“, erklärt der Trainer auf die Frage nach dem “warum“ ebenso gewissenhaft. Minutiös ist jede Einheit mit seinem Co-Trainer Lippert geplant und auch in den Pausen nimmt er sich immer wieder die Zeit, mit allen Spielern intensive Einzelgespräche zu führen. So ist es auch für den Trainer sehr anstrengend, wie er Jahre später über seine Tätigkeit bei der Eintracht erzählt: “Damals war ich einer der wenigen, wenn nicht der einzige Trainer, der am Tag nach dem Spiel schon eine Einzelkritik durchführte. Das war beileibe nicht üblich. Meine Nacht geriet dann auch sehr kurz. Nach dem Abpfiff schon ausgelaugt, habe ich die Restenergie noch in die Spielanalyse gesteckt. Damals war man als Trainer noch Autokrat und auf sich selbst gestellt. Das hat Kraft gekostet. Ich habe Tag und Nacht für den Fußball gelebt.“ Eine Kostprobe seiner Analysen bekommt der Albaner Edi Martini bereits nach zwei Trainingstagen zu spüren, als der Trainer ihn zum Einzelgespräch lädt: "Es reicht nicht, dass du eine tolle Technik und ein gutes Auge hast und präzise Pässe schlagen kannst. Du bist jetzt in Deutschland, hier zählt auch die Disziplin im Spiel nach hinten. Du musst dich ändern und vor allem dein Defensivverhalten verbessern, und du musst noch ein paar Kilo abnehmen, damit du schneller im Antritt wirst." “Ich bin zu dick, ich bin zu langsam“, fasst Martini das Gespräch ein wenig frustriert zusammen. Zufrieden ist der Trainer hingegen mit dem 19-jährigen Sascha Amstätter, der im Gespann mit Renato Levy noch von Bernd Hölzenbein für 300.000 Mark vom FSV verpflichtet wurde: "Der macht mir Spaß, der Junge." Spaß haben sie auch an diesem Nachmittag, denn wie vom Trainer gewünscht geht es ins 70 km entfernte Ried/Oberinntal, wo die Eintracht ein Freundschaftsspiel gegen einen “leichten Gegner“ absolvieren wird. Der Gegner, der immerhin 6.000 Mark Antrittsgeld bezahlt, ist “eine Auswahl untalentiertester Tiroler Fußballspieler“, wie es die FAZ sehr uncharmant formuliert. Genau genommen sind es Spieler der unterklassigen Vereine SPG Prutz/Serfaus, SV Landeck, SV Zams und des SV Ried, die die Oberlandauswahl vor knapp 500 Zuschauern auf dem liebevoll “Mozart-Arena“ genannten Fußballplatz bilden. In unmittelbarer Nachbarschaft von Ried wurde übrigens “Gischi“ Westerthaler geboren und lernte in Silz seine ersten Fußballschritte, bevor er nach einer Zwischenstation auf Zypern in der Winterpause zur Eintracht kommen wird. Aber zurück zu den Hobbykickern, die sich tatsächlich als faire aber absolut überforderte Gegner erweisen, die nur in der Anfangsphase ein wenig Gegenwehr gegen die engagiert spielende Eintracht leisten können. So wird auch der eingesetzte Gastspieler Zoran Manovic, ein Innenverteidiger vom schwedischen Zweitligisten Mjölby AIF, in den kommenden Minuten kein bisschen gefordert. Dafür hat der arme Torhüter der Oberlandauswahl alle Hände voll zu tun und kann sich bereits in der ersten Halbzeit einige Male beweisen, muss aber ebenso oft hinter sich greifen. Mann der ersten Halbzeit ist Urs Güntensperger, der zwei Mal im Strafraum gefoult wird und beide Elfmeter ebenso sicher verwandelt wie seinen Kopfball zum 7:0 kurz vor dem Pausenpfiff. “Ich habe mir vorgenommen, was die Leistungen der Spieler aus der Vergangenheit betrifft, völlig wertfrei in die Vorbereitung zu gehen“, kündigte Horst Ehrmantraut bereits vor dem Trainingslager an, um den Konkurrenzkampf zu schüren und so wechselt er gleich neun Spieler zur Halbzeit aus. Am einseitigen Spiel ändert sich dadurch tatsächlich nichts, denn jeder will sich zeigen, so dass die Hobbykicker schon froh sind, einmal knapp über die Mittellinie zu kommen und sich Torhüter Schmitt im Kasten heftig langweilt. Beim Stande von 18:0 erkundigt sich Kutschera, wie lange noch zu spielen ist und gibt Anweisungen an seine Kollegen. Denn 20 Treffer sind die Pausenvorgabe des gestrengen Trainers und auch ein Ehrentreffer muss noch her. Tatsächlich reichen die sieben Restminuten für beides. Hakan Cengiz, der alleine ein dutzend Tore hätte erzielen können, trifft zum vierten Mal und kurz darauf dürfen die Oberlandkicker unbedrängt nach vorne stürmen, so dass Alexander Gundolf sich ausgiebig für sein Tor zum 1:19 feiern lassen kann. Nachdem er 85 Minuten auf der Bank neben dem leicht angeschlagenen Dashi auf der Bank verbringen muss, darf auch der von Horst Ehrmantraut am Vormittag gescholtene Martini auf den Rasen und in der Schlussminute für den geforderten Endstand sorgen. "Edi war körperlich am Nullpunkt und sollte ein wenig darüber nachdenken, wie wir hier Fußball spielen und im Kollektiv arbeiten", erklärt der Trainer, der ansonsten mit der Mischung im Kader ebenso zufrieden ist wie mit der Wahl des Kapitäns und seiner Stellvertreter. "Webi for Captain", steht auf einer Mütze, die Wolf dem von der Mannschaft gewählten Nachfolger von Mirco Dickhaut aufsetzt. Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass die fast bankrotte Eintracht Ralf Weber im November 1996 offiziell als “Sportinvalide“ bei der Londoner Versicherung Lloyds angemeldet hat, um laut Kicker-Sportmagazin “eine Versicherungssumme von 3 Millionen Mark verbuchen zu können“. Weber bat die Eintracht um Aufschub, beantragte bei Lloyds um Fristverlängerung bis Mai 1997, um sich in Basel zum dritten Mal am rechten Fuß operieren zu lassen. Pünktlich zum Ablauf dieser Frist am 27. Mai 1997 kann Weber bei einem Freundschaftsspiel gegen die Kreisauswahl Friedberg wieder im Trikot der Adler spielen, um “wie im Rausch“ gegen den 1. FC Kaiserslautern sein Comeback zu feiern. Webers Stellvertreter als Kapitän werden übrigens Bindewald und Kutschera.
Während die Spieler in Seefeld schwitzen, treffen sich in Frankfurt am 7. Juli nach mehrmonatigen Vorplanungen Vertreter verschiedener Fanclubs wie z.B. der Bembelraver Wiesbaden, den Rhönadlern und dem EFC Griesheim, um einen Zusammenschluss verschiedener Fanclubs zu gründen, der sich nach italienischem Vorbild von den Fanclubs abheben und eine optimale Unterstützung der Mannschaft von Gegentribüne und Stehblöcken fordern und fördern soll. Bereits nach einem Jahr zählen die Ultras Frankfurt mit 180 Mitgliedern zur größten unabhängigen Fangruppierung, die sich in den kommenden Jahren mit stetig steigenden Mitgliedszahlen vom Zusammenschluss zu einer eigenständigen Gruppe wandelt. (tr)
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