Hertha BSC Berlin - Eintracht Frankfurt

2. Bundesliga 1996/1997 - 12. Spieltag

1:2 (1:0)

Termin: 28.10.1996
Zuschauer: 11.500
Schiedsrichter: Lange (Stuttgart)
Tore:1:0 Axel Kruse (23. Foulelfmeter), 1:1 Johnny Ekström (47.), 1:2 Matthias Becker (87.)

 

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Hertha BSC Berlin Eintracht Frankfurt

  • Michael Fiedler
  • Steffen Karl
  • Eyjölfur Sverrisson
  • Carsten Kober,
  • Michael Hartmann
  • Falko Götz
  • Ante Covic
  • Marc Arnold
  • Michel Dinzey
  • Altin Rraklli
  • Axel Kruse

 


 

Wechsel

  • Oliver Schmidt für Falko Götz (63.)
  • Michael Preetz für Axel Kruse (72.)

Wechsel

Trainer

  • Jürgen Röber

Trainer

 

 

Unverhofft kommt nicht so oft

“Unser Kader hat die zweitgrößte Bundesligaerfahrung und die doppelte Bezahlung im Vergleich zu anderen Zweitligisten. Da sind die bisherigen Ergebnisse absolut unzureichend und eine Platzierung im unteren Tabellendrittel nicht akzeptabel“, poltert Hans-Joachim Otto nach einer ersten Bestandsaufnahme, die zeigt, dass die Eintracht nicht nur die höchsten Kosten für Geschäftsstelle, medizinische Betreuung und Bewirtung der Ehrengäste in der Zweiten Liga hat, sondern auch der Etat für die Profikicker (14,1 Millionen Mark) hinter dem des 1. FC Kaiserslautern (ca. 25 Millionen Mark) der Zweithöchste ist. Der Super-Gau droht, doch Dragoslav Stepanovic folgert messerscharf, dass die Eintracht ihre Lage nur mit dem Aufstieg meistern könne und fordert, dass trotz der finanziellen Misere in neue Spieler investiert wird. Vor allem deshalb, weil überraschend ein Angebot vom Premier-League-Absteiger Manchester City herein geflattert ist. Eine halbe Million Mark wollen sie für Kachaber Zchadadse hinblättern, wenn dieser sich schon in der nächsten Woche auf den Weg nach Großbritannien macht.

Der scheidende Manager Bernd Hölzenbein sieht dies angesichts des aktuellen Tabellenranges etwas düsterer: "Wir müssen zweigleisig planen, es ist ganz klar, dass wir bei einem Verbleib in der Zweiten Liga Leute wie Gaudino, Komljenovic oder Dickhaut nicht mehr bezahlen können." Scheinbar auch kein Flugzeug, denn diesmal geht es mit der Bahn nach Berlin, die Kostenersparnis laut dem Kicker-Sportmagazin: 6000 Mark. Na, also. Dies alles ficht Dragoslav Stepanovic zumindest offiziell wenig an, der nach zwei Monaten ohne Sieg ausgerechnet beim Zuhause noch ungeschlagenen Tabellendritten in der Hauptstadt einen Dreier holen will und sein Team entsprechend aufputscht. Mit Ekström und Becker in der Sturmspitze und einem dichten Mittelfeld mit Glöckner, Menze, Gaudino, Rossi und Bommer vor der umformierten Dreierabwehr will er das Ziel erzwingen.

Doch auch bei der Hertha ist der Druck immens, nachdem sie im Vorjahr trotz der Millionen von der Bertelsmann-Tochtergesellschaft UFA nur hauchzart dem Abstieg aus der Zweiten Liga entronnen sind. Auch in dieser Saison wurden knapp drei Millionen Mark für bundesligaerfahrene Spieler wie den Ex-Frankfurter Axel Kruse (Stuttgart), Ante Covic (Nürnberg), Carsten Kober (HSV) oder Michael Preetz (Wattenscheid) in die Hand genommen, so dass der Aufstieg Pflicht ist, wie Trainer Jürgen Röber weiß: "Es ist schon deprimierend, wenn nicht einmal 10 000 Fans ins riesige Olympiastadion kommen, aber in einer Stadt wie Berlin zählt nur Erstklassiges.“ Immerhin haben sie mit dem 1:0-Sieg unter der Woche im Nachholspiel gegen Oldenburg den Sprung auf Rang drei geschafft und wollen sich natürlich festsetzen, auch wenn das Siegen meist eine Geduldsprobe ist, da sich "gegen uns fast alle Mannschaften, auch bei Heimspielen, nur hinten reinstellen." Gegen die schwächelnde Eintracht erhofft sich der Trainer allerdings einen etwas offensiver agierenden Gegner, zumal er sich eine dauerhafte Talfahrt des Bundesliga-Absteigers nicht vorstellen kann: "Mit Spielern wie Ekström, Gaudino und Rossi muss es bei der Eintracht wieder aufwärts gehen." Ebenso wie sein Frankfurter Kollege setzt Jürgen Röber auf zwei Stürmer, neben Sverrisson soll der zuletzt dreimal erfolgreiche Axel Kruse seine Serie fortsetzen.

Diesmal sind es 11.500 Zuschauer, die sich im riesigen Rund des Olympia-Stadions fast verlaufen, dafür aber mit einem munteren Start für ihr Kommen belohnt werden. So testet Michél Mazingu-Dinzey gleich einmal die Reflexe von Oka Nikolov mit einem fulminanten Schuss von der Strafraumgrenze. Aber auch die Eintracht freut sich über die offensive Gangart der Gastgeber und spielt ungewohnt munter nach vorne. Über Becker und den weit aufgerückten Bommer landet der Ball bei Gaudino, der Torhüter Fiedler mit seinem Schuss aus gut 18 Metern ebenfalls nicht überwinden kann (4.). Kurz darauf wird es allerdings blöd für die Frankfurter, denn Gaudino humpelt und fasst sich an den linken Oberschenkel. Nichts geht mehr für den Spielmacher, so dass Dickhaut bereits nach zehn Minuten auf den Platz kommt und Bommer Gaudinos Position hinter den Spitzen übernimmt.

Was dem munteren Treiben auf dem Platz zunächst keinen Abbruch tut. Zunächst zieht Glöckner von rechts mit einem Haken in die Mitte und schießt, scheitert aber am Berliner Keeper (16.). Auf der anderen Seite tankt sich Kruse durch und flankt vor den Fünfmeterraum, wo Komljenovic und Zchadadse sich gegenseitig behindern, so dass Rraklli frei zum Kopfball kommt. Doch Nikolov lenkt das Leder reaktionsschnell um den Pfosten (19.). Nur Sekunden später steht der 22-jährige Torhüter erneut erfolgreich im Mittelpunkt, als Hartmann Glöckner Fersengeld gibt und abzieht. Ohne Atempause geht es weiter, diesmal über die rechte Seite, wo sich Kruse gegen Rossi durchsetzt und hoch in den Sechzehner flankt. Falko Götz will ran, wird aber von Menze geschubst, so dass er den Flankenball knapp verpasst und zu Boden geht. Ein normaler Zweikampf, über den nicht einmal Götz großartig hadert, aber Schiedsrichter Lange sieht dies vollkommen anders. Theatralisch zeigt er zum Entsetzen der Frankfurter auf den ominösen Punkt und Menze zudem die gelbe Karte. Toll, Axel Kruse schießt, Nikolov ahnt die Ecke, aber der Ball landet dennoch zum 1:0 in den Maschen (23.).

Ein wenig geraten die Frankfurter jetzt ins Wanken, Dickhaut agiert äußerst fahrig und in der Mitte gibt es große Lücken, weil sich Bommer immer mehr nach hinten fallen lässt, so dass die Spitzen in der Luft hängen. Einzig Glöckner sorgt in dieser Phase für ein wenig Druck über die rechte Außenbahn, doch Chancen ergeben sich dadurch keine. Die Berliner erhalten hingegen den Druck aufrecht, lassen aber zum Glück das Zielwasser missen. So kann Nikolov einen Schuss des aufgerückten Libero Karl mit den Fäusten parieren und Dinzey jagt den Ball kurz darauf aus aussichtsreicher Position am Ziel vorbei. Nun zeigt sich auch die Eintracht mal wieder über Matthias Becker, der mit einem schönen Solo in den Strafraum strebt, seinen Schuss allerdings überhastet neben den Kasten setzt (41.). Nur Sekunden später wird es noch brenzliger für die Berliner, als eine Ecke bei Komljenovic landet, der sofort abzieht. Torhüter Fiedler ist geschlagen aber mit letztem Einsatz kann Arnold die Kugel von der Linie kratzen. Die Eintracht bleibt am Drücker, doch nach einem Ballverlust im Mittelfeld kontert plötzlich die Hertha über Rraklli, der das Leder in den Lauf von Kruse legt. Der Ex-Frankfurter überläuft Roth mal wieder spielend und kann für die Vorentscheidung sorgen. Doch sein Schuss fliegt neben den Pfosten, was Trainer Röber am Seitenrand heftig verärgert und den 29-Jährigen frustriert zu Boden sinken lässt (44.).

Zur zweiten Halbzeit kommt Bindewald für den angeschlagenen Komljenovic in die Partie und reiht sich neben Roth als Manndecker ein. Doch er bekommt zunächst nichts zu tun, denn die Eintracht strebt aggressiv nach vorne. Mit Erfolg, denn der bislang laut Frankfurter Rundschau “nur haarscharf am Zustand der Arbeitsverweigerung vorbei trimm-trabende Schwede“ zündet urplötzlich den Turbo, als der bislang ebenfalls maximal unauffällige Menze zu einem Solo ansetzt und den Ball in die Gasse spielt. Ekström kommt an den Pass, schüttelt erst Sverrisson ab und lässt sogleich Libero Karl mit einem Haken stehen, um die Kugel aus 17 Metern zum 1:1 ins untere rechte Toreck zu zimmern (47.).

Die Gastgeber wirken sichtlich geschockt und die Eintracht setzt nach. Aber die Hertha kann sich auf ihren zwölften Mann verlassen, der ungeniert wegschaut, als Menze in den Strafraum zieht und von Götz von den Beinen geholt wird. Statt des klaren Elfmeters gibt es nur Abstoß (54.). Zum Glück lassen sich die Gäste von der Pfeife mit der Pfeife wenig beeindrucken und setzen nach. Kaum zu glauben, wie agil der zuletzt so schwache Menze auftritt. Diesmal setzt er Ekström mit einem tollen Steilpass ein, doch Fiedler ist auf der Hut und kann den Schuss des Schweden zur Ecke klären. Die ebenfalls brandgefährlich wird, aber Becker setzt seinen Kopfball aus acht Metern nur an den Pfosten (64.).

Es bleibt turbulent auf dem Platz, die Eintracht setzt immer wieder nach, doch die Gastgeber können sich der Angriffe erwehren und zu Gegenstößen ansetzen, die allerdings zumeist bereits vor dem Strafraum versanden. So läuft bereits die 87. Spielminute, als der kurz zuvor für Ekström gekommene Güntensperger auf der linken Seite gefoult wird und es Freistoß gibt. Dickhaut zirkelt das Leder hoch vor den langen Pfosten, wo es aufspringt und Becker schneller reagiert als die versammelte Abwehr der Gastgeber. Wuchtig haut er die Kugel aus fünf Metern zur 2:1-Führung ins Netz und sinkt mit beiden Händen vor dem Gesicht zu Boden. "Für Matse hat mich das besonders gefreut. Dass er geweint hat, zeigt, wie viel Druck auf ihm gelastet hat", freut sich der Trainer für seinen 22-jährigen Stürmer. Dem erneuten Nackenschlag hat die Hertha unterdessen nichts mehr entgegen zu setzen, so dass die Freude nach dem letzten Pfiff von Schiedsrichter Lange riesengroß ist. Erstmals seit dem 3:1 gegen Fortuna Köln am 25. August haben sie wieder gewonnen. Nur vier Punkte beträgt der Rückstand des Tabellenzwölften auf den neuen dritten aus Uerdingen. Ein Hoffnungsschimmer?


Stimmen zum Spiel

Dragoslav Stepanovic: "Neben den Leistungen von Becker und Ekström muss ich Rudi Bommer hervorheben, der heute der ruhende Pol war. Ich hoffe, dass es nun wieder aufwärts geht und wir bald da stehen, wo wir hinwollen."

Vizepräsident Rolf Heller: "Am Anfang war das irgendwie ein zusammengewürfelter wilder Haufen, aber mittlerweile habe ich das Gefühl, dass der Haufen harmoniert."

Hertha-Spieler Marc Arnold: “Wer so viele Chancen vergibt wie wir in der ersten Halbzeit, der kann nicht gewinnen.“


Die Eintracht legt tiefrote Zahlen vor und macht sich auf dem Weg nach Canossa

Ein letztes Mal steht der scheidende Schatzmeister Wolfgang Knispel im Rampenlicht, um den Stab nach Präsentation der Bilanzzahlen für das Geschäftsjahr 1995/1996 an Bernd Thate abzugeben. Aufgrund des Verlustes von ca. 1,3 Millionen Mark im vorerst letzten Bundesligajahr haben sich die Schulden der Eintracht auf 6,96 Millionen erhöht, von denen nur knapp 1,8 Millionen durch Immobilienwerte abgesichert sind, nachdem Spielerwerte aufgrund des “Bosman-Urteils“ nicht mehr beleihbar sind. Mit dem Millionen-Verlust hat die Eintracht gegen die Lizenzvorgaben des DFB verstoßen, die vor Beginn der letzten Saison zwingend vorgeschrieben haben, dass sich das Kapital von Anfang bis Ende des Geschäftsjahres nicht verringern dürfe. Als "Ersttäter" hofft Schatzmeister Knispel auf eine milde Bestrafung, die bei einer Geldstrafe in Höhe von fünf Prozent des überzogenen Betrages liegen dürfte.

Den nun notwendigen Bittgang zu den Banken sieht der neue Schatzmeister als "äußerst schwere Aufgabe an, weil wir für unseren Kreditbedarf keinerlei Sicherheiten vorweisen" und nur betonen können, dass jetzt bei der Eintracht "seriöse Treuhänder" am Werk seien: “Wir müssen unser Haus neu ordnen, denn da gibt es einen großen Handlungsbedarf. Wir müssen sparen und solider haushalten, grundsätzlich muss bei der Eintracht eine andere Ausgabenmentalität einziehen.“ Klar ist indes, dass es ohne eine Verlängerung der Bankkredite keine Lizenz für die kommende Spielzeit geben wird, weder für die Erste noch für die Zweite Liga.

Doch auf die neuen und seriösen Treuhänder der Eintracht ist bestimmt Verlass. Zumindest bis zur nächsten Woche… (tr)


 

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