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Eintracht Frankfurt - Eintracht
Braunschweig |
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Bundesliga 1984/1985 - 22. Spieltag
2:0 (1:0)
Termin: Sa 09.03.1985, 15:30 Uhr
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Werner Föckler (Weisenheim)
Tore: 1:0 Thomas Berthold (44.), 2:0 Harald Krämer (60.)
Eintracht Frankfurt | Eintracht Braunschweig |
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Wechsel
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Trainer | Trainer
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Alte Tugenden und Rollen „Die Meister von Morgen“ haben mit dem
Tabellenführer aus München zurzeit nur eines gemeinsam –
die Anzahl der Bundesligaspiele in dieser Runde: 21. Und weil die
Eintracht im Gegensatz zu den hinter ihr postierten Mannschaften aus
Schalke, Kaiserslautern und Leverkusen eines bis zwei Spiele mehr
auf dem Konto hat, ist der 10. Platz der Elf von Trainer Dietrich
Weise Die Niederlagen in Kaiserlautern vor einer Woche und vor vier Tagen im Nachholspiel in Leverkusen haben zudem Spuren hinterlassen. „Einige Spieler sagen sich wohl, wir sind doch schon besser als der Trainer immer behauptet“, vermutete Weise schon nach dem 1:2 auf dem Betzenberg und Torwart Pahl fand nach dem 1:3 bei Bayer: „Alle elf Spieler agieren einen Schuss zu selbstsicher.“ „Wieder eine geschlossene Mannschaft“ wünscht sich Weise, und „wieder zu einer Einheit finden wie in der letzten Saison“ will Kapitän Körbel. Im Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig, die mit einem Spiel und sechs Punkten weniger als die Frankfurter im Abstiegskampf stecken, will Weise den Sieg mit Umbesetzungen und Umstellungen erreichen. Angreifer Jan Svensson soll die linke Seite absichern, Sievers die rechte, Fruck von Berthold den Libero-Posten übernehmen und dieser dafür ins Mittelfeld rücken. Außerdem kommen Ralf Falkenmayer für Peter Boy und Stürmer Uwe Müller für Spielmacher Mohr ins Team. „Die Versetzung von Jürgen Mohr auf die Bank ist rein taktischer Natur“, begründet Weise seine Maßnahme, „ich brauche auf der rechten Seite hinter Thomas Berthold einen deckungsstarken Spieler, zumal wir auch mit drei Stürmern angreifen.“ Dass es im Tor zu einer kurzfristigen Änderung kommt, ist dagegen der Gesundheit von Jürgen Pahl geschuldet. Nachdem der Schlussmann am Freitag über einen grippalen Infekt geklagt hatte, verschlimmerte sich sein Zustand über Nacht. Telefonisch hat Pahl heute Morgen seinen Trainer informiert, dass er nicht spielen kann. Damit steht „Hansi“ Gundelach gegen Braunschweig im Tor, während auf der Ersatzbank mit A-Jugendtorwart Burkhard Rogowski die Nummer fünf der Eintracht-Schlussmänner Platz nimmt. Die Nummer drei, der Amateurkeeper Norbert Winkler, darf bei den Profis noch nicht eingesetzt werden und sein Vertreter Jörg Hollenbach ist verletzt.
In den letzten fünf Wochen hatten die Niedersachsen nur zwei Spiele, diese jedoch zu Hause gegen den VfB Stuttgart und Fortuna Düsseldorf gewonnen. Andererseits sind die Gäste in dieser Saison auswärts chronisch erfolglos und haben mit 2:20 Punkten eine klägliche Ausbeute. Und da die Abwehr der Gäste mit 45 Gegentreffern fast so löchrig wie die der Frankfurter mit 46 gefangenen Toren ist, erscheint Weises Plan, auf Offensive zu setzen, durchaus vernünftig. Und so offensiv Weise seine Elf aufgestellt hat, so beginnt sie auch. Darüber hinaus hat die Truppe die Lehre aus dem Spiel in Leverkusen gezogen und verliert sich nicht in Schönspielerei, sondern ringt mit dem Gegner aggressiv um jeden Meter des Platzes, indem man früh angreift und ihn schon im Spielaufbau stört. „Wir wollen versuchen, das Quer-quer-Geschiebe der Braunschweiger zu unterbinden“, hat Weise angekündigt und seine Buben setzen das auch um. Bereits nach 30 Sekunden verfehlt Falkenmayer mit einem Weitschuss das wie fast immer seit 1971 vom ehemaligen Nationalspieler Bernd Franke gehütete Tor. Sieben Minuten später prüft Berthold den immer noch exzellenten Schlussmann mit einem Versuch aus spitzem Winkel. Während Franke seine Elf vor einem Rückstand bewahrt, verliert sie in derselben Minute nach einem groben Foul von Harald Krämer Verteidiger Geiger, der verletzt ausgewechselt werden muss. Für Geiger bringt der Gäste-Trainer Aleksandar Ristic Lars Ellmerich.
Doch auch Falkenmayer kann nicht verhindern, dass der bislang erfolglose Sturmlauf seiner Elf nach etwa 25 Minuten zu verpuffen beginnt. Die Gäste befreien sich langsam aus der Umklammerung, können sich zu eigenen Attacken aber nicht aufraffen. Die Niedersachsen sind in dem Defensivkonzept ihres Trainers gefangen und können sich nicht daraus befreien. Mehr als eine funktionierende Abseitsfalle und auf Sicherheit bedachte Kurzpässe, die keinen Raum, sondern nur Zeit gewinnen sollen, ist von den Braunschweigern nicht zu erwarten. Dagegen allerdings finden die Frankfurter, bei denen Rechtsaußen Uwe Müller keine Akzente setzen kann, in dieser Phase des Spiels kein Mittel. So lange bis Cezary Tobollik in der 35. Minute am linken Flügel eines seiner Soli startet. Der begnadete Dribbler geht an drei Gegenspielern vorbei und flankt flach nach innen, wo Sievers ungedeckt ist, aber den Ball nicht richtig trifft … Es bleibt jedoch keine Zeit, der vergebenen Chance hinterher zu trauern, denn die Braunschweiger fahren im direkten Gegenzug ihren ersten Konter. Der läuft über Reinhold Hintermaier und endet bei Sievers‘ Gegenspieler Peter Lux, der mit Christian Sackewitz einen gekonnten Doppelpass spielt und danach so allein wie einschussbereit vor Gundelach auftaucht. Glück für die Frankfurter, dass ihr Torwarttalent die Nerven behält, den Winkel geschickt verkürzt und den Rückstand mit einer Fußabwehr verhindert. Fünf Minuten später muss Gundelach nicht eingreifen, als der Braunschweiger Kapitän Ronald Worm, den Armin Kraaz sonst ausgezeichnet im Griff hat, mit einem Distanzschuss nur ganz knapp das Gehäuse verfehlt.
Gleich nach der Pause haben die Hessen gute Möglichkeiten, ihre Führung auszubauen: Nach einer weiteren Flanke von Tobollik scheitert aber Berthold mit seinem Kopfball an Franke ebenso wie Tobollik wenig später aus kürzerer Distanz. Die Gäste müssen nach dem Rückstand nun selbst in den Angriff gehen, wenn sie hier und heute noch etwas mitnehmen wollen, und das tut dem Spiel gut. Entschieden ist die Begegnung dann nach einer Stunde.
Uwe Müller hat die Nase voll von der Abseitsfalle der Braunschweiger
und versucht nach dem Schiller-Motto „Der Starke ist am Mächtigsten
allein“ sein Glück auf eigene Faust. An drei Gegnern kommt
er vorbei, bis ihm Torwart Franke als buchstäblich letzter Mann
in die Quere kommt. Franke kann 20 Meter vor seinem Tor 2:0. Nun macht es auch nichts mehr, dass Schiedsrichter Föckler seine eigenwillige Auslegung der Vorteilsregel zum Besten gibt, die gleichermaßen für einige Unruhe auf dem Platz und den Rängen sorgt. Und nachdem Ronald Worm in der 65. Minute die Chance zum Anschlusstreffer vergeben hat, steht dem Sieg der Gastgeber nichts mehr im Wege. Während Ristic in der 70. Minute Angreifer Plagge für Verteidiger Scheike ins so gut wie aussichtslose Rennen schickt, nutzt Weise auf Frankfurter Seite zwei Minuten zuvor sein Auswechselkontingent, um Mohr für Müller zu bringen, was den Regisseur außer Dienst aber nicht aufmuntern wird. Doch Mohr versteht es wie der vier Minuten nach ihm für Svensson eingewechselte Martin Trieb nicht, die verbliebene Zeit zur Werbung in eigener Sache zu nutzen. Dass es letztlich beim 2:0 bleibt, verdanken die Niedersachsen ihrem Torwart Franke sowie Trieb, Mohr, Krämer und Tobollik auf Seiten der Frankfurter. Die drei Erstgenannten können die vorhandenen Chancen, das Ergebnis deutlich nach oben zu schrauben, nicht nutzen und Tobollik bringt seine Elf mit übertriebenem Eigensinn um einen höheren Sieg. „Mit dem heutigen Sieg haben wir 5:5 Punkte aus den bisherigen Rückrundenspielen geholt. Auch in die Vorrunde waren wir mit 5:5 Punkten gestartet“, ist Weise zufrieden mit dem Erfolg gegen den Angstgegner: „Wir wissen aus der Statistik, dass wir immer Probleme mit Braunschweig haben. Ich denke an genau vor einem Jahr, als wir gegen Braunschweig 1:2 verloren. Hätte sich das heute wiederholt, wären wir auch wieder unten dabei gewesen. Deshalb haben wir recht offensiv gespielt.“ „Wir haben zu alten Tugenden zurückgefunden“, freut er sich: „Die Mannschaft hat jetzt endlich begriffen, dass Kampf ein Fundament ist, das unbedingt zum Fußball gehört.“ „Die Abstimmung im Mittelfeld muss zwar noch verbessert werden. Ansonsten habe ich mich aber in der alten Rolle gleich wieder recht wohlgefühlt“, urteilt Berthold über sein Comeback im Mittelfeld und Weise ist mit Frucks Vorstellung als Libero einverstanden: „Er sollte mehr letzten Mann spielen und nicht so sehr einen echten Libero. Das hat er ganz gut gemacht.“ Eine Dauerlösung, das betont Weise, sei diese Besetzung aber nicht. Jürgen Mohr, der seinen Platz sicher nicht auf der Ersatzbank sieht, hat sich derweil einen Maulkorb verordnet: „Ich sage überhaupt nichts mehr.“ Man wird sehen, wie lange.
Am Ende der Runde hat keine Elf so wenig Tore erzielt wie die Braunschweiger (39) und die 79 Gegentreffer werden nur vom Mitabsteiger KSC (88) übertroffen. Die Niedersachsen landen mit 20:48 Punkten auf dem letzten Tabellenplatz – neben einer besseren Tordifferenz trennen sie 9 Punkte vom Klassenerhalt. Nach ihrem ersten Abstieg aus der 1. Liga, benötigten die Braunschweiger eine Jahr um zurückzukehren, nach dem 2. Abstieg waren es zwei Jahre. Nach dem dritten Abstieg 1985 waren es aber nicht drei, sondern fast 30 Jahre: Erst 2013 wird der Deutsche Meister von 1967 wieder erstklassig. (rs)
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