Bayer Leverkusen - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1984/1985 - 19. Spieltag

3:1 (1:0)

Termin: Di 05.03.1985, 20:00 Uhr (verlegt vom 08.02.85)
Zuschauer: 8.000
Schiedsrichter: Anton Matheis (Rodalben)
Tore: 1:0 Helmut Winklhofer (39.), 2:0 Bum-Kun Cha (49.), 3:0 Christian Schreier (57.), 3:1 Jan Svensson (76.)

 

 

>> Spielbericht <<

Bayer Leverkusen Eintracht Frankfurt

  • Rüdiger Vollborn
  • Dieter Bast
  • Jürgen Gelsdorf
  • Dirk Schlegel
  • Anders Giske
  • Rudolf Wojtowicz
  • Helmut Winklhofer
  • Jürgen Röber
  • Christian Schreier
  • Bum-Kun Cha
  • Falko Götz

 


 

Wechsel
  • Florian Hinterberger für Jürgen Röber (76.)
  • Günter Drews für Falko Götz (89.)
Wechsel
Trainer Trainer

 

 

Nächtliches Training nach Absage des Spiels am Freitag, den 8. Februar 1984

Um 18.55 Uhr, also erst 35 Minuten vor dem Anpfiff, war die Partie in Leverkusen abgesagt worden. Der Platz hatte sich am Freitagabend zwar in guter Verfassung (vier Zentimeter Schnee) gezeigt, doch der starke Schneefall machte alle gutgemeinten Versuche, die Linien freizuschaufeln, zunichte. „Es hat keinen Sinn", entschied Schiedsrichter Matheis aus Rodalben, „ohne Markierungen kann ich nicht anpfeifen".

Die Spieler standen bereits umgezogen in den Kabinengängen, hatten die höchsten Stollen aufgezogen. „So ein Pech, ich bin super in Form“, flachste Karl-Heinz Körbel nach der Absage. „Eine schwierige, aber richtige Entscheidung“, kommentierte Trainer Dietrich Weise die kurzfristige Absage.

Präsident Paul Gramlich versuchte derweil, die Rückfahrt zu organisieren. In Leverkusen übernachten oder das Risiko einer langen Fahrt eingehen war die Frage. Nach Rücksprache mit der Polizei („Die Autobahnen sind glatt aber frei.“) entschied man sich für eine sofortige Heimreise. Damit hatte ein Abenteuer mit ungewöhnlichem Ende begonnen.

Denn zwischen den Autobahnkreuzen Köln und Frankfurt ging in der Nacht zum Samstag (fast) nichts mehr. Zehn Uhr morgens war die Mannschaft zum Bundesligaspiel nach Leverkusen gefahren, schon auf der Anreise fielen Thomas Berthold und Harald Krämer gelegentlich die Augen zu, nachdem sie von Mittwoch auf Donnerstag 24 Stunden lang Wache bei der Bundeswehr in Mainz-Hechtsheim gestanden hatten. Jetzt saßen sie noch einmal über vier Stunden hundemüde im Bus. Die 330 Pferdestärken nutzten nichts, nur im Schleichtempo ging's zurück durch Eis und Schnee.

Kurz vor Mitternacht, zwischen den Autobahnkreuzen Frankfurt und Offenbach stellt Trainer Dietrich Weise die Mannschaft vor die Alternative: „Jetzt gleich trainieren oder morgen früh um zehn Uhr.“ Die Spieler glauben an einen Scherz, murmeln vor sich hin, einer greift sich an den Kopf. Die Entscheidung fällt schnell: Training.

Zehn Minuten später: Roswitha Mohr glaubt an einen Scherz, als ihr Ehemann Jürgen bei Ankunft am Riederwald erklärt: „Wir trainieren jetzt!“ Die übrigen Spielerfrauen, die schon einige Zeit auf die Ankunft ihrer Männer gewartet hatten, denken ähnlich. Auch sie müssen sich fügen, setzen sich vermummt auf die alte Riederwaldtribüne, suchen Schutz vor dem kalten Wind.

Selbst Zeugwart Anton Hübler, 25 Jahre in Diensten der Eintracht, weiß nicht, wo das Flutlicht am Riederwald angeknipst wird. Platzwart Walter Jakobi wagt niemand zu wecken. 0.10 Uhr: trotzdem Training, und nur der Mond ist Zeuge. Gezwungenermaßen zeigt sich die Eintracht äußerst umweltbewußt. 70 Minuten lang kicken sich die Profis bei Frost den Frust eines 16-Stunden-Arbeitstages für nichts vom Leibe.

„Nachts um elf habe ich zwar schon in Barcelona gespielt, ein Training um Mitternacht aber geht in die Geschichte der Bundesliga ein", befindet Thomas Kroth. Für Martin Trieb war's „eine echte Gaudi“, Jan Svensson „hat es großen Spaß gemacht“ — so denken fast alle. „Bei der Witterungslage wollte ich meinen Spielern die gefährliche Anreise zum Training am Samstag ersparen“, erklärte Weise die Maßnahme als Akt der Fürsorgepflicht.

Nach der langen Nacht urteilte der Trainer: „Die Stunde verging wie im Fluge. Das ganze war eine Riesen-Gaudi. Alle waren mit Spaß wie nie bei der Sache. Nach insgesamt sechs Stunden im Bus war das Spielchen im Schnee genau die richtige Abwechslung." (Abendpost-Nachtausgabe)


Millionen-Elf zerlegt Talentschuppen

„Der Spiegel“ kümmert sich seit Anfang der Woche um die Frankfurter Eintracht und saß neben der Trainer-Prominenz Gutendorf, Vogts, Ristic, Roggensack, Ferner und Kremer auf der Tribüne. Bayer Leverkusen wäre die bessere Story gewesen. Denn die Millionen-Truppe Detmar Cramers schoß den Talentschuppen Dietrich Weises innerhalb von 18 Minuten zusammen. 3:1 (1:0) siegten die Werksprofis auch in dieser Höhe verdient gegen die Jungprofis durch Tore von Winklhofer (39.), den wie entfesselt aufspielenden Bum Kum Cha (49.) und Schreier (57.). Nach dem 2:0 über den HSV war dies der zweite klare Bayer-Triumph innerhalb von vier Tagen. Im gleichen Zeitraum mußte dagegen die Frankfurter Eintracht nach dem 1:2 in Kaiserslautern die zweite Auswärtsniederlage einstecken. Bayer konnte eben den Ausfall eines Waas (Grippe) verkraften, die Eintracht das Fehlen von Kroth und Falkenmayer (er kam erst nach einer Stunde, als beim 0:3 schon alles entschieden war) eben nicht.

In Tempo und Technik, Spielwitz und Angriffselan war Bayer der Eintracht klar überlegen. Ronald Borchers auf der Tribüne: „Leverkusen lieferte eine Prachtpartie und knüpfte nahtlos da an, wo die Mannschaft gegen den HSV aufgehört hat. Am meisten bei der Eintracht hat mir Harald Krämer gefallen, der ungemein beweglich war.“ Auch Cesary Tobollik, der oft nur mit vielen Fouls zu stoppen war, lieferte noch eine gute Partie. Das Gegentor durch Jan Svensson, eine Viertelstunde vor Schluß, war ein Geschenk des Bayer-Torhüters Vollak.

Bange Minuten mußte die Eintracht nach 20 Minuten durchstehen, als sich Thomas Berthold am rechten Knöchel verletzte und vorübergehend den Platz verließ. Ralf Falkenmayer machte sich bereits zur Auswechslung bereit, doch dann kehrte der Eintracht-Libero — humpelnd zwar — auf seinen Posten zurück. Aus dem Mittelfeld kam bei der Eintracht nichts, wenig Entlastung nach hinten und wenig Druck nach vorn. Norbert Fruck war mit seinem auf Sicherheit und Sachlichkeit bedachten Spiel noch der beste Mittelfeldmann, denn Mohr ergriff erst die Initiative, als das Spiel bereits verloren war.

Das 0:0 bis zur 38. Minute schmeichelte der Eintracht, allein schon wegen dieses gewaltigen Kopfballs von Bum Kun Cha in der 28. Minute an den Pfosten. Nach einem Eckball von Winklhofer stieß der Koreaner nach einem Zehn-Meter-Anlauf den Ball mit solcher Wucht aufs Frankfurter Tor, daß das ganze Gebälk wackelte und ächzte. Glück hatte die Eintracht auch nur eine Minute zuvor, daß Schiedsrichter Matheis nicht Elfmeter pfiff. Denn Kraaz hatte im Strafraum mit einem Spagat Schreier elfmeterreif zu Fall gebracht.

Das 1:0 in der 39. Minute war zwar zwangsläufig, aber nicht nötig. Zwangsläufig, weil es jener Mann schoß, den die sonst konsequente Eintracht-Abwehr in den ersten 45 Minuten einfach nicht unter Kontrolle bekam: Helmut Winklhofer. Daß der Leverkusener Außenlinienflitzer wieder einmal Boy auf und davon lief, war fast schon normal. Daß sich aber dann Jürgen Pahl von dessen Schuß aus spitzestem Winkel, fast von der Torauslinie aus, überrumpeln ließ, war für die Eintracht doch ein großer Schock.

Erst danach hatte die Eintracht ihre zwingendsten Torchancen. Einmal wurde Norbert Fruck im Strafraum in letzter Sekunde vom Ball gedrängt, und dann meisterte Leverkusens Torhüter Vollborn einen gewaltigen Schuß von Harald Krämer mit einer großartigen Parade.


Vier Minuten nach der Pause fiel die Vorentscheidung: Karl-Heinz Körbel sah sich im Strafraum plötzlich zwischen Schreier und Cha alleingelassen, als Schlegel Cha mit einem Paß bediente, Körbel sich aber auf Schreier stürzte. Der Koreaner ließ sich diese Chance nicht entgehen. Genauso kraftvoll wie vorher sein Kopfball, zischte diesmal sein Schuß aufs Tor, aber diesmal in den Winkel.

Nach 56 Minuten erlöste Trainer Dietrich Weise endlich Boy und brachte für ihn Trieb. Doch schon eine Minute später war das Spiel endgültig entschieden. Ein weiter Einwurf von Schlegel direkt vor das Frankfurter Tor überraschte die Eintracht-Abwehr derart, daß sie den Ball nicht wegbrachte. Schreier fackelte nicht lange und schob den Ball über die Linie.

Aber die Eintracht kämpfte wenigstens unverdrossen weiter. In der 63. Minute brachte Weise auch noch Ralf Falkenmayer für Sievers. Doch da war schon alles verloren. Erst jetzt schwang sich auch endlich Jürgen Mohr auf, ergriff im Mittelfeld die Initiative und prüfte Bayer-Torwart Vollak mit einer ganzen Reihe von weiten Schüssen. Die Eintracht kam zum Schluß sogar noch zu ihrem Gegentor in der 76. Minute durch Jan Svensson, der einen Abschlag von Vollak direkt vor seine Füße aufnahm und sich dieses Geschenk nicht entgehen ließ. (Abendpost-Nachtausgabe vom 06.03.1985)

 

 

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