Borussia Mönchengladbach - Eintracht Frankfurt

DFB-Pokal 1984/1985 - 2. Hauptrunde

4:2 n.V. (2:2, 1:1)

Termin: 21.11.1984
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Wilfreid Heitmann (Drentwede)
Tore: 1:0 Hans-Jörg Criens (1.), 1:1 Karl-Heinz Körbel (34.), 2:1 Uwe Rahn (64. Elfmeter), 2:2 Uwe Müller (86.), 3:2 Bernd Krauss (102.), 4:2 Ewald Lienen (105.)

 

 

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Borussia Mönchengladbach Eintracht Frankfurt

  • Ulrich Sude
  • Wilfried Hannes
  • Ulrich Borowka
  • Hans-Günter Bruns
  • Kai-Erik Herlovsen
  • Bernd Krauss
  • Uwe Rahn
  • Ewald Lienen
  • Michael Frontzeck
  • Frank Mill
  • Hans-Jörg Criens

 


 

Wechsel
  • Thomas Herbst für Wilfried Hannes (46.)
  • Hans-Georg Dreßen für Frank Mill (82.)
Wechsel
Trainer Trainer

 

Blumen für den Verlierer

„Was schenken wir bloß Trainer Weise zum 50. Geburtstag?“, lautete die Frage, die Kapitän Karl-Heinz Körbel seinen Kollegen stellte. Man einigte sich auf einen Präsentkorb und wird zudem heute versuchen, dem Fußballlehrer an seinem Ehrentag im DFB-Pokalspiel auch dessen sportliche Wünsche zu erfüllen: „Einen Sieg in Gladbach und bloß keine Verlängerung“.

Anders als im Finale des UEFA-Pokals 1980 hat es die Eintracht bei den bisherigen Duellen in nationalen Pokalwettbewerben allerdings noch nicht geschafft, sich gegen die Gladbacher durchzusetzen. Als Verlierer gingen die Hessen auf dem Bökelberg schon in der Saison 1971/72 vom Platz, waren jedoch noch nicht ausgeschieden, weil man just zu jener Runde die Idee umsetzt hatte, den nationalen Pokalwettbewerb wie die europäischen mit Hin- und Rückspiel auszutragen. Der Eintracht nutzte es nichts, denn nach dem 2:4 in Gladbach gelang im Rückspiel lediglich ein 3:2. Nickels Eigentor zum Endstand im Hinspiel und vor allem Netzers später Anschlusstreffer im Waldstadion sorgten für das Ausscheiden der Frankfurter, die sich für das Fazit von Bundestrainer Helmut Schön nichts kaufen konnten: „Ein großes Pokalspiel.“

Der Versuch mit den Hin- und Rückspielen im DFB-Pokal wurde in der folgenden Saison noch einmal probiert und dann wieder zu den Akten gelegt. Nicht nur zum Wohle aller klassentieferen Außenseiter, die sich nur bei einem Duell Chancen auf eine Sensation ausrechnen durften, wenn der haushoch überlegene Favorit nicht die Gelegenheit hatte, die Scharte im Rückspiel wieder auszuwetzen. Und ob die Frankfurter Eintracht 1974 wohl zum ersten Mal Pokalsieger geworden wäre, wenn sie nach dem 2:2 nach 90 Minuten zu einem Rückspiel in Köln oder nach dem in letzter Minute durch einen strittigen Strafstoß erzielten 3:2 gegen Bayern noch einmal in München hätte antreten müssen?

Wie auch immer – im ebenfalls schnell wieder abgeschafften Ligapokal traf man 1972/73 noch einmal auf die Gladbacher. Dem 1:3 auf dem Bökelberg folgte dieses Mal ein 1:0 in Frankfurt. Und wieder war die von Hennes Weisweiler trainierte „Fohlenelf“ in der Endabrechnung um ein Tor besser als die Jungs von Erich Ribbeck. Der war so enttäuscht, dass er nicht einmal merkte, dass seine Elf zwar ausgeschieden, aber in dieser Partie dennoch auch siegreich war: „Wir hatten viele Chancen gehabt und hätten doch verdient gewinnen müssen.“

Heute reist die Eintracht zwar mit dem Rückenwind des 2:1-Sieges gegen den BVB an, doch gleichsam im Wissen, von den letzten fünf Auswärtsspielen in der Liga vier verloren zu haben. Mut macht, dass man den einzigen Auswärtssieg dieser Saison im DFB-Pokal landen konnte. Dem 3:1 in Braunschweig folgte allerdings 20 Tage später an selber Stelle im Punktspiel eine derbe 0:5-Schlappe …

Gladbach, die man übrigens ebenfalls schon in zweieinhalb Wochen in der Liga im Waldstadion wiedersehen wird, hat das Schlusslicht aus Braunschweig vor wenigen Wochen mit sage und schreibe 10:0 abgefertigt. Aber die Truppe von Trainer Heynckes, die in der letzten Saison in der Liga Dritter wurde und im Pokalfinale stand, ist auch schon deshalb Favorit, weil sie aktuell mit nur einem Punkt Rückstand Zweiter hinter Tabellenführer Bayern München ist, während die Eintracht sich gerade vom 12. auf den 10. Rang verbessern konnte.

Die Stimmung rund um den Bökelberg ist allerdings trotz des 2:1-Sieges gegen den VfB Stuttgart am letzten Samstag sowie dem 5:1-Sieg beim 1. FC Köln vor einer Woche nicht ungetrübt. Das Ausscheiden in der 2. Runde des DFB-Pokals schmerzt. Nach dem 3:2-Sieg im Heimspiel gegen Widzew Lodz bedeutete das einzige Tor im Rückspiel durch den polnischen Nationalspieler Wlodzimierz Smolarek das Aus für den deutschen Vertreter vom Niederrhein.

Die Elf, die zuletzt den VfB durch ein Eigentor von Bernd Förster geschlagen hat, wurde von Heynckes kaum verändert. Lediglich der gegen die Schwaben zur zweiten Halbzeit für Hans-Georg Dreßen in die Partie gekommene Hans-Jörg Criens startet heute von Beginn an. Das verwundert nicht, denn der Torjäger, der in dieser Runde bereits neun Pflichtspieltore erzielt hat, traf gegen die Schwaben schon zehn Minuten nach seiner Einwechslung.

Auch heute netzt er zum Leidwesen der Frankfurter ein. Und das so schnell, dass nicht einmal alle der 20.000 Zuschauer Gelegenheit hatten, ihre Plätze einzunehmen. Ralf Falkenmayer will den über Uwe Rahn und Winfried Hannes vorgetragenen ersten Angriff mit einem Befreiungsschlag abwehren, trifft dabei aber den Rücken des abdrehenden Hannes. Von diesem prallt der Ball zu Rahn, der sofort abzieht. Torhüter Pahl kann den Schuss zwar parieren, doch beim folgenden Abstauber aus spitzem Winkel des nachsetzenden Criens ist er wehrlos. Nach nicht einmal einer halben Minute steht es bereits 1:0 für die Gastgeber.

Weises Elf erholt sich rasch von diesem Schock, muss aber zunächst den Gastgebern das Spiel überlassen, dessen Fluss auf beiden Seiten unter dem – nach dem ausgiebigen morgendlichen Regen – tiefen, fast morastigen Untergrund leidet. Für Unruhe im Frankfurter Strafraum sorgt besonders Criens, den Körbel in der ersten halben Stunde trotz scharfer Bewachung nicht unter Kontrolle bekommt. Nach einer knappen Viertelstunde trifft der Torjäger den Pfosten und in der 25. Minute verfehlt er den Kasten, als er nach einer Flanke von Bernd Krauss und einer verunglückten Kopfballabwehr von Thomas Berthold den Ball mit dem Kopf über das leere Tor bugsiert.

Die beweglichen und spritzigen Gäste vom Main befreien sich aber zusehends und haben nun ihrerseits Vorteile, vor allem dann, wenn Berthold mit nach vorne geht. Und nach einer knappen halben Stunde erhält die Eintracht die große Gelegenheit zum Ausgleich: Schlussmann Sude ist bei Cezary Tobolliks aus der Drehung abgefeuerten Schuss schon geschlagen, doch Krauss steht auf der Linie und wehrt den Ball mit dem Kopf ab.

Fünf Minuten später passiert es dann aber. Norbert Fruck, der viel Druck nach vorne macht, schlägt den Ball in den Strafraum. Körbel zieht ab, Ulrich Sude fliegt in die bedrohte Ecke, doch der erneut unabsichtlich getroffene Hannes gibt dem Ball wiederum eine andere Richtung. Und so liegt Sude in der linken Ecke, während die Kugel in der rechten ins Netz geht. „Ich habe überlegt, wohin abspielen, dann geschossen“, kommentiert Körbel, der die Eintracht 1975 zum zweiten DFB-Pokalsieg schoss, seinen ersten Treffer in diesem Wettbewerb seit dem 1.8.1975. Damals verwandelte der Vorstopper beim 6:0 gegen Viktoria Köln einen Foulelfmeter. Wichtiger dürfte für ihn aber sein, dass er nach dem Anfang Mai erlittenen Beinbruch wieder zu alter Stärke zurückgefunden hat.

Der stämmige Harald Krämer hat dagegen auf diesem Boden wortwörtlich einen schweren Stand: Er kann sich gegen Hannes nicht durchsetzen. Dennoch hat er zwei Minuten vor der Halbzeit die Führung für die Frankfurter auf dem Fuß. Aus kurzer Distanz gelingt es ihm aber nicht, Tobolliks Flanke im Gladbacher Tor unterzubringen. Der Ball geht am Pfosten vorbei. Tobollik übrigens gefällt heute nicht nur wegen seiner bekannten Dribbelstärke auf, sondern auch wegen der von ihm nicht unbedingt erwarteten Kampfkraft.

Zum zweiten Durchgang bringt Heynckes Thomas Herbst für Hannes, was für Krämer keinen Unterschied macht. Auch gegen diesen Gegenspieler sieht er kein Land. Kroth geht es nicht viel besser. Seine Ideen bleiben im Schlamm stecken. Und während Trieb, wie so oft, weder auf- noch abfällt, ist es Falkenmayer, der dem Spiel der Eintracht, die aus einer geordneten Abwehr heraus das Geschehen kontrolliert, Struktur und Halt verleiht. Der schmächtige junge Mann ist ein überragender Organisator.

Insgesamt ziehen allerdings beide Mannschaften im Vergleich zur ersten Halbzeit ein bisschen die Handbremse an. Die Rutschpartie auf diesem Untergrund kostet Kraft und die gilt es zu sparen. Das ist vernünftig, denn eine Verlängerung in diesem Vergleich zweier bislang gleichwertiger Mannschaften ist nicht ausgeschlossen.

Doch dann bringt Jan Svensson seine Elf ohne Not ins Hintertreffen. Er verliert den Ball in der eigenen Hälfte durch eine Tändelei an Criens. Svensson versucht den kapitalen Fehler mit zwei plumpen Fouls zu korrigieren. Beim ersten entscheidet der Schiedsrichter auf Vorteil und lässt den Schweden weiter gewähren, doch beim zweiten Versuch bringt der Eintracht-Spieler den Angreifer zu Fall. Wilfried Heitmann entscheidet sofort auf Strafstoß, was der Täter für ein Fehlurteil hält: „Ich habe ihm vor der Linie die Beine weggezogen. Er ist dann noch ein, zwei Schritte in den Strafraum gestolpert“, beteuert Svensson: „Ich brenne darauf, die Szene noch einmal im Fernsehen zu sehen.“ Rahn, der bei seinem Länderspieldebüt Mitte Oktober im EM-Qualifikationsspiel gegen die schwedische Auswahl gleich nach seiner Einwechslung mit seinem ersten Länderspieltor die Führung erzielte, lässt die Diskussion kalt: Er verwandelt den Elfmeter nervenstark.

Die Eintracht muss nun mehr riskieren und tut das auch. Sie schnürt die Gladbacher in deren Hälfte ein und nur zwei Minuten nach dem Rückstand verpassen gleich vier Frankfurter eine Flanke von Trieb und den möglichen Ausgleich. Berthold krempelt die Ärmel hoch, stürmt pausenlos nach vorne und avanciert jetzt zum stärksten Spieler seiner Elf. Dabei bleiben die konterstarken Gladbacher natürlich stets gefährlich. Rahn hat in der 74. Minute die große Chance, das Spiel zu entscheiden. Nach einem Doppelpass mit Criens scheitert der Nationalspieler aber an der Latte.

120 Sekunden später zieht Weise einen Joker, der bekanntlich tatsächlich auch einer ist: Uwe Müller. Müller kommt für den Unglücksraben Svensson und zehn Minuten danach schlägt der blonde Angreifer wie erhofft zu. Nach einem Eckstoß, den Tobollik in den Strafraum bringt und bei dem sich der unter dem Ball umherirrende Sude verschätzt, steht Müller am Pfosten völlig frei und köpft das 2:2. In der letzten Minute hat Müller sogar den Siegtreffer auf dem Fuß, doch sein Dribbling wird im Strafraum von Borowka gestoppt. Die Gäste fordern einen Strafstoß, doch dieses Mal bleibt die Pfeife von Heitmann stumm.

Es ist ein großer Pokal-Kampf, der nun in die Verlängerung geht. Allerdings ohne Frank Mill, den Heynckes bereits in der 82. Minute gegen Dreßen ausgetauscht hat. Und das mit Recht, denn gegen Ralf Sievers gelang dem Stürmer in dieser Partie kein Stich. Sievers zeigt aber nicht nur eine große kämpferische Leistung, er sorgt auch immer wieder für Druck nach vorne.

Das Spiel wogt hin und her, doch dann schlägt das Pendel zugunsten der Gastgeber aus. Bruns schlägt einen seiner Pässe über 40 Meter auf Kai-Erik Herlovsen, der leitet weiter auf Krauss und nach 103 Minuten steht es 3:2. Und noch bevor Heitmann die erste Hälfte der Verlängerung beendet, startet Lienen einen seiner Solo-Läufe. Diesem haben nacheinander Falkenmayer, Berthold und zuletzt Pahl nichts entgegenzusetzen. Das 4:2 entscheidet diese Begegnung, an deren Ende das glücklichere Team gewinnt. Dass Falkenmayer vorher die Querlatte trifft, unterstreicht diesen Umstand noch einmal.

Ganz mit leeren Händen müssen die Frankfurter die Heimreise dann aber doch nicht antreten, denn die Gladbacher sind gute Gastgeber und wissen, was sich gehört. Wie auch Frankfurts Trainer Weise, der sich für den Blumenstrauß bedankt, den ihm Mönchengladbachs Präsident Beyer zu Beginn der Pressekonferenz überreicht, und augenzwinkernd hinzufügt: „Das hat es wohl auch noch nicht gegeben, dass ein Verlierer Blumen bekommt.“

„Bewundernswert die Moral beider Mannschaften“, lobt Gladbachs Trainer Heynckes und weiß, wie sehr das Weiterkommen seiner Elf auf der Kippe stand: „Die Eintracht war spielerisch, läuferisch und kämpferisch ebenbürtig, wir im Endeffekt etwas glücklicher.“ „So laufen Pokalspiele. Freude und Trauer liegen dicht beisammen“, lautet Weises sportlich-faires Fazit: „Ich habe Achtung vor beiden Mannschaften, die auf diesem unmöglichen Boden 120 Minuten Tempofußball spielten. Mit unserer Mannschaftsleistung bin ich zufrieden.“

Nicht zufrieden sind die Gäste natürlich mit der Leistung des Unparteiischen. „Der Schiedsrichter, der sonst gut leitete, war in den beiden entscheidenden Phasen eben nicht auf unserer Seite, uns nicht wohlgesonnen. Meine Spieler schwören jedenfalls, dass der gegebene Elfmeter gegen uns keiner war, und der für uns nicht gegebene einer war“, sagt Weise und fügt hinzu: „Der Schiedsrichter hatte einfach nicht den Mut, in letzter Minute noch einen Elfmeter zu geben.“

Ein „Betrug vor 20.000 Zeugen“ war es dagegen für Torhüter Pahl und auch Berthold schimpft: „Mit solch einem Unparteiischen kann man auswärts nicht gewinnen. Wenn er diesen Elfer für Gladbach gibt, hätte er Borowkas Foul an Uwe Müller in der 90. Minute auch pfeifen müssen.“ „Das ist der Heimvorteil“, erklärt Gladbachs Vizepräsident Dr. Böhm: „In Pokalspielen ist er unbezahlbar.“ (rs)

 

 

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