Werder Bremen - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1984/1985 - 7. Spieltag

3:3 (2:1)

Termin: Sa 06.10.1984, 15:30 Uhr
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Joachim Kautschor (Eschweiler)
Tore: 1:0 Bruno Pezzey (24.), 2:0 Benno Möhlmann (43.), 2:1 Martin Trieb (45.), 2:2 Thomas Berthold (59.), 2:3 Harald Krämer (77.), 3:3 Bruno Pezzey (90.)

 

 

>> Spielbericht <<

Werder Bremen Eintracht Frankfurt

  • Dieter Burdenski
  • Bruno Pezzey
  • Michael Kutzop
  • Yasuhiko Okudera
  • Jonny Otten
  • Thomas Schaaf
  • Benno Möhlmann
  • Norbert Meier
  • Wolfgang Sidka
  • Rudi Völler
  • Frank Neubarth

 


 

Wechsel
  • Günter Hermann für Thomas Schaaf (63.)
Wechsel
Trainer
  • Otto Rehhagel
Trainer

 

Wie eine Niederlage

Nach dem 3:0-Heimsieg gegen Arminia Bielefeld geht es für die Eintracht in der Partie bei Werder Bremen nun darum, die 0:5-Klatsche aus dem letzten Auswärtsspiel in Braunschweig vergessen zu machen. Das erscheint nicht unmöglich, da die Frankfurter vor sieben Monaten im Abstiegskampf im Weser-Stadion einen überraschenden 3:2-Sieg feiern konnten. Werder allerdings ist ebenfalls in Zugzwang, da die Mannschaft von Trainer Otto Rehhagel am letzten Wochenende nach einem 2:3 in Düsseldorf den zweiten Tabellenplatz abgegeben hat und am Mittwoch in der 1. Runde des UEFA-Pokals gegen den RSC Anderlecht ausgeschieden ist. Dabei schien das Weiterkommen gegen die Elf, die diesen Wettbewerb 1983 gewonnen hat und im letzten Mai im Finale den Tottenham Hotspurs erst im Elfmeterschießen unterlegen war, fast schon ausgemacht. Nach der knappen 0:1-Niederlage im Hinspiel, bei der der Treffer durch Alexandre Czerniatynski erst in der 87. Minute fiel, führte Werder nach zwei Toren von Wolfgang Sidka bereits mit 2:0, bevor Sidka erneut traf – diesmal aber ins eigene Tor.

Bei den von Haus aus stürmischen Bremern, bei denen vor der Saison Karl-Heinz Kamps und verletzungsbedingt Uwe Bracht ihre Profi-Karriere beendet haben, ist die Abwehr die Achillesferse. Nachdem der ehemalige Abwehrchef Klaus Fichtel, der in der letzten Runde nur noch auf acht Punktspiele kam, mit 39 Jahren als Co-Trainer zu Schalke 04 zurückgekehrt ist, erhofft sich Trainer Rehhagel durch Michael Kutzop mehr Stabilität in seiner Hintermannschaft. Der Neuzugang vom Absteiger Kickers Offenbach machte jedoch bisher mehr in der Offensive auf sich aufmerksam: Zum Rundenauftakt gelang ihm in der 86. Minute der 1:0-Siegtreffer gegen Bayer Uerdingen und am 4. Spieltag in der Schlussminute das Tor zum 3:1-Endstand beim VfB Stuttgart. In Frankfurt ist er ebenfalls durch Treffer in Erinnerung: Mit dem einen sorgte er in der letzten Saison für eine Niederlage der Eintracht, mit dem anderen, einem Eigentor, leitete er den Sieg der Frankfurter übers Kickers Offenbach ein.

Die Riederwälder verstecken sich heute zwar nicht, agieren aber erst einmal aus einer verstärkten Deckung heraus. Das klappt in den ersten 15 Minuten ganz gut, denn die engen Räume lassen Werders Angreifer nicht zur Entfaltung kommen. Armin Kraaz kümmert sich um Rudi Völler, dem in dieser Saison erst ein Tor gelungen ist, und Karl-Heinz Körbel ist auf Frank Neubarth angesetzt, was dem baumlangen Bremer überhaupt nicht behagt. Mehr Probleme als mit den Sturm des SV Werder hat die Eintracht vorerst mit dem steifen Wind, den die Bremer im Rücken haben und den Gästen ins Gesicht bläst.

Bruno Pezzey, der ehemalige Eintrachtspieler, übernimmt sofort die Rolle eines zurückgezogenen Mittelstürmers. Paradoxerweise ist der Libero deswegen überwiegend im Strafraum der Frankfurter anzutreffen. Rehhagel setzt nicht alles auf eine Karte, aber mal wieder auf Angriff, die ja die beste Verteidigung sein soll. Und so kommen die Gastgeber in der 17. Minute auch zur ersten Einschussgelegenheit, als Völler Kraaz versetzt und nach innen flankt. Dort hat Neubarth das leere Tor vor sich, doch er scheitert an der Fußspitze Ralf Falkenmayers, der beherzt dazwischen grätscht.

Wenige Minuten später tauchen auch die Gäste erstmals gefährlich vor dem Bremer Kasten auf. Auf dem rechten Flügel schlägt Thomas Berthold einen langen Ball Richtung Tor und überlupft so den überraschten Schlussmann Burdenski, der Glück hat, dass das Leder nicht nur über ihn, sondern auch über seinen Kasten hinweg rauscht. Der Gegenzug sieht Okudera auf dem linken Flügel. Er zieht seine Flanke weit hinüber nach rechts, wo Körbel Neubarth einmal aus den Augen verloren hat. Der Bremer kann ungedeckt parallel zum Tor wieder nach innen passen und findet dort den wartenden Pezzey, der keine Mühe hat, den Ball ins Netz zu schieben.

Dem 1:0 nach 24 Minuten folgt in der 33. fast der zweite Treffer. Sidka kommt nach einem Freistoß, den Kutzop von rechts in den Strafraum geschlagen hat, zum Kopfball, scheitert aber an Jürgen Pahl, der den Ball gerade noch an den Pfosten lenken kann. Im nicht hochklassigen, aber abwechslungsreichen Spiel verpasst Falkenmayer, der zweifache Torschütze des letzten Duells beider Teams, nach guter Vorarbeit von Berthold die große Möglichkeit zum 1:1.

Der Ärger über die ausgelassene Möglichkeit wird in der 43. Minute noch größer, als sich Thomas Kroth im Fünfmeterraum von Sidka ausspielen lässt und Möhlmann bei Sidkas anschließenden Flachpass nach innen nur noch den Fuß hinzuhalten braucht. Körbels Rettungsversuch auf der Linie kommt zu spät. Doch just als sich den Bremern große Möglichkeiten zum 3:0 bieten und sich bei den Gästen die ersten unangenehmen Erinnerungen an das 0:5-Debakel in Braunschweig einstellen, fällt der Anschlusstreffer. Martin Trieb hat mit rechts famos abgezogen und Burdenski kurz vor dem Pausenpfiff zum ersten Mal das Nachsehen gegeben.

Dass dieses Gegentor zu einem so genannten psychologisch ungünstigen Moment gefallen ist, lassen sich die Gastgeber zu Beginn der zweiten Hälfte nicht anmerken. Im Gegenteil: Wie gereizte Stiere nehmen sie Triebs Treffer auf und drängen mit Macht auf das 3:1. Und schon drei Minuten nach dem Wechsel hat Völler dieses auf dem Fuß, nachdem er im Sechzehner an Kraaz vorbei gegangen ist. Doch freistehend vor Pahl knallt er den Ball auf die Fäuste des Keepers. Auch wenn Völlers Formkurve wieder nach oben zeigt, seine Torflaute hält an.

In der 52. Minute muss Pahl dann sein ganzes Können aufbieten, als Verteidiger Thomas Schaaf Maß nimmt. Keine Frage, Werder ist am Drücker. Eintrachttrainer Dietrich Weise will die nun fast schon eine Stunde andauernde Vorherrschaft der Norddeutschen brechen und bringt dazu den wuchtigen Harald Krämer für Uwe Müller, dem heute Durchsetzungsvermögen und Durchschlagskraft abgehen. Es ist aber nicht der Joker, der zwei Minuten später für den Ausgleich sorgt, sondern Berthold. Falkenmayer, der unauffällig, aber wirkungsvoll agiert, bringt einen Eckball von der rechten Seite hoch nach innen, wo Berthold mit einem Flugkopfball das 2:2 besorgt.

Jetzt reagiert Rehhagel und wechselt in der 63. Minute Günter Hermann für Schaaf ein, doch auch Hermann kann nicht verhindern, dass die Gastgeber das bis dahin überlegen geführte Spiel mehr und mehr aus der Hand geben. Die Eintracht überbrückt das Mittelfeld nun mit gelungenen Kombinationen, wobei vor allem Berthold zum Dreh- und Angelpunkt der Frankfurter Spielzüge wird. Kroth und Sievers unterstützen seine Ideen dabei kongenial. Sievers macht mächtig Druck und bindet sich geschickt ins Kombinationsspiel ein, was verschmerzen lässt, dass zwei, drei seiner Flanken hinter das Tor segeln. Auch Jürgen Mohr ist läuferisch stark, bietet sich immer wieder an und fordert den Ball. In der Schlussphase fällt der Spielmacher allerdings zunehmend durch allzu überhebliches und leichtsinniges Spiel negativ auf.

Eine knappe Viertelstunde vor dem Ende bietet sich Berthold nach Zuspiel von Krämer die Chance zum 3:2, doch der beste Frankfurter bekommt die Kugel nicht unter Kontrolle und verstolpert. Kaum 60 Sekunden danach geht Kroth mit nach vorne und spielt Jan Svensson frei. Burdenski kann dessen Schuss zwar zur rechten Seite lenken, doch da lauert Krämer und wuchtet das Leder unter die Latte. Wie schon im letzten Spiel gegen Bielefeld trifft der Joker erneut.

Die Eintracht ist auf dem Weg zu einem Auswärtssieg. Mohr, Trieb, Sievers und Svensson haben Möglichkeiten zum 4:2, doch keiner von ihnen trifft. Das erscheint vorerst nicht weiter schlimm, denn Bremens eine Stunde lang furios stürmende Offensive kommt über Stückwerk nicht mehr hinaus. Als sich jedoch Rehhagel an der Seitenlinie schon verzweifelt die Haare rauft, köpft Pezzey neben dem zur Salzsäule erstarrten Berthold in der Schlussminute zum 3:3 ein … Wie schon beim KSC, als Kraaz in der 88. Minute ein Eigentor zum 2:2 unterlief, oder beim 1:1 gegen Lautern, das Thomas Allofs vier Minuten vor dem Schlusspfiff erzielte, kann die Eintracht auch in Bremen die Führung nicht über die Zeit bringen. Den Frankfurtern geht dadurch erneut ein Punkt und den Spielern zusätzliche 1.500 DM Prämie flöten.

„Ich empfinde dieses Unentschieden wie eine Niederlage“, sagt Mohr nach dem Abpfiff und Trainer Weise nimmt die Unkonzentriertheiten in der Schlussphase zum Anlass für eine Mannschaftssitzung: „Ich sehe darin eine Tragik, aber auch Unfähigkeil. So dicht vor dem Ziel muss man sich auf Ball, Gegner und Nebenmann konzentrieren. Mit drei Punkten mehr, stünden wir weit oben. Macht euch bitte Gedanken darüber!“

Die Abendpost/Nachtausgabe sieht die mangelnde Konstanz der jungen Truppe weniger kritisch als der erfahrene Fußballlehrer, der seine Schützlinge weit über ihrem tatsächlichen Entwicklungsstand gelobt sieht, und bilanziert: „Trotz des Punktverlustes in letzter Sekunde unterstrich die Eintracht erneut: Dieser Mannschaft gehört die Zukunft.“ In der Gegenwart jedoch ärgert sich Armin Kraaz über den Bremer Norbert Meier, der nach seinem Sturz im Strafraum vehement einen Elfmeter gefordert hatte: „Der fliegt wie ein Schmetterling.“ (rs)

 

 

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