Bayer Leverkusen - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1980/1981 - 3. Spieltag

3:2 (1:0)

Termin: Sa 23.08.1980, 15:30 Uhr
Zuschauer: 11.000
Schiedsrichter: Klaus Ohmsen (Hamburg)
Tore: 1:0 Arne-Larsen Ökland (23.), 2:0 Dieter Herzog (60.), 2:1 Bernd Nickel (77.), 3:1 Dietmar Demuth (84., Foulelfmeter), 3:2 Norbert Nachtweih (87.)

 

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Bayer Leverkusen Eintracht Frankfurt

  • Fred-Werner Bockholt
  • Walter Posner
  • Jürgen Gelsdorf
  • Dietmar Demuth
  • Markus Elmer
  • Jürgen Glowacz
  • Thomas Hörster
  • Peter Hermann
  • Arne-Larsen Ökland
  • Dieter Herzog
  • Wolfgang Vöge

 


 

Wechsel
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Trainer
  • Willibert Kremer
Trainer

 

 

Gelsdorf trat Cha ins Krankenhaus

Die erste Niederlage der Frankfurter Eintracht bei Bayer Leverkusen war unnötig. Das frühe Ausscheiden von Bum Kun Cha bereits nach zwölf Minuten nach einem schweren Foul von Gelsdorf und zwei krasse Fehler einzelner Spieler (Lottermann zum 1:2 und Nachtweih zum 1:3) warfen die Eintracht immer wieder aus der Bahn, als sie sich anschickte, Spiel und Gegner zu kontrollieren. „Die Eintracht hat das Spiel zwar meist streckenweise kontrolliert, hatte aber wenig Chancen. Mit Cha wäre es sicherlich ganz anders gelaufen“, kommentierte Jürgen Grabowski. Der Koreaner mußte ins Krankenhaus gebracht werden, wo ein Abriß des zweiten Lendenwirbels festgestellt wurde. Weitaus mehr Chancen als die Frankfurter hatten hingegen die kampfstarken Leverkusener, die durch Ökland, Herzog und Demuth ihren Vorsprung herausschossen und die verzweifelte Aufholjagd der Eintracht nach Toren von Nickel und Nachtweih aus einer resoluten Abwehr heraus niederschlugen. Pezzey, obwohl vom Publikum gnadenlos ausgepfiffen, war dennoch Frankfurts Bester. Bei Leverkusen imponierte Kapitän Hörster mit seinem klugen, ruhigen Spielweise als Dreh- und Angelpunkt des Spiels seiner Mannschaft im Mittelfeld.

Die Atmosphäre war von Anfang an vergiftet — und nicht durch die Schornsteine der benachbarten Bayer-Werke. Das „Gift“ richtete sich gegen die beiden Weltstars der Eintracht, gegen Bruno Pezzey und Bum Kun Cha. Pezzey, mit zwei langen Sperren nach den letztjährigen Spielen gegen Leverkusen wahrlich schwer gestraft, wurde bei der Begrüßung und bei jeder Ballberührung vom Publikum gnadenlos ausgepfiffen. Untermalt wurden die Pfeifkonzerte noch von Sprechchören wie „Pezzey, du Arschloch“. So etwas läßt natürlich auch einen abgeklärten Profi wie Pezzey nicht ganz kalt.

Noch giftiger und gefährlicher vor allem waren die Angriffe gegen Bum Kun Cha. Obwohl ihm der aufmerksame Schiedsrichter Klaus Ohmsen von Anbeginn jeglichen Schutz zukommen ließ, hatten die Leverkusener den koreanischen Hasen bereits nach zwölf Minuten erlegt. Zweimal hatte ihn Demuth gefoult, zweimal pfiff der aufmerksame Ohmsen. Beim dritten, diesmal brutalen Foul von Leverkusens Libero Jürgen Gelsdorf, zog Ohmsen die gelbe Karte, konnte damit aber Bum Kun Cha auch nicht mehr retten. Ein Tritt in die Beine, das Knie in die Nieren — und Cha krümmte sich vor Schmerzen an der Auslinie. Er wurde auf einer Trage weggebracht. und durch Stephan Lottermann ersetzt.

„Er kann in der Kabine noch nicht stehen. Wir mußten ihn zur Untersuchung seiner Nieren ins Krankenhaus bringen“, sagte Eintracht-Vizepräsident Dieter Lindner. Cha außer Gefecht. Pezzey leicht nervös und Bernd Nickel, der Spielmacher, von Leverkusens Kapitän Thomas Hörster genau beschattet, in seinem Aktionsradius stark eingeengt, da war es schwer für die Eintracht, richtig ins Spiel zu kommen.

Dem Schock durch Chas Ausscheiden folgte bald der zweite, das Führungstor der aggressiven, lauf- und kampfstarken Leverkusener in der 23. Minute. Nach einem Flankenwechsel brachten Lorant, Körbel und Sziedat den Ball nicht unter Kontrolle und nicht aus der Gefahrenzone. Der Norweger Ökland, Leverkusens Mittelstürmer, fackelte nicht lange und erzielte mit einem Flachschuß das Führungstor.

Die Eintracht riß danach zwar die Initiative an sich, fand es aber schwer, die resolute Abwehr der Leverkusener Athleten zu überlisten, so trickreich es Hölzenbein und Nachtweih, so energisch es Borchers und Lorant auch versuchten. Ein Hinterhaltsschuß von Nachtweih, den Glowacz in der 32. Min. von der Linie schlug, blieb die einzig echte Torchance der Frankfurter vor der Pause.

Geschickt überließ Bayer nach der Pause der Eintracht die Initiative und den Raum — und schuf sich damit selbst Raum zu brandgefährlichen Konterschlägen. Nacheinander stürmten Vöge und Ökland, Leverkusens Neue, im Sprinttempo auf das Frankfurter Tor zu, schossen aber zu überhastet aus vollem Lauf daneben. In der 73. Min. zog Vöge allein vor Pahl gar den Ball über das Tor.

Dazwischen freilich war schon das 2:0 für Bayer gefallen, in der 60. Minute durch den alten Routinier Herzog, der erst dem zögernden Lottermann im Frankfurter Strafraum den Ball abjagte und dann mit einem gefühlvollen Heber in den Winkel Pahl keine Chance ließ.

Die Eintracht spielte zwar optisch überlegen — aber nur bis zur Strafraumgrenze. Dann war Endstation am gutgestaffelten Bayer-Bollwerk. Ohne Cha war das Angriffsspiel der Eintracht viel zu durchsichtig, nicht spritzig genug. In der 75. Minute kam Blättel für den angeschlagenen Borchers, und drei Minuten später auch neue Hoffnung ins Frankfurter Spiel. Denn nach einem Doppelpaß mit Bruno Pezzey schoß Bernd Nickel mit einem halbhohen Diagonalschuß den Anschlußtreffer.

Aber die Eintracht brachte sich selbst sofort wieder um alle Ausgleichschancen. Denn Norbert Nachtweih vertändelte im eigenen Strafraum den Ball, verlor ihn an Hermann und versuchte seinen Lapsus mit einem elfmeterreifen Foul wieder gutzumachen. Den Strafstoß in der 84. Minute ließ sich Demut nicht entgehen. 3:1. Mit dem 2:3 kurz darauf nach einer herrlichen Flanke von Nickel machte Nachtweih seinen Fehler zwar wieder gut. Aber die Zeit reichte zum Ausgleich nicht mehr.


Nach zwölf Minuten war das koreanische Freiwild erlegt

Der Kabineneingang in Leverkusen dröhnte vom Frankfurter Protest. „Eine absolute Tätlichkeit, der Mann gehörte vom Platz“, empörte sich Lothar Buchmann, der Trainer. Udo Klug, der Manager, sprach von Methode, die hinter dieser Jagd auf Cha stecke. Nach zwölf Minuten nur konnte die Treibjagd der Bundesliga auf das koreanische Freiwild abgeblasen werden. Bum Kun Cha wurde ins Krankenhaus transportiert, die Mannschaft von Bayer Leverkusen konnte sich nun darauf konzentrieren, das Fußballspiel gegen Eintracht Frankfurt mit herkömmlichen Mitteln zu bestreiten und zu gewinnen.

Die Frankfurter wußten aus Erfahrung, was ihrem Koreaner in Leverkusen blüht. „Cha nur heil über die Runden bringen“ (Kapitän Bernd Hölzenbein) lautete daher die Devise. Lothar Buchmann hatte in der letzten Spielbesprechung nochmals die Order ausgegeben, Cha auf keinen Fall risikoreich anzuspielen.

Das Zuspiel von Bernd Hölzenbein schien denn auch völlig risikolos. Auf Höhe der Mittellinie, entlang der Auslinie, erfolgte das Frankfurter Zusammenspiel außerhalb jeglicher Leverkusener Gefahrenzone. Jürgen Gelsdorf, der lange Leverkusener Libero, hatte keine Chance, dieses Zuspiel zu stören, auf normalem Wege an den Ball zu kommen, es sei denn, er trat Cha hinterrücks um. Das tat denn Gelsdorf auch, auf gemeine brutale Art.

Schiedsrichter Klaus Ohmsen zeigte Gelsdorf immerhin die gelbe Karte, aber auch erst auf den Protest Bernd Hölzenbeins hin. „Schauen Sie doch, wie der Cha dort liegt und sich vor Schmerzen krümmt.“ Herr Ohmsen war zwar von Anfang an bemüht, die Jagd auf Cha zu unterbinden. Zwei Angriffe von Dietmar Demuth, zwei Fouls, zwei Freistöße — Ohmsens Strafmittel freilich hatten keinerlei abschreckende Wirkung.

Der Schock bei den Frankfurtern saß tief. „Ich hatte dreißig Minuten lang Angst und habe kein Bein auf den Boden bekommen“, gestand Bernd Hölzenbein. Für wenige Minuten zahlten die vor ohnmächtiger Wut kochenden Frankfurter mit gleicher Münze zurück. Karl-Heinz Körbel mähte mit einem Schlag zwei Leverkusener nieder, doch als Bernd Nickel die gelbe Karte sah, besannen sie sich. „Leute, wir wollen kühl bleiben, das bringt nichts, da fliegt höchstens noch einer vom Platz“, beruhigte Hölzenbein die Gemüter.

Die Eintracht verlor dadurch zwar keinen weiteren Mann, aber dafür das Spiel. „Der Mannschaft fehlte jeglicher Biß“, sagte Lothar Buchmann. Als Feststellung war dies richtig, als Kritik gewiß ungerecht. Denn der Schock und die Angst hatten alle gelähmt.

Bruno Pezzey, in der letzten Saison nach beiden Spielen gegen Leverkusen wochenlang gesperrt, war aus anderem Grund gehemmt. Pfiffe bei der Begrüßung, Pfeifkonzert bei jeder Ballberührung, Sprechchöre „Pezzey, du Arschloch“ machten den Libero zwar nicht nervös, aber „im Zweikampf übervorsichtig“. Pezzey: „Die Hölle wäre hier los gewesen, wenn mir auch nur ein Foul unterlaufen wäre.“

Auf der Heimfahrt fuhren sie am Leverkusener Krankenhaus vorbei, legten den völlig apathischen und vor Schmerzen stöhnenden Cha im Bus auf die Rückbank und versuchten, ihm Mut zuzusprechen. „Die Niederlage war völlig nebensächlich. Alle dachten nur an Cha“, sagte Karl-Heinz Körbel.

„Nach solch einem unnützen, folgenschweren Foul müßte die Mannschaft geschlossen vom Platz gehen, sagen, da habt ihr die Punkte, unsere Gesundheit ist uns lieber, damit die Öffentlichkeit einmal wachgerüttelt wird“, sinnierte Bernd Hölzenbein, nachdem sie zu nächtlicher Stunde Cha im Maingau-Krankenhaus abgeliefert hatten.


Wirbelbruch, Nierenprellung

Schwerverletzter Bum Kun Cha für Wochen außer Gefecht

Querfortsatzbruch des zweiten Lendenwirbels, schwere Nierenprellung und stark geprellte Wirbelsäule — so lautete die medizinische Diagnose von Dr. Joost Runzheimer, nachdem der Eintracht-Arzt den im Leverkusener Spiel schwer verletzten Bum Kun Cha im Frankfurter Maingau-Krankenhaus am Sonntag eingehend untersucht hatte.

„Es wird einige Zeit dauern, bis Cha wieder spielen kann“, sagte der Arzt, der sich jedoch nicht genauer festlegen wollte. „Das wäre spekulativ.“ Cha bleibt vorerst im Krankenhaus zur Kontrolle und Pflege. Dr. Runzheimer: „Wenn es medizinisch vertretbar ist, wird er aus dem Krankenhaus entlassen.“ Cha hat große Schmerzen und konnte am Sonntag immer noch nicht stehen.

Die Verletzung sei deswegen so schwerwiegend, weil die Nieren in unmittelbarer Nachbarschaft dieses Lendenwirbels liegen. Der Verdacht einer akuten ernsthaften Nierenverletzung hatte sich bei einer eingehenden Untersuchung („Blut im Urin“) nicht bestätigt. Eine Operation des Bruches sei nicht notwendig, da der Querfortsatz „so gut in die Muskulatur eingebettet ist und ein operativer Eingriff zudem nicht heilungsverkürzend wäre“.

Dr. Runzheimer, direkt vor dessen Platz im Leverkusener Stadion das Foul passierte, erhebt schwere Anklage gegen Gelsdorf: „Das war eine böswillige Tätlichkeit, fast schon vorsätzliche Körperverletzung. Cha hatte überhaupt keine Chance zu erkennen, was hinter seinem Rücken auf ihn zukam.“

Über den DFB will Dr. Runzheimer einen Appell an Spieler und Trainer erreichen, die Brutalität in der Bundesliga einzudämmen. „Wir Sportmediziner sind überfordert. Da kann nur der DFB etwas erreichen.“ (Abendpost-Nachtausgabe)

 

 

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