Eintracht Frankfurt - VfL Bochum

Bundesliga 1979/1980 - 30. Spieltag

0:1 (0:0)

Termin: Sa 26.04.1980, 15:30 Uhr
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Josef Hontheim (Trier)
Tore: 0:1 Josef Kaczor (55.)

 

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Eintracht Frankfurt VfL Bochum

 


  • Reinhard Mager
  • Heinz Knüwe
  • Dieter Bast
  • Rolf Blau
  • Lothar Woelk
  • Michael Lameck
  • Jupp Tenhagen
  • Walter Oswald
  • Hans-Joachim Abel
  • Josef Kaczor
  • Kurt Pinkall

 

Wechsel Wechsel
Trainer Trainer
  • Helmuth Johannsen  

 

 

 

Ränkespiele

5:1 nach Verlängerung hat die Eintracht in einem begeisternden Spiel Bayern München geschlagen und steht in den beiden Endspielen des UEFA-Cups. Großen Anteil am Erreichen des Finales hat Bruno Pezzey, der mit zwei Treffern den Weg in die Verlängerung ebnete. „Bruno muss nur noch sagen, wo ist der Stift? - dann kann er sofort bei uns seinen neuen Vertrag unterschreiben“, sagt Manager Klug zu den Vertragsverhandlungen mit Pezzey, doch der Weltklassspieler fragt nicht nach dem Schreibgerät: „Vor vier Wochen, da hab’ ich schon wollen. Aber damals wollte die Eintracht nicht.“

Der eine will noch nicht und der andere will nicht mehr. Das Abschlusstraining vor dem Spiel gegen Bochum beginnt ohne den Übungsleiter. Während sich Co-Trainer Schulte mit der Mannschaft beschäftigt, ist Rausch auf der Geschäftsstelle und gibt seine Kündigung ab. Dabei hat Rausch erst vor vier Wochen nach einem unwürdigen Hin und Her seinen Vertrag verlängert und trotz der 3:5-Heimniederlage gegen den 1. FC Kaiserslautern am letzten Wochenende – der fünften Pflichtspielniederlage hintereinander – gedroht: „Ich habe anderen Vereinen abgesagt, als ich die Zusage von der Eintracht erhielt. Ich erfülle meinen Vertrag. Wenn die Eintracht mich dennoch loswerden will, wird’s für sie sehr teuer.“


Rausch unterrichtet die Mannschaft von seiner Kündigung

Wohl gelitten ist Rausch aber längst nur noch bei der „Bild“ und großen Teilen des Anhangs. Die Unterstützung in der Mannschaft und den Vereinsgremien ist ihm überwiegend abhanden gekommen. So kritisierte beispielsweise Bernd Nickel Rausch nach der 0:1-Niederlage beim MSV Duisburg Mitte April öffentlich scharf: „So was habe ich überhaupt noch nicht erlebt, dass man einen Tag vor einem Meisterschaftsspiel noch zwei Trainingseinheiten absolvieren muss. Außerdem werden bei uns taktische Züge überhaupt nicht einstudiert.“ Präsidium und Verwaltungsratsmitglieder, die für die Vertragsverlängerung von Rausch vor vier Wochen verantwortlich zeichnen, lassen zudem Journalisten hinter vorgehaltener Hand wissen: „Der Trainer hat die Mannschaft nicht mehr im Griff, kann sie nicht mehr motivieren, hat sich in seiner Amtszeit verschlissen.“ Rausch scheint also bei seiner Kündigung nur auf eine günstige Gelegenheit gewartet zu haben, die sich nun nach dem Triumph gegen Bayern München bietet: „Damit habe ich wohl bewiesen, dass ich eine Mannschaft motivieren kann.“ „Dieser Schritt kommt für die Mannschaft keineswegs überraschend“, kommentiert denn auch Hölzenbein den nur für die Öffentlichkeit überraschenden Sinneswandel Rauschs: „Die Entwicklung zeichnete sich bereits ab, spätestens seit der komischen Vertragsverlängerung von München. Damals hat es doch einen Knacks gegeben.“

Damals, am Vormittag des 22. März, vor dem Bundesligaspiel der Eintracht bei den Bayern, erklärte Eintracht-Vizepräsident Kurt Krömmelbein um 11 Uhr vor Journalisten: „Horst Heese wird Trainer der Eintracht, wenn er in Offenbach freikommt Wenn nicht, bleibt Rausch.“ Was Krömmelbein nicht ahnte: Als er das den Journalisten erzählte, versuchte ein aufgeregter Horst Heese telefonisch Udo Klug zu erreichen: Heese hatte von den Kickers keine Freigabe bekommen. Krömmelbein, Klug und Schatzmeister Erbs – ein Gegner Rauschs - besiegelten nach Heeses Absage umgehend mit Rausch per Handschlag die Vertragsverlängerung und Krömmelbein erklärte um 11.30 Uhr: „Rausch bleibt. Er ist der richtige Mann.“ Präsident von Thümen nahm derweil in Frankfurt an einer DFB-Sitzung teilnahm und war von den Vorgängen in München nicht unterrichtet: „Wir haben ihn nicht erreicht“, erklärte Klug und versuchte sich in einem unglaubwürdigen Dementi: „Wir haben mit vielen Leuten gesprochen, auch mit Heese. Aber mehr auch nicht.“ „Ich war auch mit einem anderen Klub einig“, kommentierte Rausch: „Aber für meine Familie ist es so besser. Außerdem reizt es mich, mit der Mannschaft weiterzuarbeiten.“

Vier Wochen später ist dieser Reiz wohl verflogen. „Die Kündigung kam von mir und ich glaube, dass damit allen ein Stein vom Herzen gefallen ist“, erklärt Rausch, der behauptet, keine Abfindung zu erhalten. „Trainer Friedel Rausch hat gebeten, ihn aus seinem Vertrag mit Wirkung vom 30. Juni 1980 zu entbinden“, heißt es in der Presseerklärung der Eintracht: „Er begründet diesen Schritt damit, dass er nach eineinhalbjähriger erfolgreicher Tätigkeit Optimales mit der Mannschaft durch den Einzug ins UEFA-Cup-Finale erreicht habe. Präsidium und Verwaltungsrat der Eintracht haben dieser Bitte entsprochen und danken dem Trainer für die geleisteten Dienste.“ Dabei pfeifen am Riederwald die Spatzen von den Dächern, wie die von Manager Klug vor dem Lauternspiel getätigte Aussage zu deuten ist. „Für mich ist die Trainer-Entscheidung nicht vom heutigen Spiel abhängig“, hat Klug gesagt und nicht gelogen, denn – da ist sich die Presse einig – die Entscheidung war längst zugunsten Lothar Buchmanns gefallen. Der allerdings hält sich immer noch bedeckt: „Offiziell habe der Eintracht noch kein Angebot erhalten, aber die Tendenz läuft darauf hinaus, dass ich ab Juli am Riederwald arbeiten werde“, erklärt Buchmann, der den VfB Stuttgart am Saisonende verlassen wird.


Lothar Buchmann

Dabei war Buchmann schon Mitte März 1980 von Manager Klug kontaktiert worden, nachdem der sich beim Trainer von Grasshopper Zürich, Jürgen Sundermann, eine Absage geholt hatte, weil es den „Wundermann“ heim ins Schwabenland zog. Buchmann, der zuvor mit den „Feierabendprofis“ von Darmstadt 98 in die Bundesliga auf- und wieder abgestiegen war, ist zurzeit mit dem VfB Dritter und scheiterte erst im Halbfinale des UEFA-Cups, doch er ist auch vor allem bei den Zuschauern und Spielern wie Hans Müller nicht wohl gelitten: „Ich dränge auf Einhaltung meines Vertrags beim VfB bis 1981, zumal Präsident Mayer-Vorfelder weiter hinter mir steht. Habe ich aber auch bei ihm keine Rückendeckung mehr, wäre Eintracht Frankfurt für mich ein interessanter Verein. Die Eintracht wäre eine reizvolle Aufgabe für mich. Es ist eine Mannschaft, die gerade im völligen Umbruch ist.“ Rausch nahm das alles zur Kenntnis: „Wenn die Eintracht schon lange mit anderen Trainern spricht, ist sie mit meiner Arbeit offensichtlich nicht zufrieden. Aber ich habe keine Zukunftsangst: Der Westen ruft nach mir. Dort werden in Schalke, Bochum und Düsseldorf Trainerposten frei. Und auch Eindhoven wäre für mich interessant, denn von meiner Heimatstadt Duisburg nach Eindhoven sind es nur eine halbe Stunde zu fahren.“ Doch einen Tag nach dem Erreichen des Halbfinales im UEFA-Cup in Brünn am 19.3. lehnte das Präsidium Klugs Vorschlag ab. Buchmann, der übrigens zwischenzeitlich beim VfB gekündigt hatte, war an diesem Donnerstag nach Frankfurt gekommen und hatte bei den Funktionären „einen irren Eindruck als Systematiker“ hinterlassen. Jetzt aber ist er erste Wahl ...

Bei der Sitzung von Präsidium und Verwaltungsrat am späten Donnerstagabend wird außerdem beschlossen, Torhüter Rudi Kargus vom HSV, der nicht das beste Verhältnis zu Trainer Branko Zebec hat und deswegen Interesse an einem Wechsel bekundet hat, nicht zu verpflichten. „Kargus ist viel zu teuer“, sagt Udo Klug. Ob Jürgen Pahl nach seiner guten Leistung gegen die Bayern doch in Frankfurt bleiben wird, soll, wie Klug betont, der neue Eintracht-Trainer mitentscheiden. Außerdem wird bekanntgegeben, dass die Frankfurter Eintracht das Geschäftsjahr 1979 mit einem Gewinn von 158.000 Mark abgeschlossen hat. Der am Donnerstag veröffentlichte Jahresbericht weist Gesamteinnahmen von 11,602 Millionen und Aufwendungen von 11,444 Millionen Mark aus. Durch die Teilnahme am UEFA-Cup konnten Mehreinnahmen von 1,1 Millionen Mark gegenüber dem Etatansatz von 1978 erzielt werden, so dass die Gesamteinnahmen aus dem Spielbetrieb der Lizenzspielermannschaft von rund 5,9 Millionen Mark im Jahr 1978 auf rund 9,5 Millionen Mark im letzten Geschäftsjahr anstiegen. In den 16 Spielen des Kalenderjahres 1979 wurden im Frankfurter Waldstadion 445.688 Zuschauer (Durchschnitt: 27.856) gezählt (1978: 396.518/20.986). Durch Spielerverkäufe wurden etwa zwei Millionen Mark eingenommen.

Weiter bei der Eintracht, aber nicht einsatzfähig, sind zwei Spieler, die gegen Bayern München verletzt wurden: Helmut Müller und Ronald Borchers. „Helle“ bekam einen Schlag ans Knie, „Ronnie“ hat es am Knöchel erwischt. Ausfälle gibt es aber auch auf den Rängen zu beklagen, denn nur 10.000 Zuschauer haben den Weg ins Waldstadion gefunden. Völlig verwaist ist eine Stelle im weiten Oval, die sonst auch bei spärlichstem Besuch gut gefüllt ist: der G-Block. Dieser ist heute lediglich mit zwei Transparenten besetzt: „So weit führt eure Personalpolitik“ und „Friedel, wir halten zu dir war.“

Wen interessiert es da, dass auch noch Fußball gespielt wird? Wobei diese Partie gegen den Tabellenfünfzehnten mit erstligatauglichem Sport nur wenig zu tun hat und für einen aufmerksamen Beobachter, den das Geschehen auf dem Rasen mehr interessiert als das Drumherum, eine reine Zumutung ist. Die Gastgeber spielen bereits Ende April eine unsägliche Version miesesten Sommerfußballs, der eine Geschwindigkeit aufweist, mit der man nicht einmal eine Weinbergschnecke erschrecken könnte.

Die wie so oft im Abstiegskampf befindlichen Bochumer, die im Waldstadion noch nie gewinnen konnten, haben viel Zeit sich zu fragen, wo die Truppe hin entschwunden sein mag, die hier vor wenigen Tagen Bayern München nach allen Regeln der Fußballkunst fachgerecht zerlegte und scheibchenweise an die Isar zurückgeschickt hat. Gegen die bestenfalls spielerisch und kämpferisch Zweitliga-Niveau erreichenden Frankfurter, genügt den Gästen ihre diszipliniert ausgespielte Raumdeckung, um der Eintracht den Zahn zu ziehen, der ohnehin schon recht wacklig daher kommt. Wären die eifrigen, aber doch mit begrenzten Fähigkeiten ausgestatteten Bochumer etwas mutiger und weitsichtiger, könnten sie die Truppe von Friedel Rausch so klassisch auskontern, wie vor wenigen Wochen die Berliner bei ihrem 4:0-Sieg an selber Stätte.

Die klarste Torgelegenheit im ersten Durchgang haben dennoch die Gäste. Nach einer Flanke des überragenden Rolf Blau, der Hölzenbein aus dem Spiel nimmt und dennoch genügend Zeit zu mehreren dynamischen Vorstößen findet, köpft Pinkall völlig freistehend am Kasten von Jürgen Pahl vorbei. Auf der anderen Seite gibt es neben zwei Freistößen von Nickel und einem Schuss von Neuberger, dem dabei das Visier verrutscht sein muss, nur einen Kopfball von Pezzey. „Wenn Bruno kein Tor macht, schießt überhaupt keiner eins“, erkennt Karl-Heinz Körbel schon jetzt.

Mehr als auf dem Rasen ist in der Kurve los. „Udo Klug, von dir haben wir genug“, skandieren die Fans während des Spiels sowie „Friedel, Friedel“, „Thümen raus“, „Geh' nach Hause, Udo Klug“ oder „Buchmann, Buchmann, ha, ha, ha“. „Klugscheißer“ und „Thümen, du Drecksau“ folgen. Der Trainer, der für die blamable Vorstellung seiner Elf mitverantwortlich zeichnet, wird dagegen hofiert: „Friedel bleib hier, sonst gehen wir!“ Nach der Pause ziehen sich die Funktionäre der Eintracht von der Tribüne in den Regieraum hinter sicheres Glas zurück, während den Demonstranten in der Kurve der zustimmende Beifall von der Haupt- und der Gegentribüne gewiss ist.

Die Eintracht bäumt sich in der zweiten Halbzeit auf, doch just in ihre energischer werdenden Bemühungen fällt in der 55. Minute das Führungstor für die Gäste. Blau lässt Pezzey aussteigen und zieht ab, Pahl wehrt den Schuss ab, doch gegen Kaczors folgenden Kopfball ist er dann ohne jede Abwehrchance. 0:1 - es ist erst Kaczors viertes Saisontor.

Die Eintracht drängt auf den Ausgleich, doch sie tut dies ohne innere Überzeugung, was den Gästen ihre Arbeit sehr erleichtert. Torwart Mager, der seine besten Leistungen bei Nickels Gewaltschüssen vollbringt, Dieter Bast in der Liberoposition und der Entlastungsangriffe einleitende Tenhagen halten das Bochumer Bollwerk zusammen und die Frankfurter in Schach. Mit Woelk beschwört ein Mitspieler hin und wieder mit unkontrollierten Querschlägen vor dem eigenen Tor etwas Gefahr herauf.

So einfallslos wie hoch fliegen wie Bälle vor das Bochumer Tor, doch da tut sich keine Lücke auf. Und selbst wenn – wer sollte sie nutzen? Hölzenbein kommt nicht ein einziges Mal dazu, Mager zu prüfen und Cha spielt, als sei ihm vor dem Anpfiff ein Geist erschienen. Lottermann kann nach seiner Einwechslung für den schwachen Nachtweih keine Akzente setzen und Karger ist auf der Linksaußenposition eine Fehlbesetzung, die Rausch nicht korrigiert. Neubergers Flankenläufe könnten Abhilfe schaffen, doch die Hereingaben des Publikumslieblings sind heute so wertlos wie alte Reichsmark. Ehrmantraut ist bienenfleißig, aber so müde wie Lorants Spiel wirkt, so uninspiriert ist das seine.

Der VfL hat dagegen bei weiteren Kontern freie Bahn, beweist bei diesen Gelegenheiten aber, warum er kurz vor dem Tabellenkeller zu finden ist. Gut ist für die Eintracht auch, dass Körbel Torjäger Abel sicher im Griff hat. Dennoch ist der Elf von Trainer Johannsen, von dem berichtet wird, er müsse bei einer Niederlage in Frankfurt seinen Hut nehmen, der erste Bundesligasieg im Waldstadion nicht mehr zu nehmen.

Nach dieser peinlichen Heimniederlage haben die beinharten Fans genug. Zielscheibe ihrer Wut ist aber nicht etwa der Trainer des UEFA-Cup-Finalisten in Abstiegsgefahr, sondern Präsident, Manager und der neue Trainer. So brüllen mehrere hundert Demonstranten vor der Haupttribüne im harten Stakkato mit geballten Fäusten. Auf Bitten eines Fanclub-Vorsitzenden versucht Rausch, die wütenden Fans zu beschwichtigen: „Bleibt ruhig. Unterstützt uns gegen Mönchengladbach, dann ist alles o. k.“ „Die haben dich doch aufs Kreuz gelegt“, lautet eine Antwort von einem der Krakeeler, die immer alles so genau und besser wissen: „Mit diesen Flaschen steigen wir auch noch ab.“ Beeindruckt haben dürfte die Fans auch, die von Rausch und von Thümen verbreitete Meldung, Rausch habe auf seine Abfindung verzichtet. (Erst auf der Jahreshauptversammlung am 12.5. stellt Verwaltungsratsvorsitzender Rudi Sölch fest: „Herr Rausch hat eine Abfindung bekommen.“)

Die Aktion der überwiegend Jugendlichen ist nicht spontan, sondern von zwei Fanklubs initiiert. John Alexander Hinkel, der Sprecher der seit einigen Wochen formierten Opposition im Verein, erklärt freimütig: „Jawohl, wir haben die Leute aus den Fanklubs angesprochen, inwieweit sie bereit sind, lautstark das zu sagen, was sie denken. Wir danken ihnen für ihre Hilfe.“ Allerdings ist Hinkel nicht mit jenen Sprechchören einverstanden, die unter die Gürtellinie gingen: „Das ist nicht unser Stil“, sagt der Sprecher der Männer, die andere vorschicken. Auch die lang anhaltende Demonstration nach dem Spiel war nicht in seinem Sinn, meint er, man wolle aber jetzt mit aller Kraft bei der Jahreshauptversammlung am 12.5. einen Wechsel an der Führungsspitze des Vereins erreichen. „Wir müssen sofort etwas tun, sonst ist der Verein bis 1981 ganz tief unten.“ Präsident Achaz von Thümen und Vizepräsident Kurt Krömmelbein, der sich in dieser Woche in einer Klinik in Münster einer Operation unterziehen muss, sollen gehen, Schatzmeister Joachim Erbs darf bleiben. „Wir wollen das alles auf friedlichem Weg erreichen und jene Männer, die uns untragbar scheinen, zu freiwilligem Rücktritt anhalten. Gelingt das nicht, werden wir versuchen, das zu erzwingen.“ Manager Udo Klug soll bleiben, aber „wir werden ihn ein wenig aus der Schusslinie nehmen“, kündigt Hinkel selbstbewusst und siegessicher an.

Die kleine Schar von Polizisten riegelt derweil den Haupteingang zum Waldstadion ab und lässt Präsident Achaz von Thümen und Manager Klug durch Geschäftsführer Gerhardt bestellen, sie sollten aus Sicherheitsgründen das Stadion nicht verlassen. Der Mannschaftsbus fährt deshalb ohne die Funktionäre ins Euro-Crest-Hotel, doch die Fans blockieren die Straße und reißen das Eintracht-Schild vom Fahrzeug. „Ich hatte Angst im Bus, als sie von allen Seiten einschlugen“, bekennt Bernd Hölzenbein. Auch Manager Klug, der mit von Thümen eine Stunde später im privaten Pkw nachkommt, lassen die Sprechchöre nicht kalt: „Ab heute ist es für mich nur noch ein Geschäft. Bis jetzt war ich auch mit dem Herzen dabei.“ „Er ist doch nur ausführendes Organ des Präsidiums“, nimmt Rausch im Fernsehinterview Manager Klug in Schutz, während Präsident von Thümen, der vor dem Spiel den Dialog mit den Fans gesucht hatte, die Frage nach persönlichen Konsequenzen lediglich mit einem Grinsen und Achselzucken beantwortet. „Grabi für Thümen“ fordert der Anhang, doch dieses Ansinnen kommt für Jürgen Grabowski, der am Saisonende seine Karriere beendet, zu früh: „Das ist momentan kein Thema. Wenn man mich will, übernehme ich vielleicht in zwei, drei Jahren eine Funktion im Präsidium.“ „Wir müssen jetzt alle an einem Strang ziehen und nicht mehr jeder gegen jeden schießen“, lautet Pezzeys Appell.

„Wir waren total aus dem Tritt“, sagt Hölzenbein, derweil Rausch auf den von ihm eingewechselten Stefan Lottermann schimpft: „Er hat nichts gebracht und war nach kurzer Zeit so müde wie die anderen. Das gibt es doch gar nicht bei einem Spieler, der sich seit Wochen ausruhen konnte.“ „Die Mannschaft war total kaputt. Willi Neuberger, Bernd Hölzenbein, Werner Lorant und auch die meisten anderen haben das Spiel gegen die Bayern noch nicht verkraftet. Vor allem auch nervlich“, begründet Rausch die erneute Heimniederlage. Nickel sieht ein anderes Problem, das eher grundsätzlicher Natur ist: „Es war keine Ordnung im Spiel, die Rollenverteilung stimmte nicht. Wenn zum Beispiel Horst Ehrmantraut der Spieler bei uns ist, der die meisten Bälle hat, kann irgendetwas nicht stimmen.“

„Wir haben gespielt wie eine Altherrenmannschaft“, schimpft Nickel und in der Tat war die Eintracht den Bochumern läuferisch weit unterlegen und konnte kaum einen Zweikampf für sich entscheiden. „Hätten die Bochumer einen Stürmer wie Agerbeck gehabt, wären wir genau so eingebrochen“, erinnert er an das peinliche 0:4 im vorletzten Heimspiel gegen den Tabellenletzten Hertha BSC. „Einige meiner Spieler waren kräftemäßig nach den Strapazen gegen die Bayern einfach am Ende. Das hat man ganz deutlich bei Cha gemerkt, der zwar wie immer wollte, aber nicht mehr konnte. Es hat gewiss nicht an der Motivation gelegen, sondern an der fehlenden Substanz“, versichert Rausch, der damit nur ihm besonders gewogene Journalisten zu überzeugen vermag. Die anderen erinnern sich an Rauschs Worte vor der Partie: ,,Wir haben das Training vor dem Bochumer Spiel bewusst reduziert, Pflege und Erholung hatten Vorrang.“

„Wir haben jetzt eine Woche Zeit, um uns bis zum Spiel in Köln zu erholen. Das Wort Abstieg jedenfalls gibt es bei uns nicht“, meint Rausch, der verkennt, dass nach 0:10 Punkten die Alarmglocken auch bei seinen Spielern klingen. „Wir müssen uns Gedanken über den Abstieg machen. Normal ist es, dass wir nächste Woche in Köln verlieren und dann wird das Heimspiel gegen Bremen zum Abstiegsspiel. Dann muss man erst einmal sehen, wie wir diese Situation nervlich verkraften“, sagt Nickel und Körbel fügt hinzu: „Ich habe so etwas befürchtet. Jetzt sind wir in Abstiegsgefahr.“ Es ist eine kuriose Situation: Drei Punkte beträgt der Abstand zum Tabellensechzehnten Werder Bremen, aber es fehlen auch nur drei Zähler auf den sechsten Platz, der zur UEFA-Cup-Teilnahme berechtigt. „Nur keine Panik“, empfiehlt deswegen Hölzenbein, der das Risiko kennt, aber die Chance sieht: „Ich bin immer noch so verrückt, dass ich an den 6. Platz glaube. Von Abstieg rede ich nicht, im Notfall rettet uns das bessere Torverhältnis.“ „Noch zur Pause habe ich gesagt, wenn wir wenigstens kein Tor reinkriegen, bin ich schon zufrieden. Wir brauchen auf jeden Fall noch einen Punkt“, sagt Rausch und rechnet: „Wir holen aus den letzten vier Spielen noch fünf Punkte. Ein Glück, dass nach dem ersten Endspiel in Gladbach in der Bundesliga kein Punktspiel auf dem Programm steht. Da können wir uns in aller Ruhe auf das Heimspiel gegen Bremen vorbereiten.“ Zuguterletzt zieht Rausch eine Bilanz, die angesichts der Qualität der Mannschaft und der Tabellensituation überrascht: „Wenn man bedenkt, welches Spielermaterial ich zur Verfügung hatte, kann man ganz bestimmt sagen, dass ich auch in der Bundesliga Optimales geleistet habe. Ich wüsste nicht, dass ich einen Fehler gemacht hätte. Bei unseren Niederlagen war viel Pech dabei.“

Aber eine gute Nachricht gibt es an diesem Tag doch noch. Bruno Pezzey verlängert seinen Vertrag per Handschlag bis 1983. „Ich bin sehr zufrieden mit den Konditionen“, sagt Pezzey, der vom plötzlichen Angebot über drei Jahre überrascht wurde. „Hier mussten wir rasch handeln“, wird Klug später erläutern: „Pezzey ist für unsere Abwehr enorm viel wert. Und wir sind überzeugt, dass der neue Trainer Pezzey psychologisch richtig anfassen wird.“ „Eine richtige Entscheidung. Der Verein musste doch endlich mal eine der Führungspersönlichkeiten langfristig binden“, kommentiert Bernd Nickel. Pezzey, dem ein besseres Angebot von Ajax Amsterdam vorliegen soll, wird später nach dem Grund für sein Bleiben gefragt: „Die letzte Saison ist schon aufgrund der Platzverweise und Sperren nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt und gewünscht hatte. Außerdem fahre ich bei einem ähnlichen Zuschauerbesuch wie in dieser Runde und bei voller Anzahl von 34 Bundesligaspielen nicht schlechter als bisher. Das Risiko liest also bei mir.“


Vertragunterzeichnungen von Pezzey (links)
und Buchmann (rechts). In der Mitte
von Thümen, stehend Klug.

Am nächsten Tag werden sich Präsident von Thümen, Manager Klug, und Verwaltungsratsmitglied Dieter Lindner in Lindners Wohnung in Niedererlenbach auch mit Lothar Buchmann einig. „Die Eintracht kann es sich nicht leisten, wieder sechs Wochen in Folge zu verlieren, ja, unterzugehen, die große Linie zu verlieren. Zudem erfüllten wir einen Wunsch von 90 Prozent der Spieler, als wir Trainer Rausch aus dem erst kurz vorher verlängerten Vertrag aussteigen ließen“, verteidigt Klug die Entscheidung: „Wir hörten, dass Herr Buchmann anpassungsfähig ist, dass er stets nach neuen Trainingsmethoden sucht und eine Mannschaft anzuspornen versteht, dass er Krisen entschlossen meistert und die Qualitäten, die die Eintracht-Mannschaft immer auszeichnet, in den Vordergrund rückt.“


Fan-Transparent: Orthografisch fantasievoll,
aber mit klarer Aussage

„Die Demonstrationen sind Ausdruck des Bildes, das der Verein nach außen hin dargeboten hat. Er muss einfach eine klarere Linie vertreten. Das betrifft Verstärkungen für die neue Saison genauso wie die Trainerfrage. Es muss einfach schon rechtzeitig geplant werden, was passieren soll“, fordert Bruno Pezzey: „Aktuelles Beispiel Grabowski: Für einen derartigen Spielmacher muss einfach langfristig Ersatz gesucht werden.“ „Ich beziehe das nicht auf meine Person direkt“, sagt Buchmann zu den Fanprotesten: „Egal wie der neue Mann heißt, er wäre in dieser kritischen Situation wohl mit in die Kritik gezogen worden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Eintracht-Fans etwas gegen mich haben.“ „Von diesen Vorfällen kann man eine derartige Entscheidung nicht abhängig machen. Ich glaube, dass wir mit Buchmann einen guten Griff getan haben“, versichert Klug. Hartmut Scherzer jedoch erkennt in der Abendpost/Nachtausgabe, was diese Vorgeschichte tatsächlich bedeutet - Buchmanns Bürde: „Buchmann war schon Buhmann, da hatte er in Frankfurt noch nicht einmal den Vertrag unterschrieben.“

Oppositionssprecher Hinkel zeigt sich über die Verpflichtung Lothar Buchmanns nicht erfreut: „War das nicht voreilig?“ Hinkel kennt zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Einschätzung eines wichtigen Spielers. „Ich habe bereits mit meinem Landsmann Roland Hattenberger vom VfB Stuttgart geredet. Er hält ihn für einen der besten Trainer in der Bundesliga“, berichtet Bruno Pezzey, der bei der Vertragsunterzeichnung von Buchmann im Frankfurter Hof seinen Vertrag bei der Eintracht verlängert. Die Frage, ob Buchmann der Diva ihre Launenhaftigkeit austreiben kann, beantwortet er so: „Ich bin der Meinung, dass ein Trainer, der eine starke Persönlichkeit ist und das Präsidium als starken Rückhalt hinter sich weiß, dies stabilisieren kann und abstellen muss.“ „Vor allem aber ist wichtig, dass er seine Vorstellungen, die er plant, auch tatsächlich durchsetzt. Wenn das stimmt, ist er genau der richtige Mann für uns.“ Aus seinen Vorstellungen macht Buchmann, der mit einer dreiviertelstündigen Verspätung erschienen ist und sich von einem Taxifahrer den Weg zeigen lassen musste, kein Geheimnis: „Die Eintracht muss im oberen Drittel mitspielen, sonst ist sie nicht zu verkaufen“, erklärt Buchmann: „Wir dürfen keine Radikalkur machen, Schalke 04 ist dafür ein warnendes Beispiel. Auf einen Spieler wie Bernd Nickel kann die Eintracht noch nicht verzichten.“

„Es ist eine sehr reizvolle wie schwierige Arbeit. Aber ich freue mich mehr auf Frankfurt als auf jeden anderen Bundesligaverein, nicht zuletzt deshalb, weil ich wieder in Hessen bin“, meint Buchmann, der im Sommer wieder in sein Haus in Bürstadt zieht, das er nach seinem Wechsel von Darmstadt nach Stuttgart vor einem Jahr behalten hatte. Er kenne alle Spieler noch aus seiner Darmstädter Zeit, „deshalb werde ich es am Main leichter haben als am Neckar. Vertraute Umgebung ist Gold wert.“

Er will seine Arbeit „ohne Voreingenommenheit“ aufnehmen, wird mit dem Manager über personelle Veränderungen reden und bezieht Stellung in der Torwartfrage: „Einer muss wissen, dass er die Nummer eins ist und muss auch einmal einen Fehler machen dürfen. Beim VfB habe ich es so gehalten, dass Roleder nach seiner Verletzung sofort wieder spielen und die Rückrunde durchstehen musste. Die beiden anderen hatten sofort zurückzutreten. Zwei gleichwertige Torhüter wären zwar ideal, doch ist diese Lösung praktisch nicht durchführbar. Maß muss eine Nummer eins haben und mit ihr die Saison durchziehen, dann bekommt ein Torwart auch Sicherheit.“ „Wir dürfen unsere Torhüter, die nicht schlechter veranlagt sind als andere, nicht verunsichern. Wir müssen Pahl oder Funk das Vertrauen schenken und etwas Geduld mit ihnen haben“, sagt auch Klug und verweist auf Bayern Münchens Junghans: „Der Junge wußte, dass er die Nummer 1 ist. Er durfte auch mal Fehler machen, wie zuletzt beim 1:5 gegen uns.“


Udo Klug

Klug fordert: „Wir müssen hinten ganz einfach stabiler werden!“ Doch schwerer als eine Antwort auf die Frage zu finden, ob künftig Pahl oder Funk das Tor hüten wird, ist das Vakuum zu füllen, das der Kapitän hinterlässt, der zurzeit verletzt ist und auch in der neuen Saison nicht mehr zur Verfügung stehen wird: „Ohne Jürgen Grabowski, der über lange Jahre den Stil der Mannschaft prägte, muss ich mir schon einiges einfallen lassen Aber Angst habe ich nicht!“ „Er wird die richtige Entscheidung treffen“, vertraut Klug dem neuen Trainer: „Vielleicht entscheidet er sich für Nickel. Wir trauen ihm zu, dass Nickel eine Führungsrolle übernehmen kann.“ „Den Zeitpunkt wählte Jürgen selber, er liegt günstig“, ergänzt der Manager: „Noch besitzt er die volle Sympathie des Publikums. Wir meinen, dass Grabowski einen glanzvolleren Abgang erleben wird als beispielsweise seinerzeit Wolfgang Overath. Viele werden Grabowski feiern.“

Unerschrocken zeigt sich auch von Thümen: „Ich habe schon bessere Zeiten erlebt. Aber es wird bestimmt auch wieder besser“, schließt er eine Amtsmüdigkeit aus. Am 12. Mai findet die Hauptversammlung der Eintracht statt, bei der allerdings keine Neuwahlen geplant sind – so lange nicht jemand zurücktritt. Aber das ist kein Thema für den Präsidenten: „Sicher, jeder kann zurücktreten. Aber ich sage das ganz frech: Warum sollte ich an Rücktritt denken?“ Auf die Frage, wie er die massive Kritik der Fans verdaue, antwortet von Thümen: „Eigentlich gut. Wenn ich lese, dass die Opposition die Demonstration organisiert hat, dann kann man darüber wieder zur Tagesordnung übergehen.“ „Eine Opposition ist nie etwas Ärgerliches, wenn sie das Wohl des Vereins will“, sagt er, „aber ob die Organisation von Demonstrationen der richtige Weg ist, bezweifle ich.“

Dem österreichischen Weltklassespieler bürdet von Thümen „die Führungsrolle in der Mannschaft“ auf, die Bruno Pezzey „gar nicht so einfach findet. Wer eine Führungsrolle übernehmen soll, muss in erster Linie von der Mannschaft akzeptiert werden, und das wird sich erst im Laufe der Zeit herausstellen.“ Allerdings: „Dass ich eine Abwehr dirigieren kann, habe ich in meinen letzten Spielen, glaube ich, bewiesen. Im letzten Jahr ist durch die Sperren und meine Krankheit ein falsches Bild von mir entstanden. Ich will zeigen, was ich kann und was ich wert bin.“ Die Fans hätten in dieser schwierigen Zeit, in den UEFA-Pokalspielen, zu ihm gehalten. „Und so etwas“, sagt Pezzey, „geht ans Herz.“ (rs)

 

 

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