Hertha BSC Berlin - Eintracht
Frankfurt |
Bundesliga 1975/1976 - 33. Spieltag
4:4 (2:0)
Termin: Fr 04.06.1976, 20:00 Uhr
Zuschauer: 11.000
Schiedsrichter: Manfred Wichmann (Gelsenkirchen)
Tore: 1:0 Michael Sziedat (14.), 2:0 Erich Beer (42., Foulelfmeter), 2:1 Jürgen Grabowski (46.), 3:1 Detlef Szymanek (66.), 3:2 Jürgen Grabowski (68.), 3:3 Jürgen Grabowski (70., Foulelfmeter), 3:4 Klaus Beverungen (79.), 4:4 Erich Beer (82., Foulelfmeter)
Hertha BSC Berlin | Eintracht Frankfurt |
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Grabowskis großer Coup Drei Tore beim 4:4 gegen Hertha BSC / Fragwürdiger Elfmeter zum Ausgleich War das ein Spiel! Nach zwei völlig verschiedenen Halbzeiten trennten sich Hertha BSC und Eintracht Frankfurt verdient mit 4:4 (2:0). Mit viel Beifall wurden beide Mannschaften nach dem „Superspiel" von den 10.000 Zuschauern in die Kabinen verabschiedet. Begeisternd vor allem der mitreißende Kampfgeist der Frankfurter, die, durch den Halbzeitrückstand von Schalke 04 angestachelt, ihre letzte Chance auf die Teilnahme am UEFA-Cup nach der Pause entschlossen wahrnahmen. Auf einmal fing Jürgen Grabowski, der vorher noch gegen seinen Bewacher Weiner keinen Stich bekam, an zu zaubern. Sofort nach dem Wiederanpfiff schoß er eine Beverungen-Vorlage knallhart ins Netz und gab seiner Mannschaft mit diesem 1:2 neue Hoffnung. Vor der Pause hatten Sziedat mit einem Traumtor (14.) und Erich Beer mit einem Foulelfmeter (40.) Hertha 2:0 in Front gebracht. Bei Schiedsrichter Wichmanns Elfmeterentscheidung (Trinklein an Magnusson) lachten selbst die Berliner Zuschauer. Doch nach dem Anschlußtreffer von Grabowski war aller Ärger bei der Eintracht über diesen ungerechten Elfmeter verflogen. Sie stürmten nun, was das Zeug hielt und liefen auch prompt tn einen der Berliner Konter. Szymanek verwandelte eine Grau-Flanke mit dem Kopf zum 3:1 (66.). Doch die Eintracht gab an diesem Tag nicht auf: Grabowski (68.) erzielte postwendend nach einem Doppelpaß mit Nickel das 3:2 und schaffte auch in der 69. Minute mit einem umstrittenen Foulelfmeter (Hermandung an Nickel) den Ausgleich. Als dann Klaus Beverungen mit einem Supertor aus 20 Metern (82. Minute) die Führung erzielte, schien Hertha am Boden. Doch Schiedsrichter Wichmahn aus Gelsenkirchen half den Berlinern noch einmal auf die Beine und „stahl" der Eintracht möglicherweise die Teilnahme am UEFA-Cup. Karlheinz Körbel trennte Szymanek, ohne ihn überhaupt zu berühren, völlig fair vom Ball, doch Wichmann zeigte erneut, zum drittenmal, auf den Elfmeterpunkt. Nationalspieler Erich Beer ließ sich die Chance nicht entgehen: 4:4. Der Eintracht war nach dem Spiel gar nicht zum Jubeln zumute, besonders das Ergebnis aus Karlsruhe dämpfte die Freude über den einen Punkt, der leicht verdoppelt hätte werden können. Neben dem dreifachen Torschützen Jürgen Grabowski zeigten besonders Klaus Beverungen und Karlheinz Körbel so starke Leistungen, die man ihnen am Ende der Saison nicht mehr zugetraut hatte. Dietrich Weise jedenfalls lobte seine Mannschaft: „Wir hätten beide Punkte verdient gehabt. Trotzdem bin ich auch mit dem Unentschieden sehr zufrieden." Die merkwürdigen Entscheidungen des Herrn W. aus G. Selbst der sonst so ruhige Verteidiger Peter Reichel stand in der Kabine und schüttelte den Kopf: „Heute hat der Teufel persönlich gepfiffen." Seine Mannschaftskameraden gingen noch weiter. „Des war Betrug", sagte Wolfgang Kraus zu jedem, der es hören wollte. Und Gert Trinklein sprach "von der größten Unverschämtheit, die er je erlebt hat". Grund des Ärgers und der Verbitterung bei der Frankfurter Eintracht war Schiedsrichter Wichmann aus Gelsenkirchen, der mit einigen seltsamen Entscheidungen Hertha BSC ein Unentschieden „schenkte" und damit die Möglichkeit der Eintracht, die UEFA-Cup-Teilnahme doch noch zu erreichen, auf ein Minimum zusammenschrumpfen ließ. Ausgerechnet zum Spiel des schärfsten Konkurrenten des FC Schalke 04 wurde ein Schiedsrichter aus Gelsenkirchen geschickt, der mit seinen Entscheidungen die Begegnung auch prompt in wichtigen Phasen beeinflußte. Hätte sich diese Wahl nicht vermeiden lassen? Drei Fehlentscheidungen warfen die Eintracht jedesmal dann zurück, wenn sie ein Übergewicht zu bekommen schien: 40. Minute: Gerade waren die Frankfurter auf dem besten Weg, Sziedats „Supertor" aus der 14. Minute auszugleichen, da entschied Herr Wichmann auf Foulelfmeter für Hertha. Gert Trinklein hatte Magnusson den Ball weggespielt, bevor dieser sich gekonnt fallenließ. „Ich habe ihn erst berührt, als der Ball schon zehn Meter weg war", konnte sich der Libero nicht trösten. Lautes Gelächter der Zuschauer unterstützte Trinkleins spätere Aussage. 54. Minute: „Gedopt" vom Schalker Zwischenergebnis, einer „gehörigen Portion Wut über den Schiedsrichter im Bauch" (so Jürgen Grabowski) und dem schnellen 1:2, schien die Eintracht Hertha zu überrollen. Hölzenbein paßte flach zu Jürgen Grabowski, der direkt weiterverlängerte. Bevor Horst Wolter abwehren konnte, hatte der Ball die Linie überschritten. „Fast einen halben Meter", wie der Schütze nach dem Spiel schwor. Doch Wichmann und sein Linienrichter reagierten nicht. 81. Minute: Mit einem begeisternden Zwischenspurt hatte die Eintracht aus dem 1:3 innerhalb von elf Minuten durch Jürgen Grabowski (mit Flachschuß und einem ebenfalls geschenkten Foulelfmeter) und Klaus Beverungen ein 4:3 gemacht, da „stahl" der Schiri mit seiner dritten Elfmeterentscheidung der Eintracht den möglichen Sieg. Körbel spielte am linken äußeren Strafraumeck vor Szymanek den Ball zur Ecke und griff sich im nächsten Moment an den Kopf. Wieder deutete der Schiedsrichter auf seinen „Lieblingspunkt". Der „gefoulte" Szymanek: „Karlheinz hat mich überhaupt nicht berührt. Ich bin zwar froh über den Ausgleich, aber für diese Super-Eintracht tut es mir echt leid." Doch mit dem Schock des 4:4 waren die „Wechselbäder" für die Frankfurter noch nicht zu Ende. Riesenjubel beherrschte die Kabine, als das Ergebnis aus Schalke 04 bekannt wurde, doch plötzlich kam die eiskalte Dusche: Rot-Weiß hat in Karlsruhe gewonnen. Der siebente Platz ist wieder in weite Ferne gerückt. „So geht das nun schon die ganze Saison. Eine solche Pech-Serie habe ich noch nie erlebt", schüttelte Jürgen Grabowski immer wieder den Kopf. „Da holen wir in München, und Berlin die erhofften Punkte und kommen doch nicht von der Stelle". Dietrich Weise, der bei Beverungens 4:3 begeistert von seiner Bank aufgesprungen ist, lobte seine Mannschaft trotz des fehlenden „Happy-ends": „Ich kann keinem einen Vorwurf machen Alle haben alles gegeben und wir hätten heute beide Punkte verdient." Herthas Kapitän Erich Beer schloß sich an: "..Mit einer solch verbissen kämpfenden Eintracht habe ich wirklich nicht mehr gerechnet. In dieser Truppe muß eine unheimliche Moral stecken." Tatsächlich ist die Eintracht in den zweiten 45 Minuten über sich selbst hinausgewachsen, hat zwei Zwei-Tore-Rückstände und andere Schocks, ohne den bedingungslosen Sturmlauf auch nur eine Sekunde zu unterbrechen, weggesteckt Neben Jürgen Grabowski, der in der ersten Halbzeit von Weiner beschattet worden war und später Torschütze („Wann sind mir schon mal drei, ja eigentlich sogar vier Tor in einem Spiel gelungen?") und Regisseur in Personalunion war, bekamen die Berliner nun vor allem auch Klaus Beverungen und Willi Neuberger nicht mehr in den Griff Und da Erich Beer mehr Helmut Müller hinterherrennen mußte als umgekehrt, entwickelte sich ein "Power-play" nach Eishockeyart. Traurig stand lange nach Spielschluß Achaz von Thümen vor den Kabinen: „Hätten wir nicht gegen Essen und Karlsruhe acht Punkte verloren, brauchten wir heute gar nicht mehr zu rechnen", ärgerte sich der Präsident.
Nach einer Sitzung am Dienstag Nachmittag gab das Präsidium der Eintracht bekannt, dass mit Hans-Dieter Roos der bisherige Assistent des am Ende dieser Saison auf eigenem Wunsch vorzeitig ausscheidenden Trainers Dietrich Weise im nächsten Jahr die Bundesligamannschaft betreuen wird. In Übereinstimmung mit der Lizenzspielermannschaft werde der derzeitige Trainer der Amateurmannschaft beauftragt, als Cheftrainer die Verantwortung für die Lizenzspielermannschaft in Zusammenarbeit mit dem derzeitigen Trainer der A-Jugend, Dieter Tippenhauer, zu übernehmen, heißt es in der Erklärung wörtlich. Dem 39jährigen Roos, der vor einem Jahr noch die Amateure des 1. FC Köln trainiert hatte, winkt jetzt die große Chance, in dem einen Jahr auf das sein erster Cheftrainer-Vertrag zunächst einmal befristet ist, aus der kleinen Lösung den großen Erfolg zu machen. Der seinem bisherigen Chef vor allem in Ernsthaftigkeit und Pflichtgefühl nicht unverwandte Fußballlehrer hat dabei eigentlich nichts zu verlieren, soll er praktisch nur jenen Thron verwalten, für den die Eintracht im Laufe der nächsten Saison den ganz großen „King" zu finden hofft. Erster Nutznießer dieser Präsidiumsentscheidung dürfte Gerd Trinklein sein, von dem sich die Eintracht auf Weises Wunsch trennen wollte. Dem langen Libero wurde jetzt mitgeteilt, mit der Bindung ah einen anderen Verein zu warten und sich darauf einzurichten, möglicherweise doch weiter für Eintracht Frankfurt zu spielen.
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