Eintracht Frankfurt - Bayern
München |
Bundesliga 1975/1976 - 15. Spieltag
6:0 (5:0)
Termin: Sa 22.11.1975, 15:30 Uhr
Zuschauer: 55.000
Schiedsrichter: Walter Eschweiler (Euskirchen)
Tore: 1:0 Rüdiger Wenzel (8.), 2:0 Bernd Nickel (17.), 3:0 Jürgen Grabowski (28.), 4:0 Bernd Hölzenbein (40.), 5:0 Willi Neuberger (45.), 6:0 Bernd Nickel (61.)
Eintracht Frankfurt | Bayern München |
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Trainer | Trainer |
Demütigung für die Bayern Welch großer Tag für die Frankfurter Eintracht: 55.000 Zuschauer im fast vollen Waldstadion, rund 600.000 Mark in der Kasse und ein triumphaler 6:0-(5:0-)Sieg über die Münchner Bayern! Rüdiger Wenzel, Bernd Nickel, Jürgen Grabowski, Bernd Hölzenbein, Willi Neuberger und abermals Nickel schossen das halbe Dutzend gegen ein Beckenbauer-Ensemble, das von einer brillant aufspielenden Eintracht gedemütigt, blamiert, ja teilweise lächerlich gemacht wurde. Bei der Eintracht spielte Jürgen Grabowski in Superform und führte blendend Regie. Er sprühte nur so vor Kunst- und Kabinettstückchen. Hätte die Eintracht in der letzten halben Stunde weiter so zielstrebig wie in den vorangegangenen 60 Minuten gespielt und in der zweiten Halbzeit ebenso viel Glück mit ihren Schüssen wie in den ersten 45 Minuten gehabt, die Bayern hätten an diesem Tag wahrlich zweistellig verloren. Die schwache Bayern-Mannschaft erinnert wahrlich nicht an den amtierenden Europapokalsieger, sondern eher schon an ein Team aus der Bayern-Liga. Die Bayern überraschten mit ihrer Formation: Wunder und Zobel, die beiden Routiniers, blieben auf der Bank. Für sie hatte Dettmar Cramer den jungen Weiß (als „Bewacher" von Grabowski) und Marek ins Spiel geschickt. Die Maßnahme sollte sich alles andere als ein Glücksgriff erweisen, denn Weiß konnte nur neben oder hinter dem großartigen Grabowski herlaufen. Franz Beckenbauer kam einem vor wie die Hüterin in einem Kindergarten, denn allein seine Vorstöße brachten etwas Ordnung in das konfuse Bayern-Spiel. Er war der einzige Profi in einem Rudel von Amateuren. Da sein sonst so zuverlässiger Assistent Sepp Maier an diesem Tag in seinem Tor nur zu träumen schien, wurden die Bayern von einer glänzend aufgelegt, klug und konzentriert spielenden Eintracht aus- und niedergespielt. Die Frankfurter fackelten aber auch nicht lange mit ihren Torschüssen und nutzten ihre Chancen konsequent und kaltblütig. 5:0 zur Halbzeit. Herausgeschossen in einem Spiel, in dem es Weises Schützlinge brillant verstanden, das Tempo und den Rhythmus ständig zu wechseln. 1:0 in der 8. Minute: Wenzel drückte einen Eckball von Nickel mit dem Kopf völlig ungehindert ins Bayern-Netz. Da hat nicht nur Maier geschlafen. Schon das Zustandekommen der Ecke war typisch für das Bayern-Durcheinander. Sie entsprang einer verunglückten Rückgabe des Verteidigers Horsmann. 2:0 in der 17. Minute: Nickel knallte einen Freistoß — Grabowski hat den Ball leicht angetippt — um das Bayern-Mäuerchen (bestehend aus nur zwei Männern) herum ins kurze Eck. Wieder reagierte Maier viel zu spät. Torstensson mit einem plumpen Foul an Reichel hat den Freistoß verschuldet. 3:0 in der 28. Minute: Ein Supertor von Jürgen Grabowski, der weit draußen an der linken Seite mit einem hohen Schuß ins lange Eck Maier abermals völlig überraschte. Entstanden war die Schußmöglichkeit durch eine Tändelei Beckenbauers an der Auslinie, wo Hölzenbein gegen ihn einen Einwurf erkämpfte. Während der Bayern-Kapitän sich noch bei Schiedsrichter Eschweiler beschwerte, warf Hölzenbein kurz entschlossen ein, Nickel verlängerte zu dem heranbrausenden Grabowski, der kurz entschlossen seinen Superschuß losließ. 4:0 in der 40. Minute: Hölzenbein erzielte es in einer Art, wie sonst nur Gerd Müller. Sehnsüchtig mag Franz Beckenbauer an den Bomber gedacht haben, als Hölzenbein mit dem Rücken zum Bayern-Tor einen Grabowski-Paß annahm, sich mit einer blitzschnellen Körperdrehung um seinen Bewacher Dürnberger herumwand und mit dem linken Fuß den Ball ins Tor drosch. 5:0 in der 45. Minute: Willi Neuberger, der blendend aufgelegte Libero, beendete einen herrlichen Doppelpaß mit Nickel zum Torschuß. Die Bayern brachten zur zweiten Halbzeit Wunder für Weiss. Doch was half's. Zumal Beckenbauer resignierte und seine Resignation phasenweise auch nachhaltig demonstrierte. Mit einem Foul fügte der Bayern-Kapitän Müller eine Verletzung zu. Obwohl das Blut aus dem Strumpf des Eintracht-Verteidigers quoll, spielte er weiter. Karl-Heinz Körbel marschierte immer mehr. Er wollte es dem „Kaiser", bei dem er in der Nationalmannschaft offenbar in Ungnade gefallen war, „zeigen". Fast hätte in der 52. Minute sein gewonnenes Kopfballduell gegen Beckenbauer nach einer herrlichen Flanke Reichels zum 6:0 geführt. Doch der Ball ging knapp daneben. Ebenso wie wenig später Schüsse von Grabowski und zweimal von Wenzel. Jürgen Grabowski machte mit seinem Schatten Marek, was er wollte. Ein Spiel auf ein Tor, und hätte die Eintracht in dieser Phase das Schußglück der ersten Halbzeit gehabt, es hätte bald 10:0 für die aufgedrehten Frankfurter stehen können. Das 6.0 fiel in der 61. Minute: Bernd Nickel verwandelte einen Eckball direkt. Maier bekam den Ball erst hinter dem Pfosten und der Torlinie zu fassen und begrub ihn unter sich — hinten im Toreck, wo er sich wohl am liebsten verkrochen hätte. Dann schickte Dettmar Cramer Zobel für Torstensson ins Spiel. Kapellmann beschwerte sich bei seinem Trainer an der Seitenlinie, doch endlich ihn zu Grabowski zu stellen, den der Eintracht-Kapitän trickste, und narrte, foppte, und veralberte ganz allein die Bayern-Hintermannschaft. Lediglich in der letzten Viertelstunde, als bei der Eintracht der Spielrausch verflogen war, kamen die Bayern besser auf und ein paarmal sogar gefährlich vor Wienholds Tor. Stimmen zum Spiel Dettmar Cramer: „Durch drei kapitale Abwehrfehler sind wir viel zu schnell 0:3 ins Hintertreffen geraten. Die Eintracht hat so berauschend Fußball gespielt, daß es für die Zuschauer ein Leckerbissen war. Für den Bayern-Trainer allerdings nicht. Wenn eine Mannschaft mit technisch so guten Leuten das 3:0 geschossen hat, dann begeistern sich die Spieler an sich selbst, das Spiel wird so schön, wie es für die Frankfurter war. Und so grausam, wie es für die Bayern gelaufen ist. Aber das Leben geht weiter. Morgen tragen wir ein Freundschaftsspiel beim VfR Neckarau aus, abends sind wir wieder daheim, dann bereiten wir uns auf das Spiel gegen Köln vor. Unser Blick ist nach vorne gerichtet — und nicht nach hinten." Dietrich Weise: „Nach langer Durststrecke war es nur eine Frage der Zeit, bis bessere Zeiten kommen würden. Wir sind froh, daß wir unseren Formanstieg auch gegen einen Gegner beweisen konnten, der dem Namen nach stärker ist als der VfL Bochum. Die Verbissenheit, mit der wir ins Spiel gingen, nahmen die Bayern nicht an, oder sie konnten es nicht. Den Chancen der zweiten Halbzeit nach wäre auch ein 10:0 möglich gewesen, aber auch das 6:0 spiegelt die gute Leistung der Eintracht wider." Franz Beckenbauer: "Es war eine der schwärzesten Stunden meiner Laufbahn, als ich tatenlos zusehen mußte, wie wir abgeschlachtet wurden."
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