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1. FC Köln - Eintracht Frankfurt |
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Bundesliga 1975/1976 - 14. Spieltag
3:3 (0:2)
Termin: Sa 15.11.1975, 15:30 Uhr
Zuschauer: 41.000
Schiedsrichter: Hermann Schröder (Lahnstein)
Tore: 0:1 Bernd Nickel (15.), 0:2 Bernd Hölzenbein (45.), 1:2 Heinz Flohe (49.), 2:2 Harald Konopka (50.), 2:3 Bernd Nickel (57.), 3:3 Heinz Simmet (59.)
1. FC Köln | Eintracht Frankfurt |
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Ein halbes Dutzend in der neuen Hauptkampfbahn Die Amateure von Eintracht Frankfurt sind in der Hessenliga ungewöhnlich gut platziert, nachdem sie sich in der Vergangenheit - bedingt durch die ewigen Kaderveränderungen - immer wieder aus den unteren Regionen ins Mittelfeld der Tabelle kämpfen mussten. „Ich wollte vor der Saison unter den ersten sieben Teams rangieren, und das will ich auch weiterhin. Nachdem ich aber die Spielstärke dieser Klasse kennengelernt habe, weiß ich, dass dies etwas hoch gegriffen ist. Trotzdem bin ich optimistisch“, lautet das Zwischenfazit von Trainer Hans-Dieter Roos, der neben seiner Aufgabe bei den Amateuren Bundesligatrainer Weise bei den Profis assistiert. „Wir sind bisher rundum zufrieden, die Mitarbeit der Mannschaft ist vorbildlich“, lobt Roos sein Team. Das gilt allerdings nicht für alle. Den von Borussia
Fulda zurückgekehrten Panfil hat Roos aussortiert: „Sein Einsatz
war einfach ungenügend, Panfil kann sich einen neuen Verein suchen.“
Unzufrieden ist Roos auch mit der Unterstützung des Vereins, der
trotz seiner Empfehlung weder Libero Hans-Dieter Diehl, der nun beim 1.
FC Kaiserslautern unter Vertrag steht, noch den nun beim Bonner SC Im Tor hat Roos dagegen die Qual der Wahl, denn sowohl Arnold als auch Krumbe wollen sich für einen Profivertrag empfehlen. Berechtigte Hoffnungen auf ein Engagement im Kader der ersten Mannschaft machen sich ebenfalls Dörr und Disser, bei denen Roos in den letzten Wochen erhebliche Fortschritte beobachtet haben will. Disser sei sehr laufstark geworden und als Regisseur im Mittelfeld würden von ihm wesentliche Impulse ausgehen. Das jedoch reicht nicht, weiß auch Roos, der seine Elf noch zu oft in Schönheit sterben sieht: „Unsere Spielzüge sind für Amateure manchmal optimal, aber an der Strafraumgrenze ist es dann vorbei.“
Nicht mehr dazu gehören wollen Paul Breitner und Günter Netzer. Dem Zerwürfnis zwischen den Spielern und Schön vorausgegangen war Real Madrids Weigerung, Breitner wegen „Verletzungsgründen“ für die Partie gegen Bulgarien abzustellen. Schön setzte sich jedoch nicht beim spanischen Klub für Breitners Freigabe ein, sondern verzichtete zudem freiwillig auch noch auf Netzer. „Jetzt ist das Maß voll; ich werde nie wieder in die Nationalelf zurückkehren“, lautete Netzers Reaktion und zwei Tage später erklärte Breitner - ebenfalls zum zweiten Mal - seinen Rücktritt aus der DFB-Auswahl. Schön will zwar noch nicht „von einem endgültigen Abschied“ sprechen, stellt aber klar: „Nachlaufen werde ich keinem.“ Das muss Alketas Panagoulias, der Trainer der griechischen Auswahl, die im EM-Gruppenspiel gegen Schöns Truppe mit Netzer und Breitner am 11.10. in Düsseldorf ein überraschendes Remis erspielte, auch nicht tun. Bei ihm reicht es fast schon, wenn er zu den Spielen von PAOK Saloniki pilgert. Nicht weniger als sieben Akteure dieses Teams standen beim 1:1 gegen den Weltmeister im Aufgebot der Griechen und fünf kamen zum Einsatz. Ein Verdienst des Trainers von PAOK, meint der „Kicker“ und nennt seinen Artikel: „Lorant macht Nationalspieler“. Der als „harter Hund“ bekannte ungarische Fußballtrainer Gyula Lorant lässt seine Schützlinge wie in Deutschland zwei Mal am Tag trainieren: „Ballbegabt und technisch versiert sind sie alle, aber den Spielern fehlen noch Kondition und Tempo sowie das blinde Verständnis untereinander, um eine ganze Saison Höchstleistungen zu bringen. Mein Training ist darauf abgestellt, sie an den Leistungsstandard der Bundesliga heranzubringen.“ Eine Rückkehr in diese Liga schließt der Fußball-Fachmann, der in diesem Metier auch ein gewiefter Geschäftsmann ist, nicht aus, obwohl PAOK seinen Vertrag gerne über das Saisonende hinaus verlängern würde. „Wenn überhaupt, dann würde ich nur einen Kontrakt über weitere zwei Jahre unterschreiben, denn nur so wären die kontinuierliche Aufbauarbeit und der Erfolg in Einklang zu bringen. Außerdem muss natürlich das Geld stimmen“, gibt er freimütig zu. Und Geld hat er in den letzten Jahren mit seinen Verträgen verdient, die er seit 1971 dank vorzeitiger Abschiede weder in Kaiserslautern noch in Köln oder Offenbach zu erfüllen brauchte. Einen gänzlich anderen Ruf genießt Eintracht-Trainer Dietrich Weise, der sich bei den letzten Vertragsverhandlungen allerdings weitreichende Kompetenzen erstritten hat. Das ging zu Lasten des Vizepräsidenten Ernst Bergers, was das ohnehin nicht unbelastete Verhältnis der beiden nicht besser gemacht hat. Weise ist quasi Trainer und Manager in Personalunion, sein Verbleib in Frankfurt ist jedoch nicht gesichert: „Mein Vertrag läuft bis 1977, aber ich kann ihn von mir aus zum Saisonende kündigen.“ Gegenüber der Abendpost/Nachtausgabe dementiert Weise zudem Meldungen, wonach er sich bereits entschieden habe, bis 1977 zu bleiben: „Da ist noch alles drin. Ich werde mich demnächst zu diesem Thema äußern.“
Dampf gemacht hat der „Kicker“ in seiner Ausgabe vom Montag dem DFB. Der hatte „vor etwa einem Jahr einen Brief von der Bundesanstalt für Arbeit“ erhalten, in dem mitgeteilt wurde, „dass das gewerbsmäßige Verleihen von Profifußballern gegen Entgelt verboten ist, sobald die Leihdauer drei Monate übersteigt.“ Doch, so moniert der „Kicker“, „im deutschen Fußball werden Spieler auch weiter von Verein zu Verein ausgeliehen. Und geschah dies lange Zeit im Verborgenen, so bemühen sich die Vereine inzwischen gar nicht mehr darum, ihre verbotenen Praktiken vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Ein Beispiel von vielen: Peter Weiand, Präsident des 1. FC Köln, gab kürzlich in einer Pressekonferenz bekannt, dass der Verein den Spieler Detlev Lauscher gegen eine Gebühr von 60.000 Mark pro Jahr verleihen wolle. Verletzt der DFB nicht seine Fürsorgepflicht, wenn er diesen Praktiken tatenlos zusieht?“, fragt das Fachblatt.
Auch im Mittelfeld klemmt es bei den Kölnern. Herbert Neumann, den Anfang November Ischiasbeschwerden plagten, hat in dieser Bundesligasaison noch keinen Treffer erzielt, Kapitän Wolfgang Overath und Heinz Flohe nur je einen – beide trafen beim 3:2 gegen Werder Bremen am 7. Spieltag. Und im Sturm sieht es nicht viel besser aus. „Was will man machen. Bei um schießt außer dem Hennes Löhr keiner Tore …“ hat Wolfgang Weber am letzten Wochenende nach der Niederlage bei Schalke 04 geklagt. Trainer Zlatko „Tschik“ Cajkovski hofft auf das nächste Jahr: „Noch in diesem Monat beginnt Dieter Müller wieder mit dem Training. Bis zum Start der Rückrunde ist er vollkommen fit. Dann kommen wir viel stärker heraus. Wir sprechen sogar noch um die Meisterschaft mit. Davon bin ich überzeugt.“ In der Tat fehlt Müller, der in den letzten beiden Runden 17 und 24 Tore erzielte, aber in dieser Saison nur an den ersten beiden Spieltagen mitwirken konnte, im Angriff sehr. „Ich bemühe mich ja nach allen Regeln der Kunst, aber Wunder dauern etwas länger“, schmunzelt Hennes Löhr, der bislang torgefährlichste und zugleich älteste Kölner Akteur: „Es fehlt zurzeit wirklich einiges bei uns.“ Das bremst jedoch nicht den Optimismus seines Trainers, der schon nach der Niederlage im Gelsenkirchener Parkstadion den nächsten Gegner ins Visier nahm: „Da freut sich unser Kassierer, denn Frankfurt hat 6:0 gewonnen. Ich werde mich nach dem Spiel auch freuen, denn wir werden gewinnen.“ Gesiegt hat seine Elf, die in der Liga auf Platz acht liegt und im Europapokal in der zweiten Runde mit zwei Niederlagen gegen Spartak Moskau ausgeschieden ist, am Mittwoch im Duell mit dem Lokalrivalen Fortuna, der in der 2. Liga spielt. Die Partie anlässlich der Eröffnung des neuen Kölner Stadions ging mit 3:0 an den Erstligisten. „Mit dem neuen Stadion gibt es auch einen neuen Anfang beim 1. FC. Ich betonte: Wir kommen in der 2. Serie noch ganz stark heraus …“, erinnerte Cajkovski an seine Prognose.
Das Stadion sollte ursprünglich bereits zur Fußball-WM 1974 fertig gestellt sein, doch nachdem der Innenminister von Nordrhein-Westfalen einen Nachtragshaushalt von sechs Millionen Mark als erste Baurate nicht genehmigte, zogen die Kölner ihre Bewerbung als WM-Stadt überraschend zurück. Nun aber ist sie fertig, die „neue Hauptkampfbahn“ - „ein besserer Name ist in Rat und Verwaltung der Stadt bisher noch keinem eingefallen“, kommentiert der „Kicker“. 27.894 Sitzplätze, 108 weitere für Ehrengäste und 33.186 Stehplätze bietet das Stadion, das für die geplanten 44,5 Millionen DM nach nur 22 Monaten Bauzeit am 15.10. schlüsselfertig übergeben werden konnte. Die Diskussion um den Neubau gibt der renommierte Sportjournalist Dr. Paul Tröger in seinen „Gedanken vor dem ersten Bundesliga-Spiel in der neuen Kölner Hauptkampfbahn“ wieder: „Jetzt, wenige Minuten vor dem Beginn des ersten Bundesliga-Punktspiels im neuen Stadion, steht immer noch die Frage unbeantwortet im Raum: Ist ein großes Stadion überhaupt notwendig für eine Stadt, selbst für eine Millionenstadt? Ist ein Stadion, das auch bei guter Belegung Zuschüsse erfordert, praktisch nicht Luxus - Luxus, den man sich gerade in Zeiten einer Rezession nicht erlauben sollte, dürfte? Was ist überhaupt Luxus? Die Antwort ist glücklicherweise nicht mehr aktuell, seit der Rat der Stadt Köln am 25. Oktober 1973 den Neubau in Müngersdorf beschloss. Sehen wir lieber in der neuen Stadion-Hauptkampfbahn ein Geschenk der Stadt Köln an alle ihre Bürger, nicht nur an die Sportler, denn die repräsentative Stätte wird sicherlich nicht nur große Sportveranstaltungen erleben …“ Wobei: „Niemand leugnet, dass vor allem der große, der bezahlte Fußball Gewinn aus dem neuen Stadion ziehen wird. Genauer gesagt: zu ziehen hofft.“ Der Mannschaft des 1. FC Köln gibt Tröger daher mit auf dem Weg: „Die Möglichkeiten der neuen Hauptkampfbahn - sie hat mehr Sitzplätze als die Radrennbahn überhaupt Plätze hat! -, müssten Overath und seine Männer zu jenen Leistungen beflügeln, die einst den Namen des 1. FC Köln und damit auch Kölns im Fußball zu einem Begriff gemacht hatten. Nun gibt es die Ausrede der Frustration durch ein zu kleines Stadion nicht mehr!“ Den „Beflügelten“ im Weg stehen heute jedoch die „Adler“ aus Frankfurt, die bei der Punktspielpremiere des neuen Stadions etwas Zählbares mitnehmen wollen. Mit einem Sieg würde die Eintracht die zwei Ränge vor ihr platzierten Kölner in der Tabelle überholen. Doch dazu braucht es eine stabile Abwehrformation, die Weise nun gefunden zu haben glaubt: „Die Abwehr hat in den Spielen gegen Atletico und Bochum eine derartige Festigkeit erlangt, dass es nicht richtig wäre, sie wieder auseinanderzureißen. Ich hoffe, dass Trinklein soviel Einsicht besitzt“, sagt der Fußballlehrer, der Neuberger also erneut den Liberoposten anvertraut und auch Bernd Nickel wieder auf den vom Spieler ungeliebten Position des Linksaußen spielen lässt, „obwohl ich mit der Leistung von Bernd Lorenz gegen Bochum zufrieden war. Aber Nickel kann doch etwas mehr Ruhe ins Spiel bringen.“ Nicht nur das. Nickel bringt auch Gefahr - für das gegnerische Tor. Bereits nach sechs Minuten nimmt er eine Flanke von Grabowski volley und knallt den Ball aus über 20 Metern Entfernung auf den Kölner Kasten. Topalovic pariert den Gruß von „Dr. Hammer“ mit einem Reflex in der Manier des Keepers, der instinktiv das Richtige zu tun in der Lage ist. Wenige Minuten später hilft dem Schlussmann jedoch auch das nicht mehr, denn zum Reagieren bleibt nur wenig Zeit. Mit einer hohen Flanke hat Beverungen die Abwehrreihe der Gastgeber ausgehebelt und Hölzenbein bedient, der das Leder mit großer Wucht aufs Tor jagt. Der Schuss trifft Topalovic voll ins Gesicht. Eine Bahre wird auf das Feld gebracht, das der Torwart nach nur einer Viertelstunde benommen verlassen muss. Die Verletzung von Topalovic macht Kölns Torwartmisere komplett.
Die Premierenstimmung ist dem heimischen Publikum vergangen. Zur großen Enttäuschung des Kölner Anhangs ist es im Duell der beiden Regisseure der Weltmeister vom Main und nicht jener vom Rhein, der die Fäden im Mittelfeld erfolgreich zieht und den Angriff mit gescheiten Pässen und Flanken füttert. Aufseiten der Gastgeber kommt dagegen in der ersten halben Stunde lediglich Flohe gefährlich vor des Gegners Tor. Heute wird Cajkovski mit dem Mittelfeldspieler zufrieden sein, den er Ende August nach dem Spiel beim KSC noch scharf kritisiert hatte: „Flohe hat nicht das gemacht, was ich sagte. Er sollte stürmen. Aber was macht er? Er geht spazieren in der Abwehr.“ Heute ist eher Overath der Spaziergänger von Müngersdorf. Dabei ist es Grabowski, der sich der unerbittlichen Härte des „Kettenhundes“ Simmet erwehren muss, während sich Overath nur des großen läuferischen Einsatzes seines Gegenspielers Weidle ausgesetzt sieht. Und doch ist es Grabowski, der für die beste Gelegenheit zum nächsten Treffer sorgt, als er Beverungen glänzend frei spielt. Der schussgewaltige „Beve“ versteht es aber nicht, die Chance, die ihm quasi auf dem silbernen Tablett präsentiert wird, auch zu nutzen. In der letzten Viertelstunde vor dem Pausenpfiff ist es der auf Kölner Seite überragende Libero Cullmann, der seine Elf mit Alleingängen aus der eigenen Hälfte nach vorne zu treiben versucht. Fast gelingt ihnen sogar der Ausgleich, weil Torwart Wienhold mit dem Ball in der Hand über seinen Strafraum hinaus gerät. Nach dem folgenden Freistoß in der 35. Minute bleibt der Schuss von Hein jedoch in der Abwehr hängen, während Wienhold schon am Boden liegt. Hein ist Hölzenbeins starker Gegenspieler, doch der andere Frankfurter Weltmeister zeigt sich wie so oft vor Länderspielen in ausgezeichneter Form. Zusammen mit Grabowski ist er der Garant für die nadelstichartigen Attacken, mit denen die Eintracht auf den kraftvoll, aber uninspiriert und planlos vorgetragenen Sturmlauf der Kölner antwortet. Und unmittelbar vor der Pause hat der sonst blass bleibende und schwächste Frankfurter Wenzel das 0:2 auf dem Fuß, sein Schuss streicht jedoch knapp am Tor vorbei. Aufgeschoben ist hier aber nicht aufgehoben, denn nur Sekunden später schließt Hölzenbein den nächsten Angriff der disziplinierten Elf Dietrich Weises überlegt mit einem halbhohen Schuss in die lange Ecke ab. Es ist das 750. Bundesligator der Frankfurter Eintracht. In der Kabine erhalten die Hausherren den nächsten Schlag. Die Verletzung in der Wade, die Overath schon am Mittwoch beim Spiel gegen Fortuna Köln erlitten hat, lässt ein Weiterspielen nur mit schmerzstillenden Spritzen zu. Das Risiko, die Verletzung zu verschlimmern, wollen jedoch Spieler und Trainer nicht eingehen. „Eigentlich durfte ich gar nicht spielen“, sagt Overath, „schon vorher beim Warmmachen spürte ich den Schmerz. Es ist entweder eine Zerrung oder ein Faserriss.“ Erleichtert wird die Entscheidung, den Kapitän vom Feld zu nehmen, aber auch durch Overaths unterdurchschnittliche Leistung. An seiner Stelle spielt nun Lauscher, dem übrigens der eingangs erwähnte Gyula Lorant am 18.9.1971 zu seinem ersten Bundesligaeinsatz verhalf, in dessen Verlauf er den Treffer zum 2:0-Endstand erzielte. Lauscher hat sich in Köln nach seinem verheißungsvollen Beginn über die Jahre aber nicht als Stammkraft empfehlen können. Doch womit nur ausgemachte Optimisten mit einem Hang zu Phantastereien rechnen durften, geschieht in den ersten fünf Minuten nach Wiederanpfiff. Als sei die Kölner Elf ohne ihren Kapitän plötzlich wieder vollzählig, bedrängen sie den Gegner mit einer Vehemenz, die man nach dem ersten Durchgang nicht für möglich gehalten hat. Die Frankfurter lassen sich dabei aber auch von der veränderten Gangart der Gastgeber beeindrucken. Anstatt jetzt mit gleicher Münze herauszugeben, ziehen sie den Schwanz ein und den Fuß zurück. Und so bekommen sie eine Rechnung aufgemacht, die ihnen ebenso wenig schmeckt. Nachdem Flohe gegen die allzu siegessicher aus der Pause gekommenen Gäste mit einem Kopfball aus kurzer Distanz in der 49. Minute für den Anschlusstreffer gesorgt hat, trifft Konopka nur eine Minute später zum Ausgleich.
Es ist nun ein offener Schlagabtausch, wobei die Vorteile aufseiten der Kölner liegen, für die Overath heute tatsächlich ein Ballast gewesen zu sein scheint. Die spielbestimmenden Figuren sind nicht wie erwartet Grabowski und Overath, sondern Cullmann und Hölzenbein, die der „Kicker“ später wenig überraschend zum ersten Mal in dieser Saison in „die Elf des Tages“ berufen wird. Hölzenbein ist trotz seines aufmerksamen Gegenspielers Hein fast genauso gefährlich wie Kölns drei Angriffsspitzen zusammen. Das ist auch notwendig, denn Wenzel gelingt gegen Weber kaum etwas. Durch Nickel und Hölzenbein kommt die Eintracht zu zwei weiteren guten Möglichkeiten, die jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Frankfurter sich längst wegen des großen Kölner Drucks überwiegend in der eigenen Hälfte aufhalten müssen. Flohe hat acht Minuten vor dem Ende nach einem langen Pass von Neumann die große Chance, die Partie zu entscheiden, doch allein vor dem Tor scheitert er im Duell mit Wienhold. Damit ist es genug, denn nun haben auch die Gastgeber ihre letzten Reserven verbraucht und willigen in das Unentschieden ein, mit dem die erschöpften Frankfurter ebenfalls zufrieden sind.
Zum festlichen Abendbankett im Klubhaus des 1. FC Köln ist die Eintracht eingeladen und Grabowski trifft dort erneut direkt auf seinen Gegenspieler Simmet. Dieser witzelt angesichts der Oberlippenbärte, die beide tragen: „Wir zwei liegen ja auch auf einer Ebene.“ Grabowski erträgt den Humor seines Tischnachbarn besser als zuvor dessen Attacken auf dem Spielfeld: „In meiner Wade habe ich die blutigen Male von sämtlichen fünf Stellen seines Schuhs.“ Tatsächlich ließ sich die in der ersten Halbzeit überlegen spielende Eintracht den Schneid abkaufen, von den Kölnern, die „so mächtig hingelangt“ hätten, dass „sich bei uns keiner mehr traute, den Ball zu halten“, wie Grabowski meint. Hingelangt hat Grabowski übrigens auch einmal gegen Flohe. Doch nachdem der Schiedsrichter das Foulspiel übersehen hatte, schlug Grabowski den Ball absicht¬lich ins Aus und entschuldigte sich bei dem Kölner. Und fair räumt der Eintracht-Kapitän ein: „Wir hätten das Spiel nach dem Verlauf der ersten Halbzeit natürlich für uns entscheiden müssen. Die Kölner griffen aber im zweiten Durchgang so ungestüm an, dass ich meinem Gegenspieler Simmet nachlaufen musste - und nicht umgekehrt.“ Aber es gibt neben dem errungenen Punkt noch mehr Positives, das man mit zurück an den Main nehmen kann. „Ich hoffe, dass wir uns jetzt gefangen und die lange Durststrecke überwunden haben“, sagt Willi Neuberger, der nachmittags in der Auslandskundenabteilung der Deutschen Bank in Frankfurt arbeitet und Wert darauf legt, auch in der Mannschaft einen Platz einzunehmen, der ihm bekannt ist. „Als Libero oder Außenverteidiger fühle ich mich viel wohler“, sagt der vor einem Jahr als Linksaußen verpflichtete Spieler zu den Versuchen, ihn im Mittelfeld unterzubringen. Über den Platz, den Wolfgang Overath einnehmen soll, wird in Köln mal wieder gestritten. Während für den DFB-Trainer Heddergott lediglich bewiesen wurde, dass „andere Spieler mehr Verantwortungsgefühl entwickeln, wenn die Führungsfigur ausgeschieden ist“, wird in Köln nun wieder davon gesprochen, dass es „ohne Overath besser läuft“. „Seitdem ich in der Mannschaft stehe, und das sind mehr als zehn Jahre, ist das so“, zuckt der Kapitän lediglich mit den Schultern: „Gewinnen sie ohne mich, heißt es, auf mich könnte man verzichten, verlieren sie ohne mich, verlangen dieselben Leute: Der Overath muss wieder her. Außerdem: Wer will das Gegenteil beweisen, wenn ich behaupte, mit mir im Mittelfeld hätten wir in der zweiten Halbzeit nicht drei, sondern sechs Tore geschossen, hätten 6:3 gewonnen?“ „In absehbarer Zeit trete ich sowieso zurück“, beendet er die Diskussion von seiner Seite. Den Grund für den verpassten Sieg sieht Trainer Cajkovski sowieso an anderer Stelle. Für ihn war es die Verletzung von Topalovic, der trotz vermuteter Gehirnerschütterung am Abendessen teilnimmt. „Ohne sein Ausscheiden hätten wir bestimmt gewonnen“, glaubt Cajkovski, ohne allerdings Mattern direkt einen Vorwurf zu machen. „Er kam doch völlig kalt ins Spiel und da kann so etwas immer passieren wie beim 0:1 durch Nickel“, nimmt Kapitän Overath den Amateur in Schutz. „Seit vierzehn Tagen habe ich keine Schmerzen mehr in meinem Fuß. Das Spielen macht endlich wieder Spaß“, freut sich derweil Bernd Cullmann nach seiner starken Leistung, die ihm eine Berufung in den Kader der DFB-Auswahl verschafft. In diesem Aufgebot für das Spiel gegen Bulgarien fehlt jedoch der Name Körbel. Nichts ist es, mit der „Frankfurter Blockbildung.“ „Ich bin schwer enttäuscht“, fühlt sich Körbel ungerecht behandelt: „Gegen Atletico Madrid habe ich gut gespielt, gegen Bochum auch und als Gegner Flohes war ich diesmal bestimmt nicht schlecht. Ich hätte mich gerne auf die Reservebank gesetzt, wenn ich nur eingeladen worden wäre. Warum musste ausgerechnet ich dran glauben?“ „Du solltest endlich mal den Mund aufmachen“, ermuntert Schlussmann Wienhold seinen zurückhaltenden Kollegen. „Wir müssen Körbel helfen, dass er drüber wegkommt. Und außerdem ist er ja nicht völlig weg vom Fenster“, macht Trainer Weise seinem Spieler Mut. Allerdings: Weise, der gleich nach dem Spiel Helmut Schön Bericht erstattet hatte, „gewann den Eindruck, dass der Bundestrainer Schwarzenbecks Einsatz schon lange geplant hat. Körbel hätte gegen die Bulgaren also ohnehin nicht gespielt.“
Epilog Peter Reichel, der sich 1978 im Alter von nur 26 Jahren reamateurisieren lässt, um sich ganz auf seinen Lehrerberuf zu konzentrieren, läuft zwei Mal für die A-Nationalmannschaft des DFB auf, Karl-Heinz Körbel dagegen nie wieder. Dietrich Weise wird statt zweier Spiele im Europapokal der Pokalsieger lediglich für eine Partie gesperrt. Gyula Lorant kehrt ein Jahr später tatsächlich in die Bundesliga zurück – als Trainer von Eintracht Frankfurt. Er löst Hans-Dieter Roos ab, den Nachfolger von Dietrich Weise, der seinen Vertrag zum 30.6.1976 aufgelöst hatte. Der Grund für Weises Demission: „Immer der Ärger mit Herrn Berger“. Die von der Eintracht für die Amateure nicht verpflichteten
Talente Diehl und Bönighausen reüssieren im Profifußball.
Hans-Dieter Diehl kann sich zwar in der 1. Liga nicht durchsetzen und
verlässt den 1. FC Kaiserslautern nach nur einer Saison mit neun
Einsätzen in Richtung KSV Baunatal, spielt mit den Nordhessen jedoch
bis zu deren Abstieg immerhin drei Jahre in der 2. Liga. Siegfried Bönighausen
wechselt 1976 vom Bonner SC zu Rot-Weiss Essen in die 1. Liga. Mit den
Essenern geht er nach nur einem Jahr in die Zweitklassigkeit, in der der
Außenstürmer zum Abwehrspieler umfunktioniert wird. Nach insgesamt
vier Jahren in Essen wechselt er zurück in die Bundesliga, wo er
es sowohl beim BVB als auch beim VfL Bochum zum Stammspieler bringt. Detlev Lauscher wird nicht verliehen; er wechselt nach Saisonende in die Schweiz zum FC Basel, mit dem er 1977 und 1980 die Meisterschaft erringt. 1981 geht er zum FC Luzern und 1984 zum Grasshopper Club Zürich, wo er ein Jahr später seine Karriere als Profi-Fußballer beendet. Am 15.10.2010 stirbt er in Basel im Alter von nur 57 Jahren an einem Herzinfarkt. Wolfgang Mattern wird nie wieder ein Bundesligaspiel bestreiten. Er wechselt zu Viktoria Köln, wo er allerdings nur eine Saison bleibt, um dann wieder zu den Amateuren des 1. FC zurückzukehren. Mit diesen wird er 1981 nach einem 2:0 gegen den FC St. Pauli deutscher Meister der Amateure. Matterns Nachfolger bei der Viktoria wird 1977 Topalovic, der mit dem Klub in die 2. Liga aufsteigt. 1979 kehrt er zum OFK Belgrad nach Jugoslawien zurück, um sich dann ab 1981 noch einmal für sechs Jahre bei Olympique Lyon zu verdingen. Der 1952 Geborene stirbt bereits 1992: Er prallt bei einem Altherren-Spiel in Frankreich mit einem Gegner zusammen und erliegt seinen Schädelverletzungen. (rs)
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