FC Coleraine - Eintracht Frankfurt

Europapokal der Pokalsieger 1975/1976 - 1. Runde, Rückspiel

2:6 (1:3)

Termin: 01.10.1975
Zuschauer: 3.500
Schiedsrichter: Beck (Niederlande)
Tore: 1:0 McCurdy (20.), 1:1 Jürgen Grabowski (21.), 1:2 Bernd Nickel (27.), 1:3 Bernd Lorenz (35.), 1:4 Jürgen Grabowski (65.), 2:4 Cochrane (75.), 2:5 Bernd Hölzenbein (84.), 2:6 Jürgen Grabowski (90.)

 

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FC Coleraine Eintracht Frankfurt

  • Vincent Magee
  • Johnny McCurdy
  • Eugene McNutt
  • Liam Beckett
  • Davy Jackson
  • Alan Simpson
  • Terry Cochrane
  • Brian Jennings
  • Michael Guy
  • Des Dickson
  • Frankie Moffatt

 


 

Wechsel
  • Peter Tweed für Frankie Moffatt (46.)
  • Davie Gordon für Alan Simpson (70.)
Wechsel
Trainer
  • Ivan Murray
Trainer

 

 

Mit Blindlandeeinrichtung ins Achtelfinale

Nach vier sieglosen Spielen in der Bundesliga ist die Reise nach Coleraine eine willkommene Abwechslung für die Frankfurter Eintracht und gleichzeitig die Möglichkeit, gegen den bereits im Hinspiel deutlich unterlegenen Gegner mit einem Sieg die durchwachsene Stimmung zu verbessern. Während Kapitän Grabowski im 1:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern den „Umschwung zum Besseren“ erkannt hat, sieht Trainer Weise die Eintracht „länger kleine Brötchen backen“. „Die werden auf uns losgehen wie die Teufel“, glaubt Weise an einen heißen Tanz in Coleraine und wäre froh, aus Nordirland „wenigstens ein 2:2 mitzubringen“. Am Weiterkommen zweifelt nach dem klaren 5:1-Sieg im Waldstadion aber keiner mehr. „Wenn wir in Coleraine den Einzug in die zweite Runde um den Europacup verspielen sollten, dann lass’ ich mich im Zinksarg nach Frankfurt fliegen“, bringt Torhüter Wienhold die Ausgangslage vor dem Abflug am Frankfurter Flughafen auf den Punkt.

Die instabile innenpolitischen Lage, die den nordirischen Verband bewog, in der Saison 1972/73 keine Vertreter in die europäischen Clubwettbewerbe zu entsenden, wäre eher für Befürchtungen geeignet. „Ich bin sicher, dass wir beim Rückspiel in Belfast keine Schwierigkeiten haben werden“, hat jedoch Vizepräsident Berger direkt nach der Auslosung diese Bedenken zu verstreuen versucht: „Ich erwarte vielmehr eine durchaus sportliche Einstellung des Publikums, und wie ich unsere Spieler kenne, werden sie auf der irischen Insel so unbefangen auftreten, wie auf jedem anderen Fußballplatz der Welt.“

Wirkliche Sorgen bereitet dagegen Trainer Weise die Knieverletzung von Krobbach: „Möglicherweise wird er gar nicht mit uns fliegen können.“ Nicht wenige vermuten ohnehin, die größten Unbequemlichkeiten wird der Eintracht nicht der Gegner, sondern die Reiseroute nach Coleraine bereiten. Sieben Stunden werden Spieler, Trainer und Funktionäre unterwegs sein. Dem an den Riederwald zurück gekehrten und mit einem neuen Vertrag ausgestatteten Trinklein indes – so hat Weise bei der personellen Bestandsaufnahme während des Montagstrainings entschieden – bleibt diese Reisestrapaze erspart; er wird nicht am Start sein.

Am Ende ist auch Krobbach nicht dabei und Weise muss seine Elf umformieren. Er tut das ausgiebiger als notwendig, weil er Bernd Lorenz. Helmut Müller und Torhüter Peter Kunter zu einem Einsatz verhelfen will, damit der Abstand zur ersten Elf nicht zu groß wird. „Der Doktor soll die Spielpraxis nicht verlieren“, meint Weise, „denn wenn Günter Wienhold einmal etwas passiert, dann muss er ja aushelfen.“

Knapp ein Jahr ist es her, dass Dr. Peter Kunter in einem Pflichtspiel der Eintracht zwischen den Pfosten stand. Nach dem 5:5 gegen den VfB Stuttgart wurden dem verdienten Spieler die Anfeindungen zu groß und er bat Trainer Weise, an seiner statt Günter Wienhold ins Tor zu stellen. „So scharf bin ich nicht mehr darauf, zwischen den Pfosten zu stehen. Ich bin jetzt elf Jahre bei der Eintracht, war vorher vier Jahre in Freiburg, das macht 15 Jahre im bezahlten Fußball, da stumpft man etwas ab“, sagt der mit seiner Zahnarztpraxis stark beanspruchte Torwart ehrlich. In dieser Saison ist der „fliegende Zahnarzt“ ohnehin lediglich auf Wunsch seines Trainers im Kader. „Ich habe noch für ein Jahr Vertrag gemacht, und den erfülle ich. Nächstes Jahr ist es dann soweit, und dann werde ich sicherlich selbst einmal Abstand gewinnen vom Fußball. 15 Jahre sind doch eine lange Zeit. Da kann man auch die schönste Sache überbekommen“, bekennt Dr. Kunter, der ebenso wie Wienhold mithelfen will, den jungen Nachfolger zu finden, der dann im nächsten Jahr als Nummer zwei in den Kader aufgenommen werden soll. Er selbst will dann die freie Zeit für sein altes Bauernhaus im Bayerischen Wald nutzen.

Heute Nachmittag steht er jedoch noch einmal auf internationalem Parkett zwischen den Pfosten, die eine ganze Zeit so etwas wie die Welt für ihn bedeutet haben mögen. Bei dieser „Abschiedstournee“ Kunters sind zur Enttäuschung der Gastgeber nur 4.000 Zuschauer im Stadion „the Showgrounds“ erschienen. Dabei hat die Spielstätte, die Trainer Weise an Alsenborn erinnert, ein Fassungsvermögen, das zwischen 6.500 und 10.000 Besuchern liegt. Der FC Coleraine hat natürlich auf ein ausverkauftes Haus gehofft, doch die deutliche Hinspielniederlage hat den einen oder anderen wohl ebenso vom Besuch dieser Begegnung abgehalten, wie der bis eine Stunde vor Spielbeginn herrschende Regen. Der hat immerhin dem Rasen, der sich – im Gegensatz zum Stadion - in vorzüglicher Verfassung präsentiert, nicht geschadet.

Peter Reichel dagegen muss sich mit einer leichten Zerrung kurzfristig bei Trainer Weise abmelden, so dass Trainer Weise die Aufstellung in der Abwehr noch einmal ändern muss: Vor Torwart Dr. Kunter werden Müller und Neuberger als Außenverteidiger eingesetzt, während Körbel anstelle Neubergers Libero spielt und Beverungen als Vorstopper fungieren soll. Beverungens neue Rolle ist seiner Kopfballstärke und der Annahme seines Trainers geschuldet, dass die Gastgeber vor allem mit hohen Bällen zum Erfolg zu kommen versuchen werden.

Doch nicht wie erwartet in der Luft Nordirlands wird die Hintermannschaft der Eintracht in Bedrängnis gebracht, sondern am Boden. Schon in der 1. Minute muss Helmut Müller für den bereits geschlagenen Dr. Kunter auf der Torlinie retten und in der 3. Minute verhindert Körbel den Gegentreffer. Nach 20 Minuten scheint das Begrüßungsfeuerwerk des FC Coleraine jedoch bereits abgebrannt, bevor Verteidiger McCurdy sein Glück von der Strafraumgrenze aus sucht und tatsächlich findet – 1:0 für die Gastgeber.

Bei allem ernsthaften Bemühen und trotz des unerwartet forschen Auftretens, das mit einer beeindruckenden Unverdrossenheit das 1:5 aus dem Hinspiel leugnet, fehlt es den Nordiren doch am spielerischen Vermögen, um die Frankfurter beeindrucken zu können. So ist es keine Überraschung, dass die Eintracht schon in der folgenden Minute zum Ausgleich kommt, als Grabowski und Nickel ernst machen. Nickels Zuspiel verwertet Grabowski zum 1:1.

Als habe man einem Ventilator den Strom abgestellt, ist es mit dem Sturm und Drang des nordirischen Pokalsiegers vorbei. Der Vorhang geht mit einiger Verspätung auf und auf der Bühne erscheint die Diva vom Main, die jetzt spielt und zaubert, dass das fußballinteressierte Publikum das Kommen nicht zu bereuen braucht. Grabowski bedankt sich in der 27. Minute mit einem wunderbaren Pass bei Nickel für dessen Vorlage zum Ausgleichstreffer und „Dr. Hammer“ lässt sich diese Gelegenheit nicht entgehen: 2:1 für die Hessen.


Das 1:3 durch Lorenz

Hölzenbein, Nickel und Neuberger sind Grabowskis Assistenten im Angriffswirbel der Eintracht, der in vorderster Linie zuweilen auch in Lorenz und Wenzel dankbare Abnehmer finden. Lorenz ist es dann auch, der in der 35. Minute nach einem Schuss von Hölzenbein das Leder zum 3:1 über die Linie drückt.

McNutt, der stärkste Abwehrspieler der Heimelf, und Torwart Magee, der immer wieder in höchster Not zur Stelle ist, halten den Rückstand auch nach der Halbzeitpause lange in erträglichen Grenzen, während die Eintracht ihre unermüdlich kämpfenden Gastgeber mit einer Leichtigkeit ins Leere laufen lässt, dass es einem um die nordirische Elf fast ein bisschen leid tun kann. Den Ideen des vom großartigen Grabowski inszenierten Frankfurter Offensivspiels ist der FC Coleraine ausgeliefert. Winfried Stradt ist in der 53. Minute für Wenzel in die Partie gekommen, doch das überfällige 4:1 in der 65. Minute erzielt – natürlich – Grabowski.

45 Minuten hat Weises Elf souverän und dominant gespielt, nun beginnt sie sich auf das Bundesliga-Punktspiel am Samstag beim Hamburger SV einzustimmen, in dem sie gleich mehrere Gänge zurück schaltet. Alle Spieler – nicht einmal die sonst so zuverlässigen bilden eine Ausnahme – fabrizieren Fehler in einer Häufigkeit, als ob man damit in Massenproduktion gehen wolle. Dass diese Fehler nicht zu Gegentoren führen, hat der deutsche Pokalsieger dem Gegner zu verdanken, der maximal auf Oberliga-Niveau anzusiedeln ist, und dem eigenen Schlussmann Dr. Kunter. Auch der schussstarke Dickson, der sich nicht nur einmal der Bewachung von Beverungen entziehen kann, kommt gegen den „fliegenden Zahnarzt“ nicht zum Erfolg. Es bleibt dem gefährlichsten nordirischen Stürmer Terry Cochrane vorbehalten, eine Viertelstunde vor Spielende auf 2:4 zu verkürzen. Schon im Waldstadion hat Cochrane den Ehrentreffer Coleraines erzielt.


Grabowski zieht ab

Mit dem zweiten Tor ist allerdings auch das zehnminütige Aufbäumen des FC Coleraine erledigt, die Eintracht übernimmt wieder das Kommando. Hölzenbein, der mit großer Laufbereitschaft aus dem Mittelfeld heraus agiert, stellt in der 84. Minute mit einem Flachschuss aus 16 Metern den alten Abstand wieder her. Und in der Schlussminute macht Grabowski mit seinem dritten Treffer das halbe Dutzend voll.

3:11 Tore stehen am Ende des Vergleichs zwischen dem FC Coleraine und der Frankfurter Eintracht, die nun im Achtelfinale des Europapokals der Pokalsieger steht. Es ist den Gastgebern anzurechnen, dass sie die Überlegenheit der Frankfurter zwar nicht kampflos, aber sportlich fair anerkannt haben. In gemeinschaftlicher Gelassenheit registrierten beide Teams auch den schwarzen Hund, der sich in der zweiten Halbzeit in „the Showgrounds“ präsentierte, in dem er über das Spielfeld lief. Dietrich Weise dürfte sich auch in diesen Moment an Stadien wie dem in Alsenborn erinnert gefühlt haben.

„Mit der kämpferischen Leistung meiner Mannschaft war ich schon zufrieden“, sagt Coleraines Trainer Ivan Murray, „allerdings wurde in der Abwehr sehr mangelhaft gearbeitet, so dass die Frankfurter sechs Tore schießen konnten.“ „Coleraine hat heute wesentlich besser gespielt als vor zwei Wochen in Frankfurt“, findet sein Kollege Weise, der nun einräumt: „Für meine Mannschaft war die Begegnung nur eine Pflichtübung.“ Dennoch ist Weise über das Verhalten seiner Elf verärgert, die die Gastgeber wieder ins Spiel gebracht hat: „Es ist unbegreiflich, dass wir bei einer 4:1-Führung plötzlich nervös werden und einen Fehler nach dem anderen machen.“ Aber auch wenn Präsident von Thümen bemängelt, dass wieder nicht „zu Null“ gespielt worden sei, lobt Weise einen aus seiner Abwehr besonders – den Ersatzkeeper, der in den brenzligen Situationen kühlen Kopf bewahrte: „Wenn es sein muss, können wir den Doktor noch immer unbesorgt ins Tor stellen.“

Erfreulich sind aber auch die wieder gewonnene Spielfreude sowie das sichtbare Bemühen aller Spieler. Als Erkenntnis kann der Trainer mitnehmen, dass oft kritisierte Kräfte wie Müller, Wenzel und Lorenz sich wunderbar ins Spiel der Eintracht einfügen, wenn dieses Spiel erst einmal läuft. „So zu spielen ist leichter als ein hartes Training“, stellt Kapitän Grabowski den positiven Nebeneffekt heraus, „weil die Begeisterung jeden mitreißt.“ Einen Kraftverlust für das folgende Bundesligaspiel beim Hamburger SV befürchtet er aus diesem Grunde auch nicht.

Am Freitag geht es mit dem Flugzeug nach Hamburg, was Bernd Hölzenbein so kommentiert: „Wenn wir das überstehen, kann uns auch der HSV nicht mehr erschüttern.“ Hintergrund ist ein Vorfall, der sich auf dem Rückflug der Eintracht von Belfast nach London ereignet. Um 10.36 wird die Maschine des Typs „Trident 3“ von einem Blitzschlag getroffen, das Flugzeug sackt ab und an beiden Tragflächen zucken Feuerstrahlen auf. Während Stürmer Winfried Stradt, dem man diese Ruhe auch vor dem gegnerischen Tor wünscht, sich nicht stören lässt und weiter schläft, fährt den meisten seiner Mitspieler der Schreck gehörig in die Glieder. Bernd Nickel, so berichtet die „Bild“, ist „vor Schreck so aufgewühlt, dass ihm Präsident von Thümen die Hand halten“ muss. „Das war ein Gewitterblitz. Es kann nichts passieren“, beruhigt Willi Neuberger schnell die Passagiere: „Diese Maschine hat als einzige eine Blindlandeeinrichtung.“ Neuberger ist eben nicht nur ein versierter Spieler, sondern als Sammler der Modelle von Verkehrsmaschinen auch mit technischen Details vertraut. Und die Trident kann mit ihrem vollständig automatischen Blindlandesystem bei Wetterbedingungen landen, die andere Flugzeugtypen zum Ausweichen auf andere Flughäfen zwingen würden.

Dass Kapitän Grabowski auf der Rückreise in London Station macht, hängt übrigens nichts mit dem Zwischenfall in der Luft, sondern zum einen mit seinen Werbegeschäften als WM-Teilnehmer und zum anderen mit seiner „Spionagetätigkeit“ für die Eintracht zusammen: Am Abend sieht sich „Grabi“ das Europacupspiel von West Ham United gegen den finnischen Vertreter aus Lahti an. „Das könnte ja einer unserer nächsten Gegner werden“, meint Trainer Weise über die Londoner, die nach dem 2:2 in Lahti den FC Reipas im heimischen Upton Park mit 3:0 aus dem Wettbewerb schießen.

Für die nächste Runde, die am Freitag in Zürich ausgelost wird, hat Weise nur einen Wunsch: „Einen Gegner, der eine weniger beschwerliche Reise wie nach Coleraine erfordert.“ Pressesprecher Birkholz engt den Kreis der Wunschgegner auf andere Art ein: „Uns sind alle recht - außer Atletico Madrid, West Ham United und Eriwan.“ Und das Los in Zürich fällt auf … Atletico Madrid. Jürgen Grabowski ist beeindruckt: „Höher hätte die Hürde nicht sein können.“ (rs)


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