Eintracht Frankfurt - 1. FC Kaiserslautern

Bundesliga 1975/1976 - 9. Spieltag

1:1 (1:0)

Termin: Sa 27.09.1975, 15:30 Uhr
Zuschauer: 14.000
Schiedsrichter: Peter Gabor (Berlin)
Tore: 1:0 Bernd Hölzenbein (3.), 1:1 Roland Sandberg (75.)

 

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Eintracht Frankfurt 1. FC Kaiserslautern

 


  • Ronnie Hellström
  • Hans-Günther Kroth
  • Ernst Diehl
  • Werner Melzer
  • Hans-Dieter Diehl
  • Klaus Toppmöller
  • Reinhard Meier
  • Roland Sandberg
  • Heinz Wilhelmi
  • Johannes Riedl
  • Josef Pirrung

 

Wechsel Wechsel
  • Peter Schwarz für Hans-Dieter Diehl (62.)
  • Heinz-Rudolf Weiler für Johannes Riedl (86.)
Trainer Trainer

 

 

Die Rückkehr des verlorenen Sohnes

Der Erste, dem Mannschaftskapitän Grabowski nach dem Sieg im DFB-Pokalfinale gegen Duisburg am 21.6.1975 um den Hals fiel, war Libero Trinklein: "Das war ich Gert schuldig - dass er Fehler machte, zählt für mich nicht. Er war mit ganzem Herzen dabei, hat sich zerrissen, obwohl er ja den Verein verlässt. Das nenne ich Sportsgeist, deshalb habe ich mich besonders bei ihm bedankt." Gert Trinklein feierte den Sieg "mit einem lachenden und einem weinenden Auge". "Das war's. Die Stimmung könnte besser sein. Es fällt mir nicht leicht, von Frankfurt wegzugehen. Die Trennung trifft mich hart", gestand der Libero. Doch: "Fußball ist mein Beruf und ich will mich sportlich nicht verschlechtern. (..) Jetzt bin ich gezwungen, Frankfurt zu verlassen. Da will ich gleich ganz weit weg, ins Ausland. Wenn das klappt, dann verdiene ich dort mehr als bei der Eintracht", hoffte Trinklein.


Gert Trinklein mit Freundin im Stadion

Es klappte nicht, weder mit dem Ausland noch mit einem Bundesligaverein, und Trinklein ist seit dem Beginn der Saison ohne Verein und musste sich arbeitslos melden. Vor zwei Wochen zeigte sich Trinklein geläutert: "Ich habe zu hoch gepokert und 30.000 Mark Handgeld zu viel verlangt. Heute wäre ich vernünftiger", bekannte er. Präsident von Thümen jedoch wollte da den verlorenen Sohn nicht wieder aufnehmen: "Gerts Einsicht kommt zu spät. Wenn wir uns im November verstärken sollten, dann durch einen besseren Mann."

„In wenigen Minuten kommt unser neuer Mann“, kündigt Trainer Dietrich Weise am Dienstag der Mannschaft an: Es ist … Gert Trinklein, der am Vormittag das erste Mal mit trainiert. Am Nachmittag steht er wieder auf dem Platz: „Ich muss jetzt versuchen, so schnell wie möglich fit zu werden. Dann will ich einigen Leuten, weniger bei der Eintracht, als bei den übrigen Vereinen, beweisen, dass es den Trinklein doch noch gibt. Endlich kann ich wieder trainieren und hoffentlich auch bald wieder spielen.“ „Erst muss er mal den Trainingsrückstand aufholen“, beantwortet Weise die Frage nach Trinkleins erstem Einsatz in der Bundesliga: „Dabei habe ich keine Sorgen, denn er hat mir versprochen, sich voll einzusetzen. Einzig sicher ist, dass er am Samstag gegen Kaiserslautern noch nicht dabei sein wird, wie der Vertrag erst ab 1. Oktober rechtsgültig wird.“

Weise betont, dass diese ebenso schnelle wie überraschende Verpflichtung „nichts, aber auch gar nichts mit der Niederlage in Hannover zu tun hat.“ Die Kontakte zwischen Trinklein und Weise sind bereits vor dem Mönchengladbacher Spiel am 12. September in Neu-Isenburg zustande gekommen. „Ich rief damals Herrn Weise an und bat ihn um eine erneute Aussprache mit dem Ziel, wieder trainieren zu können und auf diese Weise doch noch einen neuen Verein zu bekommen“, berichtet Trinklein, dessen Verhandlungen mit anderen Klubs in den letzten vier Wochen jedoch immer mehr ins Stocken geraten und am Ende ergebnislos verlaufen sind. „Das war für den Gert und für die Eintracht eine schlechte Situation“, ergänzt Weise, denn dem Verein fehlen rund 250.000 Mark eingeplanter Ablösesumme für Trinklein. „Ich muss zugeben, dass auch der zu erwartende Verschleiß in den kommenden Wochen mit Meisterschaft, Pokal und Europapokal eine wichtige Rolle gespielt hat“, sagt Weise: „Mit Gert Trinklein haben wir nun die Möglichkeit, auch personelle Verschiebungen durchzuführen. So könnte zum Beispiel Willi Neuberger wieder Verteidiger spielen oder gar eine Mittelfeldrolle übernehmen.“ Allerdings ist Trinklein nach Meinung Weises ausschließlich als Libero einsetzbar: „Was anderes kann er nicht spielen.“

Keine Rolle bei der Vertragsunterzeichnung spielte die Mannschaft: „Ich habe am Montag lediglich die Stimmung in Bezug auf Gert Trinklein getestet“, erklärt Weise. Wenige Stunden später erzielte er mit Trinklein eine Einigung und auch das Präsidium - Präsident von Thümen, Vizepräsident Berger und Schatzmeister Jakobi – fällte eine einstimmige Entscheidung zugunsten Trinkleins. „Eines steht fest: einen besseren als den Gert hätten wir momentan nicht bekommen können. Er ist eingespielt und hat oft genug bewiesen, dass er ein guter Libero ist“, freut sich Bernd Nickel wie auch Kapitän Jürgen Grabowski: „Ich begrüße diese Entwicklung. Der Gert ist einfach zu schade, um zu Hause rumzusitzen. Er kann bei guter Form für uns ein sehr wertvoller Mann sein.“ „Nicht persönlich“ nimmt es angeblich Peter Krobbach: „Diese Verpflichtung hat mit mir nichts zu tun. Das wurde in der Mannschaftssitzung eindeutig klargestellt.“ Die Realität ist abseits dieses Beschwichtigungsversuches eine andere: Krobbach wurde vor der Saison als Trinklein-Nachfolger von der Elbe an den Main geholt wurde und hat nach einer starken Vorbereitung in den Bundesligaspielen nicht überzeugen können. Viel zu oft scheinen dem jungen Mann angesichts der Belastung seine Nerven einen Streich zu spielen, wie Weise erneut bestätigt: „Es kann nicht im Interesse des Vereins sein, dass der Gert da sitzt und weiterhin an Wert verliert, zumal Krobbach als Libero in der gegenwärtigen Situation nervlich überfordert ist.“

Blank liegen die Nerven aber auch beim Trainer nach der Niederlage in Hannover, die Präsident von Thümen mit den Worten kommentiert: „Es war so schlimm, dass uns die Luft weg blieb.“ „Ich lasse mir in acht Wochen nicht kaputtmachen, was wir in zwei Jahren aufgebaut haben“, poltert der sonst so besonnene Weise: „Wir sind in den vergangenen zwei Jahren vom Inbegriff der launischen Eintracht weggekommen und haben uns mit neugewonnen kämpferischen Tugenden ein besseres Image in der Bundesliga aufgebaut. Dieses Ansehen drohen wir jetzt zu verlieren durch den Auftritt einiger in ihrer Einstellung nicht überzeugender Spieler.“ Weises ungewöhnlich scharfe Worte sind besonders dem Verhalten eines Spielers geschuldet, der sich stets der Rückendeckung des Trainers sicher sein konnte, doch nun bei diesem offensichtlich das Fass zum Überlaufen gebracht hat – Bernd Hölzenbein: „Von seiner fehlenden inneren Kampfbereitschaft war ich umso mehr enttäuscht, als ich ihn im Training während der vergangenen Wochen mit vorbildlichem Engagement bei der Arbeit gesehen hatte. Nicht zuletzt deswegen habe ich ihn immer wieder gegen alle Angriffe der Öffentlichkeit in Schutz genommen.“

Die Diskrepanz zwischen dem hohen Anspruch, mit dem die Eintracht in ihre 13. Bundesligasaison gegangen ist, und der Wirklichkeit, mit der Trainer, Team und Umfeld nach acht Spieltagen konfrontiert werden, ist zurzeit enorm und nagt am Selbstbewusstsein. Weise ist jedoch weiter davon überzeugt, dass der neue Anspruch nur folgerichtig ist: „Als zweimaliger Pokalsieger konnten wir uns nicht länger in einer Außenseiterrolle verstecken. Wir haben daher offen zugegeben, dass wir in dieser Saison den Durchbruch zu einer Spitzenmannschaft schaffen wollen. Ich habe dann auch der Mannschaft in vielen Gesprächen klarzumachen versucht, worauf es bei der gegenwärtigen Ausgeglichenheit in der Bundesliga ankommt: Erst einmal 90 Minuten lang die Bereitschaft haben, bis zur völligen Erschöpfung zu ackern und dann den Einsatz dessen, wo wir vielen anderen Mannschaften überlegen sind, nämlich unserer Spielkunst.“

Doch auch Weises Transferpolitik gerät ins Ziel der Kritik: So holte er „mit Wenzel und Krobbach zwei geradlinige und schnörkellose Fußballer, die freilich noch am Beginn ihrer Entwicklung stehen. Hätte Weise für die insgesamt 800.000 Mark Ablöse nicht lieber einen fertigen Spieler holen sollen, um anstelle langfristiger Weiterentwicklung kurzfristigen Ziele wie die ersehnte Meisterschaft anzustreben?“, fragt der „Kicker“ und fügt hinzu: „Weises Weg ist jedenfalls nicht der im Fußball allgemein übliche.“ „Vielleicht war es dumm von mir, nicht so zu handeln. Doch ich kann mir selbst nicht untreu werden“, antwortet Weise, der den langfristigen Erfolg des Vereins über den eigenen stellt: „Wenn die Früchte, die ich mit Wenzel und Krobbach gesät habe, geerntet werden, werde ich mit einiger Sicherheit nicht mehr bei der Eintracht sein. Doch es wäre verantwortungslos, nichts gegen die drohende Überalterung zu unternehmen.“

„Von meiner Konzeption einer Spielsynthese von bedingungslosem Kampf und typischer Eintracht-Spielkunst weiche ich keinen Millimeter zurück. Ich gebe wegen solcher Rückschläge, wie sie nun im 2:3 von Hannover gipfelten, nicht gleich auf, und ich breche den Stab weder über der Mannschaft noch über Hölzenbein“, stellt Weise klar. Er sei bis „zum Letzten entschlossen“, doch auch bereit die Konsequenzen zu ziehen, falls sich seine Vorstellungen in Frankfurt nicht verwirklichen lassen würden: „Wenn ich feststelle, dass ich hier ausschließlich gegen eine Wand rede, dann bin ich auch kein Sesselkleber. Ich verdiene bei der Eintracht gutes Geld. Doch ich werde auch nicht brotlos, wenn ich morgen aufhören würde.“

Andere Probleme hat beim nächsten Gegner der ehemalige Eintrachttrainer Erich Ribbeck, der sich mit seiner Mannschaft am letzten Wochenende mit einem 2:1-Heimsieg gegen den VfL Bochum vom 16. auf den 15. Platz verbessern konnte. „Wir können es uns in Kaiserslautern nicht leisten, den Ball in den eigenen Reihen zu halten. Die Zuschauer peitschen uns ständig nach vorn. Wenn wir nicht den Mut aufbringen, einmal gegen den Willen der Fans zu spielen, können wir immer wieder Rückschläge erleiden“, klagt er und kritisiert die eigenen Anhänger, die am liebsten lange Bälle sehen wollen: „Damit aber kann man auf Dauer in der Bundesliga nicht bestehen.“ Mit Hinweis auf Sandbergs und Pirrungs gelegentliche Verteidiger-Aufgaben meint Ribbeck einschränkend: „In dieser Hinsicht sind wir aber auch ein Stück weiter gekommen. Das 2:1 ist eine gute Basis für die Spiele in Frankfurt, gegen den FC Bayern und in Berlin.“

Nicht viel Glück hatten die Lauterer bisher mit ihren beiden Neuwerbungen aus der Bundesliga. Der ehemalige Stuttgarter Heinz Stickel fiel zeitweise verletzt aus und Klaus Scheer, der zuvor sechs Jahre zum Stamm von Schalke 04 gehörte, hatte Anfang September überhaupt noch kein Spiel für die Lauterer bestritten. „Da steigen natürlich die Erwartungen ins Unermessliche und oftmals kommen auch schon böse Verdächtigungen auf, der wolle ja gar nicht“, klagte Ribbeck, wollte aber aus den Fehlern, die bei Stickel gemacht wurden, lernen: „Wenn er wirklich fit ist, setze ich ihn erst in einem Auswärtsspiel ein.“ Ribbeck hielt sich aber nicht daran, setzte Scheer am folgenden Wochenende im Heimspiel gegen Duisburg ein und wechselte ihn nach 54 Minuten aus. Am folgenden 7. Spieltag, beim 1:5 in Essen, wechselte er Scheer nach 66 Minuten aus. Danach fehlte dieser wie Stickel, der seit dem 6. Spieltag nicht mehr eingesetzt werden konnte. Scheer soll am nächsten Montag wieder mit dem Mannschaftstraining beginnen und auch mit Stickels Einsatz wird bald wieder gerechnet, doch gegen die Eintracht fehlen beide ebenso wie der erkrankte Walter Frosch.

Noch nicht helfen können die Amateure der Lauterer, die sich aber anders als noch vor einem knappen Jahr keine Gedanken über den Klassenerhalt machen müssen. Im Gegenteil, unter dem neuen Trainer Dietmar Schwager, der über ein Jahrzehnt für den 1. FCK in der Bundesliga spielte, wird das obere Tabellendrittel anvisiert. „Die Aufgabe reizt mich“, sagt Schwager, der den „A“-Schein besitzt: „Ich kann mich um 26 Leute kümmern. Fällt mal einer aus der ersten Garnitur aus, kann ich sofort auf einen anderen zurückgreifen, der im zweiten Glied auf seine Chance lauert.“ „Jeder von denen will nach oben preschen“, weiß Schwager um die Schwierigkeit, mit den jungen ehrgeizigen Spielern ein stabiles Gefüge aufzubauen: „Da kommt's dann öfter mal vor, dass der eine oder andere zeigen will, was er kann. Darunter leidet naturgemäß das Mannschaftsspiel.“


Briegel als Fußballer
und Weitspringer

Interessant ist der Werdegang eines Nachwuchsspielers, über den Schwager sagt: „Er ist einer der wenigen Sportler, die Muskelkraft abbauen müssen.“ Hans-Peter Briegel, so lautet sein Name, ist 19 Jahre jung, 1,90 m groß und 90 kg schwer, war mehrfacher Deutscher Jugendmeister im Weitsprung und im Fünfkampf sowie Deutscher Hallen-Jugendmeister im Stabhochsprung. Bei den Deutschen Juniorenmeisterschaften belegte er in diesem Jahr mit 7,42 m Platz vier im Weitsprung. In seinem ersten inoffiziellen Zehnkampf kam er in diesem Jahr auf 7.800 Punkte und könnte sich damit durchaus berechtigte Hoffnungen auf eine Olympiateilnahme in Montreal machen, wenn er sich nicht entschlossen hätte, nun dem Fußball den Vorrang zu geben. In der vergangenen Saison machte er auf sich aufmerksam, als er beim SV Rodenbach in der A-Klasse über 50 Tore erzielte. Seit Anfang dieser Saison spielt Briegel nun für die Amateure der Lauterer und trainiert vormittags darüber hinaus mit den Lizenzspielern. Ribbeck, der den „Mann aus Eisen“ nach einem Hinweis beobachtet und schnell entschlossen an den Betzenberg geholt hat, ist von Briegel beeindruckt: „Ein echtes Talent. Mit seiner Schnelligkeit, einem guten linken Fuß, beachtlichem Ballgefühl und erstaunlicher Kopfballstärke kann es Briegel noch sehr weit bringen.“ In ein bis zwei Jahren will Ribbeck Briegel ins Bundesligateam einbauen.

Das Bundesligateam, das Trainer Weise gegen die Lauterer aufbietet, ist gegenüber der Niederlage in Hannover unverändert. Das verwundert trotz der strengen Kritik des Trainers nicht, denn es fehlt Weise an Spielern, die eine Verbesserung versprechen könnten. Weise muss sich also damit begnügen, unter den bekannten Akteuren die Positionen neu zu verteilen. So läuft Krobbach mit der Nummer 3 als Libero auf, während Neuberger wieder als linker Außenverteidiger eingesetzt wird, Grabowski darf im von ihm bevorzugten Mittelfeld agieren, und im Sturm trägt Hölzenbein die Nummer 9 des Mittelstürmers, Weidle die 8 des Rechtsaußen und Wenzel die 11 für den linken Außenmann.

Tatsächlich scheinen sich diese Umstellungen auch auszuzahlen, denn der vom Zentrum auf den Flügel beorderte Wenzel lässt dort in der 3. Minute Hans-Dieter Diehl aussteigen und flankt in die Mitte, wo Hölzenbein den Ball mit der Innenseite zur Führung ins Netz lenkt. Ein Auftakt nach Maß.

Und nach 11 Minuten kann es schon 2:0 stehen, nachdem wieder Hans-Dieter Diehl mit seinem Gegenspieler nicht zu Recht kommt und Wenzel an der Strafraumecke foult. Schiedsrichter Gabor deutet ohne zu zögern auf den Elfmeterpunkt. Körbel zielt ins untere rechte Toreck, aber das tut er beim Anlauf schon zu offensichtlich, so dass der reaktionsschnelle Hellström das Vorhaben erahnt, in die bedrohte Ecke taucht und das Leder zur Ecke lenken kann.


Hellström pariert Körbels Elfmeter

Die Eintracht lässt sich von diesem Fehlschuss nicht beeindrucken und bleibt am Drücker. Angetrieben von den präzisen Pässen, die Grabowski und Nickel aus dem Mittelfeld in die Spitze schicken, werden die Lauterer weiterhin unter Druck gesetzt. Hölzenbein hat kurz nach dem vergebenen Strafstoß die Chance zum zweiten Treffer, doch er vergibt aus spitzem Winkel. Und bei Nickels Flachschuss ist der sprunggewaltige schwedische Nationaltorhüter Hellström wieder auf dem Posten.

Keine Frage, die Elf von Dietrich Weise hat sich heute etwas vorgenommen. Engagiert und mit großer Laufbereitschaft bereitet sie den harmlosen Pfälzer Gästen eine Menge Probleme, die sie nicht lösen können, aber eben auch zu keinem weiteren Schaden führen, weil die Lauterer mit Hellström einen Klassemann zwischen den Pfosten haben, dessen Paraden dem Frankfurter Publikum Respekt abnötigen.

Ribbecks Truppe kommt kaum vor das Tor der Eintracht. Erst eine der üblichen Unaufmerksamkeiten in der Frankfurter Defensive schenkt ihnen eine Einschussmöglichkeit. Beverungen hat einen der Fehlpässe gespielt, die Trainer Weise so gerne verhindert sehen möchte, doch so wie die Götter gegen Dummheit vergebens kämpfen, scheint der Trainer gegen den Schlendrian seiner Elf auf verlorenem Posten zu stehen. Die Eintracht hat in dieser Szene aber Glück, denn weder Pirrung noch Toppmöller können aus „Beves“ Fehlleistung Kapital schlagen.

Nach gut 25 Minuten drosseln die Gastgeber das Tempo etwas, doch just in dieser Minute ermöglicht ihnen ein von Weidle abgefangener Angriff der Lauterer die nächste große Torgelegenheit. Den Konter über die linke Seite schließt Grabowski mit einem harten Schuss von der Strafraumgrenze ab, Hellström ist geschlagen, doch der Ball klatscht an die Latte. Grabowski, der immer wieder aus dem Mittelfeld in die Spitze geht, setzt nach, doch den zurückprallenden Ball erreicht Melzer gerade noch vor dem einschussbereiten Frankfurter Kapitän.

Kaum ist der Frankfurter Anhang dank des gelungen Starts mit seinen Lieblingen einigermaßen versöhnt, leisten sich Weises Mannen wieder die lästigen Unkonzentriertheiten, die zeigen, welche Qualität der Eintracht zu einer Spitzenmannschaft eben noch immer und viel zu häufig fehlt. Leider ist es wieder einmal Krobbach, der sich einen Schnitzer leistet und Wilhelmi die Chance zu einem Kopfball gibt, der knapp an Wienholds Kasten vorbei streicht. Es ist der Wurm drin in dieser Truppe, den jetzt leistet sich selbst der sonst so zuverlässige Neuberger im eigenen Strafraum einen haarsträubenden Fehlpass, der Sandberg wie eine Traumvorlage erscheinen muss. Dem gefährlichen schwedischen Nationalstürmer fehlt in dieser Situation etwas die Kaltschnäuzigkeit, um seine Chance gegen Wienhold zu nutzen. Kurz darauf bietet sich Sandberg erneut die Gelegenheit zum 1:1, doch dieses Mal rettet der Frankfurter Schlussmann mit einer Fußabwehr. Kaiserslautern ist jetzt am Drücker und so wie zuvor Hellström auf der anderen Seite einen höheren Rückstand verhinderte, bewahrt Wienhold nun die Eintracht vor dem Ausgleich. Auch bei einem Schrägschuss von Riedl reagiert er gedankenschnell und lenkt die Kugel über die Latte.

Die Gäste nehmen sich immer mehr heraus. Nickel müsste den Antreiber der Lauterer, Wilhelmi, enger decken und energischer bekämpfen, doch er lässt seinen Gegenspieler gewähren. Auch den quirligen Riedl bekommt die Abwehr der Eintracht jetzt nicht mehr in den Griff und Krobbachs Rettungsschläge zur Ecke streichen mehrfach bedenklich knapp an Wienholds Kasten vorbei. Außer Gewaltschüssen von Nickel und Neuberger hat die Eintracht in dieser Phase nicht viel zu bieten, während die Gäste in wenigen Minuten das Eckenverhältnis auf 8:3 schrauben.


Meier foult Grabowski

Weise nimmt in der Pause Krobbach aus dem Spiel und bringt Simons, der den Part des Libero übernimmt. Dieser Wechsel hat aber keinen Einfluss auf die Szene in der 47. Minute, als Meier Grabowski im Strafraum zu Fall bringt und Schiedsrichter Gabor erneut auf Foulelfmeter entscheiden muss. Während die Eintrachtfans bangen, dass der Ball diesmal auch den Weg ins Tor finden möge, übernimmt der gefoulte die Verantwortung. Grabowski läuft an und … schießt den Ball über die Latte. Die Zuschauer – soweit sie es nicht mit den Gästen aus der Pfalz halten – sind entsetzt: der zweite vergebene Elfmeter in nur einem Spiel!

Die Partie nimmt nun an Härte zu. Wilhelmi erhält für ein Foul an Grabowski in der 52. Minute die Gelbe Karte und eine Minute später wird auch Neuberger nach einem Foul an Pirrung verwarnt. In der 55. Minute legt Sandberg Reichel kurz vor dem Strafraum. Hölzenbein bringt den Freistoß gekonnt aufs Tor, doch der Teufelskerl Hellström lenkt den Ball gerade noch an den Pfosten. Der Unparteiische unterbricht dann allerdings das Spiel und lässt den Freistoß wiederholen, weil die Gästemauer zu nah am Ball stand. Der zweite Versuch bringt jedoch ebenfalls nichts ein. Weises Kritik an Hölzenbein hat sich der Weltmeister offensichtlich zu Herzen genommen. Ständig ist er in Bewegung und geht keinem Zweikampf aus dem Weg, obwohl es sicher angenehmere Gegenspieler als Ernst Diehl gibt.

Nach etwas mehr als einer Stunde wechseln beide Trainer aus. Lorenz kommt für Weidle und Schwarz für Hans-Dieter Diehl. Die Frankfurter Angriffe bleiben nun aber an der stabiler gewordenen Abwehr des Gegners hängen, während Wienhold erneut vor Sandberg retten muss.

In der 67. Minute kassiert auch Riedl eine Gelbe Karte. Die Partie wird vonseiten der Gäste immer offener geführt, die Lauterer drängen mit Macht auf den Ausgleich. Die Eintracht versteht den zusätzlichen Raum leider nicht zu nutzen. Im Gegenteil, als Nickel in der 75. Minute einen riskanten Querpass macht und Körbel in Bedrängnis den Ball verliert, hat Sandberg freie Bahn. Dieses Mal lässt er sich die Chance nicht entgehen und erzielt von der Strafraumgrenze aus den Ausgleich.

Das war’s. In der 83. Minute holt sich Meier noch eine Gelbe Karte ab und vier Minuten vor dem Ende bringt Ribbeck Weiler für den starken Riedl, doch weitere Tore fallen nicht mehr.

„Dieser Punkt gibt uns Mut für die nächsten schweren Spiele gegen München, in Berlin und gegen Braunschweig“, hofft Ribbeck: „Ich bin sehr froh über diesen wichtigen Auswärtspunkt, da wir vorher schon wussten, wie schwer dieses Spiel für uns werden wird. Aus unserer Sicht ist das umso bemerkenswerter, da mit Scheer, Stickel und Frosch wichtige Leute fehlten. Vor der zweiten Halbzeit hatte ich Angst vor einer Niederlage, da wir vor der Pause bereits zu viele klare Chancen ausgelassen hatten. Herausheben aus einer geschlossenen Mannschaftsleistung möchte ich noch besonders Riedl und Hellström.“ Das sieht der „kicker“ ähnlich und beruft den schwedischen Nationaltorhüter zum ersten Mal in dieser Saison in die „Elf des Tages“.

„Krobbach wurde wegen einer Knieverletzung ausgetauscht“, begründet Weise die Herausnahme des umstrittenen Spielers und lobt den Newcomer in seinem Team: „Angenehm überrascht war ich von Neuling Gerd Simons, der seine Sache recht gut machte.“ „Bis zur ersten Kaiserslauterer Chance in der 30. Minute hätten wir bereits 3:0 führen müssen“, kritisiert Weise dann auf der einen Seite und lobt auf der anderen: „Meine Mannschaft begann hervorragend und zeigte den Kampfgeist und die Einsatzbereitschaft, die ich in Hannover so sehr vermisst hatte. Doch dann schlich sich die Angst vor dem Torschuss wieder ein, was am deutlichsten bei den beiden vergebenen Elfmetern zu sehen war.“

„Zwei Bälle bekam ich in der zweiten Halbzeit zugespielt“, beschwert sich dagegen Wenzel, der unbekümmert und zielstrebig ist und über die stabilsten Nerven zu verfügen scheint, doch ins Angriffsspiel noch immer nicht integriert ist. „Im Mittelfeld sehen sich Grabowski und Nickel oft nur gegenseitig, die anderen werden nicht ins Spiel einbezogen“, rügt auch Verwaltungsratsmitglied Dieter Lindner, dessen Meinung als Deutscher Meister und ehemaliger Kapitän der Eintracht einiges Gewicht hat, dass Wenzel kaum noch ausgespielt worden sei. „Wenzel ist daran auch oft selbst schuld“, meint Trainer Weise: „Er läuft sich zwar frei, aber häufig so unglücklich, dass er einfach nicht anspielbar ist.“

Nach vier sieglosen Spielen mit nur 2:6 Punkten und 5:7 Toren muss Weise feststellen, dass die Enttäuschung über den Mittelfeldplatz des Titelkandidaten Eintracht eine Suche nach Sündenböcken los getreten hat. Der Trainer aber will beispielsweise die Verantwortung für den Ausgleichstreffer lieber auf viele Schultern verteilt sehen: „Beim Gegentor gab es bei uns eine Kettenreaktion von Fehlern.“ „Heute war das Schicksal gegen uns“, beruft er sich gar auf höhere Mächte. „Ich kann meiner Mannschaft nicht fehlenden Ehrgeiz vorwerfen. Alle haben gut gekämpft und sich bemüht“, bescheinigt Weise seiner Elf. Kapitän Grabowski weiß nicht zu sagen, warum der Eintracht trotz des Aufwandes kein Sieg gelungen ist. Fehlendes Glück allein könne aber nicht der Grund sein, meint er: „Wer zwei Elfmeter verschießt, sollte von Pech nicht mehr sprechen.“ „Ich weiß auch nicht, warum es in dieser Saison einfach nicht laufen will“, fügt sich Bernd Hölzenbein in die Reihe der Ratlosen ein.

Die Eintracht ist nach eigenem Anspruch eine Spitzenmannschaft: „Und das wollen und können wir bald wieder sein. Einen Platz unter den ersten fünf müssten wir auf jeden Fall erreichen“, kündigt Bernd Nickel den Angriff auf die oberen Ränge an. „Wir sind kein Meisterschaftsfavorit mehr und müssen wohl länger kleine Brötchen backen als uns lieb ist“, zieht Weise dagegen sachlich seine Bilanz aus der unbefriedigenden ersten Vorrundenhälfte. Grabowski stimmt mit seinem Trainer überein: „Realistisch gesehen müssen wir erkennen, dass es uns in nächster Zeit sehr, sehr schwer fallen wird, wieder ganz nach oben zu kommen.“ Der Kapitän will sich seinen Optimismus aber nicht nehmen lassen: „Ich bleibe dabei, trotz des erneuten Punktverlusts war dieses Spiel gegen Kaiserslautern der Umschwung zum Besseren.“ (rs)

 


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