SC Geislingen - Eintracht Frankfurt

Freundschaftsspiel 1974/1975

2:10 (0:8)

Termin: 12.06.1975
Zuschauer: 3.000
Schiedsrichter:
Tore:Jürgen Grabowski (2), Jürgen Kalb (2), Willi Neuberger (2), Roland Weidle, Klaus Beverungen, Bernd Nickel, Bernd Hölzenbein

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SC Geislingen Eintracht Frankfurt

 


 

Wechsel
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Trainer
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Die „Nickel- und Grabowski-Geschädigten“
oder
Zeit für Tore, Zeit des Abschieds

Mit den seit Anfang Mai regelmäßig zwischen zwei Bundesligapartien eingeschobenen Freundschaftsspielen hat die Eintracht gute Erfahrungen gemacht. Zum einen kann der finanziell seit Jahren chronisch klamme Verein, der den erwirtschafteten Überschuss (ca. eine Million Mark) aus dem letzten Geschäftsjahr zur teilweisen Tilgung von Altschulden benutzt, jede Einnahme gut gebrauchen. Zum anderen hat die Eintracht in der Bundesliga nach jedem dieser Freundschaftsspiele einen knappen Sieg davon getragen: 4:3 in Stuttgart, 3:2 gegen Köln, 3:2 in Wuppertal und am letzten Wochenende 2:1 gegen Schalke.

Ob diese Serie am letzten Spieltag beim Namensvetter in Braunschweig eine Fortsetzung finden wird? Ein Unentschieden dort reicht den Riederwäldern, um ihren gerade errungenen 2. Tabellenplatz zu verteidigen – und das wäre die beste Platzierung der Eintracht seit Einführung der Bundesliga. Vizemeister und vielleicht zum zweiten Mal hintereinander DFB-Pokalsieger, das ist der Stoff, aus dem am Main in diesen Tagen die Träume gemacht sind.

Träume, deren Erfüllung aber greifbar nah ist, denn die Spiele beim Tabellenneunten in Braunschweig und gegen den Tabellenvierzehnten aus Duisburg im Finale sind keine unlösbaren Aufgaben. Zumindest nicht für eine Mannschaft, die lange um den Deutschen Meistertitel mitgespielt hat, am Ende jedoch wieder einmal leer ausgehen wird. Der 2. Tabellenplatz täuscht darüber hinweg, dass trotz der Siegesserie in den letzten vier Partien der Abstand auf den Meister aus Mönchengladbach vor dem letzten Spieltag fünf Punkte beträgt.

Zur Einstimmung auf die beiden abschließenden Pflichtspiele dieser Saison tritt die Eintracht heute beim SC Geislingen an. Auf eine lange Geschichte können die Schwaben zurückblicken, deren Verein nur ein Jahr jünger ist als die Eintracht. Auf die Jubiläumsfeier zum 75jährigen Bestehen, das der SC vor wenigen Tagen, am 1. Juni, feiern konnte, fällt jedoch der Schatten des sportlichen Misserfolgs. Die erste Fußballmannschaft wurde am Ende der letzten Saison in der 1. Amateurliga Nordwürttemberg nur 15. von 17 Vereinen und musste den Gang in die 2. Amateurliga Württemberg antreten. Dort ist man in der Gruppe 3 vom Tabellenführer FC Eislingen weit entfernt, mehr als der 6. Tabellenplatz ist für die Schwaben nicht drin.

Noch weniger drin ist für die Amateure heute gegen die Profis aus Hessen, die in der ersten Halbzeit ein Fußballfeuerwerk veranstalten, das den 3.000 Zuschauern sicher mehr Freude bereitet als dem Gegner der Eintracht. Zur Pause liegt die Eintracht, in deren Reihen Jürgen Grabowski wieder einmal überragt, bereits mit 8:0 vorne. Es ist nicht selbstverständlich, mit welcher Ernsthaftigkeit der Fußballweltmeister Grabowski auch in der schwäbischen Provinz sportliche Aufgaben löst, die für andere eher eine lästige Pflichtübung darstellen würden.

Im zweiten Durchgang lassen es Grabis Kameraden ein wenig lässiger angehen, eine Demütigung der Amateure haben sie nicht im Sinn. So entwickelt sich nun ein ausgeglichenes Spiel, in der die Geislinger das Angebot eines niedrigeren Tempos zu nutzen verstehen, ihrerseits an Fahrt aufnehmen und ehrgeizig auf Torejagd gehen. Zwei Treffer gelingen den wackeren Kämpfern, ebenso viele wie der Eintracht in der zweiten Halbzeit. 10:2 gewinnen die Gäste in einer Partie, in der am Ende alle auf ihre Kosten gekommen sind.

In Geislingen war Zeit für Tore, doch am Riederwald ist die Zeit des Abschieds gekommen: Thommy Rohrbach wird den Verein verlassen und Gert Trinklein hat immer noch kein Angebot der Eintracht erhalten.

Rohrbach hat nach fünf Jahren für die Eintracht gegen Schalke definitiv sein Abschiedsspiel im Frankfurter Waldstadion gegeben. Der 26jährige wieselflinke Außenstürmer, der 1970 vom SC Göttingen 05 an den Riederwald gekommen war, weiß jedoch noch nicht, wohin ihn sein Weg führen wird: „Wenn nicht Braunschweig, dann eben ein anderer Verein. Ich habe mich noch nicht entschieden.“

Von seinem Abschied geht nach dem Schalke-Spiel auch Rohrbachs Spezi Gert Trinklein aus:
„Ich habe heute wohl zum letzten Mal für die Eintracht im Waldstadion gespielt. Über eine Vertragsverlängerung hat man mit mir bis beute noch nicht gesprochen, da wird es Zeit, dass ich mich mit anderen Möglichkeiten befasse.“

„Dass meine Forderungen angeblich zu hoch seien, habe ich bisher nur aus der Zeitung erfahren“, beklagt sich der in wenigen Tagen 26 Jahre alt werdende Abwehrchef, der als frischgebackener B-Nationalspieler in diese Saison gestartet war, über die Funkstille seitens des Vereins.

„So wie ich die Lage überblicke, besteht für den Gert noch eine kleine Chance, mit der Eintracht klarzukommen. Doch so, wie die Dinge liegen, müsste er, sofern er überhaupt bleiben will, jetzt das Gespräch mit dem Verein suchen“, empfiehlt Jürgen Grabowski seinen Mannschaftskollegen, der seit 1967 bei der Eintracht ist.

Doch es ist zu spät. Kurz darauf ist klar, dass neben Rohrbach auch Trinklein gehen muss. Die Erklärung für diese Personalentscheidung liefert Trainer Weise: „Weil wir mit Grabowski und Nickel kürzlich Dreijahresverträge geschlossen haben, konnten wir mit Trinklein und Rohbach nicht mehr verlängern. Denn sonst hätten wir eines Tages wie der Wuppertaler SV oder bestimmt auch bald Bayern München vor der Feststellung gestanden, eine total überalterte Mannschaft zu haben. Das ist der einzige Grund, weshalb wir uns von ihnen trennen und sie durch um fünf Jahre jüngere Spieler ersetzen!“

Trainer Weises Begründung wird von einem Sportjournalisten wie folgt kommentiert: „Rohrbach und Trinklein, die beide ihre Verdienste um die Eintracht haben und auch bis zuletzt Stammspieler waren, dürfen sich getrost als Nickel- und Grabowski-Geschädigte fühlen.“ (rs)

 


 

In der Woche zwischen dem 33. und 34. Spieltag erschien ein Interview von Hans Fiederer mit Dietrich Weise:

Trainieren und betreuen Sie derzeit die beste Eintracht, die es je gab?

„Die beste Eintracht? Das weiß ich nicht. Ich kenne die Eintracht die zwei Jahre, die ich sie trainiere, und einige Jahre vorher. Aber in den dreißiger Jahren hörte man doch auch viel Gutes von der Eintracht ...“

Oft wird behauptet, dass die Eintracht nur dann groß aufspielt, wenn Bernd Hölzenbein in Form sei. Gilt dieser Spruch noch?

„Sicherlich reißt die Hochform von Hölzenbein und Grabowski mit. Aber so einseitig ausgerichtet ist die Eintracht nicht mehr. Wir haben uns allgemein technisch verbessert. Die Eintracht ist nicht mehr so anfällig - sehr zu meiner Freude. Wir sind zunächst nach Mönchengladbach die stärkste Auswärtsmannschaft mit 16:16 Punkten. Und dass bei uns die ganze Mannschaft an den Erfolgen beteiligt ist, drücken diese Zahlen aus: Von unseren 17 Spielern waren 13 an entscheidenden Toren beteiligt.“

Sie möchten noch ein Beispiel anführen?

„Sehen Sie sich das Beispiel Roland Weidle (26) an. Man legte in Stuttgart keinen Wert auf ihn. Wir möbelten ihn auf. Er ist ein ungewöhnlich wertvoller Mann in unserem ausgeglichenen Team. Er kann Spiele beeinflussen, seine Technik kommt zum Tragen...“

Wie kamen Sie auf Willi Neuberger? Entscheiden Ihre Gedanken wie Geistesblitze?

„Ich überlege mir zehnmal bei Einkäufen, ob der Typ, den wir ausgewählt haben, auch in unseren Kreis passt - menschlich und spielerisch. Von der Technik Neubergers war ich überzeugt. Nicht aber von seiner Kampfkraft. Jetzt hat er sich durchgebissen. Er kann sich spielerisch einschalten und seine kämpferischen Werte ausspielen.“

Blicken Sie heute zurück im Zorn, wenn Sie die ernüchternde 2:3-Heimniederlage gegen Dynamo Kiew (im Europapokal der Pokalsieger) überdenken?

„Damals hatten wir echte Schwierigkeiten mit der Mannschaft. Wir befanden uns nicht in bester Form. Wir mussten zudem Reichel und Lorenz ersetzen. Heute könnten wir mithalten - und nicht nur das!“

Kalb, Rohrbach und wahrscheinlich auch Trinklein werden die Eintracht verlassen. Können diese Lücken aufgefüllt werden?

„Wir verpflichten den Hamburger Torjäger Wenzel und das HSV-Talent Krobbach. Dann rückt ein Eigengewächs nach: der Amateur Simons (20), der übrigens sein erstes Spiel in Kiew machte. Er wird aber Amateur bleiben. Ähnlich wie es mit Kraus und Müller war...“

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