Eintracht Frankfurt - 1. FC Köln

Bundesliga 1974/1975 - 31. Spieltag

3:2 (3:1)

Termin: Fr 23.05.1975, 20:00 Uhr
Zuschauer: 32.000
Schiedsrichter: Ferdinand Biwersi (Bliesransbach)
Tore: 0:1 Herbert Neumann (6.), 1:1 Bernd Hölzenbein (12.), 2:1 Klaus Beverungen (24.), 3:1 Bernd Hölzenbein (28.), 3:2 Herbert Neumann (74.)

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Eintracht Frankfurt 1. FC Köln

 


  • Harald Schumacher
  • Wolfgang Weber
  • Bernhard Cullmann
  • Jürgen Glowacz
  • Harald Konopka
  • Dieter Müller
  • Herbert Zimmermann
  • Hennes Löhr
  • Heinz Simmet
  • Wolfgang Overath
  • Herbert Neumann

 

Wechsel
Wechsel
  • Heinz Flohe für Hennes Löhr (38.)
  • Gerhard Strack für Herbert Zimmermann (46.)
Trainer Trainer
  • Zlatko Cajkovski

 

Rausch und Ernüchterung

Die Eintracht befindet sich auf der Zielgeraden, die sportlichen Entscheidungen dieser Saison sind noch nicht gefallen. Am Freitag gibt es vor dem Heimspiel gegen den Tabellennachbarn vom Rhein an den Stadionkassen bereits Karten für das Finale am 21. Juni in Hannover gegen den MSV Duisburg. „Wir müssen etwas für unser Image tun und gegen den 1. FC Köln für das Pokalendspiel werben“, fordert Trainer Weise. Das Ziel, gegen die Kölner den Platz unter den ersten Fünf zu festigen, um so die Teilnahme am UEFA-Cup zu sichern, ist ihm allein noch nicht genug: Nach der Enttäuschung gegen Hertha BSC Berlin gilt es nun, das Interesse beim Publikum zur Mitfahrt nach Hannover anzuheizen.

Für Jürgen Grabowski dagegen ist der Auftritt von Wolfgang Overath genügend Stimulanz. „Wenn der Wolfgang ins Waldstadion kommt, dann sind die Jungs bei uns immer ganz heiß“, soll Grabi der „Bild“ erzählt haben. Aber auch Dietrich Weise erwartet beim Aufeinandertreffen des Vierten gegen den Fünften ein „echtes Spitzenspiel“.

„Ich glaube, die Verbissenheit, mit der die Kölner antreten werden, wird kaum zu überbieten sein“, prognostiziert der Trainer. Die Kölner werden in der nächsten Saison das Müngersdorfer Stadion beziehen, eine Spielzeit ohne einen internationalen Wettbewerb wäre ein denkbar schlechter Start in der neuen Umgebung. Im DFB-Pokal sind die Kölner nach einem 2:5 in Düsseldorf jedoch bereits im Achtelfinale ausgeschieden und im UEFA-Cup war im Halbfinale Endstation nach zwei Niederlagen gegen Mönchengladbach, die vor zwei Tagen mit einem sensationellen 5:1-Auswärtssieg bei Twente Enschede den Cup an den Bökelberg geholt haben.

Ein Platz unter den ersten Fünf der Tabelle ist also Pflicht für die Kölner, Punkte aus der Begegnung in Frankfurt sind deswegen nicht nur willkommen und erwünscht, sondern fast schon notwendig. Vor dem Spiel liegt der erste Meister der Bundesliga zwar nur einen Zähler hinter der Eintracht, doch bei einer Niederlage besteht die Gefahr, aus den Rängen herauszurutschen, die die Teilnahme am UEFA-Cup ermöglichen.

Für einen zählbaren Erfolg müssen die Gäste den Trend der letzten Auswärtsspiele gegen die Eintracht durchbrechen. Viermal haben die Geißböcke in der Bundesliga in Frankfurt Remis gespielt, dreimal gewonnen. Doch der letzte Sieg stammt aus den 60er Jahren und inklusive des Pokalspiels in der vorangegangenen Saison haben die Kölner die letzten drei Pflichtspiele im Waldstadion verloren. Die Ergebnisse der letzten beiden Bundesligaspiele sind ebenfalls nicht geeignet, die Gäste über die Maßen zuversichtlich zu stimmen. Am letzten Spieltag ging das Heimspiel gegen die Gladbacher mit 1:2 verloren und davor setzte es bei den abstiegsbedrohten Bremern eine empfindliche 1:4-Klatsche.

Doch auch Eintracht-Trainer Weise ist nicht ohne Sorgen. Wolfgang Kraus steht nach dem in Stuttgart erlittenen Knöchelbruch nicht zur Verfügung und auf der Bank sind die Alternativen spärlicher gesät, als es dem Trainer lieb sein kann. Jürgen Kalb leidet immer noch an der im Olympia-Qualifikationsspiel gegen Spanien erlittenen Knöchelverletzung und Winfried Stradt musste sogar mit einer Gehirnerschütterung zwei Tage in einem Krankenhaus in Pforzheim verbringen, nachdem ihn beim Pfingstturnier der A-Jugend ein Gegner mit einem Ellenbogenstoß an die Schläfe k. o. geschlagen hatte. So kommt es, dass auf der Bank neben Andree, Rohrbach und Dr. Kunter der Amateur Gerd Simons Platz nehmen darf.

Für Kraus kommt Roland Weidle in die Mannschaft, die in folgender Besetzung die Kölner auf Distanz halten will: Wienhold - Reichel, Trinklein, Körbel, Neuberger - Beverungen, Weidle, Nickel - Lorenz, Grabowski und Hölzenbein. Bei den Gästen verzichtet Coach Cajkovski etwas überraschend auf Heinz Flohe, der allerdings in den letzten Partien durchaus mehr mit seiner Form als den Gegnern zu kämpfen hatte.

Ob mit oder ohne Flohe, aus dem Schatten der beiden Mittelfeldstars Flohe und Overath hat sich in dieser Saison der junge Herbert Neumann herausgespielt. Der zweifellos talentierte, zuweilen aber etwas zu sensibel agierende 21-jährige ist vor dieser Partie zusammen mit Simmet hinter Müller und Löhr der torgefährlichste Kölner dieser Spielzeit. Sechs Minuten nach dem Anpfiff Biwersis hat er den dritten Platz in der internen Torschützenrangliste sogar alleine inne …

Das ist ein Schock für die 32.000 Zuschauer. Mit diesem schnellen Rückstand hat wahrscheinlich keiner gerechnet. Sollte die Eintracht etwa wie gegen die Hertha gegen einen direkten Konkurrenten den Kürzeren ziehen und vielleicht am Ende einer langen und mehr als ansehnlichen Saison gar mit leeren Händen da stehen? Während die Bedenkenträger und notorischen Nörgler auf den Rängen umgehend in liebgewonnene Gewohnheiten verfallen und das tun, was sie nun einmal am besten können, zeigt sich ihre Elf auf dem Rasen unbeeindruckt.

Die Eintracht – so hat es ihr Trainer versprochen – ist heute angetreten, um Werbung in eigener Sache zu machen. Sich durch ein Gegentor – mag es auch noch so überraschend gefallen sein – aus dem Konzept bringen zu lassen, ist keine Option. Und das Konzept heißt Offensivspiel. Bedingungsloses Offensivspiel, um so präzise zu formulieren, wie das Spiel der Eintracht nun läuft. Tore des Gegners sind bedeutungslos, solange man selbst in der Lage ist, jederzeit mit einem eigenen Treffer zu antworten.


Cullmann kommt zu spät: 1:1 durch Hölzenbein

Diese Eintracht benötigt am heutigen Abend nur sechs Minuten, um sich die Antwort und den Gegner zurechtzulegen. Simmet ist Zuschauer, während Bernd Hölzenbein mit dem rechten Fuß das Leder aus kurzer Distanz einschießt. Cullmanns Rettungsversuch mit einem langen Bein wirkt in seiner aussichtslosen Verbissenheit eher hölzern und hilflos als überzeugend.

Die Kölner sind verwirrt. Warum hat sich der Gegner von dem schnellen Rückstand nicht irritieren lassen? Hilflos wie ein Tourist, der den Stier auf der Weide gereizt hat, ohne sich zuvor in Sicherheit zu bringen, stehen die Kölner der angreifenden Eintracht gegenüber. Wäre es nicht ein populärer Irrtum, dass Stiere auf die Farbe Rot aggressiv reagieren, könnte man glauben, der Treffer von Neumann sei für die Eintracht eine Muleta, ein „rotes Tuch“ gewesen. Während der im gewissen Sinn „farbenblinde“ Stier lediglich auf die schnellen Bewegungen des Toreros mit dem Tuch anspringt, stehen die Gäste den rasanten Kombinationen der Frankfurter nun nahezu paralysiert gegenüber.

24 Minuten sind gespielt, als die Kölner die Eintracht quasi zum zweiten Stich einladen. Klaus Beverungen setzt diesen unbewacht, aber natürlich nicht unbemerkt gegen den wieder zum Zuschauen verurteilten Simmet und den machtlosen Schumacher wie zuvor Hölzenbein aus wenigen Metern Torentfernung. Der schussgewaltige Beve macht’s zur Abwechslung mal mit dem Kopf, was ihn vor keine große Herausforderung stellt, da er den Ball mit seinem Schädel nur gerade ins Tor zu lenken braucht, um den Kölner Keeper das Nachsehen zu geben.


Das 2:1 durch Beverungen

2:1 und der Frankfurter Sturmlauf ebbt nicht ab. Von ihrem Publikum nach vorne getrieben und vom eigenen Spiel geradezu berauscht denken die Eintrachtspieler gar nicht daran, das Tempo zu drosseln, um den Gegner nun kommen zu lassen und dann auszukontern. Effektvoll gesteuert und immer wieder auf hohe Antriebstouren gebracht wird die Elf der Eintracht von ihrem – wieder einmal - überragenden Kapitän Jürgen Grabowski. Würden die Kölner nicht um ihre Teilnahme am UEFA-Cup kämpfen müssen, vielleicht fänden sie Gelegenheit, sich wie ein Zuschauer entzückt zurückzulehnen, um dieses Fußballfeuerwerk zu genießen, mit dem die Eintracht ihr Publikum verzaubert. Allein Kölner Anhängern mag darüber hinaus verständlicherweise der Sinn für dieses wunderbare Spektakel fehlen.

So wie Bundestrainer Helmut Schön, dem Stammgast im Waldstadion, erneut das Herz bluten dürfte. So nah - und doch so unerreichbar fern für ihn - liegt die Lösung seines Problems. Für Jürgen Grabowski wäre es ein Leichtes, das spielerische Vakuum zu füllen, das die Nationalelf nach der Weltmeisterschaft für den Geschmack des Bundestrainers allzu oft geboten hat. Doch der zurückgetretene Nationalspieler im Dress der Eintracht, der heute manches Mal selbst von drei Gegenspielern nicht zu halten ist, steht zu seinem Wort. Ein Rücktritt vom Rücktritt – für Jürgen Grabowski kommt das ebenso wenig infrage, wie er Verschleißerscheinungen zu kennen scheint. Sein Mannschaftskamerad Bernd Hölzenbein und eine ganze Reihe anderer Mitglieder der Weltmeisterelf können ein trauriges Lied von Leistungsschwankungen und Formtiefs in dieser Spielzeit singen, doch für den bald 31-jährigen Grabowski gilt das nicht. Als habe er im errungenen DFB- und Weltmeisterpokal wie in einem Jungbrunnen ein Bad genommen, werden seine Aktionen umso brillanter, je länger die Saison dauert.

Das ebenso schnelle wie trickreiche und verwirrende Mittelfeldspiel der Gastgeber mag dem geneigten Fußballfan einer Offenbarung gleichkommen, den Gästen jedoch eher wie das Jüngste Gericht erscheinen. Möglich, dass die Eintracht über ihren Sturmlauf vergessen hat, dass eine zweite Halbzeit zu spielen ist, nicht jedoch, um was es bei einem Fußballspiel geht: Der heute wie entfesselt spielende Hölzenbein trifft zum zweiten Mal und bringt die Eintracht nach nicht einmal einer halben Stunde mit 3:1 in Front: Eine vortreffliche Direktabnahme aus zwölf Metern schlägt fast genau im Torwinkel der Kölner ein.


Zimmermann bremst Hölzenbein
im Strafraum, doch der
Elfmeterpfiff bleibt aus

Seine beiden Tore schenkt sich der „Holz“ selbst, als Entschädigung dafür, dass die bundesdeutschen Schiedsrichter wohl mittlerweile einen internen Wettbewerb austragen, welcher Unparteiische es schafft, Hölzenbein den eindeutigsten Elfmeter zu verweigern. Heute spielt diese Ungerechtigkeit, die Hölzenbeins Gegenspieler im Strafraum immer ungenierter und offener zu Werke gehen lassen, keine entscheidende Rolle. Die Eintracht zaubert und die Kölner assistieren willig. Sie decken den Gabentisch mit ihren Geschenke in Form von taktischen Fehlleistungen und individuellen Aussetzern so reichlich als wollten sie in Frankfurt Weihnachten schon im Mai feiern.

Die Eintracht-Anhänger wähnen den Kampf, der längst einer Vorführung gleicht, bereits zugunsten ihrer Elf entschieden. Grabowski spielt weiterhin wie noch nie in dieser Saison, die als seine vielleicht beste überhaupt gelten darf, Neuberger nutzt den vom Gegner angebotenen Raum für Glanztaten am laufenden Band, Körbel lässt den mit 19 Treffern bisher erfolgreichsten Kölner Torjäger Dieter Müller keinen Stich und Hölzenbein präsentiert sich so entschlossen und selbstbewusst, als wäre Formtief ein Fremdwort für ihn. Dieser (Spiel-)Rausch entsteht durch den Stoff, aus dem die Träume sind.

Alle Frankfurter träumen bereitwillig mit. Der Sieg steht fest, jetzt kann es doch nur noch um die Höhe des Erfolges gehen - auf ein halbes Dutzend werden sich die Gäste schon einstellen müssen. Denen ist nach 38 Minuten zu allem Überfluss auch noch der nach Müller gefährlichste Angreifer Löhr angeschlagen abhandengekommen. Für Löhr kommt nun doch noch Flohe zum Einsatz.

Um den Geißbock so richtig fett zu machen, verspekuliert sich der sonst so pfiffige Kölner Trainer „Tschik“ Cajkovski völlig und langt mit seiner zweiten Auswechslung in einen mit Fett gefüllten Napf. Obwohl Wolfgang Weber seit einem Zusammenprall mit Bernd Lorenz in der ersten Hälfte sichtbar auf eine Auswechslung zusteuert, nimmt der rundliche Jugoslawe nach der Pause Zimmermann aus der Partie, um Strack einzuwechseln. Weitere Auswechslungen sind den Gästen nun nicht mehr möglich. Das rächt sich bereits kurze Zeit später. 51 Minuten sind gespielt und bei Weber geht es nicht mehr weiter – Köln muss die Begegnung mit 10 Mann zu Ende bringen.

Wer nun die Fortsetzung des Frankfurter Sturmlaufs gegen die dezimierte Gästetruppe erwartet hat, erlebt eine Enttäuschung. Ob die Eintracht sich mit ihrem Vorsprung begnügt oder bereits dem famosen, aber anstrengenden ersten Durchgang Tribut zollen muss? Es sieht so aus, als wollten die Gastgeber ihre Führung nur noch über die Zeit bringen.

So gefährlich die angreifende Eintracht mit dem aus dem Mittelfeld kommenden Grabowski, dem schnellen Hölzenbein und dem aus der Tiefe vorstoßenden, mit seinen Pässen an allen Toren beteiligten Neuberger gespielt hat, so gefährdet ist nun die auf Halten spielende Elf, die eine Abwehr voller Lücken und Unsicherheiten offenbart. Der spielerische Glanz einer rauschhaften ersten Halbzeit wird durch das nervliche und konditionelle Elend der zweiten abgelöst. Ernüchterung mach sich breit im Waldstadion, auf dem Platz und auf den Rängen.

Grabowski macht sich auf, Zuschauer und Mannschaft zu erlösen. Allein bricht er durch die Kölner Abwehr, lässt sich auch durch ein Foul Simmets nicht stoppen und … erzielt nach 73 Minuten das 4:1? Nein, Schiedsrichter Biwersi setzt seinen heute Abend oft seltsam anmutenden Entscheidungen die Krone auf. Er lässt den Vorteil der Eintracht nicht gelten und pfeift Simmets Foulspiel …

Möglicherweise sind die Eintrachtspieler mit ihren Gedanken immer noch bei dieser krassen Fehlentscheidung, denn nur eine Minute später lassen sie Neumann 20 Meter vor dem Eintracht-Tor gewähren. Sein platzierter Schuss aus 20 Metern Entfernung überrascht Wienhold und schlägt zum 2:3-Anschlusstreffer ein. Man kommt trotz der unglücklichen Vorgeschichte nicht umhin, den Gästen zu bescheinigen, dass sie sich dieses Tor in Unterzahl redlich verdient haben. Die von ihrem Trainer Cajkovski festgestellte ,,Angst vor dem Gegner“ hat sich in der dezimierten Mannschaft zum „Mut der Verzweiflung“ gewandelt. Ein Mut, der Weises Elf in der letzten Viertelstunde in Schwierigkeiten und die Eintrachtfans ins Schwitzen bringt.

Der Ausgleich der Kölner wäre nach dieser ersten Halbzeit und ihrer numerischen Unterlegenheit während fast des gesamten zweiten Durchgangs unerhört. Und es kommt, wie es kommen muss: Wie nach dem 0:1 melden sich auf den Rängen die Bedenkenträger und notorischen Nörgler lautstark zu Wort … Den Sieg jedoch hält die Eintracht fest.

Während andere erst einmal tief durchatmen müssen, gelingt es Dietrich Weise nach dem Spiel diese Achterbahnfahrt der Gefühle sachlich zusammenzufassen: „Wenn die etwas schwächere Halbzeit nicht gewesen wäre, hätte ich viel Lob an meine Mannschaft verteilen müssen. Besonders erfreut hat mich, dass wir uns nach dem 0:1 schnell gefangen hatten und bedingungslos den Angriff suchten.“ Kölns Trainer Cajkovski geht auf seine Fehlleistung mit Zimmermanns Auswechslung nicht ein: „Wir haben ein sehr gutes Spiel mit zwei verschiedenen Halbzeiten gesehen. Erst nach der Pause hat meine Mannschaft in Normalform gespielt.“ Diese Steigerung kann sich Cajkovski jedoch nicht auf seine Fahnen schreiben.

Die Kölner rutschen vorerst auf Platz 7 ab, während die Eintracht sich an Offenbach vorbei auf Rang 3 schiebt. „In der zweiten Halbzeit zeigten sich wieder die zehn Zentimeter, die uns zur Klassemannschaft noch fehlen“, findet Weise dennoch, während ihm sein Kapitän in diesem Punkt widerspricht: „Irgendwann muss doch eine Klassemannschaft wie Köln zu ihrem Spiel finden. Daher kann ich keinen Vorwurf unserer Mannschaft, sondern muss vielmehr ein Lob den Kölnern machen.“ „Grabi“, der bekannt dafür ist, auch mit sich selbst hart ins Gericht zu gehen, findet heute aber auch für seine Leistung lobende Worte: „Ich kann mich nicht erinnern, in dieser Saison ein so gutes Spiel geliefert zu haben, wie gegen Köln in der ersten Halbzeit.“

Bernd Hölzenbein, der nur eine Woche zuvor auf der ungeliebten Linksaußenposition in der DFB-Auswahl ein nach eigenen Worten schwaches Spiel abgeliefert hat, bewies heute im Verein, zu welchen Leistungen er fähig ist. Nicht weniger als das beste Spiel seit Monaten ist Hölzenbein zu bescheinigen, der zudem neben Jürgen Grabowski und Willi Neuberger den größten Anteil am hervorragenden Spiel der Eintracht zugewiesen werden muss. Weder Zimmermann noch später Konopka waren in der Lage, Hölzenbein etwas entgegenzusetzen. Mit den beiden Toren erhöht „Holz“ seine Trefferzahl nunmehr auf 17 und schiebt sich in der Torjägerliste der 1. Bundesliga auf den 5. Platz vor.

„So ist das Leben“, kommentiert er sein wiedergewonnenes Selbstbewusstsein, das auch Bundestrainer Helmut Schön auf der Tribüne zufrieden registriert haben dürfte: „Ich habe schon in der ersten Minute gemerkt, dass es heute laufen würde.“ Warum er den Ball vor dem 3:1 nicht erst gestoppt habe, wird er gefragt. „Tore sind das halbe Selbstvertrauen“, entgegnet Hölzenbein grinsend wie ein Bub: „Ich habe eben gefühlt, dass er ins Tor geht.“

Bernd Hölzenbeins ausgezeichnete Leistung ist ein weiterer Anlass für ihn, die Verpflichtung von Mittelstürmer Rüdiger Wenzel gelassen zu sehen: „Ich freue mich wirklich, dass Wenzel kommt, und drücke ihm die Daumen, dass er all die Dinge rechtfertigen kann, die Eintracht in ihn als Sturmspitze gesetzt hat.“ Hölzenbein hat oft genug darauf hingewiesen, dass er ohnehin lieber im Mittelfeld spielen möchte als im Sturmzentrum.

Der 21-jährige Rüdiger Wenzel, der mit bislang 21 Toren in der 2. Bundesliga Nord auf sich aufmerksam gemacht hat, wird für 400.000 Mark vom FC St. Pauli zur Eintracht wechseln. Wenzel kann dieser großen Summe, auf die er keinen Einfluss hat, nicht viel abgewinnen und ist alles andere als stolz darauf: „So viel bin ich wirklich nicht wert. Im Augenblick jedenfalls nicht. Aber mein Club ist anderer Meinung.“ Die hohe Ablöse sieht er eher als Belastung an. „Daran werde ich tragen wie an einem Rucksack. Willi Reimann kam für 770.000 Mark zum HSV - und die verfolgen ihn jetzt in jedem Spiel.“ St. Pauli kann auf diese Überlegungen keine Rücksicht nehmen, der Verein macht bei diesem Geschäft einen ausgezeichneten Schnitt: Vor einem Jahr hat man nur 29.000 Mark an den VfB Lübeck gezahlt, um Wenzel ans Millerntor zu holen.

Warum es ihn trotz der Belastung durch die hohe Ablösesumme zur Eintracht zieht, erklärt der junge Mann so: „Da gibt es mehrere Gründe. Ich glaube, in die Mannschaft zu passen. Mein Bruder Horst spielt beim FSV Frankfurt - ich wäre also praktisch zu Hause. Und Trainer Weise hat mich in einigen Gesprächen echt überzeugt.“ Bedenken, seine Vertragszeit bei der Eintracht angesichts der Konkurrenz auf der Bank verbringen zu müssen, hat er nicht: „Angst kenne ich nicht. Und wenn ich nicht an einen Stammplatz glauben würde, ginge ich gar nicht weg von St. Pauli.“

Ob ein anderer, der Hamburg ebenfalls den Rücken kehren will, kommen darf, steht noch nicht fest. Der HSV möchte für Peter Krobbach vertraglich eine Rückkaufklausel vereinbaren, die Eintracht lehnt dieses Ansinnen ab. „Wir machen keine halben Sachen“, stellt Dietrich Weise klar.

Weg ist dagegen seit diesem Wochenende Bernd Nickels Mercedes 350 SE. Diebe haben sich des Wagens bemächtigt. Aber das ist nicht alles, was „Dr. Hammer“ abhanden gekommen ist, wie er erklärt: „Besonders peinlich ist, dass in dem Wagen auch meine eingetretenen Fußballschuhe und mein Führerschein lagen.“ (rs)

 



(Artikel eines Frankfurter Sportjournalisten)

Auch gegen den 1. FC Köln gelang es Eintracht Frankfurt nicht, aus dem selbst gelegten Teufelskreis herauszubrechen. Wie schon gegen Hertha BSC und die Offenbacher Kickers wurde der amtierende Pokalmeister auch diesmal ein Opfer seiner berauschenden Fußballkunst. Was - vom zahlenmäßigen Ausgang des Spiels gesehen - gegen Hertha und Kickers gründlich daneben gegangen war, ging gegen Köln gerade noch mal gut. Nicht vom Ergebnis, wohl aber von Gehalt und Ablauf her ergeben sich da erstaunliche Parallelen.

In spielerisch stärkerem Rahmen noch wie gegen die Berliner versetzte die Eintracht ihr Publikum mit ihrer Spielkunst während einer glanzvollen ersten Halbzeit in einen Rauschzustand, um dann die erhöhten Erwartungen im zweiten Spielabschnitt nicht mehr erfüllen zu können. Rausch und Ernüchterung lagen - naturgemäß auch diesmal eng beieinander.

Die Fußballkunst der Eintracht - das ist für ihre Anhänger schon fast so etwas wie der Stoff für einen Süchtigen. Und wie der Süchtige nach immer härteren Drogen in immer größerer Dosis, so fordert auch das Publikum im Waldstadion - erst einmal angeturnt - nach immer länger andauernden und immer intensiveren Phasen spielerischer Brillanz.

Das Publikum gönnte der Eintracht keine Ruhepause. Gegen Köln vermittelten die Riederwälder eine Halbzeit lang das totale Fußballerlebnis - und sie wussten gleichzeitig, dass es die Zuschauer nach immer mehr verlangt.

So wollte denn die Eintracht, doch sie konnte im zweiten Spielabschnitt nicht mehr. Und auf den Rängen machten sich Entzugserscheinungen bemerkbar, als ein mittlerweile müde geranntes Team seinem Konsumenten den Stoff nicht mehr hatte bieten können, aus dem die Fußballträume sind.

Fast hatte es den Anschein, als spiele die Eintracht zu gut, um sich das ökonomische Prinzip des geringsten Aufwands bei vorgegebenem Nutzen leisten zu können. Aus der Brillanz zur Ökonomie finden, wird freilich immer mehr die Hauptaufgabe der Eintracht heißen müssen, soll der so oft schon in der ersten Halbzeit erwirtschaftete Erfolg im zweiten Spielabschnitt denn auch gewinnbringend verwaltet werden.

Dies meint wohl auch Trainer Dietrich Weise, der wiederum feststellen musste: „Auch diesmal wurden die zehn Zentimeter bemerkbar, die uns von einer Klassemannschaft noch trennen.“ Die Eintracht bringt die Fans zum Jauchzen! Doch auch die Sterilität des Bayern-Spiels wird notwendig sein, soll der Erfolg von Dauer sein.

Zurzeit freilich fühlen sich die Adlerträger noch total dem Anspruch eines von ihnen provozierten Publikums bis zum Schlusspfiff verpflichtet. Doch süßer Zauber und bitteres Ende sind Begriffe, die einander zwangsläufig zu ergänzen scheinen.

Schon aus physischen Gesetzmäßigkeiten muss die Brillanz irgendwann zum Teufel gehen. Doch gerade, weil bei der Eintracht vieles so leichtfüßig aussieht, fällt es so schwer zu glauben, dass auch solche Beine müde werden.

Ein Teufelskreis, aus dem die Grabowski, Hölzenbein und Neuberger einen Durchschlupf finden müssen, wenn die Eintracht das werden soll, was Dietrich Weise aus ihr machen will: Eine Klassemannschaft, die Brillanz und Konstanz einigermaßen auszeichnet …

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