Eintracht Frankfurt - Hertha
BSC Berlin |
Bundesliga 1974/1975 - 29. Spieltag
1:2 (1:0)
Termin: Sa 03.05.1975, 15:30 Uhr
Zuschauer: 27.000
Schiedsrichter: Rainer Waltert (Paderborn)
Tore: 1:0 Bernd Hölzenbein (35.), 1:1 Uwe Kliemann (55.), 1:2 Gerhard Grau (79.)
Eintracht Frankfurt | Hertha BSC Berlin |
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Grüße vom Funkturm Der Spielplan kommt dem Tabellenführer aus Gladbach nicht ungelegen. Heute treffen seine beide hartnäckigsten Verfolger im Waldstadion aufeinander, die Hertha aus Berlin und die Frankfurter Eintracht. Wie auch immer also der Kampf um die Punkte enden wird, ein Gewinner steht mit der Elf von Hennes Weisweiler bereits vor der Partie fest. Die Eintracht, die seit dem 11. September des Vorjahres auf eigenem Platz ungeschlagen ist, begegnet jedoch nicht nur einem direkten Konkurrenten, sondern auch einem alten Bekannten, der in Frankfurt noch viele Freunde hat: Uwe Kliemann. Der „Funkturm“ ist nicht nur wegen seiner Tore und seines Einsatzes bei den Eintrachtfans in guter Erinnerung, er hat es auch verstanden, sich mit Leistung und Worten würdig zu verabschieden. „Vielen Dank, liebe Freunde. Ihr habt mir sehr geholfen“, gab der den Fans nach dem letzten Saisonspiel gegen Düsseldorf über den Platzlautsprecher mit auf den Weg, bevor er sich auf den seinen machte, der ihn zurück in seine Heimatstadt Berlin führte. Dass der Sportsmann Kliemann auf alte Freundschaften keine Rücksicht nimmt, hat die Eintracht bereits im Hinrundenspiel erfahren müssen, als Uwe ihr mit seinem Treffer in der Schlussphase die 1:2-Niederlage beibrachte. Auch heute braucht sich bei der Eintracht niemand falschen Hoffnungen über etwaige Sentimentalitäten des Abwehrrecken an alter Wirkungsstätte hinzugeben: „Diesmal geht’s zur Sache, auch wenn’s den alten Freunden wehtut.“ Die Eintracht ist durch diese Grußworte gewarnt, Uwe Kliemann lässt seinen Worten immer Taten folgen. Gut, dass die Knieverletzung von Bernd Hölzenbein vor dieser wichtigen Partie abgeklungen ist. Der mit 12 Treffern bislang erfolgreichste Torschütze der Eintracht kann gegen die Hertha spielen, die sich in den letzten Jahren im Waldstadion als hartnäckiger Gegner erwiesen hat. Nur eines der letzten fünf Heimspiele gegen die Berliner konnte die Eintracht für sich entscheiden: In der letzten Saison siegten die Riederwälder durch zwei Nickel-Tore. Andererseits ist die Eintracht auch in dieser Saison sehr heimstark und seit der letzten Niederlage gegen den HSV am 11. September 1974 zu Hause unbesiegt. 22:2 Punkte mit 49:11 Toren stehen für die Eintracht seit dem 1:3 gegen die Hamburger im Waldstadion zu Buche. Die Hertha hat dagegen in den letzten sechs Partien auf fremden Plätzen eine unerklärliche Schwäche heimgesucht, die sie bei 2:14 Toren nur einen kümmerlichen Punkt beim 0:0 in Düsseldorf erringen ließ. Wie es sein kann, dass die Hertha beim Tabellen-16. in Bremen mit 0:4 untergeht, um im nächsten Spiel den Tabellenführer Gladbach im Olympiastadion mit 2:1 zu bezwingen, kann wahrscheinlich nicht einmal ihr Trainer Georg Keßler mit letzter Sicherheit beantworten. Dafür sorgt der Hertha-Coach für eine Überraschung bei der Berliner Aufstellung: Michael Sziedat, zuletzt beim 2:1-Sieg über Borussia Mönchengladbach der überragende Mann der Hertha, muss auf der Reservebank Platz nehmen. Der Verteidiger ist mit dieser Entscheidung nicht so recht einverstanden. Auf die Reporterfrage nach dem Grund seiner Nichtberücksichtigung antwortet er knapp: „Begreif ich auch nicht ganz.“ So ähnlich geht es auch Eintracht-Trainer Weise, der mit dieser Maßnahme Keßlers nicht gerechnet hat: „Aber ich bin deswegen bestimmt nicht böse.“ Das ist Sziedat auch nicht, aber die Enttäuschung ist groß: „Ich bin doch zurzeit in Hochform. Aber das wird wohl seine taktischen Gründe haben. Schade dennoch, denn der Bundestrainer sitzt doch auf der Tribüne.“ Georg Keßler rührt diese Überlegung naturgemäß nicht, er schmunzelt nur vielsagend und verweist die Journalisten auf ihre Plätze, wo sie geduldig warten sollen: „Kommentar erst nach dem Spiel.“ Einer Erklärung bedarf es aber schon wenige Minuten nach Spielbeginn nicht mehr, denn die Taktik der Gäste ist offensichtlich: Während Weiner sich wie eine Zecke an Hölzenbein festgesaugt zu haben scheint, soll der Kasselaner Brück anstelle von Sziedat den Eintracht-Spielmacher Jürgen Grabowski hautnah beschatten und überall hin folgen, Kessler hat seit dem Pokalspiel am letzten Dienstag über dem Problem gegrübelt, wie er den Aktionsradius von Jürgen Grabowski einengen kann. So sieht nun seine Lösung aus, um „des Dreh- und Angelpunktes, der größten Spielerpersönlichkeit der Eintracht“ auf dem Spielfeld habhaft zu werden. Trainer Weise hat gegenüber dem Pokalspiel am Dienstag in seiner Elf ebenfalls nur eine Änderung vorgenommen: Der wiedergenesene Reichel ist ins Team zurückgekehrt. Doch nicht Kalb verliert seinen Platz, sondern Weidle auf der anderen Außenverteidigerposition. Wienhold - Reichel, Neuberger, Körbel, Kalb - Beverungen, Kraus, Nickel - Lorenz, Grabowski und Hölzenbein finden jedoch in der ersten halben Stunde nicht recht ins Spiel. Frische und Spritzigkeit scheinen am Dienstagabend beim 120minütigen Pokalkampf als Tribut entrichtet worden zu sein, heute werden sie jedenfalls vermisst. Immerhin gelingt es Bernd Lorenz mit einem beeindruckenden Laufpensum, den mit Beifall begrüßten Uwe Kliemann immer öfter aus dem Abwehrzentrum herauszulocken. Lorenz spielt gegen den „Funkturm“ seiner eigenen Erscheinung durchaus angemessen auf. Selbstbewusst und keck entscheidet er zahlreiche Zweikämpfe für sich, obwohl ihm die Sturmmitte lieber ist als der linke Flügel, auf dem er heute wieder seinen Dienst verrichten muss. Während Jürgen Grabowski seine Kreise unter der Bewachung von Brück zieht, kann Erich Beer auf der Gegenseite nahezu nach Belieben im Mittelfeld schalten. Der athletische Beverungen ist zu schwerfällig, um den flinken Berliner zu stellen und muss ihm so viel zu viel Raum überlassen. Seine Bewegungsfreiheit nutzt Beer als Ausgangspunkt blitzschnell vorgetragener Konter, die die Gäste mit besten Chancen versorgen. So trifft Grau bereits in der siebten Minute nach Zusammenspiel mit Beer nur das Außennetz. Nur eine Minute später streift ein Gewaltschuss von Beer selbst fast den Pfosten. In der 24. Minute schließlich verfehlt nach einem Freistoß ein Kopfball Uwe Kliemanns wieder nur haarscharf Wienholds Tor. Gut für die Eintracht, dass wenigstens Willi Neuberger eine souveräne Libero-Partie liefert, sonst würden die Gäste wohl noch weitere erstklassige Einschussgelegenheiten bekommen. Horr und Grau können die ihren glücklicherweise nicht nutzen. Nach etwa 30 Minuten findet die Eintracht endlich zu sich selbst und ihrem Spielrhythmus. Die Zuschauer müssen deshalb nicht auf turbulente Szenen verzichten, nur werden diese jetzt in den Berliner Strafraum verlegt. Kraus und Hölzenbein kommen zu zwei guten Möglichkeiten, das finale Erfolgserlebnis bleibt aber beiden versagt.
In der 35. Minute erhält die Partie jedoch endlich die Würze, die jedem Fußballspiel gut zu Gesicht steht und den Zuschauern schmeckt – zumindest wenn die Mannschaft in den „richtigen“ Farben ein Tor feiern kann. Für die meisten Zuschauer im Waldstadion ist das der Fall, als eine hohe Flanke von Kalb in den Strafraum fliegt, Lorenz das Kopfballduell gegen Kliemann gewinnt und der Ball von seiner Stirn zu Hölzenbein springt. Holz schraubt sich am Fünfmeterraum ungedeckt hoch und platziert den Ball mit dem Kopf an Zander vorbei. Rechts über dem Keeper fliegt das Leder, dem Zander nur noch mit den Augen folgen kann, ins Netz. Im Nu hat die Eintracht das Spiel und den Gegner so fest im Griff wie eine Würgeschlange ihr bedauernswertes Opfer. Grabowski bietet den gebannten Beobachtern einen seiner großartigen Sololäufe, dem allerdings ebenso wie einem harten Schuss von Beverungen die Krönung in Form eines weiteres Treffers versagt bleibt. Nach der Pause reißt jedoch die Hertha überraschend die Initiative wieder an sich. Schon nach fünf Minuten hat Hermandung eine Chance, die man todsicher nennen könnte, wenn man nicht um die Unzulänglichkeiten der Fußballspieler wüsste. So schießt auch hier Hermandung aus etwa zwölf Metern so schwach, dass Wienhold den Ball unter sich begraben kann.
Die Gäste müssen dennoch nur wenig länger auf den Ausgleich warten. Der fällt in der 55. Minute und man tut weder dem Schützer noch dem Treffer unrecht, wenn man das 1:1 als ein typisches Kliemann-Tor beschreibt. Wie ein preußischer Gardesoldat steht er anscheinend in der Luft, als er einen von Grau geschlagenen Eckball aus kürzester Entfernung mit dem Kopf unhaltbar für Wienhold wuchtet. Es wäre an Lorenz gewesen, diesen Gruß des Funkturms zu unterbinden, doch der Frankfurter Stürmer steht wie vom Donner gerührt in der Nähe seines Rivalen. Es ist Kliemann sechstes Saisontor. So viele hat er in der 1. Bundesliga in einer Spielzeit noch nie erzielt. Die Berliner Luft scheint dem Heimkehrer gut zu bekommen, der Treffer liegt seinem alten Verein dagegen schwer im Magen. Gerade hat Zander einen glasharten Weitschuss von Beverungen um den Pfosten gedreht, da entschließt sich Dietrich Weise, dem Spiel seiner Mannschaft neue Impulse zu verleihen. In der 58. Minute schickt er den schnellen Außenstürmer Thomas Rohrbach für den agilen Mittelfeldläufer Wolfgang Kraus ins Spiel. Die kompakt stehende und konzentriert agierende Hertha-Abwehr mit ihrem großartigen Dirigenten Luggi Müller ist nun aber kaum noch zu überlisten. Vielleicht hätte Weise lieber umstellen als auswechslen sollen. Während sich Brück nun immer besser gegen Grabi behauptet, dessen Kräfte nun langsam zu erlahmen beginnen, wäre der wendige Kraus an der Seite von Beer möglicherweise besser aufgehoben als der heute hölzern wirkende „Beve“. Wie auch immer – wer sieht, mit welcher Passion sich Brück, Sidka und Weiner der Fesselung der Eintracht-Asse Grabowski, Nickel und Hölzenbein widmen, während sich die Hertha-Spielgestalter Beer, Hermandung und Horr weitgehend ungestört auf dem Spielfeld bewegen dürfen, merkt schnell, dass die Partie mehr und mehr nicht im Sinne der Gastgeber läuft. Noch steht es 1:1, doch die Gelegenheiten in Führung zu gehen, bieten sich fast ausnahmslos der Hertha, auf deren schnelle Konter die Riederwälder immer noch keine passende Antwort gefunden haben. In der 63. Minute hat der überragende Erich Beer bereits Torwart Wienhold ausgespielt und nur noch das leere Tor vor sich. Doch der bienenfleißige Kalb stört ihn in letzter Sekunde beim Einschuss, Beer gerät ins Straucheln und setzt den Ball neben den Pfosten. Da war eine Portion Glück dabei, denn Beverungen wäre in dieser Szene zu spät gekommen. Nach 70 Minuten ist Jürgen Kalb abermals Retter in höchster Not: Einen von Körbel abgefälschten Beer-Schuss wehrt Kalb mit dem Kopf ab. Kurz darauf muss der Abwehrchef der Hertha, Luggi Müller, wegen einer Verletzung das Feld räumen. Müller, der eine vier Zentimeter tiefe Fleischwunde am rechten Knöchel erlitten hat, bedarf dabei der Unterstützung von Uwe Kliemann, der ihn vom Platz trägt. Die Wunde Müllers muss ärztlich versorgt und genäht werden. Für den so unglücklich ausscheidenden Abwehrrecken, der sich nach drei Meistertiteln mit Nürnberg und Gladbach auf der Zielgeraden seiner Laufbahn als Profifußballer befindet, kommt nun doch Michael Sziedat noch zu seinem ersehnten Einsatz unter den Augen des Bundestrainers. Kliemann gibt nun anstelle Müllers den Libero.
Die Eintracht kämpft. Sie kämpft, aber sie tut dies schwerfällig und einfallslos. Wo ist die Leichtfüßigkeit vergangener Spiele, wo der viel gerühmte Esprit dieser Elf? Immer wieder soll es schnurstracks durch die Mitte gehen, was bei dieser gegnerischen Abwehr ungefähr so erfolgsversprechend ist wie der Versuch mit dem Kopf eine massive Wand zu durchbrechen. Nichtsdestotrotz sucht Lorenz ebenso wie Grabowski und Hölzenbein weiterhin den Erfolg mit fruchtlosem Kurzpassspiel durch die zuerst von Müller und nun von Kliemann verrammelte Mitte. Die Schwächen der Gastgeber beginnen jedoch nicht im Sturm, der Raum sucht, aber nicht finden kann, weil ihm die eigenen aufgerückten Spieler in die Quere kommen. Das Problem der Eintracht beginnt heute in der Abwehr und findet im Mittelfeld seinen unerwünschten Höhepunkt. Dort ist Nickel so präsent wie ein U-Boot auf Tauchstation an der Wasseroberfläche, während Beer Beverungen ein ums andere Mal das Nachsehen gibt. Beer, immer wieder Beer! Auch in der 74. Minute ist es „Raketen-Erich“, der abermals allein vor Wienhold aufkreuzt. Kann Wienhold hier noch das Schlimmste verhindern, ist auch er fünf Minuten später geschlagen. Gegen den raffiniert angeschnittenen Schuss des pfeilschnellen Grau hat Wienhold keine Abwehrchance. Ist das die Entscheidung? Grau, der ehemalige Stürmer des KSV Hessen Kassel, hat ja bereits im April des letzten Jahres mit seinem Treffer den 2:1-Sieg der Hertha gegen die Eintracht hergestellt. Das ist umso bemerkenswerter, weil Grau, der 1972 an die Spree wechselte, in den beiden letzten Bundesligaspielzeiten überhaupt nur zwei Tore erzielt hat. In dieser Saison hat er mit fünf Toren für seine Verhältnisse ungewöhnlich oft getroffen und wieder könnte sein Tor eine Niederlage der Eintracht bedeuten. Die Eintracht wehrt sich mit Macht gegen diese Drohung. Es ist ein verzweifeltes Aufbäumen, das mehr von der Unfähigkeit getrieben wird, den Lohn für die Versäumnisse im Spiel zu akzeptieren, als von einer inneren Überzeugung, dieser Partie eine weitere Wende geben zu können. Die Eintracht hat auf die Fragen der Berliner im Spiel keine Antworten gefunden, das entschiedene „Nein“ im Schlussspurt ist zu wenig. Diese Ablehnung der Niederlage bringt den Gastgebern noch eine Chance durch Nickel, den Ausgleich indes kann sie nicht mehr bewirken. Wer anders als die Hertha, fragt sich der Statistiker nach dem Schlusspfiff, hätte die beeindruckende Heimserie der Eintracht beenden können? Denn welche Mannschaft war es, die den Riederwäldern am 31. Oktober 1970 die letzte Heimniederlage nach einer 1:0-Führung zufügte? Richtig: Hertha BSC Berlin. Bundestrainer Helmut Schön ist vom Sieger begeistert: „Die Hertha hat mir mächtig imponiert. Ihr Sieg ist verdient. Die Eintracht hatte die Möglichkeit zu entscheiden nur in der ersten Halbzeit. Hertha hatte dann die weitaus klareren Torchancen und hätte in der zweiten Halbzeit noch klarer siegen können.“ „Vor allem in der zweiten Halbzeit keinerlei Flügelspiel mehr“, bemängelt Schön bei der unterlegenen Elf. „Ich wusste doch gar nicht mehr, wohin ich einen langen Pass noch geben sollte. Die Außenpositionen waren doch gar nicht mehr besetzt“, verteidigt sich der gleichermaßen enttäuschte wie enttäuschende Bernd Nickel. Dessen Trainer erklärt unterdessen den nachfragenden Pressevertretern, warum Bernd Nickel heute trotz schwacher Vorstellung durchspielen durfte. „Es wäre berechtigt gewesen, Bernd Nickel auszutauschen, aber Nickel ist halt immer für ein Tor gut“, ist Weises Antwort. Der Eintracht-Trainer wirkt trotz aller Enttäuschung wieder einmal erstaunlich gefasst, als er die Partie zusammenfasst: „Diese Niederlage ist bitter für uns, denn in der Meisterschaft ist es mit dem heutigen Tag für uns vorbei. Unsere Spieler haben sich bemüht, in der ersten Halbzeit gute Leistungen zu bringen. Da war Berlin keine Spitzenmannschaft. Nach diesem Erfolg ist Hertha der große Mitfavorit der Meisterschaft. Bei Hertha waren in der zweiten Halbzeit die Bereitschaft und die körperliche Fitness größer als bei uns. Dass wir alles wagen mussten, war klar, und daher kamen die vielen Konterchancen der Berliner. Sie waren so gut, dass deshalb der Hertha-Sieg in Ordnung geht.“ Während sein Trainer gewohnt sachlich zu Protokoll gibt, dass „das Rennen um die Meisterschaft für Frankfurt mit dieser Niederlage vorbei“ sei, macht Kapitän Jürgen Grabowski aus seiner schweren Verärgerung kein Geheimnis: „In Offenbach kann man verlieren, aber doch zu Hause gegen Hertha nicht! Wieder einmal hat sich gezeigt, dass man nur mit einer Einstellung wie gegen Bayern München in der Bundesliga bestehen kann. Wenn davon nur 10 Prozent fehlen, gerät man in Schwierigkeiten, erst recht gegen einen Mitkonkurrenten wie Hertha BSC.“ Gerade die erfahrenen Eintracht-Spieler spüren, welche Chance gegen die Berliner verspielt wurde. Dass die Achse des Frankfurter Meisterschaftszuges so unvermutet brach, dass die so prächtig in Fahrt gekommene Lokomotive auf den letzten Metern aus dem Gleis sprang und die Hoffnungen der Eintracht gegen die Wand fahren ließ, das alles hat sich die Elf selbst zuzuschreiben, weiß ihr Kapitän. Grabowski hadert sehr mit sich und seinen Kameraden: „Seit Jahren hatten wir nicht mehr so lange um die Meisterschaft mitgespielt. Und wie lange hat es gedauert, bis wir dort oben standen! Und dann kommt so etwas.“ „Wie lange haben wir gebraucht, um soweit zu kommen. Und da wird die Meisterschaftschance derart leichtfertig vergeben“, zürnt der Kapitän weiter. „Ein derart entscheidendes Spiel darf man zu Hause gegen Hertha einfach nicht verlieren. Der Pokalkampf gegen Essen kann kein Entschuldigungsgrund sein. Wir haben die Niederlage allein uns selbst zuzuschreiben“, nimmt Grabi alle in die Pflicht. Das ist typisch für den Mannschaftsführer, dass er selbst in seinem großen Zorn auf seine öffentlichen Worte achtet. Wer von ihm Namen erwartet, die Lieferung von Sündenböcken wird auch diesmal enttäuscht. Schuldzuweisungen an Einzelne entsprechen nicht Grabowskis Charakter. „Die erforderliche Konsequenz bei der Erfüllung der Aufgaben“ hat er hier vermisst und dort hat ihm „die nötige Einstellung“ gefehlt, mehr lässt sich der Kapitän nicht entlocken. „Wir hätten unterkühlt aus der Abwehr heraus spielen müssen. Vorne wurden ein Hölzenbein, ein Nickel, ein Grabowski hauteng gedeckt. Die Hertha-Spieler mit unseren Nummern aber hatten völlige Bewegungsfreiheit. Unsere Abwehrspieler rannten alle nach vorn und nahmen uns Stürmern den ohnehin schon engen Raum“, bemängelt Grabowski und Willi Neuberger stimmt ihm zu: „Ich habe geschimpft wie ein Rohrspatz. Manchmal standen wir hinten zu zweit vier Hertha-Spielern gegenüber.“ Obwohl kein defensiver Spieler, geht Bernd Hölzenbein sehr zerknirscht mit sich selbst ins Gericht, verliert dabei jedoch das Maß: „Wahrscheinlich liegt alles an mir, weil ich trotz aller Bemühungen meine Form der Vorrunde einfach nicht wiederfinde.“ Auf solche selbstgeißelnden Einblicke warten die Journalisten bei Bernd Nickel heute vergeblich. Dr. Hammer empfängt die Kritiker mit den Worten: „Wo wart ihr denn am Mittwoch?“ Da Nickel am Mittwoch seinen „Eintracht-Shop“ eröffnet hat, vermutet selbst der großartige Journalist Hartmut Scherzer, dass Nickel „zurzeit offenbar zu viel mit seinen Geschäften beschäftigt ist.“ Die Stimmung ist nicht nur bei den Spielern angespannt … Fünf Spieltage vor Rundenende liegt die Eintracht auf Rang fünf und hat ebenso viele Punkte Rückstand auf den Tabellenführer. Während die Hertha mit zwei Punkten weniger als die Gladbacher auf die Zielgerade einbiegt, machen sich selbst die Offenbacher Kickers mit drei Punkten Rückstand noch leise Hoffnungen auf den Titel. Für die Eintracht ist dieser Traum ausgeträumt. Wieder einmal. Nicht mehr mitträumen wird in der nächsten
Saison bekanntlich Jürgen Kalb, der nun ein konkretes Angebot
eines anderes Bundesligaclubs vorliegen hat: „Der Verein ist
bereit, die 175.000 bis 200.000 Mark Ablösesumme zu zahlen, für
die die Eintracht nach ihrer Kündigung bereit war, mich herzugeben.
Ich hoffe, sie hält jetzt Wort.“ (rs) |
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