Borussia Mönchengladbach - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1974/1975 - 19. Spieltag

3:0 (3:0)

Termin: Sa 01.02.1975, 15:30 Uhr
Zuschauer: 18.500
Schiedsrichter: Ferdinand Biwersi (Bliesransbach)
Tore: 1:0 Christian Kulik (24.), 2:0 Allan Simonsen (33.), 3:0 Jupp Heynckes (40.)

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Borussia Mönchengladbach Eintracht Frankfurt

  • Wolfgang Kleff
  • Hans Klinkhammer
  • Berti Vogts
  • Hans-Jürgen Wittkamp
  • Ulrich Stielike
  • Henning Jensen
  • Rainer Bonhof
  • Jupp Heynckes
  • Christian Kulik
  • Herbert Wimmer
  • Allan Simonsen

 


 

Wechsel
  • Lorenz-Günther Köstner für Christian Kulik (77.)
  • Dietmar Danner für Ulrich Stielike (77.)
Wechsel
Trainer
  • Hennes Weisweiler
Trainer

 

Spielball für Gladbach

Wie passend - auf dem Bökelberg will der Tabellenführer Mönchengladbach den Frankfurter Angriff auf die Spitze stoppen. Das ist aus Sicht der Gladbacher auch notwendig, denn bei einem Auswärtssieg würde die Eintracht an der Borussia vorbeiziehen, die nur einen Punkt vor ihr liegt.

Die Hessen haben natürlich andere Pläne: „Fünf Punkte aus den ersten vier Spielen der Rückrunde“ muss die Eintracht laut ihrem Kapitän Jürgen Grabowski holen, sonst könne man „die Meisterschaft vergessen“. Die ersten beiden dieser fünf Punkte haben Grabowski und seine Kameraden zum Auftakt gegen die auswärtsschwachen Bremer nach einer deutlichen Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit bereits eingefahren.

Die Bilanz gegen die Gladbacher ist für die Frankfurter alles andere als furchteinflößend: In den bisherigen Bundesligapartien am Bökelberg hat die Eintracht gegen Weisweilers Fohlen nur zweimal verloren. Diese beiden Niederlagen aus den Jahren 1970 und 1971 fielen allerdings mit 0:5 und 2:6 deftig aus. 1972 musste die Eintracht zudem im Hinspiel des Achtelfinales im DFB-Pokal in Gladbach eine 2:4-Niederlage hinnehmen, aus den Jahren 1973 und 194 stehen jedoch ein 2:0-Sieg der Eintracht sowie ein torloses Unentschieden zu Buche.

Die Gladbacher „Fohlen“ haben in den letzten Monaten allerdings das, was man einen „Lauf“ zu nennen pflegt. Ihre letzte Bundesliga-Niederlage datiert vom 18. Oktober des letzten Jahres und sie haben eine beeindruckende Serie hingelegt: 13:3 Punkte mit 18:8 Toren. Mit den Siegen in den beiden Nachholspielen vor Beginn der Rückrunde sind Weisweilers Männer mit einiger Verspätung sogar noch Herbstmeister geworden, nachdem sie vor Weihnachten noch auf Platz 8 lagen. Nur der DFB-Pokal stört in dieser fast makellosen Bilanz: Dort sind die Gladbacher gegen Köln vor drei Tagen vor heimischem Publikum nach schlimmen Abwehrfehlern mit 3:5 untergegangen.

Weisweilers Elf ist nicht unverwundbar und heute steht für die Gladbacher bereits die 5. Partie innerhalb von 15 Tagen an. Die Voraussetzungen für einen Frankfurter Sieg auf dem Bökelberg könnten also bedeutend schlechter sein, zumal Eintracht-Weise die Erfahrungen, die er als Zeuge der Gladbacher Pokalschlappe gesammelt hat, gewiss an seine Mannschaft weitergeben wird. Wie die Gladbacher zu schlagen sind, haben die Kölner vorgemacht.

Nachmachen soll es folgende Frankfurter Elf: Wienhold - Reichel, Trinklein, Körbel, Rohrbach - Kraus, Grabowski, Nickel – Weidle, Hölzenbein und Neuberger. Eine einzige Änderung hat Trainer Weise also im Vergleich zum letzten Spiel vorgenommen: Rohrbach rückt in diesem Spiel für Kalb auf die Außenverteidigerposition, Helmut Müller steht nach seinem Mittelhandknochenbruch immer noch nicht zur Verfügung.

Auf Gladbacher Seite sollen Wittkamp und Stielike, die gegen den 1. FC Köln erst nach dem 3:4-Rückstand ins Spiel gekommen waren, diesmal von Beginn an für Ruhe und Ordnung sorgen. Das gelingt ihnen auch gut, nicht zuletzt, weil alle Stürmer bei Eintracht-Angriffen in der Abwehr aushelfen.

Das mit Spannung erwartete Duell der vier Weltmeister - Berti Vogts gegen Bernd Hölzenbein und Rainer Bonhof gegen Jürgen Grabowski - geht nicht nur in den ersten Minuten an die Gladbacher, die ihre Zweikämpfe gegen die beiden Frankfurter klar für sich entscheiden. Die Eintracht ist damit ihrer stärksten Waffen beraubt.

Die Gastgeber spielen fehlerlos und dynamisch. Es fällt ihnen überraschend leicht, die Hessen zu dominieren. Es ist kaum zu glauben, woher nehmen die Gladbacher nach der herben Pokalschlappe dieses Selbstvertrauen, das ihrem Spiel eine beeindruckende Souveränität verleiht?

Die Eintracht macht es den Gastgebern aber auch allzu leicht, wie man am Führungstor in der 24. Minute unschwer erkennen kann: Ein von der rechten Außenlinie bieder geschlagener langer Ball in die Strafraummitte prallt im Kopfballduell mit Heynckes vom Hinterkopf Reichels an die Linie des Fünfmeterraumes, wo sich Kraus verschätzt, sodann geschickt von Kulik abgedrängt wird, der final den Ball über den zu spät herausstürzenden Wienhold ins Tor hebt. Wienhold schimpft mit Kraus, der steht auf, denkt sich seinen Teil und geht scheinbar ungerührt weg.

Auch das zweite Gladbacher Tor nach 33 Minuten entspringt nicht gerade einer Quelle der Inspiration, vielmehr lässt man Weisweilers Schützlinge unverständlicherweise einfach gewähren. Libero Trinklein hat sich in den Angriff eingeschaltet, Außenverteidiger Rohrbach ist ebenfalls aufgerückt, doch der Ball geht verloren. Nach zwei kurzen Pässen in der eigenen Hälfte wird der heute groß aufspielende Herbert Wimmer von seinen Mitspielern maßgerecht bedient. 'Hacki’ startet noch vor der Mittellinie und läuft los. Und er läuft und er läuft und er läuft. Und er würde wahrscheinlich noch immer laufen, wenn sich am Strafraum nicht Körbel zu einem Abwehrversuch hinreißen lassen würde, der Wimmer zwingt abzustoppen und den Ball auf Höhe des Sechzehnmeterraumes quer nach links zu legen. Dort kommt mit hohem Tempo Simonsen angerauscht, überläuft beim Eindringen in den Strafraum den zurückgeeilten Rohrbach, der zuvor schon Wimmer nicht folgen konnte, und schießt aus elf Metern den Ball fast mittig ins Tor. Wienhold hatte auf die vom Schützen aus gesehen linke Ecke spekuliert und Reichels angedeutete Grätsche kommt zu spät.

Fünf Minuten vor der Halbzeit kommt der dritte Hieb für die Eintracht und wieder resultiert er aus einem Konter der Gastgeber. Eine Flanke vom rechten Flügel pflückt Kleff wie reifes Obst und wirft den Ball auf Simonsen ab, der fast am eigenen Strafraum auf die Kugel wartet. Simonsen trifft es besser als Wimmer, denn während 'Hacki’ verfolgt von Rohrbach und Körbel im Eiltempo auf das Frankfurter Tor zuraste, kann der Däne unbehelligt von Gegenspielern das Leder über den holprigen Rasen treiben. Erst wenige Meter vor dem Strafraum bewegt sich Trinklein auf den Gladbacher zu, der es erst gar nicht zu einer Konfrontation kommen lässt, sondern das Spielgerät geschickt mit dem Außenrist auf den seit Höhe der Mittellinie mitgelaufenen Heynckes passt. Der hat im richtigen Moment Fahrt aufgenommen und schickt Reichel mit einer Körpertäuschung in die falsche Richtung. Rohrbachs Grätsche im Strafraum kommt ebenso zu spät wie der wieder einmal herausstürzende Wienhold. Heynckes legt den Ball flach am Frankfurter Keeper vorbei links unten zum 3:0 ins Netz.

Die hohe Führung der Gladbacher, so peinlich sie für die ambitionierten Gäste ist, ist nicht weniger als hochverdient. Trotz des vom Wetter und dem Pokalspiel hart mitgenommenen knöcheltiefen Spielfeldes, das jede Kombination der technisch versierten Spieler erschwert, knüpfen die Borussen ein Netz von weiträumigen Spielzügen, Solotricks und Klein-Klein-Kunstwerken. Aus sicherer und geordneter Abwehr fahren die Gastgeber ihre Konter mitten in das Herzstück der Frankfurter Defensive, die nicht annähernd schnell genug reagiert, um die Angriffe der Gladbacher bremsen zu können.

Weise reagiert mit einem Tausch zum Beginn der zweiten Halbzeit und bringt Lorenz für Neuberger. Lorenz übernimmt die Mittelstürmerposition, so dass Hölzenbein aus dem Zentrum auf die rechte Außenbahn wechselt.

Das Spiel wurde jedoch bereits in der ersten Halbzeit entschieden, auch wenn Grabowski sich in der zweiten Halbzeit um eine Wende bemüht. Die Eintracht ist den Gladbachern an diesem Tage deutlich unterlegen, die Unterschiede zu einem möglicherweise kommenden Deutschen Meister sind nicht zu übersehen. Dabei verwaltet Weisweilers Elf den sicheren Vorsprung nur noch, doch warum sollte sie auch mehr tun?

Die Antwort auf diese Frage fällt auf der Gegenseite im Falle von Bernd Hölzenbein gänzlich anders aus. Hölzenbein taucht völlig unter, in der zweiten Halbzeit hat er wohl nicht mehr als fünf Ballkontakte. So verpufft natürlich auch die Hereinnahme von Lorenz, der seinem Trainer bestimmt gerne bewiesen hätte, dass er auf ihn zählen kann.

Doch die Spieler, auf die sich Weise verlassen kann, sind heute rar gesät. Wenn der Frankfurter Coach das Ende der Partie herbeisehnt, kann man es ihm nicht verübeln, wobei auch er sich die Frage gefallen lassen muss, warum er nicht schon früher einen Wechsel vorgenommen hat oder wenigstens im Laufe der zweiten Halbzeit noch einmal eine frische Kraft bringt?

Gut, dass jedes Spiel nur ungefähr 90 Minuten dauert, so hat auch diese Partie aus Frankfurter Sicht irgendwann ein Ende. Andere hingegen hätten sich die Demontage der Frankfurter gerne noch etwas länger angesehen, weil sie es mit den Gastgebern halten, wie Günter Netzer zum Beispiel. „Die Reise nach Mönchengladbach hat sich gelohnt“, strahlt er.

Günter Netzer, der ehemalige Gladbacher Regisseur, der seit 1973 für Real Madrid spielt und der zusammen mit Paul Breitner und Realtrainer Miljan Miljanic im Stadion ist, zeigt sich von seiner alten Mannschaft begeistert: „Alle haben von der ersten Minute an unerhört konzentriert gespielt. Da gab es keinen Ausfall.“

Netzers Gladbacher Trainer Weisweiler hat indessen die Antwort auf die Frage gefunden, die ihn nach der 3:5-Pokalniederlage beschäftigt hatte: „Was haben wir bloß falsch gemacht?“ Nun weiß er es: „Gegen Spitzenmannschaften, wie Köln und Frankfurt zum Beispiel, dürfen die eigenen Stürmer nicht schon in der gegnerischen Hälfte angreifen. Mit diesem System kann man nur gegen mittelmäßige Mannschaften spielen.“ „Ich glaube, jetzt haben wir den Dreh raus, wie wir Meister werden können“, meint Weisweiler. Berti Vogts, der mit seinem kämpferischen Einsatz wieder das große Vorbild war, ist nach diesem Sieg ebenfalls optimistisch: „Jetzt konzentrieren wir uns ganz auf die Meisterschaft. Dass die Abwehr besser als ihr Ruf ist, hat man ja heute gesehen.“

Dass die Gladbacher Spieler in den zweiten 45 Minuten nicht mehr das Feuerwerk der ersten Halbzeit abgebrannt haben, nimmt ihnen ihr Coach nicht krumm: „Irgendwann mussten sich ja die schweren Spiele der letzten Wochen auf den morastigen Plätzen bemerkbar machen.“ Weisweiler freut sich lieber über den ersten Durchgang: „Ich wusste ja, dass wir in einem Spiel das Fußballspielen nicht verlernen konnten. In der ersten Hälfte stimmte einfach alles. Was wir in den ersten 45 Minuten gezeigt haben, das war doch wirklich Spitzenfußball.“

Eintracht Frankfurts Trainer Dietrich Weise, der die Gladbacher vor drei Tagen beobachtet hat, war heute wohl knapp davor, seinen Augen beim Anblick des Gladbacher Spiels das Vertrauen zu entziehen: „Die waren einfach nicht mehr wiederzuerkennen. Das Märchen von der schwachen Abwehr habe ich ohnehin nicht geglaubt. Aber dass die Borussen nach dem schweren Mittwoch-Spiel so konzentriert spielen würden, hat mich allerdings etwas überrascht. In dieser Mannschaft war kein schwacher Punkt“. „Die Gladbacher waren heute einfach zu stark für uns. Die drei Tore fielen so schnell, dass wir einfach keinen Hoffnungsschimmer mehr sahen“, gesteht ein niedergeschlagener Eintracht-Trainer.

„Die haben ihre ganze Wut über die Niederlage gegen Köln an uns ausgelassen“, meint Weise und kritisiert seine Mannschaft: „Wir haben uns überrumpeln lassen.“ Weise kann seine Enttäuschung nicht verbergen: „Ich will zwar keinem Spieler verdammen, bevor ich nicht selber mit ihm geredet habe. Doch die fehlende kämpferische Einstellung meiner Mannschaft ist mir unverständlich.“

In den nächsten Spielen wird Weise sicher Umstellungen vornehmen: „Das Experiment mit Rohrbach als Verteidiger ist schiefgegangen. Er war an einigen Toren beteiligt.“ Wienhold dagegen muss um seinen Platz in der Mannschaft nicht fürchten: „Einen Torwart sollte man nach einer mäßigeren Leistung nicht herausnehmen.“

Auf die Kritik, er nehme in kritischen Phasen eines Spiels keine einschneidenden Veränderungen vor wie etwa sein Offenbacher Kollege Otto Rehhagel, entgegnet Weise: „Vielleicht hätte ich Kalb für Rohrbach hereinnehmen und Rohrbach in den Sturm schicken sollen. Aber wer weiß, ob das etwas geändert hätte. Ich habe mir davon ebenso wenig wie von anderen Veränderungen etwas versprochen.“

Nach jeder Niederlage folgt die bekannte Suche nach den Schuldigen, aber bei der Frankfurter Eintracht lässt sich auch nach der enttäuschenden Niederlage bei Borussia Mönchengladbach keiner aus der Reserve locken. „Jeder muss kämpfen, wenn wir vorne bleiben wollen“, hatte Weise wochenlang gepredigt, jetzt zieht er sich mit einer Pauschalschelte aus der Affäre: „Einige meiner Spieler nahmen nach nicht einmal den Kampf an.“

Bernd Hölzenbein gibt zu, dass er in der zweiten Halbzeit ganze fünf Ballkontakte hatte, nennt jedoch gleichzeitig auch den Grund für seine schwache Leistung: „Da lief doch alles über die linke Seite oder die Mitte!“

„Ich werde mich hüten, einen meiner Mitspieler in die Pfanne zu hauen“, sagt Eintracht-Kapitän Grabowski, um dann sich und seine Mitspieler allgemein, aber deutlich in die Kritik zu nehmen: „Wir haben doch heute gegen eine nur mittelmäßige Gladbacher Mannschaft verloren!“ Mit dem Blick auf die bevorstehenden Aufgaben, das Pokalspiel in Mülheim und die Bundesliga-Begegnung in Hamburg, fordert der Kapitän: „Auswärts muss man zur Sache gehen. Da muss man auch bestimmen können, wer gegen wen spielt und darf sich nicht ohne weiteres den Gegenspieler aufdrängen lassen!“

„Wir laufen der Form der Vorrunde nach“, konstatiert Grabowski und fügt hinzu, dass es „in Mönchengladbach einfach nicht lief“. Sein Trainer hofft, dass dem Tief, wie in der Vorrunde, wieder ein Hoch folgen wird: „Die Mannschaft hat bewiesen, dass sie damit fertig werden kann. Doch viele Tiefs können wir uns nicht mehr leisten, wenn wir vorne mithalten wollen.“

Weise – das wird deutlich – ist über das Zustandekommen der Niederlage tief enttäuscht: „Der Mannschaft muss man ankreiden, dass sie nicht kämpfend untergegangen ist. Wer weiß, ob die Punkte dann überhaupt flöten gegangen wären, wenn sie gekämpft hätte.“

Kapitän Jürgen Grabowski schlägt in dieselbe Kerbe: „Nicht dass wir in Gladbach verloren haben, sondern wie wir dort untergingen, war so ernüchternd. Hamburg wird mit Sicherheit eine andere Frankfurter Mannschaft erleben.“ „In Hamburg werden wir anders spielen!“ verspricht Grabowski.

Sein Mannschaftskamerad Bernd Hölzenbein weiß bei allen guten Vorsätzen aber auch um die Gefahr eines Scheiterns: „Jetzt kommt noch das schwere Auswärtsspiel in Hamburg auf uns zu. Sollten wir das auch verlieren, ist der Traum von der Meisterschaft wohl endgültig geplatzt.“ (rs)


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