Eintracht Frankfurt - Kickers
Oxxenbach |
Bundesliga 1974/1975 - 11. Spieltag
0:0
Termin: Sa 02.11.1974, 15:30 Uhr
Zuschauer: 58.000
Schiedsrichter: Kurt Tschenscher (Mannheim)
Tore:./.
Eintracht Frankfurt | Kickers Oxxenbach |
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Das Tor, das nicht zählte Die Tabellenführung durch eine 1:2-Niederlage in München eingebüßt, die Chancen auf das Weiterkommen im Europapokal durch eine überflüssige 2:3-Heimniederlage gegen Kiew realistisch betrachtet bereits verspielt und im DFB-Pokal bei den Amateuren von Union Solingen 120 Minuten durch den Schlamm gewatet, um kurz vor dem Ende der Verlängerung das Wiederholungsspiel gerade so noch zu vermeiden, und nun kommt der Tabellendritte aus Offenbach zum Derby ins Waldstadion. Auch wenn die Eintracht die entscheidenden Duelle wie das Meisterschaftsfinale 1959 und das Abstiegsduell am vorletzten Spieltag der Saison 1970/71 für sich entscheiden konnte - seit dem Wiederaufstieg der Kickers reichte es für die Riederwälder in vier Partien nur zu einem Unentschieden. Eintracht-Trainer Weise hat unterdessen immer noch nicht ganz mit dem Spiel gegen Kiew abgeschlossen. Diese Niederlage nagt auch noch vor dem Spiel gegen Offenbach an Weise. „Müller und Körbel spielten nicht diszipliniert genug auf Deckung. Trinklein, den ich vor kurzem noch so gelobt habe, lieferte eines der schwächsten Spiele seit zwei Jahren. Und von Hölzenbein sah man nichts“, kritisiert Weise weiterhin ungewohnt deutlich die eigenen Spieler. Das Kreuz über die beiden Letztgenannten, die der Trainers besonders hart tadelt, will Weise nicht brechen: „Doch die Trainingsleistungen beider, ihr Ehrgeiz und ihre Bereitschaft, sich durchzubeißen, lässt mich für Samstag hoffen.“ Als Beispiel führt Dietrich Weise eine Verletzung Bernd Hölzenbeins an, die zwischen den Spielen gegen Bayern München und Dynamo Kiew aufgetreten war: „Er hat sich damit nicht entschuldigt und das rechne ich ihm hoch an. Denn ein Profi muss auch kleinere Blessuren wegstecken können.“ Doch nicht nur Trinklein und Hölzenbein nimmt Weise vor dem Derby in die Pflicht: „Ich verlange von einigen meiner Spieler eine deutliche Leistungssteigerung gegenüber den letzten Begegnungen. Nur dann haben wir eine echte Chance, dieses für uns so wichtige Spiel zu gewinnen.“ An der offensiven Ausrichtung seiner Elf will der Trainer dagegen nichts ändern: „Sicher birgt diese Spielweise Risiken in sich, wir haben ja gesehen, wie böse es gegen Dynamo Kiew ausgegangen ist, aber wir werden es trotzdem probieren.“ Probieren ist der treffende Ausdruck, denn vor dem 87. Main-Derby um Punkte zwischen der Frankfurter Eintracht und Kickers Offenbach hat sich die personelle Situation der letzten Wochen in ihr Gegenteil verkehrt. Während die Kickers - vor Wochen noch eher ein Club der Invaliden als eine schlagkräftige Bundesligamannschaft - wieder aus dem Vollen schöpfen können, wurde dem einst fast verwaisten Krankenlager der Eintracht unerwünschtes Leben eingehaucht. „Wir sind in der Klemme“, gibt Trainer Weise zu. Peter Reichel nimmt zwar am Donnerstag vor dem Spiel das Training wieder auf, an einen Einsatz ist jedoch nicht zu denken. Hans-Joachim Andree steht weiterhin nicht zur Verfügung, auch wenn er laut Nationalmannschaftsarzt Professor Hess in „spätestens drei Wochen“ wieder spielen können soll, und Bernd Lorenz wurde am Mittwoch vom Gips befreit, er muss aber noch einige Tage einen Zinkleimverband tragen. Nur noch 13 Lizenzspieler stehen Weise zur Verfügung, darunter die angeschlagenen Kraus, Körbel und Weidle. Kein Wunder, dass in Frankfurt der Ruf nach einer weiteren Spielerverpflichtung immer lauter wird. „Wenn die Gelegenheit günstig ist, werden wir zugreifen. Doch einen Notkauf gibt es nicht. Wenn wir einen Spieler verpflichten, dann muss er eine tatsächliche Verstärkung sein“, bestimmt Trainer Weise, der sich weigert, die augenblickliche Personalnot zu dramatisieren. Offenbach sei ein Paradebeispiel, wie solche Wechselfälle des Bundesligaalltags zu meistern sind, meint er. Bei denen zeigt sich Kickers-Geschäftsführer Willi Konrad gewohnt charmant, als Eintracht-Pressechef Manfred Birkholz ihn im Scherz fragt, ob die Kickers aus ihrem Spielerüberfluss nicht einen der Eintracht abgeben könnten: „Den Kostedde könnt ihr haben, wenn ihr uns den Hölzenbein und 500.000 Mark dazugebt.“ „Ich hab’ hier bloß ein Amt und keine Meinung“, lässt Schiller Oberst Wrangel in seinem „Wallenstein“ sagen. Konrad hat auch „bloß ein Amt“, aber leider keine Manieren. Die „günstige Gelegenheit“ Arno Steffenhagen ist unterdessen keine mehr. „Wir warten nur noch auf das Ja von Ajax und suchen seit Tagen das entscheidende Gespräch mit den Holländern“, hatte Weise noch versichert, bevor Ajax Amsterdam den Spieler, den sie anfangs noch selbst feilgeboten hatten, plötzlich für unverkäuflich erklärte. Tulpen aus Amsterdam kann die Eintracht haben, Steffenhagen nicht. Ob die Eintracht die beiden Zähler aus dem Spiel gegen den Vizemeister von 1959 behalten kann, steht noch nicht fest, die Statistik der letzten beiden Spielzeiten gibt wenig Anlass für übertriebene Erwartungen: 7:1 Punkte und 13:6 Tore lautet die Bilanz der letzten vier Main-Derbys zugunsten der Kickers. Weise beeindrucken diese Zahlen nicht: „Im dritten Jahr müssen wir ja schließlich gegen Offenbach mal zu einem Sieg kommen.“ Das wäre wünschenswert, denn nicht nur Bernd Hölzenbein misst dem Derby eine bedeutende Stellung bei: „Von diesem Spiel hängt für uns der Verlauf der ganzen Saison ab.“ Vor dem Aufeinandertreffen beschäftigt die Eintracht vor allen Dingen die Fragen, wer Sigi Held in Bestform halten und wer Erwin Kostedde stoppen soll, der in den letzten beiden Jahren fast zum Schreckgespenst für die Eintracht geworden ist? Dietrich Weise meint die Antwort gefunden zu haben und verändert seine Mannschaft im Vergleich zum Pokalsieg in Solingen nur auf einer Position: Im Tor steht nun wieder Dr. Kunter statt Wienhold. Diese Elf soll also heute mit einem Sieg dafür sorgen, dass die Eintracht die Kickers in der Tabelle wieder überholt: Dr. Kunter - Kalb, Trinklein, Körbel, Müller - Beverungen, Grabowski, Kraus - Nickel, Hölzenbein und Rohrbach. Das Waldstadion ist mit 58.000 Zuschauern bis auf 3.000 Plätze ausverkauft und bringt den Gastgebern eine Brutto-Einnahme von über 600.000 Mark. Doch zu Beginn tun sich die Spieler schwer damit, dem Publikum einen angemessenen Gegenwert zu bieten. Ängstlich und verkrampft beginnt die Partie, auf dem für beide mehr steht als nur zwei Punkte. Wie gewohnt versucht die Eintracht auf spielerische Art, des Gegners Abwehrbollwerk zu durchbrechen. Sie trifft auf eine kompromiss- und lückenlose Defensive, die von Rausch umsichtig dirigiert wird. Die Gäste haben sogar die erste brauchbare Torchance des Spiels, doch Kalb gelingt es den Kopfball von Janzon in der 11. Minute noch vor der Torlinie zu erwischen. Sechs Minuten später verpasst Rohrbach auf der Gegenseite das Führungstor. Nach einer Flanke von Hölzenbein trifft Rohrbach nicht den Ball, sondern Torwart Bockholts Kopf. Nach 22 Minuten ist es wieder Hölzenbein, der den Ball gefährlich vor das Gästetor bringt. Kalb, der 11 Minuten zuvor verhinderte, dass der Ball im Frankfurter Tor einschlägt, schafft es nicht, das Leder im Kickers-Tor unterzubringen. Im Fallen schießt er am leeren Tor vorbei. Dem zweifachen Vorlagengeber Hölzenbein ergeht es als Schütze nicht besser als denen, die er zuvor prächtig bedient hat. Fünf Meter vor dem Tor bringt er nicht genug Druck hinter seinen Schuss, der leider nur als müder Roller daher kommt. Keine Frage, diese wenigen Torchancen können nicht darüber hinweg täuschen, dass dieses Derby nicht das Format früherer Auseinandersetzungen hat. „Die haben beide zu viel Angst voreinander“, kritisiert auch Frankfurts Ex-Trainer Erich Ribbeck die etwas enttäuschende Partie. Ribbecks Nachfolger Weise will seinem Nachfolger in Kaiserslautern nicht widersprechen und liefert die Begründung für die Begegnung voller Kampf, aber wenig Klasse: „Es will eben keiner verlieren.“ Diese Klasse lässt Jürgen Grabowski kurz nach Wiederanpfiff in einem Geniestreich aufblitzen, mit dem keiner gerechnet hat – am allerwenigsten der Offenbacher Torhüter Bockholt. Bockholt will den Ball aus der Hand abschlagen und wirft das Leder etwas hoch. Der Ball ist also für Sekundenbruchteile frei, da steht plötzlich Grabi neben ihm, hebt das Bein und spitzelt den Ball über den verdutzten Bockholt hinweg ins leere Tor. Das Stadion tobt vor Begeisterung, doch der Torjubel der Eintracht-Fans hält nicht lange an. Schiedsrichter Kurt Tschenscher pfeift zwar, doch nur um auf Freistoß für die Gäste zu entscheiden. Grabowskis Bein sei nicht nur zu hoch gewesen, der Frankfurter Kapitän habe zudem nach dem Ball und deshalb auch gegen Bockholt getreten, lautet seine Begründung, die selbst bei neutralen Beobachtern für Verwunderung sorgt. Nicht wenige vertreten die Ansicht, dass Tschenscher das Tor durchaus hätte geben können, wenn nicht sogar müssen. Jürgen Grabowski zeigt sich überrascht: „Wenn es verboten ist, den Torwart beim Abschlag zu attackieren, so ist diese Regel für mich völlig neu. Bockholt hat den Ball hochgeworfen, das war ein schwerer Fehler, und ich habe den Ball einwandfrei mit dem Spann geschlagen, und nicht mit der Sohle von oben heruntergetreten.“ Dietrich Weise bleibt ruhig und entscheidet sich für einen diplomatischen Kommentar: „Das ist wohl reine Auslegungssache. Ich habe schon die gleichen Szenen erlebt, und da hat der Schiedsrichter ohne zu zögern auf Tor entschieden.“ „Gegen den Schiedsrichter sage ich nichts. Er hat sicher immer recht …“, sagt der Trainer und macht seinem Familiennamen alle Ehre. Eintracht-Torwart Dr. Peter Kunter dagegen stellt klar, dass er keine Ausbildung im Diplomatischen Dienst genossen hat, sondern Zahnarzt ist. Er packt das Übel in Person des Schiedsrichters bei der Wurzel: „Er stolziert auf dem Rasen herum, hält seine Privatvorstellung ab und fühlt sich offenbar wie der Herr Direktor, der 22 Angestellte tanzen lässt.“ Doch ob auf den Rängen der Bär tobt oder der Mann in Schwarz auf dem Platz die Puppen tanzen lässt – das Tor zählt nicht und das Spiel geht weiter. Jürgen Grabowski zieht es nun vereinzelt in Richtung des eigenen Tores und das hat einen Grund. Der Grund trägt den Namen Winfried Schäfer. Der ist als Bewacher Grabowskis abgestellt und testet seines Gegenspielers Schuhwerk, in dem er diesem ohne Unterlass wortwörtlich auf den Füßen steht. Ohne Bewegung im Frankfurter Spiel hat Grabi selten eine Möglichkeit, sich von seinem Schatten zu lösen. Um Schäfer wenigstens aus der Abwehr zu ziehen, bewegt sich Grabi hin zum Frankfurter Tor. Ein guter Gedanke, und der Schachzug könnte aufgehen, wenn Grabis Mitspieler die so entstehende Lücke in der Gäste-Deckung nutzen würden. Doch genau daran fehlt es. Bei der Eintracht läuft der Ball, aber eben leider oft nur dieser. Ein rechter Flügelstürmer, der nach Weise Vorgabe mal von Grabi, dann von Nickel und Beverungen gegeben werden sollte, ist nicht vorhanden. Weidles Fehlen macht sich an dieser Stelle besonders bemerkbar. Ohne Flügelspiel ballt sich das Spiel der Eintracht eng im Mittelfeld zusammen und so bleiben die gut gemeinten Bemühungen im Ansatz stecken. Der Eintracht fehlt weiterhin eine namhafte Persönlichkeit als Sturmspitze, die die gegnerische Deckung von Hölzenbein und Grabowski abzulenken versteht. Der kleine, untersetzte Offenbacher Libero Rausch spielt unterdessen ein Spielchen, das die Frankfurter Fans nicht gerade in Entzücken versetzt. Immer wieder verzögert er das Spiel, ärgert und narrt die Frankfurter, in dem er seinen Torhüter mit Rückgaben „einsetzt“. Andererseits sind diese Verschnaufpausen auch notwendig, weil sich die Offenbacher mit zunehmender Spieldauer einem wachsenden Angriffsdruck der Eintracht ausgesetzt sehen. Offenbachs Stärke ist zweifellos die Defensive, aber Entlastung durch Angriffe auf das Tor der Eintracht findet die Abwehrreihe kaum. Zwischen der 60. und 75. Minute machen die Hausherren ordentlich Dampf auf den Kessel und schnüren den Gegner in deren eigenen Hälfte fest. Während Grabowski vom ungestümen Schäfer allzu häufig nur mit Catchergriffen buchstäblich gehalten werden kann, verdient sich der reaktionsschnelle Bockholt die Anerkennung des Frankfurter Publikums. „Unhaltbares“ hält kein Keeper, aber die haltbaren Bälle, die nur wenige Torhüter meistern, sind heute Bockholts Beute. Als Bockholt bei Wolfgang Kraus’ Schuss endlich geschlagen ist, rettet Janzon auf der Linie. Dr. Kunter muss dagegen auf der anderen Seite nicht eingreifen, weil bei Offenbachs zweiter Chance im gesamten Spiel Helds wuchtiger Kopfball knapp über die Latte ins Toraus geht. Was ist heute eigentlich mit Erwin Kostedde? In drei der letzten vier Derbys hat er getroffen und insgesamt sechs Tore dabei erzielt. Doch heute ist nichts von ihm zu sehen. Bis zur 85. Minute … Die ersten Zuschauer wandern bereits ab, als einer der wenigen Konter der Offenbacher vor das Frankfurter Tor kommt. Der abgeprallte Ball findet seinen Weg zu Kostedde, der aus vollem Lauf vom Elfmeterpunkt aufs Eintracht-Tor donnert. Dr. Kunter sieht den verdeckten Schuss erst spät, schnellt jedoch im letzten Moment mit einem tollen Spagatschritt dem Ball entgegen – den Eintrachtfans stockt der Atem. Mit diesem Reflex, einer unerhörten Reaktion des „fliegenden Zahnarztes“, rettet der Schlussmann seiner Eintracht das Remis. Zu seiner goldene Tat, der spektakulärsten des ganzen Spiels, bemerkt Dr. Kunter trocken: „Von zehn dieser Schüsse sind neun drin. Eine reine Reflexbewegung, aber schnelle Reaktion ist nun einmal meine Stärke.“ Die letzten Minuten der Partie sind geprägt von Hektik, erbitterten Zweikämpfen und vielen Fouls, die alle eines gemeinsam haben – sie ändern nichts mehr am torlosen Unentschieden nach 90 Minuten. Zum ersten Mal in dieser Bundesligasaison bleibt die Eintracht ohne Torerfolg. Nun bleibt nur noch Gladbach als einzige Mannschaft der Bundesliga übrig, die bisher in jedem Spiel getroffen hat. Die Eintracht blieb übrigens zum ersten Mal seit dem 24. Februar 1973 im Waldstadion ohne Treffer. Der Gegner damals? Die Offenbacher Kickers … „Catcher“ Schäfer versucht nach dem Schlusspfiff, seine Haltegriffe und seine im Laufe der Partie immer größere werdende Bissigkeit zu rechtfertigen, in dem er das Opfer seiner Attacken kurzerhand zum Täter erklärt: „Das ist ja ungeheuer. So habe ich mir den großen Grabowski wirklich nicht vorgestellt. Einmalig, wie der stößt und hält. Das ist ja der reinste Klammeraffe. Und Schiedsrichter Tschenscher fällt auch noch auf seine Tricks rein!“ Jürgen Grabowski, der „Klammeraffe“, liegt indes auf der Massagebank und lässt sich das rechte Knie und den linken Fuß verbinden. Offensichtlich fällt nicht nur der Schiedsrichter, sondern nach dem Spiel auch die medizinische Abteilung der Eintracht auf Grabis „Tricks“ hinein … Die Mediziner bei der Eintracht haben in diesen Wochen alle Hände voll zu tun. Die Verletzungsserie ist wohl auch der Grund, dass die Blüte, die im Sommer den Pokalsieger hervorgebracht hat, im späten Herbst welk den Kopf hängenlässt. Andree, Reichel und Lorenz sind verletzt, Weidle angeschlagen auf der Bank, da konnte es sich Körbel nicht auch noch leisten, auszufallen. Körbel klagt nach der Partie: „Die Schmerzen in der Leistengegend wurden so groß, dass ich in der zweiten Halbzeit einfach keine Vorstöße unternehmen konnte. Ich müsste mal Pause machen, aber das ist gegenwärtig einfach nicht drin.“ Es ist bedenklich, wenn bei einem so bedeutenden Spiel neben dem zweiten Torwart nur noch ein Lizenzspieler auf der Bank sitzt. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass dieser Spieler, Roland Weidle, Beschwerden im Oberschenkel verspürt, ist dies kaum ein tragbarer Zustand, schon gar nicht für einen Verein, der gedenkt, um die Deutsche Meisterschaft mitspielen zu wollen. Allein der Macht des Schicksals, das es zurzeit sicher nicht gut mit der Eintracht meint, die Verantwortung für die Misere zuzuschreiben, wäre zu einfach. Es stellt sich viel mehr als Fehler heraus, dass die Verantwortlichen am Riederwald der Ansicht waren, man könnte am Main mit nur 16 Profis auf drei Hochzeiten tanzen. Jürgen Grabowski sieht deshalb den „Zeitpunkt gekommen, wo die Öffentlichkeit einen Transfer verlangen kann.“ Der Kapitän präzisiert: „Unsere Anhänger müssen einfach das Gefühl bekommen, dass bei uns jetzt etwas passiert. Eine Spitzenmannschaft muss ausreichend und gut besetzt sein, und auch im Interesse der Mannschaft wäre es bestimmt nicht verkehrt, wenn ein guter Mann verpflichtet wird.“ Das sieht auch Bernd Hölzenbein so, der in seinem stürmischen Solo-Programm auch einen Grund für seine schwächeren Leistungen sieht: „Was will ich machen, wenn wir praktisch nur mit einem Ein-Mann-Sturm spielen?“ Vizepräsident Ernst Berger zeigt sich einsichtig: „Dass wir Verstärkung brauchen, haben wir ja heute gesehen. Ein Einkauf ist praktisch perfekt, es ist ein junger Mann, dessen Namen ich aber erst im Laufe der Woche preisgeben kann, wenn auch die letzten Formalitäten erledigt sind. Außerdem sind wir noch an einer zweiten Sache dran.“ Bei dem jungen Mann soll es sich um den erst 18jährigen Winfried Stradt vom 1. FC Paderborn handeln, der als Mittelstürmer zum Kreis der deutschen Jugend-Nationalmannschaft gehört. „Weidle ist noch leicht verletzt. Dennoch hätte ich ihn einsetzen können. Ich möchte aber meine Spieler ganz auskurieren lassen“, teilt Trainer Weise seine Sicht der Dinge mit und will die Verletzten nicht als Grund für die Punkteteilung anführen: „Es war ein tolles Kampfspiel. Wir sind zufrieden - selbst mit dem einen Punkt. Das Publikum war begeistert. Wir jammern nicht und suchen schon gar nicht nach Ausreden …“ Auf einen Sieg über Offenbach muss er weiter warten, aber Weise nimmt es mit Humor. Schmunzelnd umarmt er Gästetrainer Otto Rehhagel und sagt: „Hoffentlich gelingt mir bald ein Sieg über die Kickers, solange ich noch die Eintracht trainiere …“ Während der Trainer nicht nach Ausreden sucht, will der Kapitän nichts von einer Krise bei der Eintracht wissen: „Ohne spektakuläre Neueinkäufe haben wir uns doch bisher sehr beachtlich geschlagen. Natürlich, die Schwächte gegen Kiew war völlig unnötig. Sicher, uns fehlt zurzeit der Schwung und die Frische des Saisonbeginns, und einige Spieler sind nicht in hundertprozentiger Verfassung. Aber deswegen gleich von Krise zu sprechen, ist doch übertrieben. Außerdem sind die Kickers sehr stark und stehen nicht zu Unrecht vorne.“ Nach dem heutigen Spieltag sind sie in der Tat Tabellenzweiter, die Eintracht liegt auf Rang 3. Das Weiterkommen im Europapokal will Grabowski noch nicht abschreiben: „Wir sind voller Tatendrang und gänzlich ohne Chance in Kiew sicherlich nicht.“ Bernd Hölzenbein widerspricht seinem Kapitän nicht direkt, uneingeschränkte Übereinstimmung hört sich jedoch anders an: „Wunder gibt es immer noch, aber wir geben uns keinen Illusionen hin.“ (rs)
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