Union Solingen - Eintracht Frankfurt

DFB-Pokal 1974/1975 - 2. Hauptrunde

1:2 n.V. (1:1,1:0)

Termin: 27.10.1974
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Herbert Lutz (Bremen)
Tore: 1:0 Lehr (8.), 1:1 Klaus Beverungen (75.), 1:2 Thomas Rohrbach (115.)

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Union Solingen Eintracht Frankfurt

  • Schulte
  • Zickel
  • Evenkamp
  • Uphoff
  • Knoth
  • Kohle
  • Kuballa
  • Helpenstein
  • Lenz
  • Stockhausen
  • Lehr

 


 

Wechsel
  • Bodden für Kuballa (91.)
Wechsel
Trainer
  • Stockhausen
Trainer

 

120 Minuten im Schlamm

Nachdem der amtierende Pokalsieger aus Frankfurt die erste Runde mit einem Sieg bei Arminia Bielefeld überstanden hat, steht nun die Auswärtsaufgabe beim niederrheinischen Amateurligisten SG Union Solingen an. Eine lösbare Aufgabe möchte man meinen. Das dachte allerdings sicher auch der Bundesligist aus Offenbach, der in der ersten Pokalrunde dort nach Gegentoren von Stockhausen und Lenz, der in der 90. Minute traf, die Segel streichen musste und so zum Auftakt des diesjährigen Pokalwettbewerbes gleich für eine faustdicke Überraschung sorgte.

Die Eintracht kann ein Erfolgserlebnis gut gebrauchen, nachdem sie bei den Bayern durch eine 1:2-Niederlage die Tabellenführung eingebüßt hat und auch in der 2. Rundes des Europapokals der Pokalsieger eine späte und unerwartete 2:3-Niederlage gegen Kiew einstecken musste, die die Chance auf ein Weiterkommen in diesem Wettbewerb nahezu gegen Null gehen lässt. Dass Trainer Weise weiterhin auf eine Reihe von Spielern wie Andree, Reichel und Lorenz verzichten muss, macht die Sache für die Frankfurter nicht einfacher, auch wenn sie natürlich dennoch als klarer Favorit in die Partie gegen die Solinger gehen.

Dietrich Weise verändert seine Mannschaft im Vergleich zur Niederlage gegen Kiew auf zwei Positionen. Im Tor steht Wienhold anstelle von Dr. Kunter und außerdem findet das Wechselspiel mit Kraus und Weidle eine Fortsetzung. Heute spielt der „Scheppe“, der gegen Kiew für Weidle eingewechselt wurde, von Beginn an, der Schwabe sitzt dafür erst einmal auf der Bank. Mit dieser Aufstellung will die Eintracht heute die dritte Runde erreichen: Wienhold – Kalb, Trinklein, Körbel, Müller - Beverungen, Grabowski, Kraus – Nickel, Hölzenbein und Rohrbach.

Ein schnelles Tor, darauf sind die Gäste vom Main zu Beginn der Partie aus, und ein schnelles Tor fällt auch, leider nicht auf der von der Eintracht gewünschten Seite: Kohle flankt in den Frankfurter Strafraum, wo Müller den Ball mit dem Kopf erwischt, aber so abfälscht, dass der 27-jährige Jürgen Lehr auf Linksaußenposition eine Gelegenheit bekommt, die er sich nicht entgehen lässt. Es sind acht Minuten gespielt und der Außenseiter liegt mit 1:0 vorne. Günter Wienhold kann einem leidtun – er hat bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen Ball berührt.

Keine Frage, die Gäste sind geschockt, damit haben sie nicht gerechnet. Natürlich sind sie nun gezwungen ihre Angriffsbemühungen zu verstärken, doch die altbekannten Schwächen werden in diese Situation gegen eine massive Abwehr wieder deutlich: Es mangelt am konsequenten Spiel über die Flügel und bei allem Offensivdrang zeigt sich die Abwehr der Eintracht für Konter anfällig.

Die Solinger sind zwar nicht in der Lage diese Anfälligkeit für eigene zwingende Chancen zu nutzen, doch dafür stehen sie in der Defensive ausgezeichnet. Was nützt den Frankfurtern der Raum im Mittelfeld, den ihnen die Gastgeber bereitwillig überlassen, wenn es in der Spitze kein Durchkommen gibt?

Im Strafraum der Solinger stehen mit Routinier Zicke und Libero Uphoff Kräfte, die ihre Abwehr ausgezeichnet zu organisieren zu verstehen. Hilfreich ist es zudem, dass der Ex-Bielefelder Knoth Hölzenbein ausschaltet und der bissige Evenkamp sind nicht davon entmutigen lässt, dass er von Grabowski immer wieder versetzt wird.

Turm in der bis weit in die zweite Halbzeit aus Sicht der Eintracht erfolglos verlaufenden Schlacht ist der Torwart der Union, Meinhold Schulte. Ob bei Kopfbällen oder Schüssen von Nickel, Hölzenbein, Trinklein und Kalb - der 26-jährige Holzkaufmann ist mit geradezu unglaublichen Reaktionen zur Stelle und bewahrt seine Mannschaft vor einer Niederlage in der normalen Spielzeit.

Vor dem Ausgleich kann er sie allerdings nur bis zur 75. Minute schützen, dann ist er gegen Beverungens Kopfball machtlos. Beverungen ist dieser Treffer besonders zu gönnen, ist er doch auf Seiten der Eintracht neben Jürgen Grabowski und Bernd Nickel der eifrigste Spieler, der auch immer wieder druckvoll nach vorne spielt. Beverungens Tor ist nicht weniger als eine Erlösung für den amtierenden Pokalsieger, der nur noch eine Viertelstunde vom Ausscheiden entfernt war.

Die Solinger retten sich dank Schulte in die Verlängerung. In dieser wird die spielerische Überlegenheit der Frankfurter Eintracht noch deutlicher, jedoch ohne zählbaren Erfolg. Die Eintracht lässt den Ball laufen, nur ins Tor bekommt sie ihn nicht ein zweites Mal.

Die Stürmer der Eintracht wollen einfach nicht ihren Chancen entsprechend treffen. Bernd Hölzenbein ist dabei das besondere Sorgenkind der Hessen. Unermüdlich ist sein Einsatz, aber selbst klare Torchancen kann der Weltmeister nicht nutzen. Es ehrt Hölzenbein allerdings, dass er öffentlich kein Aufheben davon macht, dass er angeschlagen in die Partie gegangen ist. Die zweite Angriffsspitze der Frankfurter, Thommy Rohrbach, verrichtet ebenfalls viel Arbeit, er ackert, er kämpft, aber einen zählbaren Erfolg oder einen nennenswerten Effekt erzielt auch er vorerst nicht.

Fünf Minuten vor dem Ende der Verlängerung, als man sich beiderseits wohl schon mit dem Gedanken an das Wiederholungsspiel zu befassen beginnt, schlägt dann jedoch Rohrbachs große Stunde: Nach Vorarbeit von Jürgen Grabowski gelingt ihm ein herrliches Tor, das den verdienten Sieg und das Weiterkommen in die nächste Runde bedeutet.

Dieses Weiterkommen ist am Ende auch alles, worauf es ankommt, wobei das 2:1 die Dominanz der Eintracht nur unzureichend ausdrückt. Dietrich Weises Ausspruch nach der Partie bringt diesen Zustand auf den Punkt: „Ich weiß gar nicht, ob Günter Wienhold in der zweiten Halbzeit überhaupt einen Ball berührt hat."

Union-Trainer Stockhausen gibt sich dennoch nicht unzufrieden: „Für uns ist es besser, mit 1:2 knapp zu verlieren, als nach einem 1:1 in eine Wiederholung zu gehen, da wir unsere Kraft für die Meisterschaft brauchen.“ Sein Kollege Weise bekennt: „Ich bin froh, dass wir gewonnen haben. Auf diesem kaum bespielbaren Boden hatte meine Mannschaft große Schwierigkeiten."

Die Nervosität seiner Spieler erklärt Weise so: „Ein frühes Tor - etwas Schlimmeres konnte uns nicht passieren. Und als dann noch dieser Torwart über sich hinauswuchs, wurde das Spiel meiner Mannschaft immer hektischer. Dennoch hatte ich nie Bedenken, dieses Spiel zu gewinnen."

Mehr Sorgen dürften dem Trainer die Blessuren von Körbel und Kraus machen, der in der 59. Minute gegen Weidle ausgewechselt werden musste: Beide sind angeschlagen und vergrößern das Lazarett der Eintracht vor dem Derby gegen die Offenbacher Kickers am nächsten Wochenende.

Für das Freundschaftsspiel in Limburg in zwei Tagen hat er nur noch 13 Lizenzspieler zur Verfügung und dennoch müssen die Spieler bis zur nächsten Bundesligapartie die Anstrengungen in Solingen aus den Beinen haben, wobei Trainer Weise weniger die nervlichen als die körperlichen Strapazen im Sinn hat: „Wir mussten dort 120 Minuten im Schlamm waten.“ (rs)

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