Eintracht Frankfurt - Fortuna Düsseldorf

Bundesliga 1974/1975 - 9. Spieltag

4:0 (2:0)

Termin: Sa 12.10.1974, 15:30 Uhr
Zuschauer: 22.000
Schiedsrichter: Jan Redelfs (Hannover)
Tore: 1:0 Karl-Heinz Körbel (10., Foulelfmeter), 2:0 Klaus Beverungen (32.), 3:0 Bernd Nickel (46.), 4:0 Thomas Rohrbach (74.)

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Eintracht Frankfurt Fortuna Düsseldorf

 


  • Wilfried Woyke
  • Heiner Baltes
  • Werner Kriegler
  • Gerd Zimmermann
  • Peter Czernotzky
  • Wolfgang Seel
  • Dieter Brei
  • Dieter Herzog
  • Gerd Zewe
  • Egon Köhnen
  • Reiner Geye

 

Wechsel
Wechsel
  • Peter Biesenkamp für Egon Köhnen (66.)
Trainer Trainer
  • Heinz Lucas

 

Eine Nummer zu groß

Die „Bild“ wird ihrem zweifelhaften Ruf in den letzten Wochen mehr als gerecht, vor allen Dingen, wenn es um die Frankfurter Eintracht geht. Nachdem das Massenblatt von Bernd Hölzenbein verklagt wurde, weil es behauptet hatte, dass Bernd Hölzenbein seine „Schwalben“ bei den beiden Elfmeterentscheidungen gegen Polen und Holland zugegeben habe, folgte vor einer Woche die Meldung über den angeblichen „Geheimplan“ der Eintracht, Bayern Münchens Stürmer Uli Hoeneß zu kaufen.

Dass die finanziell chronisch klamme Eintracht laut „Bild“ bereit und in der Lage sein soll, für Hoeneß 1,2 Millionen Mark Ablöse zu zahlen, macht den Artikel nicht glaubhafter: Der bislang teuerste Transfer innerhalb der Bundesliga – Kapellmann vom 1. FC Köln zu Bayern München – steht mit etwa 800.000 Mark zu Buche...

Eine Woche nach der Meldung über den „Geheimplan“ wird es schon wieder „Geheim: Frankfurt will Ajax-Stürmer kaufen“. Hinter der „Bild“-Schlagzeile verbirgt sich die Nachricht, dass Arno Steffenhagen im Frankfurter Esso-Motor-Hotel unter falschen Namen logiert haben soll. 500.000 Mark soll die Ablöse aktuell betragen, die Ajax Amsterdam für den Flügelstürmer erzielen möchte. Diese Summe soll dem MSV Duisburg immer noch zu hoch sein, so dass die Meidericher endgültig abgewunken haben, nachdem die Niederländer dem MSV Steffenhagen bereits vor einem Monat – für 750.000 DM – angeboten haben sollen. Verständlich, denn in Amsterdam kommt Steffenhagen an Rep und Keizer nicht vorbei und sitzt nur auf der Bank.

Ob der Stürmer, der 1972 als Spieler von Hertha BSC Berlin im Zuge des Bestechungsskandals gesperrt wurde und ins Ausland wechselte, in die Bundesliga zurückkehren wird, bleibt abzuwarten. Es ist alles eine Frage des Geldes, wie auch Eintracht-Geschäftsführer Gerhardt an einem anderen Beispiel bestätigt: „Deshalb ist der Plan mit Pirrung für uns möglicherweise vergessen, weil sich jetzt alles auf den Lauterer stürzt und dessen Preis täglich steigt.“ Schweigen ist eben doch Gold und Reden kostet bei Vertragsverhandlungen bares Geld. Geld, das die Eintracht nicht hat. Nicht wenige in Frankfurt vermuten deswegen wohl nicht ganz zu Unrecht, dass man weder Arno Steffenhagen noch Seppl Pirrung im Eintracht-Trikot erleben wird, Uli Hoeness schon gar nicht.

Die Eintrachtspieler beschäftigen diese Spekulationen ohnehin nicht, Wiedergutmachung ist das Gebot der Stunde. Jürgen Grabowski schickte schon am Mittwochabend nach der ebenso unerwarteten wie verdienten Niederlage beim VfL Bochum eine „Drohung“ in Richtung des heutigen Gastes: „Fortuna Düsseldorf wird jetzt zu spüren bekommen, was wir uns vorgenommen haben. Da werden wir es schon deshalb ein bisschen leichter haben, weil Fortuna mit echten Außenstürmern spielt, ein System, das man ausrechnen kann.“

Ausrechnen kann man sich auch, dass sich die Eintracht mit einem Sieg und Hilfe der Konkurrenz die verlorene Tabellenführung gegen die Fortuna zurückerobern könnte. Die Chancen stehen nicht schlecht, wenn man ein Freund der Statistik ist: Vier Heimspiele hat die Eintracht seit Gründung der Bundesliga gegen die Fortuna ausgetragen und alle vier Heimspiele wurden von der Eintracht gewonnen.

Die Fortuna reist allerdings mit der Empfehlung ins Waldstadion, von den bisherigen vier Auswärtsspielen nur das „auf Schalke“ verloren zu haben. Der 3:2-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach am Mittwoch lässt die Düsseldorfer als Tabellensiebter hoffen, heute mit einem Punktgewinn in Frankfurt den Anschluss an die Spitzenplätze zu halten. Immerhin hat die Fortuna nach dem Wiederaufstieg 1971 in den letzten beiden Spielzeiten jeweils den dritten Rang in der Abschlusstabelle belegt und sich so für den internationalen Wettbewerb qualifizieren können. Mit dem schussgewaltigen Abwehrspieler Zimmermann sowie mit den Offensivkräften Seel, Geye und Herzog haben die Gäste durchaus torgefährliche Akteure in ihren Reihen. Reiner Geye hat beispielsweise bereits sechs Saisontore erzielt, darunter sind allerdings vier Elfmetertreffer.

Keine leichte Aufgabe für die Abwehrreihe der Riederwälder, die sich im Vergleich zum Spiel gegen Bochum auf einer Position verändert zeigt: Helmut Müller rückt für Klaus Beverungen auf die Außenverteidigerposition, während „Beve“ im Mittelfeld den Platz von Wolfgang Kraus einnimmt. Die Eintracht tritt also in folgender Aufstellung an: Kunter – Reichel, Körbel, Trinklein, Müller - Beverungen, Weidle, Grabowski, Nickel – Rohrbach und Hölzenbein.

Schiedsrichter Redelfs pfeift die Partie an und es sind Grabowski, Nickel und Hölzenbein, die der Fortuna gleich einem Triumvirat ihr Spiel aufzwingen. Im Minutentakt wirbeln die drei die Abwehrreihe der Gäste durcheinander und die Düsseldorfer dürfen sich bereits nach wenigen Minuten bei ihrer Namensgeberin bedanken, dass ihnen ein Rückstand erspart bleibt.

In der 10. Minute scheint die Dame jedoch abwesend zu sein, vielleicht pudert sie sich gerade die Nase, während auf dem Platz einer ihrer Schützlinge dringend ihrer Anwesenheit bedarf. Zewe ist im Duell mit Grabowski unterlegen und weiß sich nur mit einem Foul zu helfen. Körbel verwandelt seinen dritten Elfmeter zur Frankfurter Führung, der Ball rutscht gerade so an Woykes ausgestrecktem linken Arm vorbei ins Netz. Zewe nimmt die Entscheidung des Unparteiischen auch nach dem verwandelten Strafstoß nicht hin und beschwert sich: „Der Grabi hat mich untergehakt wie meine Frau. Und als ich mich losreißen wollte, pfiff Herr Redelfs Elfmeter.“ Was Zewe wohlweislich verschweigt – in seiner „Not“ ließ er Grabi auch noch über sein Bein stolpern…

Grabowski „stolpert“ in den nächsten Minuten noch häufiger, weil ihm seine Gegner wie so oft keine anderen Mittel entgegen zu setzen haben. Der Eintracht-Kapitän vernascht seine Gegenspieler nach Belieben und diese treten nach Kräften an die Stellen, an denen sie den Frankfurter Dribbelkünstler vermuten.

Nach etwas mehr als einer halben Stunde Spielzeit liegt ein Fortune mit seiner Vermutung wieder einmal richtig und Grabowski liegt auf dem Boden – dem Ball ist wie immer bei solchen Attacken nichts geschehen. Redelfs gibt Freistoß, die Göttin Fortuna pudert sich ein zweites Mal die Nase und Klaus Beverungen zieht das Leder um die Düsseldorfer Mauer herum in das Tornetz der Gäste. 2:0 nach 32 Minuten, damit lässt sich leben, auch wenn der Vorsprung zu diesem Zeitpunkt schon hätte deutlicher ausfallen können.

Die Eintracht stürmt nach Herzenslust und zur Freude der Zuschauer weiter, als gelte es immer noch, das erste Tor der Partie zu erzielen. Diese offensive Spielweise ermöglicht den Gästen natürlich Konterchancen, die die Fortunen jedoch nicht recht zu nutzen wissen. Wie auch? Reichel hat den technisch versiertesten Gästestürmer Herzog gut im Griff, Körbel lässt gegen Mittelstürmer Seel nichts anbrennen und Geye wird von Helmut Müller völlig zugedeckt. Mit einer Ausnahme: In der 38. Minute taucht Geye frei vor Kunter auf, aber so wie die Fortuna spielt, schließt Seel auch diesen Angriff ab – erfolglos. Mutig hat sich der Frankfurter Schlussmann dem Düsseldorfer entgegen gestürzt und den Torschuss vereitelt.

Die Eintracht ist der Fortuna deutlich überlegen, daran gibt es zur Pause keinen Zweifel. Die Gäste stecken in diesem Spiel wie in einem Anzug, den der große Bruder dem viel jüngeren abgetreten hat und der mindestens eine Nummer zu groß ist.

Nach Wiederanpfiff – die beiden Mannschaften haben sich kaum postiert – macht sich Bernd Hölzenbein sogleich auf dem Weg zur linken Eckfahne. Viel Platz lassen ihm die Gäste und diesen Raum nutzt der „Holz“ für eine Flanke wie aus dem Lehrbuch. Am Fünfmeterraum steht Bernd Nickel völlig frei und es ist kein Problem für den Mann mit der ausgezeichneten Schusstechnik den Ball am machtlosen Woyke zum 3:0 ins Tor zu schießen. Wer nun noch daran glaubt, dass Düsseldorf eine Chance habe in die Partie zurückzukommen, darf sich von jedem Fußballsachverstand frei sprechen. Dieses Spiel ist spätestens durch Nickels 5. Saisontor entschieden.

Bernd Hölzenbein ist wie Jürgen Grabowski heute einfach nicht zu bremsen. Das spürt besonders sein Gegenspieler Zimmermann, den er fast der Lächerlichkeit preisgibt. Dreimal hintereinander düpiert er Zimmermann mit demselben Trick, jedes Mal endet Hölzenbeins Vorstellung damit, dass Zimmermann auf dem Hosenboden sitzt. Das Publikum ist hellauf begeistert, Zimmermann eher nicht.

Wenn man der Eintracht überhaupt etwas vorwerfen möchte, was angesichts dieses Sturmlaufs schwer fällt, dann nur die fehlende Konsequenz im Abschluss. Über ein halbes Dutzend Gegentore hätte sich der überzeugend haltende Woyke nicht beschweren können, aber die Eintracht vergisst über ihre Zaubertricks und Kunststückchen das Toreschießen.

Die Düsseldorfer haben das Ziel des Spiels nicht vergessen, aber sie kommen schlicht und einfach nicht dazu. Wenn doch – wie in der 70. Minute, als Herzog frei vor dem Kasten der Eintracht auftaucht – ist Dr. Kunter zur Stelle und macht jede Torchance des Gegners zunichte.

Trinklein nutzt unterdessen seine Freiheiten als Libero weidlich und reißt durch seine Vorstöße immer wieder die Abwehr der Fortuna auf. Auch Rohrbach ist noch tatendurstig und entzieht sich mit seinem unorthodoxen Spiel immer wieder geschickt der Bewachung des Gegners.

In der 74. Minute erreicht ein Rückpass von Bernd Hölzenbein Thomas Rohrbach, der seine Gegenspieler so überflüssig erscheinen lässt wie einen Regenschirm bei strahlendem Sonnenschein und zum 4:0 für die Eintracht einschießt. Es ist Thommys viertes Bundesligator in dieser Spielzeit und bereits das dritte Mal, dass er mit seinem Treffer den Schlusspunkt setzt.

Oder war es das doch noch nicht? Kurz vor dem Ende schießt Grabowski und es sieht schon alles nach dem zweiten Saisontreffer für den Kapitän der Eintracht aus, als der Ball kurz vor dem Überschreiten der Torlinie von Bernd Nickels Rücken aufgehalten wird. Nickel selbst hatte heute schon ähnliches Pech, als bei seinem Schuss im entscheidenden Moment der Kopf von Gert Trinklein in die Quere kam. So müssen sich die Frankfurter am Ende mit einem 4:0 begnügen, das nur unzureichend das Spielgeschehen wiederzugeben vermag.

Die Offensivabteilung der Frankfurter hat heute begeistert, daran besteht kein Zweifel. Das sieht wohl auch das Sportmagazin „kicker“ so und beruft Bernd Hölzenbein und Jürgen Grabowski zum zweiten Mal in dieser Spielzeit in die „Elf des Tages“. Valerie Lobanowski, der Trainer von Eintrachts nächsten Europapokal-Gegner Dynamo Kiew, ist von der Leistung der Eintracht sehr angetan, besonders „vom schnellen Umschalten von Abwehr auf Angriff“. Er lobt die Kondition der Hessen, betont aber: „Wir spielen immer auf Sieg.“ Das allerdings ist gerade zu Hause kein Kunststück, wenn man regelmäßig vor 100.000 Zuschauern spielt, wie man hört. Von solchen Zahlen kann Eintracht-Präsident Achaz von Thümen nur träumen, wobei ihn das Interesse an dieser Partie ein wenig betrübt: „Schade, dieses an Torszenen so reiche Spiel hätte die doppelte Menge Zuschauer verdient gehabt.“

Doch es sind nicht nur die Torszenen, es sind vor allem die tatsächlich erzielten Treffer, die die Frankfurter in dieser Saison so auszeichnen - mit 31 Toren in nur neun Spielen hat sich die Eintracht zur torgefährlichsten Mannschaft der ersten Liga entwickelt. Großen Anteil am Frankfurter Angriffswirbel hat Kapitän und Spielmacher Jürgen Grabowski, der seine Mitspieler immer wieder glänzend und gewinnbringend in Szene zu setzen versteht. Da kann die Frage nach einer Rückkehr in die Nationalmannschaft natürlich nicht ausbleiben. Doch auch Grabis Antwort kommt alles andere als unerwartet: „Daran denke ich nicht.“

Trainer Weise denkt dagegen an seine Abwehr, mit der er sehr zufrieden ist und die dieses Mal vom besonnenen Thüringer ein Sonderlob für ihre Leistung erhält, während alle anderen von der Offensive der Riederwälder schwärmen: „Körbel, Reichel und Müller haben die Weichen für diesen Sieg gestellt.“

Gästetrainer Lucas findet nach der Partie kein lobendes Wort für den in jeder Hinsicht überlegenen Gegner, bei dem er mit seiner Fortuna zum vierten Mal in Folge keinen Punkt holen konnte. Die anwesenden Journalisten haben Lucas´ Erklärungsversuche schon in der Vergangenheit teilweise mit Kopfschütteln bedacht, doch heute übertrifft sich der Düsseldorfer Coach selbst. Zuerst bekommt der Schiedsrichter sein Fett ab. Der habe die ersten beiden Frankfurter Tore „durch zwei krasse Fehlentscheidungen“ herbeigeführt, was seine Mannschaft demoralisiert hätte. Der Fehler seines Libero, der zum 3:0 führte, sei die Folge dieser „Demoralisierung“ gewesen und das vierte Tor „war auch kein Ruhmesblatt“ seiner Abwehr. Selbst der Lattenschuss von Brei kurz vor dem Ende, der nach Ansicht des Trainers „typisch war für die ganze Situation“ - nicht anderes als die Konsequenz aus den Fehlentscheidungen des Unparteiischen…

Aber damit sind die Schuldzuweisungen des Herrn Lucas noch nicht zu Ende, er findet sogar Gelegenheit, den Kreis der Sündenböcke um einen gegnerischen Spieler zu erweitern: „Der Schiedsrichter hat meinen Vorstopper Zimmermann zur Tatenlosigkeit verurteilt, weil er Hölzenbeins Tricks bei der Ballannahme, sein Abdrücken des Gegners, seine Arbeit mit dem Ellenbogen nicht erkannte und nicht pfiff. Was der Hölzenbein sich hier geleistet hat, das kann er sich auf dem Platz des Gegners nicht erlauben.“ Nun, was der Lucas sich hier leistet, erlaubt er sich ja auch auf dem Platz des Gegners…

Ein schlechter Verlierer bringt den Sportsmann Weise nicht aus der Fassung. Er verzichtet dieses Mal aber – vielleicht demonstrativ - auf die sonst üblichen Warnungen, seine Elf nicht zu überschätzen: „Wir sind einfach eine gute Mannschaft – trotz Bochum!“

Dies sagt Weise jedoch erst, nachdem er festgestellt hat, dass es rund sechs absolut gleichwertige Mannschaften in dieser Saison gäbe und auch die anderen wiederum in der Lage seien, diese sechs zu schlagen: „Nur eben nicht an jedem Tage.“ Genau dies – so Dietrich Weise – sei der ganze Unterschied zwischen oben und unten in der Tabelle.

Ganz oben in der Tabelle steht nach diesem Spieltag wieder die Eintracht, die die Tabellenspitze zurückerobert hat. Nun wartet der deutsche Meister Bayern München auf die Eintracht. Die Münchner haben gerade rechtzeitig in die Erfolgsspur zurückgefunden, wie es scheint. Nach dem überraschenden 2:1-Erfolg beim Rivalen der letzten Jahre Borussia Mönchengladbach haben die Bayern als Tabellenzehnter nur noch drei Punkte Rückstand auf die Eintracht, und das obwohl Gerd Müller, der Torgarant des Europapokalsiegers, in dieser Bundesligasaison erst ein einziges Tor erzielt hat. Auf dem Bökelberg hat er immerhin den Siegtreffer seiner Elf vorbereitet, gegen die Eintracht wird endlich wieder selbst treffen wollen. (rs)

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