Eintracht Frankfurt - 1. FC Kaiserslautern

Bundesliga 1974/1975 - 5. Spieltag

5:1 (1:0)

Termin: Sa 21.09.1974, 15:30 Uhr
Zuschauer: 17.000
Schiedsrichter: Paul Kindervater (Köln)
Tore: 1:0 Karl-Heinz Körbel (18., Foulelfmeter), 1:1 Josef Pirrung (62.), 2:1 Bernd Hölzenbein (73.), 3:1 Bernd Lorenz (82.), 4:1 Bernd Nickel (83.), 5:1 Bernd Lorenz (89.)

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Eintracht Frankfurt 1. FC Kaiserslautern

 


  • Ronnie Hellström
  • Hans-Günther Kroth
  • Werner Melzer
  • Dietmar Schwager
  • Reinhard Meier
  • Josef Pirrung
  • Peter Schwarz
  • Roland Sandberg
  • Hermann Bitz
  • Johannes Riedl
  • Klaus Toppmöller

 

Wechsel Wechsel
  • Heinz Wilhelmi für Hermann Bitz (86.)
Trainer Trainer

 

Der vierfache Bernd

Wenige Tage nach dem Triumph im Europapokalhinspiel gegen den AS Monaco wartet im Waldstadion mit dem 1. FC Kaiserslautern die nächste Prüfung auf die Eintracht. Am Ort, an dem die monegassische Prominenz kapitulieren musste, versucht sich also heute die pfälzische Provinz.

Mit den Pfälzern kommt der ehemalige Eintracht-Trainer Erich Ribbeck nach Frankfurt, der vor einem Jahr mit Dietrich Weise die Trainerbänke getauscht hat. In der letzten Saison endeten beide Aufeinandertreffen der Trainer mit ihren Ex-Clubs mit einem Sieg für Weise, 3:1 in Frankfurt und 4:1 in Lautern.

Auch diesmal sieht es nicht nach einem Erfolg für die Ribbeck-Elf aus, die in den ersten vier Punktspielen lediglich die Partie gegen Braunschweig für sich entscheiden konnte und die restlichen drei Spiele verloren hatte.

Auch im Pokal schrammten die Lauterer beim Zweitligisten Schweinfurt nur mit viel Glück an einer Blamage vorbei: Die von Eintracht-Meisterspieler Istvan Sztani trainierten Schweinfurter lagen nach 31 Minuten auch dank zweier Tore von Lothar Emmerich bereits mit 3:0 in Front und konnten diesen Vorsprung mehr als eine halbe Stunde halten, bevor zwei Elfmeter den Lauterern halfen, das Spiel noch zu wenden.

Vielleicht hängt der schlechte Start der Pfälzer mit der Form von Klaus Toppmöller zusammen, der in der letzten Saison mit 21 Treffern erfolgreichster Torschütze war. Ein einziges Tor ist dem jungen Stürmer bisher geglückt, das 2:0 gegen Braunschweig in der 88. Minute am 2. Spieltag.

Zum Glück für den 1. FC Kaiserslautern hat wenigstens Roland Sandberg seine Treffsicherheit behalten: 19 Toren in der letzten Saison hat der schwedische Nationalstürmer in der laufenden Spielzeit bereits vier Bundesligatore folgen lassen. Sandberg hat bisher in allen vier Punktspielen getroffen und dabei immer das erste Tor für die Pfälzer erzielt, dreimal bedeutete das die Führung, die jedoch nur gegen Braunschweig verteidigt werden konnte.

Ein Problem haben die Gäste aktuell außerdem in der Abwehr, weil Ernst Diehl verletzungsbedingt nicht zur Verfügung steht. Fritz Fuchs, der am letzten Spieltag in Gladbach für Diehl nach 35 Minuten eingewechselt wurde, ereilte die Höchststrafe: 31 Minuten später wurde er wieder ausgewechselt.

Ribbeck setzt heute gar nicht erst auf den alten Abwehrrecken Fuchs, sondern übergibt dem 20jährigen Werner Melzer die schwierige Aufgabe, in seinem dritten Bundesligaspiel den schlitzohrigen Bernd Hölzenbein zu bewachen.

Dieses Experiment erleidet in der 18. Minute einen herben Rückschlag: Hölzenbein und Melzer lauern auf den Steilpass, Hölzenbein ist im richtigen Moment einen Tick schneller, löst sich und Melzer kommt bei dem Versuch, den wendigen Frankfurter vom Ball zu trennen, eine Fußspitze zu spät und trifft seinen Gegenspieler, der zu Boden geht. Das kann im Strafraum nur einen Elfmeter zur Folge haben und so sieht es der Unparteiische auch.

„Das waren Hölzenbeinsche Fallkunststücke“, ereifert sich Lauterns Trainer Ribbeck. Schiedsrichter Kindervater bleibt gelassen: „Ich kann doch einen Strafstoß nicht deshalb verweigern, weil der Hölzenbein mit ihm Spiel war.“ Körbel ficht das alles nicht an; er verwandelt souverän zur Frankfurter Führung.

Dem Spiel der Eintracht verschafft dieser Treffer jedoch ebenso wenig die nötige Ruhe wie der Frankfurter Abwehr eine Verschnaufpause, denn die Lauterer wehren sich nach Kräften. Beiden Angriffsreihen ist allerdings an diesem Tag das Schussglück nicht gerade hold. Im Lauterer Kasten hat zudem der schwedische Nationaltorhüter Hellström einen Sahnetag erwischt – seine Paraden lassen die Offensive der Gastgeber schier verzweifeln.

Währenddessen hat Melzer weiterhin alle Mühe mit Hölzenbein und Bitz reibt sich bei dem Versuch, Grabowskis Schatten zu spielen, auf, ohne dem Regisseur der Eintracht das Handwerk legen zu können.

Dass es nach über einer Stunde noch 1:0 für die Frankfurter steht, ist kaum zu glauben, wenn man die Chancen auf beiden Seiten zählt. Als dann das nächste Tor fällt, bleibt es unklar, ob es denn tatsächlich eines ist: Pirrung tritt eine Ecke auf das Tor der Eintracht, Dr. Kunter fängt den Ball auf der Linie, lässt ihn jedoch durch die Hände gleiten. Gerät der Ball dabei hinter die Linie oder nicht? Die Frankfurter Spieler schwören Stein und Bein, dass das Leder die Torlinie nicht im vollen Umfang überschritten hat, doch Schiedsrichter Kindervater lässt sich auch diesmal nicht erweichen und auf keine Diskussion ein: 1:1 in der 62. Minute.

Tolle Chancen auf beiden Seiten, teilweise mutterseelenallein standen Toppmöller, Meier und Pirrung vor Kunter und Grabowski, Hölzenbein, Nickel und Rohrbach vor Hellström, doch ein Elfmeter und ein Treffer, der möglicherweise keiner war, sind nach 72 Minuten immer noch die einzige zählbare Ausbeute.

Trainer Weise entscheidet sich nun, den am Main bereits misstrauisch als Fehleinkauf beäugten Bernd Lorenz zu bringen, der am letzten Wochenende sein erstes Bundesligator erzielte, aber sonst blass blieb.

Keine 60 Sekunden später steht es 2:1 für die Eintracht, doch Lorenz ist nicht beteiligt. Es ist Bernd Hölzenbein, den Melzer nie unter Kontrolle bringen kann, der aus spitzem Winkel zu erneuten Frankfurter Führung trifft.

Die Lauterer, die bereits nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich ihre Siegchance suchten, legen nun noch eine Schippe drauf. Mit leeren Händen will man nicht schon wieder von dannen ziehen.

Aber spätestens in der 82. Minute ist klar, dass die Pfälzer Patschehändchen auch diesmal keinen Punkt greifen können. Bernd Lorenz ist nach einer schönen Flanke dort zur Stelle, wo ein Mittelstürmer stehen muss und wuchtet den Ball mit dem Kopf unhaltbar für Hellström in die Maschen: 3:1. Nun brechen die Dämme in Lauterns Abwehr und vier Minuten vor dem Ende markiert Bernd Nickel Treffer Nummer vier für die Eintracht.

Doch damit nicht genug, in der vorletzten Spielminute gibt die Eintracht statt des doppelten Lutz im Eiskunstlauf – die Eislaufbahn ist ja nur einige hundert Meter entfernt – den vierfachen Bernd, denn zum vierten Mal in Folge ist der Vorname des Torschützen Bernd: Bernd Lorenz nimmt eine wunderbare Flanke von Jürgen Grabowski zum Anlass, den Gästen das 5:1 einzuschenken.

Lorenz weiß, bei wem er sich zu bedanken hat und Trainer Weise stellt gewohnt sachlich fest, welche Bedeutung Jürgen Grabowski für die Eintracht hat: „Er ist eben unser Kopf.“ In der „Elf des Tages“ steht im „Kicker“ heute jedoch nicht der „Kopf“ sondern Bernd Hölzenbein, der sich die Nominierung ebenso verdient hat wie sein Kapitän.“

1:4, 1:3 und 1:5 lautet die Bilanz von Trainer Ribbeck gegen seine ehemalige Elf und nach dieser hohen Niederlage rutscht er mit Kaiserslautern in der Tabelle von Platz 13 auf 15 ab, während die Eintracht von Platz 6 auf Rang 3 springt.

Erich Ribbeck ist nach der dritten Niederlage in Folge gegen seinen Ex-Club angeschlagen: „Wer 1:5 verliert, kann nicht mehr von sich sprechen.“ „Wir haben nach dem 1:1 alles gewagt und alles verloren“, stellt er fest. Sein Kollege Weise beweist aufrichtiges Mitgefühl: „Erich, du tust mir leid, denn nach einer Stunde sah es gar nicht nach einem Eintracht-Sieg aus, schon gar nicht in dieser Höhe.“

Ansonsten sieht Weise, der seine Spieler in den letzten Monaten um mehr Konzentration und eine größere Übersicht anzuhalten versuchte, seine Worte von seiner Elf falsch interpretiert: „Mit weniger Touren zu spielen, so wie wir es gegen die Pfälzer über lange Strecken taten, wollte ich meine Worte nicht verstanden wissen.“

Er versuche, seine Spielern zu rationellerem Spiel anzuhalten, erklärt Weise und ist am Ende doch nicht unzufrieden: „Aber die Rhythmus-Umstellung meiner Mannschaft, als die Lauterer ausgeglichen hatten und zu gewinnen suchten, die war dann doch überzeugend. Das war ein Ansatzpunkt zur Verwirklichung meiner Wünsche.“

Wünsche, die hat Weise, zu Übertreibungen neigt der bodenständige Fußballlehrer aber nicht: „Nach diesen beiden Lorenz-Toren verfalle ich ebenso wenig in übergroßen Optimismus, wie ich vorher ein Pessimist war.“ Weise gesteht aber, dass er wegen der möglichen negativen Publikumsreaktionen überlegt habe, ob er Lorenz mit der Einwechslung einen Gefallen tue: „Zwanzig Minuten habe ich gegrübelt, ob ich ihn bringen soll.“

Bernd Lorenz kam, Joško Gluic dagegen kann wieder gehen. Dem Jugoslawen, der zwei Wochen am Riederwald trainiert hat, erteilt Trainer Weise am Sonntag nach dem Spiel eine Absage: Gluic habe sich zwar als technisch perfekt erwiesen, „aber eine echte Verstärkung wäre er für uns kaum gewesen.“

Zu viele Argumente hätten gegen ihn gesprochen, wie auch die Frage welcher jugoslawische Stürmer bisher in der Bundesliga überzeugend Fuß gefasst habe? Gluics missglückter Versuch in Kanada eine Beschäftigung zu finden, fiel ebenso negativ ins Gewicht wie die Tatsache, dass er kein Wort Deutsch spricht. Dass man Gluic in Split vor Erreichen der obligaten Altersgrenze von 28 Jahren die Freigabe erteilte, ließ die Frankfurter überdies vermuten, dass es sich bei dem Stürmer um einen schwierigen Charakter handeln könnte.

„Wenn wir einen Mann finden, den wir brauchen können, wird er verpflichtet“, sagt Weise. Gluic war dieser Mann offensichtlich nicht. (rs)

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