Tennis Borussia Berlin - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1974/1975 - 4. Spieltag

1:4 (1:2)

Termin: Sa 14.09.1974, 15:30 Uhr
Zuschauer: 12.500
Schiedsrichter: Gerd Hennig (Duisburg)
Tore: 1:0 Norbert Stolzenburg (14.), 1:1 Bernd Lorenz (19.), 1:2 Roland Weidle (26.), 1:3 Thomas Rohrbach (47.), 1:4 Klaus Beverungen (66.)

>> Spielbericht <<

Tennis Borussia Berlin Eintracht Frankfurt

  • Hubert Birkenmeier
  • Stephan Hoffmann
  • Norbert Siegmann
  • Karl-Heinz Schnellinger
  • Werner Novak
  • Norbert Stolzenburg
  • Jürgen Schulz
  • Peter Geyer
  • Joachim Thiel
  • Reinhard Adler
  • Wolfgang Sühnholz

 


 

Wechsel
  • Gino Ferrin für Reinhard Adler (33.)
Wechsel
Trainer
  • Georg Gawliczek
Trainer

 

Vier Veilchen für TeBe

Vor dem Europapokalspiel gegen den AS Monaco im Waldstadion geht es für die Eintracht erst einmal auswärts zur Sache. Allzu unglücklich dürften die Frankfurter über die Auswärtsaufgabe nicht sein, denn die Pflichtspielsiege dieser Saison im Pokal und in der Bundesliga wurden allesamt auf fremden Plätzen geholt.

Zu Hause gab es dagegen in der Liga in zwei aufeinanderfolgenden Heimspielen nur einen einzigen Punkt für die Riederwälder, die gegen den HSV vor wenigen Tagen nicht nur die erste Niederlage in dieser Saison, sondern auch die erste Heimniederlage seit Februar 1973 erlitten haben.

Da sollte doch das Gastspiel an der Spree beim Aufsteiger Tennis Borussia Berlin gerade recht kommen. Allerdings scheinen sich die „Veilchen“, wie die Lila-Weißen auch genannt werden, in der Berliner Luft wohler zu fühlen als in der Ferne. Das Auftaktspiel beim Mitaufsteiger in Braunschweig verloren die Lila-Weißen mit 0:5, doch eine Woche später schlugen sie zu Hause Werder Bremen fast ebenso deutlich mit 4:0. Am letzten Spieltag gab es für TeBe erwartungsgemäß auf dem Bökelberg nichts zu ernten, doch die Niederlage fiel mit 1:3 nach einer 1:0-Führung vergleichsweise moderat aus.

Jetzt folgen zwei Heimspiele gegen die Eintracht und danach gegen den HSV. TeBes Trainer Gawliczek ändert vor dem Spiel seine Aufforderung, die er nach dem Spiel in Gladbach machte. Aus „wir müssen unbedingt einen Punkt machen“ ist nun eine etwas andere Marschroute geworden: „Uns liegt die 1:8-Pokalniederlage gegen Frankfurt vom letzten Jahr noch im Magen. Die wollen wir heute ausbügeln. Darum sind wir nicht nur auf ein Unentschieden aus – wir wollen gewinnen.“

Gegenüber der besagten 1:8-Klatsche hat sich im Team der Berliner allerdings auch einiges getan. In der Abwehr ist beispielsweise mit TeBes damaligen Torschützen Stephan Hoffmann nur noch einer übriggeblieben, Norbert Siegmann, Werner Novak und Karl-Heinz Schnellinger heißen seine neue Kollegen.

Schnellinger? Ja, „ausgerechnet Schnellinger“ wie es Fernseh-Kommentator Ernst Huberty bei Schnellingers einzigem Länderspieltor, dem 1:1-Ausgleich im WM-Halbfinale 1970 gegen Italien, entfuhr, weil Schnellinger seit der Saison 1963/64 für italienische Vereine spielte - dem AC Mantova, dem AS Rom und seit 1965 für den AC Mailand.

Vom AC Milan, mit dem er gerade im Europapokal der Pokalsieger das Finale gegen den 1. FC Magdeburg verloren hatte, kehrte der 35jährige in diesem Sommer nach Deutschland zurück, um am Ende seiner Karriere noch einmal in der Bundesliga zu spielen.

Die Frage warum der 47fache Nationalspieler, Vizeweltmeister und Fußballer des Jahres 1962, der mit dem AC Milan Pokalsieger und Meister wurde sowie den Europapokal der Landesmeister als auch den Weltpokal gewann, nun zu Bundesliganeuling Tennis Borussia wechselt, könnte sicher TeBes Mäzen Horst Nußbaum beantworten. Der ehemalige Fußballprofi dürfte den meisten allerdings eher unter dem Namen Jack White ein Begriff sein, der als erfolgreicher Musikproduzent einen Teil seines nicht unbeträchtlichen Vermögens in die Veilchen investiert, für deren Amateurmannschaft er noch aufläuft.

Schnellinger war lange Jahre einer der besten seines Fachs, aber ob er immer noch Leistungen auf hohem Niveau abliefern kann, muss er in Berlin erst unter Beweis stellen. Wie auch Tennis Borussia noch zeigen muss, dass der Sprung aus der Berliner Stadtliga in die Bundesliga nicht doch eine Nummer zu groß ist für den Verein, der einst am 9. April 1902 in einer Konditorei aus der Kameradschaftliche Vereinigung Borussia sowie der Berliner Tennis- und Ping-Pong-Gesellschaft gegründet wurde.

Immerhin, mit Georg Gawliczek haben die Veilchen einen Trainer, der ab 1956 neben Helmut Schön Assistent von Bundestrainer Sepp Herberger war und dem es in der letzten Spielzeit nicht nur überraschenderweise gelungen ist, die Berliner zur Stadtmeisterschaft und durch die Aufstiegsrunde der Regionalliga zu führen, sondern aus einer Mannschaft von weitgehend Namenlosen ein spiel-, kampf- und nervenstarkes Team zu formen. Bayern München, Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt sind jedoch andere Kaliber als die bisherigen Gegner wie Wacker 04, SC Westend oder Rapide Wedding.

Bei der Eintracht ist Trainer Weise indes nicht frei von Verletzungssorgen: Auf Körbel, der immer noch an den Folgen der Gehirnerschütterung leidet, die er sich im Pokal in Bielefeld zugezogen hat, und Kapitän Grabowski, den Bertls Tritt am letzten Spieltag vorzeitig außer Gefecht setzte, kann Weise in dieser Partie nicht zurückgreifen.

So muss der Fußballlehrer einige Umstellungen vornehmen: Der Körbel-Vertreter aus dem HSV-Spiel, Helmut Müller, rückt wieder auf seinen angestammten Posten als Außenverteidiger, während Kalb ins Mittelfeld versetzt wird und Neuzugang Beverungen aus dem Mittelfeld auf den Vorstopperposten wechselt. Kraus steht ebenso in der Anfangsformation wie der zweite Neuzugang Bernd Lorenz, der zu seinem ersten Bundesligaeinsatz von Beginn an kommt.

Lorenz` Einsatz ist nicht geplant, aber da Rohrbach nach dem Warmlaufen über Schmerzen an der Fußsohle klagt, bleibt Weise keine andere Wahl. Es bleibt nicht einmal Zeit, die Trikots zu tauschen, weil der Schiedsrichter mit beiden Mannschaften bereits am Spielfeldrand steht...

Die Eintracht startet also mit Dr. Kunter im Tor, Trinklein als Libero, Beverungen als Stopper und Reichel und Müller als Außenverteidiger, im Mittelfeld mit Kalb, Kraus, Nickel und Weidle sowie Hölzenbein und Lorenz im Sturm.

Stürmisch beginnen jedoch nicht die Gäste vom Main, sondern der Bundesliganeuling, der im Gegensatz zu den Frankfurtern überhaupt nicht nervös wirkt. Dass sich der Ausfall von Körbel und Grabowski hier negativ bemerkbar machen könnte, will Trainer Weise nicht gelten lassen: „Wir haben doch 16 gleichwertige Spieler.“

Dennoch kommt Peter Geyer schon in den ersten beiden Spielminuten zu zwei guten Torchancen, der erste Schuss streicht noch knapp am Pfosten vorbei, bei der zweiten Möglichkeit Geyers muss Dr. Kunter gedankenschnell reagieren, um einen frühen Rückstand zu verhindern.

Bernd Hölzenbein trifft zwar in der vierten Minute die Latte des Berliner Tores, doch die Frankfurter können die Dominanz der Hausherren nicht abschütteln. Bernd Nickel kommt kaum zur Entfaltung, Helmut Müller hat mit Ex-Bayern-Stürmer Peter Sühnholz alle Hände voll zu tun und Klaus Beverungen hat auf der Position des Stoppers deutliche Anpassungsschwierigkeiten und mit Norbert Stolzenburg mehr Probleme als ihm lieb sein kann.

So kommt es nicht ganz überraschend, dass es Stolzenburg ist, der die „Veilchen“ in der 14. Minute verdient mit 1:0 in Führung bringt. Jürgen Schulz´ Flanke verwertet der blonde Stürmer unhaltbar für Dr. Kunter mit dem Kopf.

Doch nicht nur auf Stolzenburg, auch auf Peter Geyer, der vom Club aus Nürnberg zu TeBe gekommen ist, sollte die Eintracht-Abwehr ein wachsames Auge haben: Geyer erzielte in den letzten beiden Spielen vier Tore. Und doch ist es Geyer, der kurz nach der Führung den Ball erneut im Tor der Gäste unterbringt. 2:0? Nein, Glück gehabt – Schiedsrichter Hennig aus Duisburg meint ein Abseits erkannt zu haben und gibt das Tor nicht!

Liegt die Unsicherheit der Frankfurter in der 1:3-Heimniederlage gegen den HSV begründet? Bernd Hölzenbein, der heute die Kapitänsbinde trägt, gestand jedenfalls vor dem Spiel: „Das war doch ein ganz schwerer Schock für mich.“

Und in der 15. Minute gibt es obendrein eine Hiobsbotschaft für die Eintracht: Jürgen Kalb knickt mit dem Fuß um und muss ausgewechselt werden. Thomas Rohrbach muss nun auf die Zähne beißen, denn Trainer Weise nimmt auf Rohrbachs Fußschmerzen keine Rücksicht mehr und wechselt den schnellen Stürmer ein.

Vier Minuten später ist es aber nicht Rohrbach sondern der agile Kraus, der den Ausgleich vorbereitet. Bernd Lorenz hat keine Mühe Kraus´ Zuspiel aus drei Metern ins Berliner Tor zu drücken. Das erste Bundesligator von Lorenz sollte dem Ex-Rapid-Stürmer Selbstvertrauen geben und dem Spiel der Hessen mehr Sicherheit verleihen.

Doch auch nach dem 1:1 läuft es noch immer nicht rund bei der Eintracht und wie so oft, wenn es im Spiel der Hessen Stillstand gibt, bewegt sich nun ein Mann besonders viel, um seine Elf nach vorne zu bringen: Roland Weidle.

Wie wichtig Weidle für seine Mannschaft ist, beweist er in der 26. Minute. Auf engsten Raum lässt Weidle bei einem Alleingang drei Gegenspieler stehen wie Parkuhren, um dann 10 Meter vor dem Kasten von Birkenmeier den Abschluss zu suchen und zu finden: 2:1 für die Eintracht. Eintrachts Vizepräsident Ernst Berger lobt den emsigen Schwaben für seine engagierte Vorstellung: „Für uns ein sehr wertvoller Mann.“ Berlins Trainer Gawliczek beneidet seinen Kollegen Weise um Weidle: „Wenn wir so einen hätten...“ Haben sie aber nicht, was das Fehlen der Stammspieler Rumor, Sprenger und Eggert noch deutlicher werden lässt.

Der knappe Rückstand der Hausherren hat bis zur Pause Bestand und Trainer Weise zollt dem Spiel des Gegners in gewohnter Weise seinen sportlichen Respekt: „Es könnte auch 4:4 stehen.“ Sein Kollege Georg Gawliczek hadert hingegen mit der Entstehung der beiden Gegentore: „Die beiden dummen Tore des Gegners haben unseren Rhythmus gebrochen.“

Das dritte Tor der Eintracht – zwei Minuten nach der Pause – wird in den Augen Gawliczeks nicht „intelligenter“ wirken: Thomas Rohrbach zieht aus spitzem Winkel ab, Birkenmeier kann abwehren, doch Hoffmann unterlässt es, Rohrbach bei seinem Nachschuss zu stören, obwohl der Berliner Verteidiger näher zum Ball steht als der Frankfurter Stürmer. 3:1 für die Eintracht und der Widerstand des Aufsteigers ist gebrochen.

Manchmal fallen Tore wie reife Früchte, weil sie dem überlegenen Spiel einer Elf geschuldet sind; die Treffer heute fängt sich Tennis Borussia jedoch eher im Stil eines wild nach vorne stürmenden Boxers, der seine Deckung vernachlässigt. Die Folge sind drei Veilchen in Form von Gegentoren, die sich die unvorsichtigen Kämpfer von der Spree gegen die nun abgeklärt spielenden Recken aus Frankfurt eingefangen haben.

Den endgültigen K.O. versetzt TeBe in der 66. Spielminute Klaus Beverungen, der mit einem knallharten Schuss ausgestattet ist. Aus gut und gerne 20 Metern Entfernung verpasst „Beve“ den Gastgebern das vierte Veilchen – die Kugel schlägt hart unterhalb der Latte ein und es steht 4:1 für die Eintracht. Die restliche Spielzeit bringen die Frankfurter routiniert über die Bühne; der angeschlagene Gegner ist zu keiner organisierten Gegenwehr mehr fähig.

Nach dem Spiel kritisiert Dietrich Weise die schlechten Platzverhältnisse im Berliner Poststadion, in das Tennis Borussia wegen der Leichtathletikmeisterschaften der Polizei im Olympiastadion ausweichen musste: „Ein zweites Mal würden wir unsere Zustimmung nicht geben, im Poststadion zu spielen.“

Der lediglich vorübergehende Verzicht auf Thomas Rohrbach erklärt der Eintracht-Trainer mit der Notsituation, die durch Kalbs Verletzung entstanden ist: „Unter diesen Umständen konnte ich keine Rücksicht mehr nehmen. Aber Rohrbach hat gut durchgestanden und wird auch gegen Monaco spielen.“ Überhaupt ist Weise für den kommenden Dienstag optimistisch: Jürgen Grabowski wird dann mit Sicherheit eingesetzt werden können und auch mit Karl-Heinz Körbel kann der Trainer mit großer Wahrscheinlichkeit wieder rechnen.

Bernd Hölzenbein macht sich trotz der Genesung von Körbel so seine Gedanken: „Vielleicht brauchen wir doch noch einen hundertprozentigen Vorstopper, damit Körbel mit seiner Dynamik wieder für das Mittelfeld frei wird.“

Vizepräsident Ernst Berger legt sein Augenmerk dagegen auf einen anderen Mannschaftsteil und verspricht „einen jungen, dynamischen Stürmer.“ Zukunftsmusik - in der Gegenwart bleibt der heutige Gegner in der Tabelle auf Platz 14, während sich die Eintracht vom 9. auf den 6. Platz verbessert. (rs)

>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg