Arminia Bielefeld - Eintracht Frankfurt

DFB-Pokal 1974/1975 - 1. Hauptrunde

1:3 (1:2)

Termin: 07.09.1974
Zuschauer: 27.000
Schiedsrichter: Ferdinand Biwersi (Bliesransbach)
Tore: 0:1 Bernd Nickel (5.), 1:1 Volker Graul (12.), 1:2 Wolfgang Kraus (45.), 1:3 Wolfgang Kraus (50.)

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Arminia Bielefeld Eintracht Frankfurt

  • Gerd Siese
  • Rolf Bahr
  • Hans-Peter Miss
  • Jonny Hey
  • Manfred Wolf
  • Wolfgang Pohl
  • Werner Brosda
  • Helmut Balke
  • Wolfgang Schilling
  • Volker Graul
  • Günter Srowig

 


 

Wechsel
  • Wilfried Klinge für Manfred Wolf (57.)
Wechsel
Trainer
  • Erhard Ahmann
Trainer

 

Ein wahrer Kapitän

Keine Frage, die Eintracht ist gut in die neue Saison gestartet. Dem Pokalsieg über dem HSV folgte der überlegene Auswärtssieg in Bremen und auch beim Heimspiel gegen Gladbach konnte die Eintracht trotz der Punkteteilung überzeugen.

Das Unternehmen Pokalverteidigung nimmt heute auf der Bielefelder Alm seinen Anfang, wo die Eintracht vor knapp drei Jahren zum letzten Mal zu Gast war und durch drei Tore des überragenden Bernd Nickel mit 4:3 die Oberhand behielt.

Am Ende der Saison 1971/72 musste die Arminia dann den Gang in die Regionalliga antreten, weil im Zuge der Aufdeckung des Bundesligaskandals den Bielefeldern aus der Saison 1970/71 drei manipulierte Spiele nachgewiesen werden konnten. Mit Beginn der neuen Spielzeit und der Einführung der zweigeteilten zweiten Liga ist die Arminia nun wieder in den bezahlten Fußball zurückgekehrt.

Die Bielefelder sind ein undankbarer Gegner, gegen den man nicht verlieren darf, aber durchaus verlieren kann. Dass Bernd Hölzenbein heute verletzt ausfällt, macht die Aufgabe für die Hessen noch etwas schwerer. Hölzenbein, der im Länderspiel gegen die Schweiz als Nachfolger von Gerd Müller auf der Mittelstürmerposition eingesetzt wurde, strich in Basel zur Pause verletzt die Segel. Die dort erlittene Risswunde über der Achillessehne musste genäht werden; ein Einsatz heute käme zu früh. Dabei hatte Hölzenbein noch Glück im Unglück: „Etwas tiefer und die Achillessehne wäre durch gewesen.“

Dem anderen Weltmeister der Eintracht, Jürgen Grabowski, hat Trainer Weise den Einsatz heute freigestellt: Grabowskis Vater starb in der Nacht zum Freitag in einem Wiesbadener Krankenhaus an einem schweren Bronchialleiden, während sein Sohn an seinem Bett saß. Anton Grabowski war nach den Worten seines trauernden Sohnes zwar immer kränkelnd, aber auch zum ersten Mal in seinem Leben in einem Krankenhaus: „Er war bis zuletzt noch so rüstig, dass man ihm seine 73 Jahre nicht ansah.“ Der Kapitän der Eintracht ist verständlicherweise vom Tod seines Vaters mitgenommen: „Ich muss erst mal mit mir ins Reine kommen. Ich weiß nicht, ob ich am Samstag spielen kann.“

So reist die Frankfurter Eintracht an diesem Samstag ohne ihren Kapitän nach Ostwestfalen. Doch Jürgen Grabowski wäre nicht Jürgen Grabowski, wenn er diesen schweren Schicksalsschlag nicht den Pflichten seines Amtes unterordnen würde: Im Privatwagen von Eintracht-Vizepräsident Ernst Berger trifft der Spielführer der Frankfurter kurz vor Beginn der Partie im Stadion ein. Grabi kann auch in seiner bisher schwersten Stunde seine Mannschaft nicht im Stich lassen.

Seine Elf scheint ihrem Kapitän für sein Pflichtbewusstsein danken zu wollen und Bernd Nickel erinnert sich wohl an seinen großen Auftritt an gleicher Stelle im Oktober 1971, denn nach fünf Minuten liegt die Eintracht durch einen Treffer von Dr. Hammer in Führung: Der Bielefelder Miss irritiert bei Nickels Freistoß seinen Torwart Siese und der Ball zappelt im Netz.

Die Arminia zeigt sich jedoch nicht geschockt und startet ihrerseits beherzte Angriffe in Richtung des Frankfurter Tores. Bereits sieben Minuten nach dem Führungstor werden die Bemühungen der Hausherren belohnt: Eine schöne Flanke seines Sturmpartners Srowig befördert Volker Graul zum Ausgleich in den Frankfurter Kasten; Dr. Kunter hat bei diesem Treffer keine Abwehrchance. Günter Srowig hat sich mit seiner Torvorbereitung selbst ein vorzeitiges Geburtstagsgeschenk gemacht, denn in sechs Tagen wird er 28 Jahre alt.

Nach dem 1:1 entwickelt sich ein kampfbetontes Spiel, in dem beide Mannschaften zu guten Einschussmöglichkeiten kommen, diese jedoch vorerst nicht zu nutzen wissen. Jürgen Grabowski bemüht sich, dem Spiel seiner Mannschaft eine klare Linie zu geben, doch sein Gegenspieler Pohl verfolgt ihn auf Schritt und Tritt. Wer mag es darüber hinaus dem Frankfurter Ausnahmefußballer verdenken, dass er es heute nicht schafft, seine allerbeste Leistung abzurufen?

Grabowski hat der Tod seines Vaters seelisch schwer getroffen, aber er bleibt standhaft. Nicht standhaft bleiben kann dagegen Karl-Heinz Körbel, der von einem Gewaltschuss Heys aus fünf Metern Entfernung so schwer getroffen wird, dass er bewusstlos zu Boden geht. Körbel kommt zwar wieder zu sich, doch an ein Weiterspielen ist nicht zu denken. Sein Mannschaftskamerad Gert Trinklein und ein Sanitäter tragen den jungen Stopper, der schützend die rechte Hand vor sein Gesicht hält, in der 38. Minute vom Platz. „Schwere Gehirnerschütterung“ lautet die Diagnose, ein Einsatz gegen den HSV am Mittwoch soll jedoch seltsamerweise möglich sein. Man wird sehen. Der Ausfall des 19jährigen, dem Trainer Weise „schon vor 10 Monaten prophezeite (..), dass Körbel bald an die Tür der Nationalelf klopfen würde“, wiegt schwer – seit dem Pokalfinale befindet sich der junge Mann in ausgezeichneter Form.

Doch nun ist es die Eintracht, die sich von diesem Rückschlag nicht beeindrucken lässt. Roland Weidle kommt für Körbel und der schwäbische Dauerläufer passt sich sofort nahtlos in das Spiel seiner Mannschaft ein, die auf das zweite Tor aus ist.

Kurz vor der Pause ergibt sich dann für Klaus Beverungen, dem schussstarken Neuzugang aus Schalke, eine Chance. Beverungen zieht ab und sein Knaller landet am Pfosten. Miss kann den Ball nicht aus der Gefahrenzone bringen, Wolfgang Kraus schaltet am schnellsten und bringt die Kugel über die Torlinie. Die erneute Führung für die Eintracht zu einem psychologisch sicher nicht ungünstigen Zeitpunkt. Kraus, der im Pokalfinale gegen den HSV im 45. Pflichtspiel sein erstes Tor erzielen konnte, trifft nun innerhalb von drei Wochen zum zweiten Mal – so kann es gehen.

Hans-Peter Miss, der bei beiden Frankfurter Toren keine allzu glückliche Figur abgegeben hat, schimpft mit sich selbst: „So ein Mist, das Spiel läuft an mir vorbei.“ Der Präsident von Arminia Bielefeld zeigt sich aber trotz des Rückstandes in der Halbzeitpause zuversichtlich, was die Chancen seiner Truppe betrifft: „Ich glaube, sie schaffen´s noch.“

Sein Glaube in allen Ehren, doch die Realität sieht anders aus und das bereits fünf Minuten nach Wiederanpfiff. Wieder ist es der 21jährige Kraus, der den Bielefeldern nun die letzten Hoffnungen raubt: Gegen seinen tückischen Aufsetzer aus 14 Metern hat Torwart Siese keine Chance. 3:1 für die Eintracht und diese Pokalpartie ist entschieden.

Nicht, dass die Arminia nicht auch weiterhin stürmisch angreifen würde, aber es fehlt neben der Durchschlagskraft im Sturm auch ein wenig an den spielerischen Mitteln, die Gäste nun so unter Druck zu setzen, dass man dem Spiel noch eine Wende geben könnte.

Das Glück, das man braucht, um solch eine Partie noch zu drehen, ist heute ebenfalls nicht aufseiten der Hausherren. Als eine Schilling-Flanke von Trinklein fast im Stile eines Volleyballers sechs Meter vor dem Tor der Eintracht mit beiden Händen abgewehrt wird, schweigt die Pfeife von Schiedsrichter Biwersi.

Andererseits haben die Bielefelder Glück, dass Neuzugang Bernd Lorenz in seinem ersten Einsatz von Beginn an nicht zu überzeugen weiß und blass bleibt. Es ist wie so oft bei der Eintracht: Mit einem Mittelstürmer von der Klasse eines Gerd Müller würde die Elf vom Main öfter treffen, als sie es ohnehin schon tut. In manchem Spiel fehlen diese Tore, heute nicht.

Wolfgang Kraus als Mittelfeldmotor und Peter Reichel als offensiver Außenverteidiger sind die Aktivposten bei der Eintracht und lassen keinen Zweifel daran, wer hier heute als Sieger vom Platz gehen wird. Als Biwersi nach 90 Minuten abpfeift, liegt die Eintracht immer noch mit 3:1 vorne und hat die nächste Runde sicher erreicht.

Neben dem Pflichtbewusstsein Jürgen Grabowskis fällt besonders die Leistung von Peter Reichel auf, der sich als angehender Lehrer neben seiner Fußballerkarriere auf sein Staatsexamen vorbereitet. Reichel weiß, was er will: Vor drei Tagen hat er seine Teilnahme am Länderspiel der B-Elf des DFB gegen Luxemburg abgesagt. Das Studium hat Vorrang. Dumm sterben will Peter Reichel nicht.

„Ich dachte nie, dass ich bei dieser guten Truppe bis in die erste Mannschaft käme“, erklärt der Mathematik- und Sportstudent Reichel fast entschuldigend, dass er – als er vor vier Jahren von Gießen nach Frankfurt kam – das Angebot der Eintracht angenommen hat.

„Aber was hilft es? Ich kann doch die Arbeit der letzten vier Jahre und meine Zukunft nicht gefährden“, stellt er fest. „Ich weiß nicht, ob die Europa-Cup-Termine sich mit den Prüfungsterminen überschneiden, und hoffentlich habe ich auch genügend Zeit fürs Training, wenn ich im Frühjahr als Referendar an eine Schule gehe“, sagt Reichel und schränkt ein: „Vorausgesetzt, ich packe das Examen.“ Daran zweifelt jedoch niemand, der den zielstrebigen jungen Mann kennt.

Jürgen Grabowski hält auf Körbel und Reichel ebenfalls große Stücke und sieht für die beiden Nachwuchsspieler selbst die Nationalelf nicht in weiter Ferne: „Über das große Talent von Körbel gibt es ja gar keine Diskussion. Vielleicht werden dadurch andere noch mitgezogen. Ich denke da in erster Linie an Peter Reichel.“ (rs)

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